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502 Wir haben die Freiheit plötzlich erlangt, und unsere Familien haben keine Rechte, die wir durch genealogische Forschungen herausstellen könnten; doch ein Punkt unseres alten Ursprungs ist cs, der die sorgfältigste Nachforschung nicht eines Individuums, sondern der ge lammten Nation verlangt; um seinetwillen sind wir hier versammelt, ich meine die Ausgrabung der Griechischen Alterthümer und ihre möglichst sorgfältige Wiederherstellung. „Die archäologische Gesellschaft zu Athen hat sich dieses Ziel gesteckt; sie ist heute zum vierten Mal versammelt, um ihre Grün dung zu feiern. Mit welcher Freude und Befriedigung würde Ihnen die Direction von den Ergebnissen dieses dritten Jahres Rechnung ablegen, wenn sic eine lange Reihe bedeutenderer Erfolge aufzuzählen hätte! Doch wir sehen vor uns ein nencS Theater erbaut, in dem wir binnen kurzer Zeit unseren Mitbürgern Beifall zollen werden für die edle Darstellung, in der sie uns die großartigen Gedanken und Gefühle unserer Borältern, verführen. Doch das Theater, in dem einst Aeschylus, Sophokles, Euripides und Agathon ihre unsterb lichen Werke aufführten, liegt noch von den Trümmern der allmäligcn Zerstörung verschüttet. Dies Theater, meine Herren, sollte vor anderthalb Jahren schon ausgcgraben werden. Die Zöglinge der Universität und des Gymnasiums, 800 an der Zahl, waren sammt ihren Professoren bereit, diese beschwerliche, doch ruhmvolle Arbeit zu unternehmen, damit man die Stufen wieder betreten könne, von denen das Athenische Volk Aristides einst für seine Gerechtigkeit und für seine Verlheidigung des Vaterlandes würdig belohnte, als Aller Augen sich wie durch einen elektrischen Schlag bei den bekannten Versen des Aeschylus ihm zuwandten. Das Kriegs-Ministerium war diesem schönen Eifer der Studirenden und ihrer Lehrer bereitwillig cntgegcngekommen, indem es ihnen Wagen, Spaten und die sonst zu der Arbeit erforderlichen Werkzeuge überließ. Doch der Mangel an Vertrauen und die illiberale Gesinnung des Ministers, der da mals das Portefeuille der Polizei und des Innern vereinigte, waren der Grund, daß die Petition der Gesellschaft, in der sie nichts als eine einfache Erlanbniß nachsnchte, übel ausgenommen, zurückgelcgt und zu der unzähligen Menge von Petitionen geworfen ward, von denen das Kabtnet des Ministers wimmelte. „Welche Lähmung ist in den Bestrebungen der archäologischen Gesellschaft durch verderbliche Einwirkungen der Art cingctrcten! Hätte man damals die Ausgrabung dieses Theaters gestattet, wären der Rektor der Universität und der des Gymnasiums damals nicht gehindert worden, mit ihren Lehrern und Schülern dieses Prachtwerk aufzuschürfen und abzuputzen, welche Begeisterung hätte viese That in Griechenland erzeugt; wie sehr würde diese Begeisterung zur Vergrößerung und dem erfolgreicheren Wirken der Gesellschaft bei getragen haben! Welche Entdeckungen hätte man nach und nach gemacht, und wie viele würden den Schatz der Denkmäler unserer alten schönen Künste vermehrt, wie viele würden Licht auf historische Untersuchungen geworfen haben, die bis jetzt noch nicht hinlänglich aufgehcllt sind; und welchen Beifall würden wir für diesen Eifer bei fremden Nationen geärndtct haben! „Dieses, meine Herren, sind die traurigen Gründe mannigfacher Verzögerungen; sie könnten gegenwärtig nicht mehr eintretcn, und wenn sie fortdauertcn, so würden wir uns heute nicht im Parthenon versammelt haben, sondern, unserer schönsten Hoffnungen beraubt, voll Scham vor uns selbst und vor den geehrten Mitgliedern, außer halb Griechenlands uns verborgen haben. „Wenn mit dem Untergange der Griechischen Freiheit auch das Theseum, das Erechtheum, Parthenon und so viele andere bcwun- dernSwerthe Denkmäler, die zwar verletzt, aber doch erhalten sind, untergcgangen wären, wenn sie nicht als untrügliche Zeugen der alten Größe Griechenlands daständen, so könnte man diese Größe selbst, den Ruhm von Thermopylä, Platää und Salamis für eine poetische Fiction halten.... Doch diese herrlichen Reste haben Len gebildeten Nationen Europa's gezeigt, daß unsere wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen nicht in einem tollkühnen Wagen, sondern in der heiligen Begeisterung ihren Grund haben, mit der die Nachkommen ihren großen Vätern gleich zu werden streben und cinst noch Thaten zu vollführen denken, deren man sie jetzt für unfähig hält. Und dies ist die Ursache, weshalb wir seit dem Beginn unseres Krieges Bewunderung und Theilnahme erregt haben, und weshalb eine so große Menge von Philhellenen sich bewogen gefühlt, unsere Gefahren zu thcilen und mit uns für unsere Freiheit zu streiten. Diesen nun, meine Herren, können wir keine größere Wicdervcrgel- tung gewähren, als daß wir ihnen durch unsere archäologischen Arbeiten, auch wenn dieselben mit noch weit größeren Anstrengungen verbunden wären, als sie es in der That sind, den Genuß der Alt- Griechischen Kunstwerke bereiten. „Das Namen-Verzeichniß unserer Mitglieder ist der sicherste Beleg für das Wohlwollen, mit dem man an unseren Bestrebungen von allen Seiten Theil nimmt. Die berühmtesten Männer haben sich in die Gesellschaft ausnehmen lassen; Einige haben uns ihre eigenen Werke angetragen, und der König der Niederlande hat ge ruht, uns eine Kopie der Alterthümer seines Museums zu senden. Die Herren Gesandien der fremden Mächte sammt unserer König lichen Majestät selbst" ehren als hohe. Mitglieder unserer Gesellschaft diese Versammlung durch ihre Gegenwart. Sie, die Kenner und Verehrer des Schönen unv Erhabenen, bezeugen uns, daß wir in die sen unseren Arbeiten nicht laß zu Werke gehen, daß wir mit tiefem Schmerze den Verlust empfinden, den Reisende uns bereitet haben, von denen wir während der Zeit unserer Knechtschaft mancher Äunst- schätze beraubt worden sind, daß wir jetzt die Bedeutung dieser hohen Erbschaft unserer Väter vollkommen erkennen, die verletzten Stücke derselben mit möglichst großer Sorgfalt wiederherstellen und die ver schütteten auSgraben, um so den Verlust so viel als möglich zu ver wenden, den uns die Zeit zugefügt hat, welche bei ihren Zerstörun gen durch die Rohheit unserer Bedrücker und durch die Fühllosigkeit des eigenen verkncchteten Volkes noch unterstützt wurde. „Als ich, meine Herren, Minister der auswärtigen Angelegen heiten mit den Herren Repräsentanten der verbündeten Mächte diese Gegenden zu untersuchen kam, ich kann Ihnen nicht schildern, wie ich mein Herz da schlagen fühlte, als ich sah, daß so viele der herr lichsten Denkmäler des Griechischen Alterthums die Gefahr der Zer störung noch siegreich überwunden hatten, daß sie nicht Trümmer über Trümmer gestürzt waren, sondern aufrechtstehcnd den Schutt uns die Asche dieser zerstörten Stadt überschattcten. Ich fand in der Umgegend mehrere Gräber unserer Feinde, die einst über uns trium- phirt hatten und doch vergessen sind; daneben sah ich einfache Erd hügel, welche die Gebeine von Helden cinschließen, die im Kampfe für das Vaterland gefallen sind, und ich segnete sie als glückliche Märtyrer unserer Freiheit; die Blätter der Geschichte, sprach ich zu mir, werden als unzerstörbare Pyramiden ihr Grab schmücken, doch die, welche für Tyrannen fallen, sind unwerth, der Nachwelt über liefert zu werden. Diesen Erdhügeln ohne Denkstein verdanken wir nicht nur die Wiederkehr in diese alte freie Stadt, die wiederum von freien Griechen bewohnt wird, sondern an Allem, was wir durch unsere Ausgrabungen wiedcrgewinncn und was für die Archäologie und die schönen Künste von Werth ist, haben sie Theil." - Mannigfaltiges. — Theater in Madrid. Der kürzlich erschienene dritte Band des „TirociniumS eines Deutschen Offiziers in Spanien", von Gustav Höfken"), enthält mancherlei interessante Mittheilungen übcr die neueren Fortschritte der Spanischen Literatur, über Lie in Madriv bestehenden gelehrten Gesellschaften und endlich auch über die Theater oder, wie sie der Verf. nennt, „Schauburgcn" dieser Hauptstadt. Wir entlehnen über den zuletzt gedachten Gegenstand folgende Bemerkungen, die uns zugleich mit einem Drama nach dem neuesten Spanischen Geschmack bekannt machen: „ES giebt zwei Schauburgen in Madriv, de la Cruz und del Principe genannt, welche sich weder durch Schönheit, noch Lurch Größe oder Glanz auSzeichnen; Vic eine wird meist für die Jtaliänische Oper benutzt, die andere für die Spanische Komödie. °°) Noch unvollendet ist Las neue große Schauspielhaus, so wie der prächtige Königliche Palast selbst, dem es gegenüberliegt. Ein viertes kleineres Theater kommt nicht in Betracht. Als ich zum erstenmale die Konwdic in Madrid besuchte, wurde unter Anderem ein kleines Stück dargestellt, das auch die Deutsche Bühne hat, jene Geschichte von einem armen Kompo nisten, der im ärgsten Elende seine reiche Tochter wiederfinvct, in welche sei» Unglllcksgefährte, ei» armer Poet, verliebt ist. Es wurde unter dem Titel: „bst compvsftor I» eztrangera" auf dem Theater zettel sehr gepriesen, und obgleich Manches darin bei der Darstellung verfehlt wurde, machte es lebhaften Eindruck. Mich rührte es innig; es rief Bilder aus der Kindheit und Lem Vaterlande in mir auf. Auch etwas Geschmackloses kann unter Umständen das Herz mit weh- müthigen Erinnerungen erfüllen und Thränen in das Auge locken. Einige Tage später sah ich eine moderne Tragödie, „Jakob II." be titelt, welche zum erstenmale gegeben wurde und den ganzen Abend ausfüllte. Es sollte darin die Periode der Englischen Geschichte ge schildert werden, wo die Regierung aus den Händen Karl's II. in die Jakod's übergeht. Der Verfasser gab sich als einer von der äußersten Linken zu erkennen; denn einmal waren überall, moderne liberale Floskeln angebracht, welche, wie drollig sie sich auch oftmals im Munde jener historischen Personen ausnahmen, doch stets be klatscht wurden, und dann mußten sich auch die Jesuiten auf das gröbste mißhanveln lassen. Wenn jener berühmte Orden solche Schwachköpfe zu Mitgliedern gezählt hätte, wie sie die modernen Komövien ausführcn, nie könnte er seinen großen Ruf erlangt haben! DaS Publikum unterließ nicht, jede Anspielung, welche die heilige Brüderschaft oder ihre Prätensionen lächerlich machen sollte, mit Beifall zu überschütten; wahrhaft ungestüm wurde das Klatschen, als der Jesuit, den neuen König, welcher von Einigung des „Throns und AltarS" sprach, unterbrechend, sagte: „Nein, Sire, des Altars und Throns!" Sonderbarerweise habe ich in den beiden einst vor zugsweise katholischen Städten, in Brüssel und Madrid, dieselbe Sucht im Publikum gefunden, über die Geistlichkeit, besonders über Mönche und Ordensbrüder, loszuziehen; jedes Wortspiel auf Kosten dieser Leute kann auf sicheren Beifall rechnen. AuS ästhetischem Gesichtspunkte betrachtet, hat das Stück keinen Werth; eS ist voll schwülstiger Deklamation. Sein eigentlicher Zweck scheint nur zn scyn, die große Sympathie an den Tag zu legen, welche das ge bildete Spanien im Allgemeinen für England fühlt. Es strotzt von Lobeserhebungen des Englischen Volkes und der Englischen Freiheit. Weil die Franzosen seit vielen Jahren Spanien täuschen unv lauter Unheil über dies Land brachten, sind sie fast durchgehends verhaßt, wo nicht verachtet; der Name Engländer aber ist gegenwärtig hier eine Empfehlung." ") E- Nr- 143 des Magazin-. , „ "1 Der Svanische Gebrauch ist zu loben, demzufolge alte Platze j» de» Theatern »umerirt und folglich nicht mehr Billette, »iS es Playe glebt, ver käuflich stnd; daher ist eS auch nicht nothig, in Pari-, in einer Arc Hühncrsteige stundenlang auf der Bass« die Eröffnung zu erwarten. Herausgegcben von der Expedition der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Redigirt von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.