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624 Polk» ist also jetzt in legaler Rücksicht, der Sitte, der Ueberzeugung, dem Bedürfniß gemäß, monarchisch. Die demokratisch-republikanische Partei, deren Vertreter haupt sächlich die in Straßburg erscheinende.,?!>runka" ist, steht dadurch in großem Nachthcile hinsichlS der Gegner, daß sie alles Maß der ruhigen Ucberlegung überschreitet und mit der ungeziemendsten Lei denschaftlichkeit die entgegcnstehenden Projektionen anficht. Sie will eine vollständige Emanzipation des Volks, und ihr Gedanke ist: „Alles durch'S Volk und für'S Volk", ohne Rücksicht darauf, daß zwischen sklavischer Unterwürfigkeit des Volks und Aushebung aller Standes- d. h. AoclSrcchte sich doch wohl ein trefflicher Mittel weg sinden ließe. Auch der Posener IZgucknilc litoraZZ will, wiewohl er kein politisches Aushängeschild trägt, Tendenzen, und zwar die liberalen, vertreten, jedoch begnügt sich dieses Blatt damit, in seinem Feuilleton gegen gewisse Prinzipien zu Felde zu ziehen; es hält sich dagegen frei (oder muß sich frei halten) von den Extravaganzen jenes Straß burger Blattes. Lobend müssen wir von dem Posener Blatte «»führen, daß eS unter einer Rubrik, Literatur des Auslandes, die wertbvollstcn, in den fremden Sprachen erschienenen wissenschaftlichen und ästhetische» Werke cxccrpirt und beleuchtet, woraus denn doch der Vortheil für die Leser erwächst, daß sie ohne Bekanntschaft mit den fremden Sprachen sich wenigstens ungefähr auf deren schriftstellerischen Stand punkt versetzen können. Um von dem schon erwähnten Ortzlloevuile näher zu sprechen, müssen wir ihn als ein literarisches Magazin für das Inland be zeichnen, in welcher Richtung er mit dem Polnischen „Athenäum" Vieles gemein hat. Ob es gut scp, daß sich Polen meist mit sich selber beschäftiget bedarf keiner Frage, wenn mau nur nicht in den Fehler eines Chinesischen AbgränzungSsystcmS verfällt. In der Politik schweift Polen niemals über die Gränzen des Slaventhums, qnßer daß cs die Referate Ler Augsburger Allgemeinen Zeitung, welche das Slaventhum angehcn, sehr in Ehren hält. Die Provinz Posen ist der Punkt, wo sich Deutsche und Polnische Literatur am leichtesten mit einander vermitteln können, und ein solcher Bermitte- lungSpunkt dürfte ausreichend sepn. Die Russische Literatur ist selbst aus den Wilnaer Journalen fern gehalten und hat nur den Eintritt in dieselben, wenn sie Polnische Interessen behandelt. Die Journal- Literatur dieser beiden Völker steht auch keincsweacs in einer spe zielleren Beziehung zu einander, weil die Russischen Journale meisten- der Behandlung innerer Angelegenheiten gewidmet sind, die im Innern Polens eristirenden aber alle Politik aus gewissen Gründen nur unter einer Maske einschmuggcln. DaS Athenäum, von dem fruchtbaren Belletristen und Histo riker Kraszewski in Wilna herausgegeben, ist eine Monatsschrift für Verbreitung historischer Denkwürdigkeiten, alter Manuskripte, um fassender Kritiken, die einzige Ephemeride, bei welcher man noch eine politische Tendenz vermißt; und bleibe es dabei! wozu alle den nationalen Zuständen geweihte Bestrebungen in den poetischen Nebel der Politik tauchen? Schön träumen heißt freilich selig leben, doch man lasse sich nur lieber von der, wenn auch frostigen, Realität wecken, inanifestire sich darin und bewältige das Denken unter das Sepn. Der Bolkssreund (I'rz.)ssac<Z lmlu), welcher früher in Lissa er schien Und bis dahin, wie cs auch einem Volksblaite nicht besser an steht, ohne politische Farbe war, hat nach seiner Vereinigung mit dem Oreäowulli, oder doch wenigstens nach der Verschmelzung der beiden Redactionen, auch etwas aristokratisches Feuer gefaßt und wirst ebenfalls von Zeit zu Zeit einen Funken in den aristokratisch- demokratischen Streit, wiewohl sich der sonst lopale Bolkssreund diese Mühe immerhin ersparen könnte; kenn dem Streite aufgeregter Par teien beitrcten, heißt, ihn nur anschüreu, während eine gewisse In differenz dazu beitragen würde, die Gluth abzukühlen. Als Monatsschriften können ferner die in Frankreich erscheinen den Broschüren angesehen werden, welche von der dortigen demo kratischen Gesellschaft als ihr McinunqS,Organ veröffentlicht werden und eine sehr nachdrückliche Sprache führen. In einer der letzteren, welche uns eben zur Hand liegt, haben sich 8üvt) Emigranten durch Namens-Unterschrift als Antipoden des Fürsten Adam CzartorpSki erklärt, indem sie ihn anschuldigen, er habe ihr Unglück durch Theilnahmc an der Erpedition nach Algier und an dem Kampfe in Portugal veranlaßt. Der Nutzen dieser Schriften ist durchaus nicht so wesentlich; denn die RaisonnementS strotzen von Kurzsichtigkeit, chevalereSken Hoffnungen »nd Excla- mationen, aus der anderen Seite von bitteren Lamentationen und Uebertreibungen. In diesem Augenblicke wollen auch die Frauen in Polen Jour nale rcdigiren und nicht nur ihrem der Mode huldigenden Geschlecht, sondern durchaus der Wissenschaft einen Dienst damit erweisen. Fräulein Eleonore Ziemienzka, eine sehr eifrige Widersacherin des antichristlichen Hegel und eine Bekennerin des neueren SchellingianiS- mus, konnte nicht umhin, ihre philosophische Weisheit der Ocffcnt- lichkeit preiszugeden, und hat sich thcilweise schon in Autorität zu setzen gewußt. Nur wird die Arme noch einen schweren Kampf zu bestehen haben, einmal gegen das Vorurlhcil, besonders da der un- aalaMe Polnische Philosoph TrentowSki dem Weibe die höhere Denk- fähigkeit abgesprochen hat; zweitens gegen die zahlreichen Polnischen Hegelianer, die, in ihrem Glauben sehr glücklich, nicht mehr gern zum Gebetbuche zurückkehren möchten. Eine ähnliche Erscheinung gab es schon früher in Polen: man glaubte an Voltaire und verketzerte den vr. Luther. Das schöne Geschlecht hat Leonore indeß von Hause aus auf ihrer Seite; denn diesem hat noch kein Profaner den „Himmels schlüssel" oder den „Seelenwccker" aus der Hand gerissen. ES wäre auch ein Unglück für die Nation, solche Lehren des Pantheismus auszunehmcn; denn der Katholizismus allein schlingt noch ein Ban» um sie, das sic erhält, und er würde cS noch mehr, wenn auch die staatliche Verfassung auf seinen Prinzipien beruhte. ES versteht sich, daß hier von keiner Orthodoxie die Rede sey, und dieser wird unseres Wissens auch in keinem Organ der Polnischen Oeffentlichkeit das Wort geredet. Almanache sind mehrere für 1842 erschienen, von denen die „Rusalka" des gediegenen Kritikers Grabowski auszuzeichnen ist. Schließlich erwähnen wir noch der in der letzten Zeit vielfach besprochenen Polnische» Vorlesungen in Posen. Die Libcltschen Prä- lcctioncn über Deutsche Literaturgeschichte sind in einer srüheren Nummer des Magazins schon besprochen, und wir Haden nur noch hinzuzurugcn, daß derselbe Gelehrte eine zweite Vorlesung über Acsthctik begonnen hat. Libclt besitzt ein reiches Maß von Kennt nissen auch für diesen Gegenstand uns giebt sich demselben mit der lobenswerthestcn Aufopferung hin, indem die Vorlesungen öffent lich von ihm gehalten werden und sehr viel Anregendes haben. Die Vorträge über Deutsche Literatur hatten wir selbst Gelegenheit zu hören. Eine andere öffentliche Vorlesung übcr Slawische Geschichte und Alterthümer wird von Moraczewski, einem eben so geistvollen als eifrigen Gelehrten, gehalten. DaS Spstcm, wonach Herr Moraczewski die Geschichte behandelt, enthält viel Empfehlenswerthes und Neues. Er faßt die Geschichte als praktische Wissenschaft auf, die sogar einigen matcriellcn Werth hat; er sucht nicht die Kette von Ursache und Wirkung, sondern bildet die Zeit des Faktums ab, und aus dieser findet sich der Grund des Ereignisses von selbst. Bisher haben die Slawischen Historiker die Etymologie als das einzige Kleinod ihrer Forschungen angesehen; Moraczewski übergeht diese sowohl, als alle Volkssagen, Volkslieder und Sprüchwörtcr, die immer nur eine sehr unzuverlässige Quelle seyen; er hält sich allein nur an die Authcntika der Geschichte und kann diesen dann desto mehr Aufmerk samkeit zuwenden. Auch über die Encyklopädie dcS Rechts wird eine Vorlesung gehalten von Krauthoser. A. M. Mannigfaltiges. — Giorgio Vasari. Ein für Künstler und Kunstfreunde wichtiges, ja zur Kenntniß der Geschichte der Kunst unentbehrliches JtaliämschcS Werk, Giorgio Vasari's Lebensbeschreibungen der be rühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten (Vito cke' piü «oco- lenri pilluri, »mltari eck iirelnie«i), wird jetzt in einer Französischen Uebersetzung vv» den Herren Leclanche und Jcanron herauSgegebem °) Sechs Bände dieser Arbeit sind bereits erschienen, und da daö ganze Werk aus zehn Bänden besteht, so sind deren noch vier zu erwarten. Vasari, im Jahre 1312 zu Arezzo in Toskana geboren, war selbst ausgezeichneter Küustler, namentlich aber ein berühmter Baumeister und gcschickier Zeichner. Schüler Andrea del Sarto'S und Michel Angelo's, hat er in seinen Schriften besonders viel zur Verherr lichung feiner Toskanischen Meister beigetragen, aber auch die Ge schichte der übrigen Schulen Italiens, vom litten bis zum IKten Jahrhundert, ist aus seinem großen Werke vollständig kennen zu lernen. Die jetzige Herausgabe desselben in Französischer Sprache liefert den besten Beweis einerseits für den wachsenden Kunstsinn in Frankreich und andererseits für das mehr und mehr auch wieder den ernsteren Gegenständen der Literatur sich zuwendende Interesse des Publikums. — Polnische Alterthümer. In Polen, und zwar in Scha- motul, hat sich eine Gesellschaft von Sammlern Polnischer Altcr- thümcr gebildet, welche im Posener ll'.vgocknik ilkeracki ihren Jahres bericht erstattet, aus welchem sich ergiebt, daß die Zahl ihrer Mit glieder sich jetzt auf 3U belaufe. Ihr Kabinct zählt, außer Urnen, HauSgeräthen und kleinen Metallsachcn, die Rüstungen zweier Ritter mit Helm, Visir und Schwert. Als wichtig für die Sammlung wird ein Kreuz von Czenstochau dargestellt. Von Münzen ist schon eine beträchtliche Anzahl gesammelt; auch alte Dokumente und Schriften (Chroniken) sind eingesandt worden. -°) Die Forschungen der Gesell schaft beschränkten sich biSber auf daS Aufsuchcn von Wallgräben, deren 13 entdeckt sind. Die Direction ist jetzt mit der Untersuchung über daS Entstehen und den Zweck dieser Gräben beschäftigt. ') Vie« See peivlre», «enlpteur« et Lreicktecte«, par 6eorxo Va«»ri, tra- ckmte» et »anot-o» per INK. l^eeiaeede et Semirau. — ?eri», 1841. ") Eine werthvolle Sammlung Polnischer Alltrthümer besitzt auch der Gras Eduard Racwnski in Posen. An die Leser. Vom I. Januar 1842 wird daö «Magazin für die Lite ratur dcS Auslandes" auf ganz weißem Papier in etwas größerem Format und mit lichterem Druck erscheinen, so daß den von mehreren Seiten in dieser Beziehung ausgedrückten Wünschen wird entsprochen werden, ohne daß darum der Reichthum an Stoff eine Einbuße erleidet. Auch der Preis des Blattes wird nach wie vor derselbe bleiben. Hcrausgcgkbcu von dcr Expedition der Mg. Preuß. Staals-Zeitunz. Nedigirt von I. Lchmann. Gedruckt bei A. W. Hap».