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WochemUch erscheinen drei Nummern. Prä»»n:kwtion«-Preis 22z Silbergr. lj Thlr.) vierteljährlich, Z Tblr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pranumerirt aus dieser Lireraeur- Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staat« Zeitung (Friedrichs- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den WohUöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 34. Berlin, Montag den 21. März 1842. Ostindien. Loustannau, der Französische Mahratten - General. °) In dem letzten Jahre der Herrschaft Mehmed Ali'S über Syrien konnten alle Reisenden in Seida, an der Pforte des Französischen Hospizes, einen höchst merkwürdigen Greis sehen. Er saß gewöhnlich in der Sonne, auf den Steinplatten am Eingang; man erkannte ihn leicht an seiner edeln martialischen Physiognomie, seiner verstümmelten und beständig mit einem rothcn Taschen tuch umwickelten linken Hand, seinem silberweißen Bart und Kopfhaar. Auf dem von Alter und Leiden gefurchten Antlitz lag so viel Würde und Größe, daß viele fremde Personen vor dein ihnen unbekannten Greise verwundert stehen blieben. Dieser so interessante Mann war der General Loustannau. Im Flecken Aldens (Dcpart. der Nieder-Pyrenäen) von ziemlich unbemittelten Aclter» geboren und schon früh von einem leidenschaftlichen Hange, in fernen Zonen sein Glück zu suchen, angespornt, faßte er den Plan, nach Amerika zu gehen. Seine Familie widersetzte sich lange diesein Vorhaben; da aber nichts seinen Entschluß erschüttern konnte, erhielt er endlich die ersehnte Zustimmung und ging als 20 jähriger Jüngling nach Bordeaux, um sich dort einzuschiffcn. Einige unvorhergesehene Hindernisse machten ihn ungeduldig, und da gerade ein nach Ostindien befrachtetes Schiff, die „Sartine", im Begriff stand, die Segel zu lichten, gab er die Reise nach Amerika auf und ging den 17. Sept. 1777 an Bord dieses Schiffes, das Herrn Saint-Lubin, welcher im Auftrage Ludwig's XVI. den Mahratten ein Schutz- und Trutzbündniß gegen England Vorschlägen sollte, nach Indien brachte. Nach einer glücklichen Ucberfahrt landete die „Sartine" in dem kleinen Hafen Schaul bei Bombay, welcher den Mah- rattcn angchörte. Um diese Zeit war der Paißwah oder Kaiser der Mahratten ermordet worden. Der Argwohn fiel auf den Prinzen Ragowa, seinen Bruder, welcher sich des Thrones bemcistcrn wollte. Da die Fürstin gerade schwanger war, so beschloß man, daß, wenn sie mit einer Tochter niedcrkämc, die Herrschaft auf Ragowa übergehen sollte; seine Jntriguc» hatten keinen größeren Erfolg. Die Fürstin gebar einen Sohn, der unter dem Namen Sabaik-Maduran als Kaiser ausgcruseu ward. Zum Regenten wählte man nicht Ragowa, sondern den Nadscha Nassaphcrnis. Jetzt warf Ersterer die Maske ab, empörte sich mit einigen anderen Radscha's und bekämpfte den Nassaphcrnis. Zweimal ge schlagen, floh er nach Bombay, schmeichelte dem Britischen Ehrgeize, erhielt Truppen sammt Munition und erschien ein zweites Mal in offenem Felde, um seinen Neffen zu entthronen. Aber schon hatten Nassaphcrnis und die mäch tigen Radscha's Sindschah und Holkar ihre Heere vereinigt und marschirten dem Prätendenten entgegen. Im Berlanfc dieser Unruhen war Herr Saint-Lubin, weil cr nichts zum Abschlusse bringen konnte, wieder nach Europa gereist. Ihn ersetzte Herr von Montigny, der die Mahratten wenigstens bewegen sollte, eine Armee Spahi's auszuhebcn, bis Frankreich ein Geschwader nach Indien schicken würde. Loustannau wünschte bei den Mahratten Dienste zu nehmen und erhielt auf sein dringendes Gesuch von Herrn von Montigny einen Empfehlungsbrief an Herrn Noronhe, einen Portugiesischen Offizier und General in Mahrattischcn Diensten, der ihn sehr gut empfing, aber wegen seiner Jugend nicht beim Heere anstellte. Loustannau folgte den Bewegungen des Heeres und war Zeuge von den beständigen Vortheilen, welche Noronhe's Unklugheit die Eng länder erkämpfen ließ. Obwohl dem Feinde dreifach überlegen, räumten die Mahratten überall das Feld. Vergebens war cs den Radscha's gelungen, die Engländer zu umzingeln; diese hatten sich auf einer Anhöhe verschanzt und daselbst einige Batterice» errichtet, die in den Reihen der Mahratten große Verwüstungen anrichtctcn. Loustannau bemerkte eine andere Anhöhe, welche die Stellung der Engländer beherrschte, und meldete dies sogleich dem Portu giesen Noronhe, der seine Mittheilung mit Stolz und Hohn aufnahm. Von diesem Benehmen des Generals heftig gereizt, wendete sich Loustannau ver mittelst eines Dolmetschers direkt an einen Mahrattischen Häuptling und ver bürgte sich mit seinem Kopfe für den Erfolg, wenn man ihm einige Kanonen anvertrauen und es ihm überlassen wollte, sie zu richten. Der Mahrattische Häuptling machte seinen Bericht an den Radscha Sindschah, der sogleich ein ') Die hier mitgcchciNe eben so romantische als inieressante LcbcnSskizze dieses merk würdigen Mannes bildet einen Anbang zu Herrn F. Perrier'« in diesen Blätter» bereit« mehrsach erwähntem Werke: „Syrien unter der Regierung Mehmed Ali'«." Corps von »000 Reitern und 10 Feldstücke unter Loustannau's Befehl stellte. Der Erfolg übertraf noch seine Erwartungen; die Engländer wurden auf allen Punkten geschlagen und zersprengt. Trotz der Eifersucht des Generals Noronhe kam bald ein Tschokadar mit golvcncm Stabe zu dem jungen Franzosen ins Lager: Loustannau wurde dem Nassaphcrnis, den Radscha's Sindschah und Holkar vorgestcllt und empfing fürstliche Geschenke von ihnen, namentlich: ein ganz angeschirrtcs Pserd, einen kostbaren Säbel und'eine Börse mit 3000 Rupien. Herr-von Montigny reiste, wie sein Vorgänger, unverrichtetcr Sache nach Frankreich zurück; Loustannau aber blieb im Dienste der Mahratten und schloß bcüd einen Vertrag mit dem Vice-König Sindschah, worin dieser ihm den absolutesten Oberbefehl über ein auszuhebendes Corps von 2000 Mann zusichcrte, das de» Namcn Französisches Corps führen sollte. Der unter so bedenklichen Auspizien begonnene Krieg wurde mit Ruhm beendet, und bald zwangen die Radscha's, von dem helvenmüthigen Loustannau angeführt, ihre Feinde zu einem schimpflichen Vertrage- Die Engländer ver pflichteten sich, densclben Ragowa, dem sic Beistand geleistet hatten, an die Mahratten auszulicfcrn, alle Städte und Festungen hcrauszngcbcn, deren sie zu Anfang des Feldzuges sich bcmcistcrt, und bis zur gänzlichen Erfüllung des Vertrages Geiseln zu stellen. Jndcß wurden die Feindseligkeitc» doch bald wieder erneuert. Ein Corps von 13,000 Engländern und Spahi'ö unter General Garder kam der Armee in Bombay zu Hülfe. Als die Nachricht von dem Anmarsche des Generals zu den Mahratten gelangte, wollte Sindschah im ersten Treffen die Geiseln an Mundstücke von Kanonen binden lassen ; aber der menschenfreundliche Loustannau eilte 13 Meilen weit herbei, und seine Fürsprache wirkte so viel, daß die Un glücklichen zu dem Leben auch ihre Freiheit und reiche Geschenke bekamen. Lonstannau's Edelmuth und hochherzige Tapferkeit lockten viele Enropäcr und Eingcborne unter seine Fahnen. Er marschirtc mit Sindschah gegen den Feind. Im Gefechte bei Schassipakrcr stürzte sich Loustannau an der Spitze eines Haufens seiner wildesten Rulja's mit gezücktem Säbel in die Reihen der Englischen Spahi's, die alsbald das Feld räumten. Auch den Engländern wurde eine gänzliche Niederlage bcigcbracht. Die abzichende Britische Artillerie feuerte noch einige Mal, um die Fliehenden zu decken, und eine Kartätschen kugel verstümmelte Loustannau's linke Hand; dessenungeachtet fuhr cr fort, zu kämpfen, und nahm drei feindliche Geschütze. Er mußte eine lange Kur be stehen; vier Finger und die Hälfte des Daumens warm ihm abgcschofscn. Um diese Entstellung zu verbergen, ließ er sich eine Hand von Silber machen, die vortrefflich gearbeitet war. Als er mit dieser neuen Art von Hand zum ersten Male an der Spitze seines Corps erschien, warf sich ein Priester zu den Füßen seines Pferdes nieder und rief entzückt; „Die Prophezeiung ist erfüllt! denn im Tempel des Gottes Suva steht geschrieben, daß die Mahratten auf den höchsten Gipfel ihres Ruhmes steigen werden, wenn ein Mann aus dem fernen Abendlandc, dessen Hand von Silber, sie anführt!" Loustannau wurde jetzt eine Art von Halbgott. Von allen Seiten erhielt cr die reichsten Geschenke an Edelsteinen und Diamanten. Nassaphernis schenkte ihm einen prächtigen Palast, der bald mit königlichem LuruS ausgestattet war. 30 kostbar angeschirrte Elephantcn nnd 130 der schönsten Ostindischcn Pferde füllten seine Ställe. Ein Corps von 2000 Rulja's wurde seine Leibgarde; auch erhielt er vier Kanonen mit dazu gehöriger Mannschaft. Der vor nehmste Radscha ließ am Eingang dcs Palastes zwei kolossale silberne Hände aufpflanzen, damit Loustannau's glorreicher Name allen Indiern vcrkimdct würde. (Schluß folgt.) Frankreich. Philosophie und Leben in ihren gegenseitigen Einwirkungen im heutigen Frankreich. (Schluß) Es ist wahr, der Einfluß der Philosophie erstreckt sich nicht unmittelbar auf die Massen. Um von ihnen begriffen zu werden, muß sie ihre Form und Sprache ändern. Sie wendet sich zunächst an einen engeren Kreis von Ge weihten, doch durch diese vermittelt, wirkt sie auf die Literatur in ihrem ganzen Umfange, auf den Unterricht, auf den Glauben und die Sitten der Nation. Sie durchdringt die Geister, ohne daß sie selbst es fühlen; sie knüpft ihre tiefe ren Grundsätze an alltägliche Ideen an, und als Wissenschaft des reinen Gedan-