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L7S „Geliebte In Christo! Ich bin heute ein Schauspiel für Gott, für Engel und Menschen. Unter den Menschen klagen die Guten, die Bösen jauchzen, Alle blicken auf mich. Doch Golt sey gedankt, ich fühle keine Furcht vor dem Tode; wenn ich nur noch einen Schritt bis ins Grab habe, so hab' ich es nicht weiter bis in den Himmel. Indem ich den Kopf auf den Block lege, besteig' ich meinen Thron; der Hafen lacht mir entgegen, in dem ewige Ruhe mich umfangen soll. Meine Kanzel tausch' ich gegen dieses Blutgerüst aus, dieses Blutgerüst gegen einen ewigen Thron, und die Menge, die mich umgiebt, gegen die zahllosen Schaaren der Heiligen nnv der Engel, die mich empfangen und mich in Abrahani'S Schoß geleiten. Dies Gerüst ist die schönste Kanzel, von der ich je gepredigt habe. Ich werde meinen Tert in drei Theilen abhandeln, u. s. w. Die lange Rede, die wir im fünften Bande der Scnte-irinG lesen, muß min destens eine Stunde gewährt Haden. Er schloß: Die Menschen tövtcn, doch verdammen können sie nicht; sie verbannen von der Erde, doch aus dem Himmel verbannen können sie nicht. Ich habe einen weiten Weg vor mir, doch wahrlich ich sage euch, ich werde den weiten Weg früher zurückgelegt haben, als ihr die wenigen Schritte in eure Häuser. Gott segne euch! Er bettle, und sein Haupt siel. II. Den 8. Januar 1664 gab der Londoner Journalist PopyS in feinem Blatte folgende Notiz: Man sprach heut auf der Börse von einem Diebstahl, der an Herrn Trpan, einem schon bejahrten Kaufmann, verübt worden ist. Die Diebe haben die Abwesenheit der Diener be nutzt, sind mit Nachschlüsseln in das HauS gedrungen, haben den un glücklichen Greis geknebelt nnd sich der baaren Summe von 1U50 Pfund und einer Anzahl Juwelen im Wcrthc von 4WO Pfund bemächtigt. Einige Tage darauf bemerkie Popps, man habe den Oberst Turner, der wegen vielfacher übler Streiche allgemein bekannt war, als den muthmäßlichcn Urheber deS Diebstahl» verhaftet. Den anderen Tag erklärte er, man hoffe den Oberst Turner bald gehängt zu sehen. Turner wurde in der That bereits am litten, ungeachtet seines Leug nens, durch die Jury verurtheilt, den ISten gestand er sein Ver brechen, und den 2lsten wohnte Popyö folgender Scene bei, zu deren Ansicht er sich für einen Shilling einen Platz aus einem Wagenrad« gemiethet hatte. Turner betrat das Schaffet und sagte zu dem Henker: Meine Freunde wünschen sich in meine Kleider zu theilen, hier sind 5» SHU- ling für dich und außerdem noch 2 Shilling <i Denare zu einem frischen Trunk und 13 Shilling für die Ehrenmänner, die meinen Leib beerdigen und meine Kleider an eine gewisse Mistreß Smith ab geben solle». Hierauf wenvete er sich an das Lolk: Sir Richard Ford, und Sic, zweiter Herr Richter, und ihr alle, edle Versam melte, ich zahle eine Schuld, die wir Alle der Natur adzutragen haben. Gott straft mich für meine Sünden, ich bin ein großer Ver brecher; ich habe ihn oft gelästert und bei seinem Namen falsch ge schworen; doch lch hege die Hoffnung, die Zuversicht, daß Christi Blut auch meine Sünden abwaichcn wird. Nach dieser Rede, dic wir gekürzt haben, erklärte Turner seine Söhne, die man gleichfalls ver haftet hatte, für unschuldig, sprach von seinem Vater, der ein ge ehrter Prediger war, von seiner Frau, die aus einer angesehenen Familie stammle, und bat znlctzt, seine beiden Kinder noch denselben Abend der Mutter wiederzugeben. Nachdem man ihm versprochen, hierfür das Möglichste zu thun, begann er eine lange Darstellung seines gesammten LebenSganqeS, suchte sich von allen Anklagen zu reinigen und schloß mit der Frage an die Richter: Sind Sie befrie digt, meine Herren? wünschen Sic, daß ich auf größere Einzelheiten cingehe? Die Richter versicherten, sie scpen zufrieden, wenn er selbst tS nur sey. Der Oberst Turner fuhr fort, auf Fragen zu antworten, die man in Betreff von Verbrechen, deren man ihn beschuldigt, wäh rend der Untersuchung an ihn gerichtet hatte. Der Grfängniß-Pre- digcr von Newgate unterbrach ihn mit der Frage, ob er von einem falschen Stein wisse, den man der Gräfin von Devonshire an der Stelle eines Diamanten verkauft habe. Er erklärte entschieden, von einem Betrüge der Art sey ihm Nichts bekannt, und schloß: Jetzt scpd ihr von meinen Erlebnissen unterrichtet, so will ich euch meine Reli gions-Ansichten auscinandersktzen. Hieraus fing er zu erzählen an, wie eS ihn stets erbittert habe, wenn er Jemand in der Kirche den Hut ausdehalten gesehen, wie er den Wein und das Vergnügen ge liebt, doch nur alS Kind sich berauscht habe, u. dgl. viel. Endlich uuierbrach ihn der GcrichtSdiener ungeduldig: Wenn ich eine Möglichkeit sähe, daß ihr begnadigt würdet, so könnte ich mich über diesen Zeitverlust trösten, doch da zur Begnadigung keine Aus sicht ist, so lasset ab, uns durch eitles Geschwätz aufzuhalten. Ich hoffe auf keine Gnade, erwicberte Turner, bittet Gott mit mir. Er betete, der Prediger von Newgate segnete ihn, hieraus wandte er sich nochmals an die Versammlung, gab Aufträge au Zurückbleibende, sichte zu Cdristu», daß er sich feiner Seele erbarme, händigte einem Gerichtsdicucr 40 Shilling« ein, dic cr unter die Armen de» Kirch- sprengelS vcrtheilcn sollte, gab ihm scrncr 18 Spillinge und 6 Pence für den Lehrer seines Schm», ver Kadett war, und fragte endlich, ob er den ganzen Tag gehängt bleibe. Nein, erwicberte man ibm, sobald ihr tovl scyd, schneidet man euch loS. — Ich bitte, täuscht Mich nicht. — Ihr bleibt nur eine halbe Stunde hängen. Hierauf küßte er den Strick, der über die Schultern deS Nach- richterS hing, und legte ihn sich um den Hals. Herr Turner, erscholl jetzt «ine Stimme au» einem benachbarten Fenster, haben Sie an die Vier Punkte gedacht, von denen ich mit Ihnen gesprochen habet — Lch habe sie vollbracht, Herr Eecker. — AtSoann muß diese Stunvc, hie sonst so peinlich ist, für Sie eine Stunde deS Glücke» seyn. — Da» ist sie, Herr Eecker. — So iry der Herr mit Ihnen und rette 2hrc Ecelc au» den Armen de» Tode» in da» Reich sciucr ewige» Freuden. — Ich sehe den Retter, wie er durch die Wolken winkt, erwieverte der Oberst. Henker, hab' Acht auf mich, fuhr er fort; ich werde dir da» Zeichen zu deinem Geschäft geben, wenn ich dic rechte Hand auf die linke Schulter lege. Gott vergebe dir dein Hand werk! In diesem Augenblick gewahrte cr cinc niedliche junge Dame, die )hn aus einiger Eulfcrnung beobachtete; er schritt zu ihr, küßte ihr die Hand und sprach: Ihr Diener, Madame; kniet« hierauf nie der, streckt« die Hände gen Himmel und rief: JesuS, nimm meine Seele zu Dir. Er machte die angegcbene Bewegung, und der Henker beförderte ihn in die Ewigkeit. III. Da» Schaffet wurde in England nicht bloß zur Nedncrbühne be nutzt; es wurde oft zu einer Art von Theater, auf dem man kleine, mehr oder minder tragische Dramen improvisirte. Die Historiker beschränken sich aus die Berichtung der Thatsachcn; doch unter den unscheinbaren Nebrnumstänbe», die sie übergehen und zu übergeben ein Recht habe», findet sich Vieles, was ost nicht bloß ein hohes psy chologisches Jnlerreffe hat, sondern was selbst zur Charakteristik der nationalen Eigenthümlichkeit einzelne schlagende Züge giebt. Wir «rlauben uns wenige Beispicle. Der Graf von Derweniwater, der 1716 als Hochverräther hin- gerichtet wurde, untersuchte, nachdem er eine Neve abgclesen hatte, den Block und befahl dem Henker, einen Holzsplitter wegzuschnciden, der ihn in den Hals drücke; erst nachdem dies geschehen war, legte er da» Haupt auf den Block. — Der Seeräuber John Gow (1729) war kaum gehängt, als seine Freunde, um seine Schmerzen zu ver kürzen, sich an seine Beine hängten. Die anwesenden GerichtSdiencr untersagen es ihnen nicht, der Strang reißt, und die Erecution muß von neuem angehcn, weil der Unglückliche noch röchelt. — Sir JeoviS Elwis, der, der Ermordung de» Sir Thomas Ovcrbury (1615) angeklagt, hingerichlct wurde, bestieg dic Lcitcr, setzte sich an eine Sprosse und wollte sein« Rede beginnen, alS er bemerkte, daß er unbequem sitze; er gebot dem Nachrichier, der Leiter eine bequemere Lage zu gebe», bestieg sie, nachdem dies geschehen war, von neuem und sprach. Plötzlich bemerkte er einen gewissen Maximilian Dolli- son, der zu Pferd» in der Nähe deS Galgens hielt. „Herr Mari- milian", sagte er, „Sie wissen, wie ost wir dcn Tag zur Nacht und die 'Nacht zum Tage gemacht Haden, ich bitte Sie, schänden Sie den Sabbath in Zukunft nicht mehr, Gott könnte Sie strafen." Ihr Schicksal wird mir stets vor Augen schweben, erwiderte Marimilian. Bisweilen ließen sich di« GkrichtSIcuic selbst in Gespräche mit den Berurthcilten ein. Folgende» Verhör wurde mit zwei Heren angestellt, die im dreiundvierzigsten Jahre der Regierung Kart'» II. hingerichtet wurden. Der Sheriff wendet sich zu der Ersten der beiden Verurlheilicn und fragt: Maria Tremblc, wa» hast du mir über da» Verdrechrn zu sagen, dessen du angeklagt bist? Maric. Nichts, was ich nicht schon gesagt hätte. Dcr Sheriff. In welcher Gestalt ist dir der Teufel »rschicncn? Maric. Ich hab« ihn nur «in einzige» Mal gesehen, da hatte er die Gestalt eines Löwen. D. Sh. Hat cr keine Gewalt gegen dich gebraucht? M. Nein; ich erschrak unv rief: Mein Golt! da war cr ver schwunden. D. Sh. Unv du, Tempcrance Loyd, hast du einen Bund mit dcm Teufel geschloffen? Temperancc. Nein, Herr. D- Sb. In welcher Gestalt ist cr dir erschienen? — T. In einer gar schrecklichen. — D. Sh. Hat er dich in seiner Gewalt gcdabt? — T. 'Nein, Herr. — D- Sh. Was Ihat er, als cr dir erschien? — T. Er ließ mich Böses tdun. — D. Sh. Und hast du ibm gehorcht? — T. Einer armen Frau that ich BöseS, ohne es selbst zu wissrii. Er zog mich zu ihrer Thür, sie stand offen. — -D. Sh. Und was lhatest dn? — T. Dcr Tcuscl gab mir Schläge über den Kops, wett ich sic nicht lösten wollte, da erschlug ich sie. — D. Sh. Kamst du durch de» Schornstein? — T. 'Nein, die Thür stand aus. — D. Sb. Woran erkanntest du dcn Teufel? — T- An seinen Augen. — D. Sh. Hast du einen Vertrag mit ihm geschlossen? — T. Nein, Herr. — D Sh. Hat dir der Teufel nicht» versprochen? — T. 'Nein. — D- Sh. Dann hast du einem schlechten Herrn gkdient, wenn cr nicht» zahlt. — Nach einer Pause fragte er noch: Glaubest du an Gon? — Ja, antwortete dir arme Bcruribeilie, auch an Jesu» Christus, und ich bitte, daß cr mir alle meine Sünden vergebe. Politische Verbrecher suchte man oft zu bewegen, daß sie ihre Handlungen öffentlich für schlecht erklären und ihre Reue darüber auSsprcchen sollten. Folgende Scene halte im Jahre 1645 bei der Hinrichtung Lord Maczmro's stall: Der Sheriff. GluibenSic bci dieser furchtbaren That recht gehandelt zu haben? , > Lord Macguiro. Ich habe nur noch wenige Augenblicke zu leben, schont mich und laßt eure Fragen. Der Sheriff. Ich darf St« nicht schonen, damit man Sie im Himmel schone. Lord Macguiro. Im Namen Lottes, lasset mich beten. Der Sheriff. Bedenken Sie, Sie haben zwei Wege vor sich, dcn einen znm Himmel, zur Hölle den anderen. Wenn Sie nicht bereuen, so ist Ihr Loo» entsetzlich. Lorv Macginro. Lasset mich in Frieden stcibc»! Ma» durchsucht ihn „uv findet ei» Kruzifix in seiner Tasche; cr Wendel sich an da» Volk »uv inst, er sterbe al» Katholik, man solle ihn in Friede» zu seinem Golle bclen lassen; doch der Girichlscicuer