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36 güiern, euren argwöhnischen Konsul, euren eifersüchtigen Ritter und Senator im Stich und eilt zu ihm, zu ihm, der zu eurem Preise die Saiten angc- stimmt, der euren Namen so unsterblich gemacht hat, wie es der der Grazie ist, O, komme zu ihm, süße Lydia, und ihr anderen Alle, Pyrrha, Chloe, Reaera, Tyndaris, Phyllis, übt Barmherzigkeit und laßt ihn nicht umsonst seufzen und schmachten! O, säumet nicht, lohnt ihm durch Gegenliebe, um schwebt ihn mit euren Fittigen, scherzet und koset mit eurem wärmsten Freunde, auf daß er sich erhole von den Quäle», die er um Euch gelitten! — Nun, er ward erhört, der gute Horaz, und er tändelte, wenn auch mitunter ein bischen stark gefoppt, in diesen Liebeleien unbekümmert eine gute Weile fort. Doch still! Allgemach verliert sich der Rausch, das Liebessieber verschwindet im Lauf der Jahre immer mehr und mehr, auch die Königinnen alle, denen er ehedem gehuldigt, sind unterdeß verwelkt, und mit den Worten: „Leb' wohl, du trauter Liebesrock, du bist mir schon zu unbequem, ich weihe dich der Venus", wendet er sich anderen Lebensgenüssen zu. Die Freuden des Mahles, gewürzt durch köstlichen Falerner Rebensaft und durch Unterhaltung mit geistreichen Tisch genossen, Ausflüge aufs Land, sein freundschaftliches Verhältniß zu Mäcen und anderen Personen, alle die tausendfältigen kleinen Zufälle und Begegnisse, die das Leben mit sich führt, und vor Allem die große Kunst, sich das Dascyn so angenehm als möglich zu machen, also die eigentliche Lebensphilosophie — dann auch die öffentlichen Angelegenheiten — dies sind so die Gegenstände, auf die er nun sein Augenmerk richtet und die er mit der nämlichen Anmuth und Grazie, mit derselben Kraft und demselben Feuer besingt, wie seine Schönen. Ganz ins besondere ist cs die politische Ode, welche Horaz zur höchsten Stufe der Voll kommenheit entwickelt und die er zu einer unsichtbaren Macht erhoben hat, die Gemüther zu beruhigen, das Volk mit der neuen Herrschaft zu versöhnen, den Imperator Augustus von den Verbrechen und Gewaltthätigkeiten des Trium- vir Octavian zu reinigen. Er hat die Ode in allen Tönen erklingen, in allen Sprachen reden, er hat sie den Waffenruhm wie das Glück des Friedens, die vernichtete Republik wie die neugegründete Monarchie feiern lassen. — Und nun erst gar Horaz, der Epistolograph! Wie könnte cs uns einfallen wollen, die unzähl- und unnennbaren Schönheiten hervorzuheben, die er in seinen Briefen niedergelegt? Ja, die Briefe sind vielleicht das Werthvollste von Allem, was sein schaffender Genius hervorgebracht, wodurch er die Herzen und die Geister aller Völker für sich gewonnen, um deswillen er ohne Anmaßung von sich sagen durfte: „Ich habe mir ein Denkmal er richtet, dauernder als Erz." (Schluß folgt.) Süd-Afrika. Die Setschuana-Sprache. Diese bis auf die neueste Zeit unbekannt gebliebene Sprache ist zunächst das Eigenthum eines zahlreichen Volkes in Süd-Afrika, der Betsch uana's, wird aber, nach den bisherigen Erfahrungen der unter diesem Volke wohnen den Missionaire zu schließen, noch viel weiter nördlich, vielleicht bis gegen den zehnten Grad südlicher Breite hin, gesprochen. Der evangelische Missionair Casalis, ein sehr verständiger Geistlicher von wissenschaftlicher Bildung, wel cher schon lange unter dem Volke lebt und wirkt, hat die erste Grammatik des Setschuana nebst sehr interessanter Einleitung und Proben von Liedern, Mährchen und Sprüchwörtern der Betschuana's herausgegeben, die uns in gewissem Betrachte eine neuere Welt aufschließen, als Amerika selbst jetzt noch für Europa ist. Von den einheimischen Sprachen der bekannteren Regionen Afrika's — und welche ungeheuren Räume dieses Welttheils deckt noch ein mystischer Schleier! — ist nur die Aegyptische (Koptische) wissenschaftlich beurtheilt und bearbeitet worden. Einen Theil der Neger-Sprachen Senegambiens, Ober- und Nieder-Guinea's haben Europäische Eroberer und Spekulanten schon vor Jahrhunderten zum Unheil, und Missionaire nicht immer zum Heile der Afri kanischen Menschheit praktisch erlernt; auch hat man Sprachlehren und Wörter sammlungen verfaßt, aber der Blick des echten Sprachforschers ist kaum flüchtig auf Afrika gefallen. Herrn Casalis' Lruüe^ «»r la Isnguo 8eokusns werden vielleicht einen Impuls zur endlichen Nachholung des Versäumten geben; denn obwohl noch sehr mangelhaft, sind sie doch eine mit Geist und ohne Vorurtheile abgefaßte Skizze. Die Setschuana-Sprache, obwohl von einem edleren und energischeren Volke gesprochen, als die Negerstämme sind, ist ohne Zweifel eine der weichsten und vokalreichsten in ganz Afrika, ja auf der ganzen Erde; sie duldet am Ende der Wörter nur Selbstlauter, oder höchstens n und das nasale ug, vermeidet jede Kvnsonantenhäufung und hat eine Fülle von Diphthongen. Die Hollän dischen Wörter Kal«, vleesek werden im Munde der Betschuana's Ksls«i, vvelaai. Ihr Lautsystem giebt der Sprache so große äußere Aehnlichkeit mit den Idiomen Polynesiens, daß ein Kenner der letzteren durch einen ihm vor gelegten Setschuana-Tert momentan getäuscht werden könnte, obschon Ver wandtschaft mit jener Sprachenklaffe durchaus nicht vorhanden ist. Sehr überrascht hat uns die auch von Herrn Casalis bemerkte unge meine Uebereinstimmung gewisser Wörter mit gleichbedeutenden Semitischen, besonders Hebräischen, Z- B. r««pi, Antilope (rn'Ki, Gazelle, später Hirsch); mn-miti, Wahrheit;") Kana, Kinder (Kamm, Kus); kolu, ') Hebe. -inetN. In diesem Worte ist aber der drille Radikal u verloren, und das Set- schuana-Wort Halle demnach sogar einen primitiveren Charakter! V-rgl. imöu u. s. w. Stimme (köl); uwcko, Mark (müsck); rmuo, Lanze (römsvk); rors, verfluchen (arör) u. s. w. Die meisten Wörter dieser Art könnten freilich auch von den Arabern erborgt seyn: es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß Etwas aus der Muttersprache eines so tief im Innern und so weit an der Ostküste des Welttheils vorgevrungenen Volkes bis nach dem äußersten Süden sich verloren haben sollte, aber Begriffe, wie Kinder, Stimme und (in Süd-Afrika) selbst Antilope, bedürfen nicht erst einer ausländischen Be zeichnung. Zu den merkwürdigsten grammatischen Erscheinungen gehören: die Um bildung der ersten Silbe des Romens im Plural tz. B. motu, Mensch: Kuru, Menschen; legeks, Taube: msaeks, Tauben) — der modisizirende Ein fluß, welchen die erste Silbe des Subjekt-Nomens auf die anderen Bestand theile des Satzes ausübt u. dgl. Analog den Semitischen und noch mehr den Tatarischen und Finnischen Sprachen ist der Ausdruck von allerlei Bestimmun gen am Verbum, die den Gebrauch einiger Hülfsverba, Abverbia und Pro nomina ersparen, z. B. Koka, binden: Kokoa, gebunden werden; ipoka, sich selbst binden: Kulisa, binden lassen; ipotis», sich binden lassen; Kotaus, einander binden: kofl«i«a, sehr stark binden. Eines dieser abgeleiteten Verben schließt sogar die Präposition für in sich und macht den Dativ entbehrlich: kokel» heißt: für lN. N.) binden: Kokelos, für (N. N.) gebunden werden; ipokel», für (N. N.) sich selbst binden. Der Kon junktiv wird symbolisch durch Verwandlung des Endvokals s in e bezeichnet. Relative Tempora (Imperfekt, PluSquampen., relatives Futurum) bildet man durch Vorsetzung eines HülfSverbums. An abstrakten Begriffen ist die Sprache noch arm; sie eristiren größten- theils nur als Verbalwurzeln. Dagegen giebt es mancherlei Euphemismen, die Taki und Zartgefühl beurkunden; so z. B. sagt man von einem Verstor benen: er ist erloschen, oder: er ist zu seinen Vätern versammelt (also echt biblisch). Die Phrase: Ich weiß es nicht, wäre ein zu plattes Geständniß der Unwissenheit ; man sagt seiner und edler: weiß ich's? Ein Sohn, dessen Vater sich berauscht bat, meldet ihn als munter oder sehr fröhlich. Das Wort Verbrechen oder Laster wird durch Schwäche ersetzt; und von Leuten, die sehr schwere Uebertrelungen begangen, heißt es, sie seyen einmal kraftlos geworren, orer behindert, oder sie hätten sich vergessen. Mannigfaltiges. — Meyerbeer in Italien. Die 6«rr«tts üi illilsno enthält in c^rem Blatte vom 12. Januar d. I. eine von dem bekannten Jtaliänischcn Schriftsteller, Professor A. Piazza in Mailand, verfaßte Lebensskizze des be rühmten Deutschen Komponisten. Meyerbeer hat bekanntlich den Grund, stein zu seinem Europäischen Rufe in Italien gelegt; dort war es, wo sieben Opern von ihm: Komilüs o (soslanra (1818), 8eunrsmiüe rieouo«- cioks (I8IN), Lunns üi Ido«kurgo (1820), VIsrgkeeirs ü.4n)un (1826 in Paris gegeben, wodurch zuerst sein Name in Frankreich bekannt wurde), L'L«ule üi 6r»nats, ,LIms»ror und endlich il Orovisto (1824) hinter ein ander mit einem Erfolg aufgeführt wurden, wie ihn bis dahin noch kein Ausländer in Italien gehabt hatte. Der krocisto machte jedoch den Be schluß seiner zunächst für ein Jtaliänisches Publikum berechneten dramati schen Compositionen, und die glänzende Aufnahme, die 1826 seine „Marga rethe von Anjou" und späterhin sein „Kreuzritter" in Paris fand, bewog ihn, zunächst seine Aufmerksamkeit auf die Französische Bühne zu richten und für dieselbe die beiden großen Werte „Robert der Teufel" und die „Hugenotten" zu schreiben, die seitdem die Reise um die Welt gemacht und von denen namentlich das erstere, wie Herr Piazza sagt, bisher auf 140 verschiedenen Theatern der füns Welttheile aufgeführt worden, zu letzt auf Mauritius (I«!« üe Trance) und in Rio de Janeiro. Aber un geachtet der mit diesen beiden Opern geschehenen Lossagung von seiner bis herigen Jtaliänischcn Schule, hat sich Meyerbeer doch in Italien ein dankbares Andenken und einen ruhmvollen Namen erhalten. Ja, in der neueren Zeit hat man dort auch angefaugen, seinen llokerco il viavolo mit dem glän zendsten Erfolg aufzuführen, und namemlich in Florenz hat man diese Oper in der letzten Saison, während welcher sich dort zufällig eine Deutsche Sängerin, Madame Schubert geb. Schneiver, befand, die darin als „Alice" auftrat, vierzig Mal hinter einander gegeben. Herr Piazza schließt leine Bemerkungen über Meyerbeer und dessen Compositionen mit nachstehenden Worten: „Alle kennen die Lieder Meverbeer's, die von Deveria in Paris so würdig auSgestattet worden, oder haben wenigstens von ihnen gehört. Es ist in der That bewundernswerth und, meiner Ansicht nach, auch überaus charakteristisch, welche ungemeine Sorgfalt der berühmte Komponist eben so auf die kleinen als auf die großen Dinge in der Tonkunst verwendet. Wenn wir wahrnchmen, mit welcher ins kleinste Detail gehenden Akkuratesse er die leichten Compositionen ausarbeitet, die er hin und wieder erscheinen läßt, wenn wir die feinen Filigrän-Arbeiten der Harmonie betrachten, die darin ausgelegt sind, die unendlichen Gradationen der Tinten, die er in einem ein- fachen Liede anbringt, so können wir uns kaum denken, daß dies derselbe Künstler sey, der den vierten Akt der „Hugenotten" in Erz gegossen und so viele andere gigantische Inspirationen gehabt: in der That müssen wir uns da bei der eben so einfachen als wahren Marime eines bekannten großen Mannes erinnern, welcher sagte: I.» genie c'e«r la psrienee." Herausgegebcn von hey Expedition der Aüg- Preuß. StaatS-Zeitung. Nedigirt von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.