Volltext Seite (XML)
475 über bei den Mahlzeiten zusammen; auch den Abend verlebt man häufig mit einander. England. Die Fortschritte der Industrie. (Fortsetzung.) Dann sucht Jobard zu beweisen, daß alle die Länder, welche am frühsten das Eigenthum des Gedankens anerkannt Haden, sich der größten Civilisation und des reichsten Wohlstandes zu erfreuen hatten. England gab sein Gesetz über Vie Patente im Jahre 1423: die Ver einigten Staaten und Frankreich 1790; Preußen und Rußland 1812; die Niederlande, Bayern und Württemberg 1817; Oesterreich und Ita lien im Jahre 1820; bald darauf Spanien, Portugal und daS König reich beider Sicilien, und ganz zuletzt die Türkei und Persien. Indien, welches in dieser Beziehung gar keine Geseve hat, ist auch, bis auf einige sehr unbedutenve, fast ganz ohne Erfindungen und auf seinem mittelalterlichen Standtpunkt geblieben, durch seine Leichtgläubigkeit eine Beute der Alchym.sten, Astrologen, Zigeuner und Juden, welche überall ihre Arkanen und Elirire verkaufen und damit die Vornehmen wie die Niederen betrügen. Die Aufhebung der Gesetze zum Schutz des literarischen und künstlerischen EigenthumS und der Patente auf Erfindungen würde unS alle, nach Jobard's Meinung, auf diesen Standpunkt zurückführen. Das klingt freilich etwas übertrieben, aber so viel ist gewiß, daß dadurch der Aufschwung der Geister und die Fortschritte der Civilisation würden gehemmt werden. Die Kunst würde wieder zum Geheimniß werden, wenn man denjenigen, die neue Hülfsmittcl in derselben entdecken, keinen Schutz zusichern wollte. Durch solche Vernachlässigung würden die Erfindungen immer oder doch sehr häufig mit dem Erfinder untergehen. Der alle Purpur, das Neapolitanische Gelb, die Dehnbarkeit des Glases, die Glasmalerei und andere Erfindungen erlitten dies traurige Schicksal. Jndeß bei dem edlen Geiste, der die Erfindungen der neueren Zeit beseelt, da die Erfinder von dem hohen Bewußtseyn des wohlthätigen Einflusses ihrer Entdeckungen auf daS Menschengeschlecht so tief durchdrungen find, ist die Erfüllung jener Voraussagung gar nicht zu befürchten. Die Gegenstände der Ausstellung, welche Jobard in seinem ersten Bericht näher besprochen hat, sind zunächst die Dampfmaschinen, dann die Flachs- und Spinn-Maschinen, daS Papier, die Metallurgie und zuletzt das Bohren artesischer Brnnncn. Was die ersten anbctriffr, so bleibt Frankreich noch immer bei seiner Vorliebe für oszillirenve Maschinen statt fester. Wir finden OSzillirung am Mittelpunkt des Cylinvcrs, an seiner Basis, vertikale und horizontale Schwingung. Die oszillirenve Maschine ver Herren Derosne unv Cail unv Vie rotirende von Pecqueur übergehend, wollen wir nur Vie des Herrn Pellctan betrachten, die ohne Zweifel wegen der Ersparung von Brennmaterial, da sie nur vier Kilogramm stündlich zu einem Pferde Kraft braucht, sehr preiswürdig tst. Man kennt Anvraud's berühmte Schrift über die Anwendung der Luft als Triebkraft anstatt des Dampfes. Berkelep's glänzende Hypothese, daß die Materie feine Eristenz habe, scheint kaum verwegener als Arnaud's, wenn dieser meint, es sey mit der Muskel-Arbeit zu Ende. Allerdings hat die Geschicklichkeit der Maschinenbauer die bewegende Kraft des Menschen bereits sehr verstärkt, indeß daß jenes Ziel schon so bald er reicht seyn sollte, daran darf man doch noch einige bescheidene Zweifel hegen. Pelletan'S Maschinen haben nicht über 20 Pferde Kraft. Dessenungeachtet scheinen die Franzosen diesen Maschinen einen Werth beizulegen, den die Zeit schwerlich bewähren dürste. Die besagte Maschine wirkt indeß mit einem Druck, der 15 bis 20 Atmosphären gleichkömmt, während die Maschinen mit Kolben selten «inen stär keren Druck als 5 bis 6 Atmosphären ausüben. Die Luft läßt sich bekanntlich mit sehr geringen Feuerungskosten bedeutend auSdehnen, und man kann ihr dadurch eine starke elastische Kraft geben. Mit einem Kilogramm Kohlen lassen sich 10,000 Liter Luft aus eine Tem peratur von 1000 Grad bringen. Diese Kraft würde also dem Dampf, der eine solche Steigerung bei weitem nicht verträgt, sehr vorzuziehcn seyn. Die Schnelligkeit dieser Maschinen wird auf 20 Li«ucs in der Stunde angegeben. Auf Schiffe angewandt, be sitzen solche Maschinen de» Vortheil geringerer Last und erfordern we der Schornsteine noch Kessel. Indeß bei all' diesen Vortheilen halten wir doch die Grundlage der Erfindung für zu fein und wissenschaft lich, als daß sie sich allgemein sollte anwenden lassen. Wir kommen nun zu Galli Cazala's Flammen-Maschine. Als dieser Professor vor der Akademie der Wissenschaften erschien, erklärte rr, daß Geld, auf Dampf ausgegcben, völlig verschleudert sey, und daß er ein Mittel besitze, mit dem sechsten Theil der Kosten ganz dieselbe Kraft ohne die mit dem Dampf verbundenen Schwierig, ketten und Gefahren zu erlangen. In England, wo die beunruhi gende Menge von Unglücksfällen, die durch den Dampf verursacht werden, das Publikum wohl veranlassen dürfte, selbst einer geringeren Triebkraft den Vorzug zu geben, wenn die Eisenbahnen dadurch min der gefährlich zu machen sind, wäre der genannte Professor gewiß sehr willkommen. Der Name „Flammen-Maschine" ist für diese Erfin dung wohl nicht, unpassend, da ihr Kessel nur Flammen und Gase enthalt, die durch das Verbrennen von Kohlen in der zusammcn- gepreßten Luft erzeugt werden. DaS hermetisch verschlossene Feuer Wird durch Lust vermittelst einer von der Maschine selbst getriebenen Pumpe genährt. Je mehr die Luft zusammengepreßt wird, desto starker ist der Verbrennungsprozeß. Der nicht bei dem Verbrennen verzehrte Theil der Luft verdoppelt sich rasch an Masse, eben so wie das Azot, die Kohlensäure, das Kohlcn-Orpd-GaS unv andere durch daS Verbrennen erzeugte Gase. Die erhitzten Gase vermischen sich in einem großen Behälter, wo sich nur ein Theil der Asche und des schwarzen Rauches absctzt. In diesem Bebälter entsteht dann der elastische Druck, der erforderlich ist, um einen Kolben von unge- bcurer Stärke zu heben. Oie Maschine hat große Mängel, aber es ist dem Erfinder schon gelungen, wahrere davon zu beseitigen, und sie verdient alle Aufmerksamkeit. Galli Cazala selbst verlangte von der Akademie eine möglichst genaue Prüfung der Brauchbarkeit seiner Maschine, und König Wil helm, der sich sehr für diese Entdeckung interessirte, beabsichtigte ver mittelst derselben die Austrocknung des Harlemer Meeres, doch un vordcrgesehene Schwierigkeiten verhinderten eine solche Prüfung ihrer Kraft. Der größte Bortbcil bei dieser Maschine ist ihre gänzliche Gefahrlosigkeit. Wir gehen nun zu der einfachen Maschine des Herrn Rousset über, deren vorzüglichste Eigenschaften Festigkeit und Brauch barkeit sind. Sie besteht aus einem kleinen Kessel mit einem walzen förmigen Feuerbehälter, in welchen der Trieb-Cylinder sich hinab- senkt; eine gewundene Schornstein-Röhre in dem Kessel stößt an das Ventil ovcr ven Eriksonschen Aspirator; daS Ganze auf vier kleine Räder gestellt, und die einfachste bewegliche Dampf-Maschine ohne Schornstein ist fertig, die sich zu allen ländlichen Arbeiten, zum Bauen, zum Graben- und AuStrocknen der Kanäle, zum Holzfällen und zu vielem Anderen gebrauchen läßt. Derselbe Künstler und Herr Bour don haben folgende Aufgabe gelöst: eine Maschine von ein bis vier Pferde Kraft änzufertigen, welche eben so leicht wie ein Ofen in einer Werkstatt ausgestellt werven kann, ohne die Nachbarn nur im min desten zu stören oder zu belästigen. Demnächst machen wir die Be merkung, daß die Creuzatsche Fabrik in Frankreich jetzt im Stande ist, Lokomotiven zu bauen, ohne auch nur ven Feuerbehälter derselben aus Englanv zu beziehen. Die Deriddersche Maschine wird ebenfalls Epoche machen in ver Geschichte der Mechanik. Ihre Schwere, mit Inbegriff des TenberS, beträgt nur fünf Tonnen; der Baumeister hat vier Räver fortgelaffen. Der Kolben macht in einer Minute 220 Stöße, statt 180, ver größten Schnelligkeit ver gewöhnlichen Maschinen; durch Zurückhaltcn dcS Dampfes kann man, je nach dem Erforderniß, drei Arten von Schnelligkeit erzielen. Gewöhnliche Lokomotiven haben ein Gewicht von zwölf bis fünfzehn Tonnen, und jeder Wagen wiegt drei bis vier. Die Deriddersche Lokomotive kann zwar bloS 70 bis 100 Per sonen sortschaffcn; da indeß die Fahrten hin und zurück vermehrt werden können, so wird dies nichts schaden, ja eü wird vielleicht den schwereren und wenigeren Fadrtin noch vorzuziehcn seyn. Die zu- nächst folgenden Erfindungen sind Sicherheits-Apparate für Dampf kessel, denn der Franzose ist weit behutsamer als der Engländer, der sich mit Holländischem unv Russischem Gleichmuth der Gefahr einer vrplosion aussctzt, und bei dem es erst dazu kommen müßte, daß der Maschinist, gleich dem Erfinder deS ehernen Ochsen, dazu verurtheilt würde, ab und zu in seinem eigenen Kessel zu sitzen, wenn die Sache in Betracht gezogen werden sollte. Der Ofen veS Herrn Barthelemv ist von bcwundcrnswerther Oekonomie, und wenn wir auch jene ungeheuren Gebäude nicht ver achten wollen, die ein Französischer Dichter die Donie des Gewerb- flcißes nennt, so würden wir uns doch glücklich schätzen, wenn wir von ihrem Anblick befreit würden, unv wenn Vie Feuerung geschehen könnte, ohne, wie jetzt, eine ganze Stadt mit dem Brodem dieser gewaltigen Kolosse zu verpesten. Hiernächst kömmt der Dampfkessel des Herrn Beslay und des Ba ron Seguier. Diese ausgezeichnete Erfindung war vielleicht der nütz lichste Gegenstand der ganzen Pariser Ausstellung. Der edle Erfinder, Baron Seguier, der nicht Neiv, noch Eifersucht kennt, sondern gegen alle seine Kunstgenossen das reinste Wohlwollen hegt und jedem fleißi gen Arbeiter seinen Schutz angedeihen läßt, hat hier zuerst den Ver-' such gemacht, die Circulation des Wassers in dem Kessel durch Ver schiedenheit der Temperatur zu erzielen. Der Kessel nimmt nur ein Viertel von dem Raum ein, ven andere erfordern; seine Röhren sind vernietet, und eS bedarf nur gewöhnlicher Geschicklichkeit zu ihrer Verfertigung. Herr Jobard nennt diese Erfindung die Angel der Französischen Industrie. Sie ist nur für Frankreich patentirt; man wandte sich zwar an die Herren Newton und Berry wegen eines Patents für England, aber die Vollkommenheit der Englischen Arbeit übertraf so sehr die Französische, daß der Versuch für unnütz ge halten wurde; wahrscheinlich wird also der Kessel des Herrn A. Per kins jene Erfindung anticipiren. Der Plan des Letzteren besteht in der Anwendung einer Modification des Apparats von heißem Wasser, dessen er sich schon so lange mit beispiellosem Erfolg zur Heizung von Gebäuden bedient hat. Herr A. Perkins hat eine solche Maschine von zwölf Pferden Kraft achtzehn Monate lang und eine andere von vierzig Pferden Kraft fünf Monate lang im Gange gehabt, und er ist jetzt damit beschäftigt, viele dergleichen zu bauen. Die Vortheile sind vollkommene Sicherheit gegen Erplosionen, große Ersparniß an Raum und Gewicht, die sich auf die Hälfte beläuft, und etwas we- Niger Feuerung. Auch in Frankreich hat Herr Perkins ein Patent erhalten, und er trifft Anstalten, seine Erfindung dort einzuführen. Was einen anderen Gegenstand, das Spinnen betrifft, so verar beitet das Haus Marshall zu Leebs täglich 18,000 Pfund Flachs, wäh rend die bedeutendsten Firmen Frankreichs cs kaum bis aus 5 oder t>00 bringen. Und Leeds steht nicht allein da; Preston, Dundee, Aber- deen, Belfast, alle enthalten große Fabriken dieser Art; auch wird zu Leeds so eben noch eine zweite eingerichtet. Marshafl wird bald seine ProdnctionS-Kraft verdoppeln, und in derselbe» Zeit, wo Frankreich und Belgien Einen Schritt thun, kann England leicht zwanzig zurücklegen, so daß nur eine vicljährigc Ruhe des letzteren zene Nation jemals mit ihm aus gleiche Linie bringen könnte. Nehmen wir Marshall's HauS und die größte Firma in Frankreich, so ist daS Vcrhältniß unr Z«1 zu I, und dies steigert sich auf Seiten Eng lands fortwährend, welches durch solche riesenhafte HülfSmittel nicht