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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeralionS-Preis 22z SUötrgr. (1 Thlr.) vierteljährlich, Z Wr. snr tu« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. M G» Literatur Man xränumerirt auf dieses Literatur- Blatt in Berlin in der Ervedition der Mg. Pr. Staats. Zeitung (Friedrichs- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den WohUöbl. Post - Aemtcr». für die des Auslandes. agazLn 4. Berlin, Montag den 10. Januar 1842. Dänemark. Aus der noch ungedrucktcn Reise des Dichters Andersen im Orient. In nächster Zeit wird von Andersen eine neue Arbeit, seine kürzlich been dete Reise in den Orient enthaltend, erscheinen: dies wird indeß keine gewöhn liche Reisebeschrcibung, auch kein Roman, wie der „Improvisator", den er über seinen Aufenthalt in Italien schrieb, sondern ein Buch, worin Alles, was ihm als neu und eigenthümlich vorgekommcn ist, theils durch Bilder und Reise schilderungen, theils durch kleine Novellen anschaulich gemacht wird, doch so, daß Alles ein Ganzes ausmacht und uns durch Deutschland, Italien nach Griechenland und dem Orient, so wie auf der Donau, vom Schwarzen Meer an, durch Bulgarien, Servien und Ungarn zurückführt. Nachstehende lebens volle Schilderung aus Konstantinopel hat der Berichterstatter die Freude, aus dem jetzt nach und nach entstehenden Dänischen Manuskripte durch des Herrn Verfassers Güte mittheilen zu können. Muhammcd'ö Geburtstag. Der vierte Mai ist des Propheten Geburtstag. Ich war just zu der Zeit in Konstantinopel. Schon den Abend vorher begann die Festlichkeit, und un streitig der schönste Theil derselben. Daß es aber Mondschein war und die Osmanische Polizei selbst unter diesen Umständen Jedermann, der nach Sonnen untergänge ausgeht, gebietet, Licht in einer Laterne zu tragen, will er nicht arretirt scpn, sah ich nicht für das Beste dabei an, mußte mich jedoch darein finden, denn weder Mondschein noch Polizei-Gesetz ließen fich ändern. Ein junger Russe, mit Namen Adcrhas, und ich schlossen uns an einander, und ohne sonstige Begleiter, nur mit Licht in großen Papier-Laternen versorgt, wanderten wir davon, um die Illumination zur Ehre des Propheten zu sehen. Wir gingen durch eine von Pera'S engen Seitengassen, und ein Anblick lag vor uns, so großartig, so phantastisch und schön, wie man ihn im Nor^ a nur in einem wunderbaren Traumbilde sehen könnte. Von der Reihe Häu^e, wo wir standen, erstreckte fich tief hinab nach der Meeresbucht ei» Kirchhof, das will sagen, ein Cypressenwald mit großen, dichten Bäume» ; rabenschwarze Nacht ruhte da drinnen. Ueber wellige Hügel, beständig tiefer führend, schlängelte fich unter den hoben Bäumen ein Pfad hin, den des Menschen Fuß und des Pferdes Huf gebahnt haben, bald eng zwischen den Grab-Monumenten hin durch, bald über die umgestiirzten Todten-Denksteine fort; hin und her bewegte sich auf diesem eine rothe oder blaue Laterne, die bald verschwand, bald wieder an dem schwarzen Grunde zum Vorschein kam. Einsam liegen aus dem Kirch hofe einige Häuser, in deren obersten Fenstern Licht schien, welches dann auf den umlaubtcn offenen Altan hinunter getragen ward. Ueber die Gipfel der Cpprcffcn hinweg schimmerte blau wie eine Damas- zencrklingc die Bucht, von Schiffen ungefüllt; zwei von diesen, die größten, waren aufs reichste mit brennenden Lampen geschmückt, die um die Geschütz pforten, die Border- und Hintcrbrüstung und die Masten strahlten, im Tau werk hingen und dieses in ein goldenes Netz verwandelten. Geradcvor lag die Stadt selbst, das weitausgcdehnte, große Konstantinopel mit seinen unzäh ligen Minarets, alle mit einem Kranz von Lampen umwunden; die Himmels luft war noch roth von der gesunkenen Sonne, aber so klar und durchsichtig, daß Asiens Berg, der ewig schneebedeckte Olymp, fich in allen seinen gebroche nen Linien wie eine silberweiße Wolke hinter der prächtigen Stadt zeigte; das Mondlicht schwächte den Glanz der Lampen nicht, es hob vielmehr die schlanken Minarets hervor, so daß sie weiße Stengel mit kolossalen Feuerblnmen zu seyn schienen; vw kleineren trugen einen Strahlenkranz, die größeren zwei und die größten drei, einen über dem anderen. In der Nähe des Platzes, wo wir standen, war kein Mensch zu sehen; Alles war einsam und still. Wir wandelten zwischen den Cyprcssen hinab; eine Nachtigall flötete darin ihre kraftvollen Schläge, und Turteltauben girrten in der Nacht der Bäume. Wir kamen an einem kleinen Wachthause, von Brettern aufgeführt und roth angemalt, vorüber; ein Feuer war zwischen Grabsteinen vor demselben angezündet, und Soldaten lagerten rund um die Flamme; sic waren Europäisch gekleidet; Züge und Farbe der Gesichter aber sagten, daß sie Jsmael's Geschlecht, die Kinder der Wüste seycn; mit den langen Pfeifen im Munde lagen sic da und horchten auf das, was erzählt wurde: cs war von Muhammcd's Geburt; die Nachtigall verdolmetschte es uns, sonst hätten wir es nicht verstanden. „Da Illab llallak!" °) In der Stadt Mekka kamen die Kaufleute um des ') E« ist kein Göll, al« G°u! Handels willen zusammen; es kamen Indische und Persische, es kamen Aegyp- tische und Syrische; im Tempel Kaaba hatte Jeder sein Götterbild, und ein Sohn von Jsmael's Geschlechte bekleidete eine der höchsten Würden, die frem den Pilgrimme nämlich zu sättigen und zu erfrischen; in seiner Frömmigkeit wollte er, wie Abraham, seinen Sohn opfern, doch die Wahrsagerin gebot, daß der liebliche Abdallah lebe und hundert Kamcele für ihn geopfert würden. Da lllsb ilallab! — Und Abdallah wuchs und wurde so schön, daß hun dert Mädchen aus Liebe zu ihm starben; die Prophctenflamme leuchtete von seiner Stirn, die Flamme, die vom Tage der Schöpfung verborgen von Ge schlecht zu Geschlecht ging, bis der Prophet geboren wurde, Muhammed, der letzte und größte. Und die Wahrsagerin Fatima sah die Flamme, und sie bot hundert Kamecle für seine Umarmung; er aber drückte Emina an seine Brust, und dieselbe Nacht verschwand die Prophetenflammc von seiner Stirn und brannte unter Emina's Herzen. „Da Illab llallab!" — Neun MondeS- wechsel vergingen, und nie hatten die Blumen der Erde so süß geduftet, als in diesen, nie hatte die Frucht aus dem Zweige so saftvoll geschwellt; da erzitter ten die Felsen, der See Sava sank in die Erde, die Götterbilder im Tempel stürzten um, und die Dämonen, die den Himmel bestürmen wollten, fielen als Millionen Sternschnuppen, zurückgeschleudert vom Lanzcnschwinger, denn Muhammed, der Prophet, ward in dieser Nacht geboren! „Da Illab ijallali!" Diese Erzählung übersetzte uns die Nachtigall, und die Nachtigall versteht Türkisch, eben so gut wie sie Dänisch versteht- Wir gingen unter Peras Thurme hinaus zum Kloster der fich drehenden Derwische, und ein größeres Panorama zeigte fich. Das ganze Marmormeer und Asiens Berge lagen bestrahlt vom Mondenlicht da; als Mittelgrund erhob sich Skutari, dessen Minarets mit Lampen flimmerten, wie die von Konstan tinopel, und hier trat besonders die Sophicen-Moschee hervor mit ihren vier, und die Achmed-Moschee mit ihren sechs Minarets, jede mit zwei oder drei funkelnden Sternenkränzen; sic schienen den Garten des Scrai's zu umgrän- zcn, der sich dunkel wie eine sternenlose Nacht nach dem Bosporus hinabstreckte ; nicht ein Licht zeigte sich in den Gebäuden der Sultaninnen längs dem Wasser; wo aber das goldene Horn endet, war ein Flammcnschwert ausgepflanzt, das seinen rothcn Schein über die Wellen hinauswarf; unzählige kleine Böte, alle mit rothen, blauen oder grünen Papier-Laternen, fuhren wie Feuerfliegeen zwischen den Ufern zweier Welten. Alle die großen Kriegsschiffe strahlten mit Lampen, man sah jedes einzelne Schiff, sein Tauwcrk und seine Stengen, Alles war in Feuer-Contouren abgezeichnet, Skutari und Stambul schienen durch das flammende Meer und die bunten Feuerpunkte mit einander verbunden, es war die Mährchenstadt, die Phantafieen-Landschaft, ein magisches Licht war über das Ganze ausgegossen, nur auf zwei Stellen lag die Nacht mit aller ihrer Geheimnißfülle; in Asien war eS der große Kirchhof hinter Skutari; in Europa der Garten des Serai's. Ueber beiden Orten war Nacht und Traum ; der todten Helden Traum ist von den Weibern des Paradieses, in des Serai's Nacht wird von denen der Erde geträumt, und sie sind hier jung und schön, wie ihre himmlischen Schwestern. In Pera'S Straßen war ein Gewimmel von Griechen, Juden und Franken, jeder mit seiner Laterne oder mit seinem Licht; es war ein orientalisches Ma- coli, aber in den Trachten weit mehr korrekt, reicher und bunter, als auf Roms Korso am letzten Karnevals-Abend. Vor den Palästen der fremden Gesandten brannten die Lampen in Pyramiden ausgestellt oder in einem großen Fl den Namen des Propheten andeutend. Um neun Uhr ertönten Kanonenschüsse von allen Schiffen, es donnerte wie während der größten Seeschlacht, alle Fenster zitterten, und Schuß folgte aus Schuß, die Geburtsstundc des Propheten ver kündend. Ich schlief unter dem fortdauernden Schießen ein und erwachte am Morgen unter gleichem Getöse; lustige Musik von Rossini und Donizctti klang jetzt durch die Straßen, die Truppen marschirten aus, um zwischen dem Serai und der Achmed-Moschee aufgestellt zu werden, in welche der Sultan sich in großer Prozession begeben sollte. Der Dänische Konsul, Romani, ein Jtaliäner, kam, um mich abzuholen; ein junger Türke, mit Pistolen im Gürtel und zwei lange Tabackspfeisen tra gend, ging uns voran, ein alter Armenier in dunkelblauem flatterndem Kaftan und mit seinem schwarzen, vasengesormten Hut auf dem glattrasirten Haupt, trug unsere Mäntel nach, und so schritten wir durch Pera'S Hauptstraße nach Galata hinunter; die Diener kamen in ein Boot, und wir Beide in ein anderes, und nun ging es über die Bucht, pfeilschnell zwischen hundert anderen Boten, deren Ruderleute gegenseitig riefen und schrieen, damit der Eine nicht das leichte