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Wichmtlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22j SUbergr. (^ Thlr.) vierteliädrlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcrirt auf diese« Literatur- Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staat«-Zeitung (Friedrich«. Straße Nr. 72); in der Prooin; so wie im Au«landc hei de» Wohllödl. Post - Armlern. Literatur des Auslandes. 29. Berlin, Mittwoch den 9. März 1842 Polen. Von den Polnischen Rugi, Reichstagen und Provinzial-Sitzungen.'') I. Von den Rngi. Rugi hießen die Prüfungen der Gesandtschafts-Instrumente, welche die Wahl der zu so wichtiger Function berufenen Männer beglaubigten-, die In strumente selbst hießen Lauda. Sie wurden den Gesandten (Landboten) gleich bei der Wahl auf den Landtagen ertheilt, erwarben diesen das Anrecht auf eine Wojewodschaft und sonstige Bortheile. Die Rugi bildeten den ersten Theil der Thätigkeit des Reichstages, indem der Gesandte, welcher nicht ordnungsmäßig gewählt oder kondemnirt war, aus der Zahl der Genossen gestrichen wurde. Manchmal dauerten solche Prü fungen zwei bis drei Tage, wen» nämlich zwei gesandtschaftliche Parteien aus einem Kreise auf den Reichstag gekommen waren. Jede Partei zeigte ihr Laudum als gültig und mühte sich, die andere zu verdrängen; doch wagte der Kondemnirte, auch wenn er keinen Widerspruch fand, seine Wahl selten zu verfechten, damit er nicht nachher in zu enge Berührung mit den Säbelhclden der rivalisirenden Partei käme. Wenn man es irgendwo wagen konnte, einer feindlichen Partei unter die Augen zu treten, so war es auf dein vor Gewalt wenigstens während der Dauer sichcrstsllendcn Reichstage selbst. Der Marschall des alten Stabes mit den Gesandten, gegen die sich keine Protestation hören ließ, war der Vorwurfsrichter. Weil gewöhnlich Jeder entweder eine berechtigte oder unberechtigte Gegenpartei fürchtete, so w« nichts natürlicher, als daß er um Freunde warb, die ihn im Nothfalle retten könnten; deshalb herrschte bei diesen Rugi ein ungemeiner Tumult, da von einer Seite zur Removirung des Gesandten von seiner Function, andererseits, ihn zu halten, alle Kraft angestrengt wurde. In solchem Falle arbeiteten die beiderseitigen Freunde an der Besänftigung der Gegner und brauchten dabei als Mittel; Bitten, Drohungen, Versprechungen und baarcS Geld. Wenn bei den aufgeregten Parteien Alles nicht fruchtete, mußte, besonders wo die Macht des Magnaten gegen den Gesandten bewies, der rechtswidrig Gewählte oder Kondemnirte das Feld räumen und gern oder ungern die Gesandtenrunde verlassen. War jeder der Gesandten gerechtfertigt, dann schritt man erst zur Wahl eines Marschalls. Wenngleich Jemand in prozessualischen Verwickelungen oder in einer Condemnation sich befand, was übrigens keine Seltenheit war, so erhob sich vor der Wahl eines Marschalls dennoch Niemand gegen ihn — und nachher schadete ihm solche Anklage nicht mehr; denn die ganze Stube sprach für ihn, indem der Gesandte durch die beendete Marschallswahl in Aktivität getreten und also jetzt nicht mehr zurückgedrängt werden könne. Der Ankläger mußte schweigen, und der Gesandte blieb in seiner Function. II. Von den Reichstagen. August III. war in jeder Beziehung ein guter Herr, aber so unglücklich, daß unter seiner dreißigjährigen Regierung kein einziger Reichstag ordentlich zu Ende ging. Widerspenstige Parteien und fremde Höfe lösten die Verhand lungen auf, dadurch, daß sie den Reichstag dem Individuum untcrordneten; die Schuld wurde gewöhnlich aus den König gewälzt und gegen die unglück selige Regierung geeifert; cs gäbe, hieß es, gar keine Regierung im Lande, der König sitze auf dem Thron wie ein Götze, ohne Kcnntniß der öffentlichen Interessen, er wisse von nichts, verstehe nichts und habe alle Regierungsge schäfte einem Sachsen übertragen. Die mißverstandene Freiheit habe sich so weit verirrt, daß sie alle Bande des Rechts zu lösen drohe und nicht einmal eine Besserung der Unordnung zulassen wollte, damit die Ohnmacht des Landes ein Ende erreichte. Wahr ist cs, daß der König sich um die öffentlichen Interessen im Ein zelnen wenig kümmerte, aber im Allgemeinen zielte" er dahin, daß der Staat aus der alten Verwirrung zu neuem Ansehen und größerer Militairkraft empor käme; er befaßte sich nicht mit Projekten und speziellen Anordnungen, denn er kannte das Polnische Recht nicht. Aber so viel er durch seine Gnadcnspcn- den, durch Errichtung von Aemtern und Starosteicn wirken konnte, that er mit löblichem Eiser; er nahm alle diejenigen auf, die ihm zu öffentlichen Aemtern fähig schienen, versöhnte die Feindseligkeiten unter ihnen und be schwichtigte den Haß gegen seine eigene Person oder gegen seinen Minister, ') „Sitten und Gewohnheiten unter Anguß UI." Herausgegeben von, Gr. E. Raeznniki. ohne welchen er als Sachse sich nicht bewegen konnte, und der auch auf keine Weise in die Polnischen Angelegenheiten ohne Berathung mit den Großen des Landes und nach deren Dezision cingriff, doch, wenn es daraus ankam, bei seiner individuellen Meinung muthig beharrte. Im Allgemeinen wirkte der Hof nur dahin, die Eintracht unter den Magnaten zu begründen, um wenn auch nur Einen Reichstag durchzubringen. Aber diese Arbeit blieb von Seiten des Königs sowohl als des Ministers und aller der Großen, die vereint mit dem Könige für Reichstags-Beschlüsse thätig waren, vergebens; denn die Gegenparteien, welche gemeinsam mit Jenen beriethen und die Materie dcs Reichstags vorschlugen, eiferten unter der Hand gegen das Unheil der Reichs tage und suchten heimlich immer Jemanden hcrans, der die Verhandlungen unterbrach und sich den Versammlungen entzog. Zu solcher Auslösung der Reichstage brauchte man nicht Personen, die mit Vernunft begabt waren und Liebe für das Gemeinwohl in sich trugen; nein, dessen bedurfte es nicht. Leicht erhob sich ein Gesandter, in dessen Kopf es so finster war wie die Nacht, ohne auch nur scheinbare Ursachen der Spaltung im Gesandtenzimmer und schrie; „Keine Eintracht ans dem Reichstage!" — Und das reichte hin, allen Anderen die Befugniß zu weiteren Verhandlungen zu nehmen- Wenn der Marschall nach dem Grunde der Auflösung fragte, so wurde kurz geantwortet; „Ich bin Gesandter und willige nicht ein." Hiermit setzte sich der Protestirende wie ein stummer Teufel; aus alle Bitten und alles Eindringen der anderen Gesandten um Angabe einer Ursache der Hemmung des Reichs tages antwortete er nur; „Ich bin Gesandter"; dann entfernte er sich aus der Gesandtenstube, brachte das Manifest über die Ungültigkeit in die Kanzlei und bediente sich dabei irgend eines Prätcrtes. Die zur Auflösung bestim menden Ursachen waren manchmal plausibel, wie damals, als Rußland im Kriege mit dem Könige von Preußen sein Militair über ganz Polen zerstreut hatte. Die Störer der Reichstags-Verhandlungen brauchten den Vorwand, daß unter der Waffe eines fremden Soldaten die Freiheit beschränkt werde, der Reichstag also nicht frei sepn könne und folglich nicht statthaben dürfe. Manchmal waren diese Ursachen sehr ungeschickt und fremdartiger Natur. Im Jahre 1730 legte der Wojewode von Podolien, welcher vom Hofe zum Reichstags-Marschall designirt war, zu diesem Zwecke die Wojewodschaft nieder. Die dem Hofe contraire Partei benutzte diese Erfindung des adeligen Senators, wiewohl dieselbe dem Gemeinwohl nicht nachträglich war, als Ursache zur Auflösung des Reichstages. Aehnliche Gründe führten im Jahre 1772 zu gleichen Erfolgen, als der Sohn des Grafen Brühl aus dem War schauer Gebiet eincn Gesandtschastsposten rcpräsentiren sollte; man wollte ihn für keinen Polnischen Edelmann ansehen, obgleich er durch das Tribunal- Dekret als solcher anerkannt war. Endlich beschlossen die Polnischen Großen mit dem Könige, doch wenigstens Einen Reichstag abzuhalten; die Parteien hatten ihre Theilnahme zugesichcrt, die Zwistigkeiten waren bcigelegt, und man sah dem Reichstage als einem gemeinsamen Heile mit Sehnsucht entgegen; es war ein Marschall gewählt worden, die Rugi waren beendigt und eine Mili tair-Vermehrung bis auf KN,OW Mann beschlossen; die ganzen sechs Wochen hindurch ging Alles ordentlich und ohne Unterbrechung. Am letzten Tage, als Nichts mehr zu thun übrig war, als das ganze Werk durchzulesen und zu unterschreiben, da vertieften sich die verschiedenen Gesandten in die Besprechung ihrer Privat-Angelegenheiten so lange, bis die Dämmerung begann und man weder zum Lesen noch zum Schreiben sehen konnte; umsonst bat der Marschall und viele andere dieser hochgeborenen Oratoren, ihre Privat-Angelegenheiten bis zum anderen Reichstage zu ver schieben und dem lange begehrten Erlösungswcrk durch die Unterschrift seine Gültigkeit zu geben; diese Bitten wurden nicht gehört; man pcrorirte, bis vollständiges Dunkel cingctreten war. Da hörten die Perorationen auf; der Marschall, in freudiger Hoffnung eines glücklichen Erfolges, befahl, Licht zu bringen, aber die wiederholt gebrachten Fackeln wurden mit großem Lärmen, daß es nicht zieme, bei Licht zu verhandeln, verbeten und durch die der Thür zunächst befindlichen Personen mit Tüchern, Mützen rc. ausgelöscht. Der Mar- schall saß mit den Gesandten bis 10 Uhr im Finstern und forderte wiederholt neues Licht; da er sich aber überzeugte, daß die Sache nicht von der Unge schicktheit der Diener abhänge, sondern daß man die Auflösung dcs Reichstags wolle, verabschiedete er sich mit den zarten Worten; „Wer daran schuld ist, 8ket ämlxäuv in üoxteri« Dies war der einzige Reichstag, der die gesetzliche Zeit hindurch währte und woraus dennoch ohne Manifest beschlossen wurde. Andere wurden kurz nach der Marschallswahl aufgelöst, oft auch vor derselben, manche schleppten sich 2 bis r Wochen hin ; der Reichstag in Grodno gehört zu denen, wo die Schuld