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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumkraUenS- PreiS 22j Sgr. (Z Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für VaS -ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcrirt auf diese? Litcramr-Llatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zcitung (FriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie ini Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 150 Berlin, Mittwoch den 15. Dezember 1841. Belgien. Frankreichs erste Invasion in Belgien. 1 7 9 2. Bekanntlich theilte die Kriegsfrage die revolutionaire Partei in Frankreich. Das Mißtrauen, welches das Benehmen des Hofes ein- flößte, bewog die Girondisten zu dem Glaube», die Freiheit fcy mit dem Königthume unvereinbar, und das angreifende System war für flc ein Mittel, die Entscheidung zu beschleunigen und das König- thum »mzustürzeu. Die Partei der Ausgewanderten gab sich anderen Hoffnungen hin und erwartete von einem Einfall in ein fremdes Reich die Wiederherstellung der absoluten Macht. Die Berg-Partei leugnete nicht, daß der Kaiserliche Hof zu Wien, was die Girondisten behaupteten, das Bündniß gebrochen habe, welches ihn mit dem zu Versailles verband, und eine feindliche Stellung annehme, doch noch forderte sie, man solle nur VerthcidigungS-Maßregcln anwendcn; mit Ministern, welche vom Auslande erkauft sehen, mit Heerführern, welche Vorrath sinnen, einen offenen Angriff zu wagen, seh die höchste Unbesonnenheit. Die Partei der constitutionellen Monarchie, welche unter dem Namen „FeuillautS" begriffen wurde, unterstützte aus anderen Gründen die Ansicht der Berg.Partei. Der Minister Nar- bonne hatte in der That Vorbereitungen zum Kriege gezeigt; es soll dies die Folge einer Jntrigue gewesen sepn, die in den Salons der Frau von Stadl «»gezettelt war. Doch die Feuillants hofften noch, durch weise Vermittelungen und Beschränkungen einen Krieg ver meiden zu können, der das Land der ganzen leidenschaftlichen Wuth entweder der Ncaction oder der Anarchie prcisgebcn mußte. In den Augen des Monarchen war dies ein äußerster Schritt, zu dem man nur seine Zuflucht nehmen dürfe, wenn jede andere Hoffnung ver schwunden seh, und Ludwig XVl. in seiner Unentschlossenheit glaubte noch nicht Alles verloren. Das System Brissot's und seiner Freunde würde, obgleich cs den Neigungen ves kriegslustigen Volkes schmeichelte, dennoch nicht so leicht durchgegriffen haben, wenn die fremden Mächte in ihrer Diplomatie behutsamer gewesen wären. Das Oesterrcichische Kabinet gab, vorzüglich seit dem Tobe Leopold'S, dem Drängen der Ausge wanderten und den Herausforderungen eitler Partei, die in Frank reich einen Bruch beabsichtigte, zu sehr nach. Getäuscht durch die Leichtigkeit, mit der die Restauration in Brüssel und Lüttich durch gedrungen war, glaubte cs, seine Regimenter dürften sich vor Paris nur zeigen, so werde dieselbe Ruhe eintrctcn. Die Mitiheilüngen des Fürsten von Kaunitz bewirken, daß sich das Feuillantische Mini sterium nicht halten konnte, und zwangen Ludwig XVI., Girondisten zu seinen Räthcn zu wählen, denen er im März 1792 Dumouriez zusügtc. Die Oesterrcichische Politik hatte solche Früchte getragen, daß die Parteien, in welche die National-Versammlung geschieden war, auf einen Augenblick schwiegen und das Dekret, welches auf den Vorschlag des Königs Oesterreich den Krieg erklärte (20. April 1792), fast einstimmig erlassen wurde. Mit gleicher Gewandtheit für den Krieg und für die Diplomatie begabt, war Dumouriez in einer Schule erzogen, die seine Moralität nicht eben empfahl. Den Parteiungen fremd, wie er sich dessen selbst in seinen Memoiren rühmt, das heißt, ohne eine der mächtigen Ueber- zeugungen, welche Märtyrer schaffen, und gleichwohl zu umsichtig, um sich in Rücksicht der Zukunft der monarchischen Gewalt mit falschen Hoffnungen zu trösten, war er bereit, sich einer Abzweigung der revolutionaire» Partei, welche seinen Kräften einen Wirkungs kreis verhieß, in die Arme zu werfen, und er schloß sich den Giron disten an, die damals die Oberhand hatten. Die Ueberlcgcnheit seines Geistes machte ihn zum Ches des neuen Kabincts, und von ihm ging der Plan deS Feldzuges gegen Oesterreich aus. Dieser Plan, nach welchem Belgien für die Fehler der Oesterreichischen Diplomatie büßen sollte, war den Grundsätzen der Girondisten voll kommen angemessen- Diese bestanden darin, sich überall nur ver- theidigungsweisc zu verhalten, wo sich eine natürliche Gränze dar bot, am Meer, an den Pyrenäen, au einem Theile der Alpen und deS Rheins, und nur an anderen Punkten das Ausland auzugreifen- Die transalpinischen Besitzungen des Königs von Sardinien, die einiger kleinen Souveraine des Deutschen Bundes waren, wie die Belgischen Provinzen, zunächst bedroht; doch da der Kaiser für den Augenblick allein im Kriege mit Frankreich begriffen war, so richtete man die ersten Streiche natürlich gegen ihn. Der von Dumouriez entworfene Plan hatte den Vortheil, daß er dem Französischen Charakter angcpaßt war, daß er Oesterreich an seiner verwundbaren Stelle angriff und die Folgen des gefürchteten Bundes, dessen Grundlagen zu Pilnitz gelegt waren, zu schwächen, vielleicht zu vereiteln versprach; denn noch war man von der Orga- msativn desselben weit entfernt. Im Süden zeigte der Hof von Turin, der durch Familienbande an die Bourbonen geknüpft war, allein eine kriegerische Wachsamkeit; dieser Staat war mehr durch seine Lage, als durch seine Mittel gefährlich. Im Norden blieb England, welches für Prinzipc keine Kriege führt, in seiner Neu tralität, aus der nur die Eroberung Belgiens und die Eröffnung der Schelde es zu reißen vermochte; Schweden, welches Gustav ver loren hatte, zog sich in seine Abgeschlossenheit zurück; Rußland ver sprach, zu dem Bunde zu treten, sobald es Polen unterworfen haben würde; Preußen war, ohne sich offen erklärt zu haben, entschieden feindlich gegen Frankreich gesinnt, doch konnte es vor dem Sommer seine Truppen nicht zum Kriege führen. Somit blieb Oesterreich allein übrig. Sein Bund mit Preußen schien ein Ungethüm, an das sich die Geister nur langsam gewöhnen konnten, und noch waren die beiden Mächte selbst nur über das Ziel einig; über die Mittel, es zu erreichen, hatten sie sich noch nicht verständigt. Vermöge einer umsichtig geleiteten Thätigkcit konnte Frankreich, ohne auf bedeutende Hemmnisse zu stoßen, bis zum Rhein Vordringen. Leopold zauderte fortdauernd, ernste Vorkehrungen zum Kriege zu treffen; so überraschte ihn der Tod, ohne daß ein Schritt weiter geschehen wäre, und die 30,000 Mann, die sich in Belgien befanden, reichten kaum hin, die innere Ruhe aufrecht zu erhalten. In Belgien nahm der Aufstand einen gefährlichen Charakter an; die Brüsseler Regierung verfuhr ohne festes System, sie verordnete heute, was sie morgen verwarf. Ein doppelter Einfluß suchte sie zu beherrschen, der der Erzherzogin Marie Christine und der des Fürsten Kaunitz; die Erstere beabsichtigte eine offene Aussöhnung mit der aristokratischen Partei, während der Letztere, der empfangenen Beleidigungen eingedenk, jeden Vergleich zurückwics. Noch am An fang deS Jahres 1792 sah sich die Regierung haltlos und ohne Verlaß auf das Belgische Volk. Die beiden Parteien, empört über ihre Un entschiedenheit, zogen sich zugleich von ihr zurück; die Demokraten schlossen sich der herrschenden Ansicht in Frankreich an und forderten Krieg; die Aristokraten bereiteten sich auf einen neuen Aufstand vor, versammelten Schaaren von Auswanderern auf der Gränze und drängten die Regierung durch Versagung der Subsidicn zur Ent scheidung. Eine Umgestaltung des Regierungs-Systems hätte damals die beiden Parteien zur Versöhnung noch bereit gefunden. Die Da zwischenkunft einer fremden Macht war ein vcrzweiflungsvolleS Mittel, dessen Gefahr die gemäßigten Vonckisten wie instinktartig geahnt zu haben scheinen. Die konservative Partei kämpfte gegen einen Bruch noch mehr. Bedrohte die Französische Revolution nicht alle Rechte? Was konnte» der Adel und die Geistlichkeit durch einen Anschluß an sie gewinnen? War im Grunde einem so furchtbaren Feinde gegenüber ihr Interesse und das dcö Kaisers nicht dasselbe? Wenn man die Stellung, welche Oesterreich damals einnahm, unparteiisch betrachtet, so kann man sich kaum erklären, wie es das Andenken an die ihm zugcfügten Beleidigungen nicht zu opfern ver mochte, wie cs die dringende Nothwendigkeit nicht fühlte, den Weg der Versöhnung einzuschlagen. Oesterreichs Politik blieb dieselbe; die mißvergnügten Ausgewanderten konnte sie im fremden Lande nicht erreichen, so ruhte der ganze Zorn der Regierung aus den Zurückgebliebenen. Zu wiederholten Malen wurden nächtliche Arrc- tirungcn mit so großem Aufsehen vorgenommen, daß die Ruhe der Hauptstadt dadurch gestört wurde. Die Kerker waren gedrängt voll von sogenannten politischen Verbrechern, und dies Alles flößte der Menge mehr Erbitterung als Furcht ein. In dieser Lage, nach einer offenen Verweigerung der Abgaben, wagte die Regierung nicht mehr, die Privilegien von Brabant für ungültig zu erklären und mit der Gewalt offen hcrvorzutrclen. Dazu fehlte ihr die Kraft. Somit griff sie aufs neue zu Vermitte lungen. Die Ausgleichung, welche der Fürst von Lignc versuchte, mißlang; und Oesterreich war vor Allem bestrebt, Brabant von den übrigen Provinzen zu isolircn; die Amnestie, welche durch den Ver trag von Brüssel versprochen war, wurde überall verkündigt, nur nicht in Brüssel; hier hing die Gefahr, für die Vergehungen, die man am Fürsten und an Privatpersonen verübt hatte, büßen zu müssen, noch als drohendes Schwert über den Häuptern der glühendsten Patrio-