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60Z im Innern derselben verwenden, doch nirgends sonst; 3) die Vor schüsse werden zurückgezahlt werden, sobald der Fortgang der Bel gischen Revolution eS erlaubt. Außerdem wurde ansbedungcn, daß, wenn Frankreich einen Frieden mit Oesterreich schließe, in demselben die Straflosigkeit aller Belgier eingeschlossen scvn müsse, die für die Sache der Freiheit zu den Waffen gegriffen. Als der Vertrag ge schlossen wurde, war Dumouriez noch im Ministerium, und feine Vorliebe für die Vonckisten hat wahrscheinlich dabei mitgcwirkt. Er entwarf einen neuen Angriffsplan, dem im Ganzen dieselbe Idee zu Grunde lag, wie dem ersten, und nach dem man zum zweiten Male nach Belgien Vordringen sollte, sich der den Gränzen zunächst liegen den Städle bemächtigen und das übrige Land zur Empörung auf. rufen. Obgleich die Umstände nicht so günstig waren als bei dem ersten Versuch, so versicherten die Flüchtlinge doch, das Mißvergnü gen sey zu groß, als daß cs nicht offen auSbrechcn sollte, sobald man des Schutzes vo» Seiten Frankreichs gewiß sey. Diesem Plane waren nur die Feuillants entgegen. Die Giron- distcn waren durch die Macht der Verhältnisse zum RepublikanismuS gezwungen. Unter den Jakobinern aber erhob sich bei dieser Gelegen heit ein heftiger Streit, den wir ausführlicher erwähnen, weil er einiges Licht auf die Belgischen Zustände wirft. Real, der Redner, wollte, daß die Versammlung sich ru Gunsten der Angriffs-Maßregeln erkläre, ohne Zweckel, uni dem Plane Du- mouricz' inehr Geltung zu verschaffen. „Ich habe die Armee gesehen", sprach er, „ich kenne sie sehr wohl, die in der Gegend von Givet lagert; ich habe sichere Nachricht über die Anzahl und Stellung der feindlichen Truppen, die zwischen der Sambrc und Maas liegen; ich habe Lüttich gsfehen, ich kenne den Geist der Lütticher, aller Völker, die dem Fürstbischof unterworfen sind; ich weiß, wie günstig uns die Stimmung des Volkes in und um Namur ist, ach, und nach allem diesen bcdaure ich die traurige Unthätigkcit, in der unser Heer er schlafft." Hierauf rühmt er den Französischen Soldaten, seine Dis ziplin, seinen Patriotismus, schildert das glühende Verlangen dessel ben, sich mit dem Feinde zu messen, und fügt hinzu: „O, könnt' ich euch die Stimmung des Volkes malen, das euch zunächst wohnt. Als die Avantgarde zu Bouvigncs lagerte, steckten die Bewohner von Dinant die National-Kokarde auf; der Baum der Freiheit wurde ausgerichtet und mit den Französischen Farben geschmückt; unsere Sol daten betraten die Stadt ohne Waffen; die Einwohner beeilten sich, ihnen Erfrischungen aller Art zu bieten. Gründe, die ich nicht kenne, haben den General (Lafayette) bewogen, das Lager von Bouvignes zu verlegen. Oesterrcichische Husaren sind nach Dinant gedrungen und haben die Bewohner aus daS ärgste mißhandelt; den Bürger meister haben sie an den Fuß des Freiheitsbaumes geführt und ihn mit gezücktem Schwerte gezwungen, mit der Art die ersten Streiche auf den Baum zu führen, den sie umgehauen haben. Dies Ver fahren ist empörend; cs kann traurige Folgen haben und die ftcund- lichc Gesinnung, welche unsere Nachbarn für Frankreich zeigen, sehr herabstimmen. Denn noch glühen sie vor Begier, durch uns gerettet zu werden; ich habe Briefe aus mehreren Städten gesehen; sie flehen, daß wir sie nicht verlassen sollen, sie wollen Freiheit und Gleichheit, sie wollen, was Frankreich will. Ich weiß sehr wohl, daß Einige behaupten, die Stimmung sey für unS nicht fo günstig, wie ich sie schildere. Man Hai verlangt, die Revolution solle auSbrechcn, ohne unser Hinzuchun. Wo wären die Bewohner dieses unglücklichen Lan des jetzt, wenn sie diesen Weg cingeschlagcn hätten? Durch die Bajon- nettc der Soldaten und die Beile der Henker würde der Despotis mus sic weggcräumt haben. Somit haben sie weise gehandelt, daß sie die Bewegungen der Französischen Armee abgcwartct haben und abwarten, um ihre Unterdrücker zu vertreiben; schwer wird es ihnen, den eigenen Ungestüm zu zügeln und nicht die geringsten Fortschritte in der Sache der Freiheit mit den größten Opfern zu erkaufen. Dies ist der Zustand Belgiens, und wer ihn anders darstellt, der ist ent weder falsch berichtet, oder er verleumdet. In Lüttich vornehmlich beten üeun Zehnthcile die Freiheit und die Franzosen au; aus Allem folgt, wir müssen gegen den Feind ziehen, der Soldat verlangt cs, der Sieg kann nicht auSblcibcn. Wenn die National-Versammlung die Wohlfahrt des Reiches will, so kann sie nicht dagegen scyn." Gegen diese Rede erklärte sich die Berg-Partei. Chabot ergriff das Wort und warf Real Unredlichkeit vor, da er wohl wisse, daß sich Lafayette weigere, anzugrcifen. „Ich bitte Sie", sprach er, „Herr Real, im Namen der Freiheit, im Namen des Lütticher Volkes, dennnzircn Sie Lafayette, Gouvion und Narbonne; sagen Sic die ganze Wahrheit." Hierbei erhob sich ein Gemurmel, welches der Präsident, Merlin de Thionville, unterdrückte, indem er diejenigen, welchen Chabot'S Rede nicht gefalle, bat, sich hinwegzubegebcn. Dieser fuhr fort: „Ich verpflichte Sie, Herr Real, Ihre Dcnunciationen dem Minister zu machen, damit dieser sie der National-Versammlung mache. Wir bedürfen keiner Behutsamkeit. Wer das ganze Volk in so dringender Gefahr sieht, wie Sic, der darf cs nicht scheuen, den eigenen Kopf in Gefahr zu bringen." Real vertheipigte sich schwach; er sagte, die Unthätigkcit halte er für gefahrbringend, doch ob diejenigen, welche für dieselbe sprächen, von guten oder schlechten Gründen geleitet würden, wolle er nicht entscheiden. Hierauf erklärte Merlin, um den Streit zum Schluß zu bringen: „Die Belgier strecken uns die Arme entgegen, und Menschen, treuloser als die treulosesten Aristokraten, Feinde ter allgemeinen Freiheit, wagcn, sich zwischen uns und unsere Brüder zu stellen. Weshalb betreten wir das feindliche Reich nicht? Wer trägt die Schuld da von? Man antworte mir! Sic trägt die ausübende Gewalt, ja, die ausübende Gewalt. (Beifall.) Sie jst die Ursache aller Uebel, welche dies Zaudern über uns bringen kann." So wurde der neue, von Dumouriez entworfene Angriffsplan angenommen, und den Befehl, vorzndringen, erhielt kückner, nicht Lafayette. Dieser behielt jedoch zum großen Verdruß der Berg- Partei den Oberbefehl des CentrumS, Luckner ward anstatt des rechten Flügels der linke übergeben,' und die Stelle Rochambeau'S nahm Lamorliöre ein. Die Stärke der gelammten drei Corps schätzt Du- mvuriez in seinen Memoiren auf 1.10,000 Mann. Die Bewegung begann um dieselbe Zeit, als Dumouriez genöthigt war, seinen Platz im Ministerium an Männer ohne politische Bedeutung zu überlassen, unter denen der Hof und die Feuillants ihre Pläne wieder mit größerer Sicherheit verfolgen konnten. Luckner, cin braver Soldat, doch ein charakterloser Mensch, konnte sich des Einflusses Lafayctte'S nicht erwehren und war so für die Feuillants gewonnen. Nachdem er sich mit Leichtigkeit der Städte Menin, Ihres und Courtrai be mächtigt hatte, brach er, als er die Kunde erhielt, daß Dumouriez gestürzt sey, in Klagen aus, räumte das eroberte Land und gab die Belgier preis, die bereits im Aufstande begriffen waren. Um diesen Rückzug zu rechtfertigen, erklärte Lückner in einem Briefe an daS Kriegs-Ministerium, er habe bei dem Vordringen der Preußischen und Oestcrreichischcn Heere befürchtet, adgeschnitten zu werden; auch zeige sich in Belgien durchaus keine Bewegung, und die Bauern schössen auf die Französischen Patrouillen und nähmen die Proviantwagen in Beschlag, anstatt sich zu Gunsten der Franzosen aus zusprechen. Das Somit« der Belgischen Flüchtlinge übernahm es, diesen Bericht Lückner'S zu beantworten; cs erklärte, wenn Lückner sage, seine Armee sey über chas Dreieck zwischen Lannoy (bei Lille), Brügge und Brüssel verbreitet gewesen, so sev dies unwahr, fast dieser ganze Thcil Belgiens sey im Besitz der feindlichen Truppen gewesen; was jedoch das betreffe, daß sich in ganz Belgien keine Bewegung-ge zeigt habe, so seyen die Belgier um dieser Besonnenheit willen nicht genug glücklich zu preisen, denn in welcher Lage wären sie jetzt, wenn sie weniger besonnen gehandelt hätten. Hierauf zählte daS Somit« die Schritte der Belgier auf, auS denen ihre Anhänglichkeit an Frankreich sehr wohl hcrvorgehc; cS erwähnte unter Anderem die Gesandtschaften, die aus Brügge und Gent dem Marschall entgegen gekommen styen und ihn in ihre Städte geladen haben, und schloß, wenn cS allerdings wahr sey, daß auf diese ersten Schritte ein dumpfes Schweigen gefolgt, so sey der Grund hiervon nur darin zu suchen, daß wohlunterrichtete Männer überall erklärt haben, der Marschall wölle nicht weiter Vordringen, bevor er die Befehle des neuen Ministeriums erhalten. Ein Fall, der sich auf dem Rückzüge ereignet hatte, diente der rcvolutionairen Partei zu noch größeren Anschuldigungen. Der Gene- ral-Major MarL-oba! cl« Vamp) Jarry, einer der Generale, die unter Lückner'S Oberbefehl standen, war in Courtrai von den Oesterreichern angegriffen worden, die er znrückschlug, die sich jedoch in den Häusern der Vorstadt vor dem Genter Thore verschanzten; da ließ Jarry nicht bloß diese.Vorstadt, sondern auch alle übrige anzünden, und einige Stunden darauf plünderte er die Stadt (Nacht vom 29. zum 30. Juni 1792). Anstatt in diesem Schritte nur einen unüberlegten Versuch der Rettung zu sehen, führte man ihn alö neuen Beweis eines Komplotts an. Man erinnerte mit Leidenschaft daran, daß er von Adel sey und mit mehreren Emigrirtcn befreundet, so mußte er mit Deutschland im geheimen Verständnis stehen und darauf hinstreben, Frankreich dem Auslände zu vcrrathen. Die Brüsseler Regierung ließ die Gelegenheit nicht vorübcrgehen, die Belgier vor den verderblichen Neuerern zu warnen, „die zu Brandfackeln ihre Zuflucht nähmen, um die Völker aufzuklären über die vermeintlichen Vorzüge ihres unvergleichlichen Reiches." Meh rere Nummern des ofsiziellcn Journals waren erfüllt von der Auf zählung der Gräuel, welche die Französischen Truppen in der Vorstadt von Courtrai angerichlet. In Paris wurde die Sache in der Sitzung vom 3. Juli (1792) durch den Kriegs-Minister vor die National-Versammlung gebracht. Diese beschloß einstimmig, die Belgier müssen entschädigt werden. Die Spalten des Boniteur sind angesüllt von Diskussionen über das Gesetz, welches das Vaterland in Gefahr erklären sollte, sic geben uns keinen Aufschluß über die Stimmung, die dieser Vorfall hervor rief; doch wie er von den Jakobinern ausgenommen wurde, zeigt unS das erhaltene Bruchstück einer Rede, die Merlin in der Sitzung vom 2. Juli hielt: „Die National-Versammlung", sprach er, „hat mit Bedauern erfahren, daß Lückner sein Heer nach Lille zurückgezogen hatte, und daß, nachdem er Courtrai verlassen, Herr Jarry, unter dem Vorgeben, cs seyen Tyroler Schützen in den Vorstädten ver borgen, dieselben in Brand gesteckt hat, ohne Zweifel, um den Bra bantern Abscheu gegen die Franzosen einzuflößcn, denen sic hochherzig die Arme cntgegcngestreckt hatten." Lasource verthcidigte Lückner und wälzte alle Schuld auf Jarry: „Der Brand von Courtrai", sprach er, „ist eine abscheuliche That, welche der ganzen Französischen Nation zum Schimpf gereichen würde, wenn dieselbe nicht ihren tiefsten Abscheu gegen dieselbe offen an den Tag legte, wenn die National-Versammlung nicht die unglück lichen Brabanter, so weit cs in ihren Kräften steht, entschädigte und den Urheber dieses Schimpfes dem Schwerte der Gerechtigkeit übergäbe." „Wann sollen euch die Schuppen von den Augen fallen", rief Camille Desmoulins, „wenn es nicht jetzt geschieht, bei dem schimpf lichen Verrathe Jarry'S, der Courtrai anzündet, um die Franzosen bei ihren Belgischen Verbündeten verhaßt zu machen?" Als einen Monat später Pction an der Spitze einer Gesandtschaft der Kommune von Paris den Tod Ludwig'S XVI. von der National- Vcrfammlung zu fordern kam, wurde der Brand von Courtai noch als eines der Verbrechen hervorgehoben, das auf dem Monarchen