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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«' Preis 22 j Sgr. (j Tbtr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da« ganze Jahr, ahne Er, Höhung, i» allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Literatur Klatt in Kerlin in der Ervedition der Alla. Pr. Snmts-Acnnnq (Jriedrichöür. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllödl. Post-Aermcrn. Literatur des Auslandes. 1841. Berlin, Freitag den 3. Dezember Rußland. Die Schlacht von Borodino. (Am M. August l8tr.') Unter obigem Titel hat Polewoi eine Broschüre herauSgege- ben, welche wir — sofern nur seine diesfällige Vorbemerkung von nnS richtig verstanden worden ist — um so unbefangener als eine verfehlte Arbeit bezeichnen dürfen, je überzeugter wir blSher fast jede ThätigkeitS-Aeußerung deS Verfassers auch in ihrer Durchführung beifällig anerkannt haben. Hier aber scheint diese letztere in geradem Widerspruche mit de' Idee zu stehen, welche die Veranlassung zur Arbeit gegeben: Polewoi wollte nämlich die Schlacht bei Borodino in allgemeinsaßlicher Erzählung, ohne alle Schönrednerei und tech nische Ausdrücke, darstellen, um dadurch, nach dem Vorgänge der altüberlieferten Beschreibung der Eroberung von Kasan, der Nevskj-Schlacht u. a. m., eine Reihe von vergleichen volksthüm- lichen Schilderungen anderer Glanzscenen a»S dem heroischen Drama der vaterländischen Geschichte (z. B. der Schlacht bei Poltawa, des Suworovschen Feldzugs in Italien, der Einnahme von Pari«) zur Nahrung und Belebung von Vaterlandsliebe und Nationalstolz im niederen Volke zuwegezubringen. Unser Kohlrausch, meinen wir, könnte ihm hierein ein nicht verwerfliches Muster abgeben.. Doch, ohne alle weitere Bemerkungen und Glossen, hören wir jetzt, wie Polewoi — brausend, gleich seinen vaterländischen Geschützen — in der Schlacht selbst agirt, nachdem er ihr eine gedrängte Uebersicht der Schicksale und Lage Frankreichs, dem übrigen Europa und ins besondere Rußland gegenüber, vom Jahre 1786 an, dem Jahre deS Auftretens Napoleon'S — welches zufällig auch daS Todesjahr der Kaiserin Katharina und das Geburtsjahr des jetzigen Kaisers — vorausgeschickt. „Ein rührendes Schauspiel (so beginnt Polewoi) gewährte das Russische Heer am Abende deS 2S. August; vor Alters pflegten die Russen jedes Beginnen durch Gebet zu weihen. Bei dem Russischen Heere befand sich damals ein großes Heiligthum: das geweihte Bild der Mutter Gottes von Smolensk, von unseren Kriegern aus dem Brande der Stadt getragen, als sie das altehrwürdige Smolensk an Napoleon übergaben, und seitdem das Russische Heer zu jeder Zeit deS Feldzugs begleitend, bis zur Wiedcreinnahme von Smolensk, als der Feind schon schreckerfüllt von dannen floh. — Jetzt ließ KnäS Kutusov dasselbe, unter Absingung eines Mo le ben (Dank- liedeS) vor die Front trage», indem er selber hinter ihm verging; und die Mutter Gottes zugleich mit ihrem Feldherrn durch Hurrah- ruf begrüßend, beugten die Wackeren in regloser Andacht das Knie vor dem Bilde der Himmelsfürstin. Mit Thränen vernahmen sie den erhebenden Zuruf: „Aus! Jetzt nach Borodino!" und voll Hoff nung schlugen die Herzen bei den Worten: „Den Heldenführer krönt der Sieg!" Der heilige Gesang schwieg. Der Abend sank hernieder, der Tag erlosch. Nächtige Wolken verfinsterten den Himmel; still ward das Russische Lager, und mit reinem Gewissen entschlummerten Ruß lands Sohne sanft in ihren Feldhüttcn zwischen den reglosen donner schwangeren Feuerschlündcn. Nur das Anrufen der Wachtposten ver kündete das Daseyn des Lagers, und still berathschlagten die Führer unter sich. — AuS dem feindlichen Lager dagegen drang Lärm und Getümmel herüber; spat Abends noch ritt Napoleon an allen seinen Regimentern hinunter, und sie begrüßten ihn mit dem Rufe: ES lebe der Kaiser! In dieser Nacht mag er wohl kaum geschlafen haben. Etliche Male ließ er fragen: Ob sich die Russen nicht etwa davonmachten? Er traute nicht, weil er gar keine Regung und keinen Laut von unserem Heere vernahm. Nur der Wind strich und heulte über daS Felo, die Flammen der von den Soldaten an- gezündetcn Holzhausen hin- und herwchcnd. — „Die Russen sind noch ans ihrem Platze", meldeten Napolcon'S Adjutanten demselben, und er bezeigte sich darüber zufrieden. Kaum tauchte die Morgen- röthe auf, so wurde das feindliche Lager abgebrochen, so sing man an, die Trommeln zu rühren, und las jeder Hauptmann seiner Compagnie den Tagesbefehl vor, der von Napoleon selber geschrieben war: „Soldaten (sagte er), rüstet Euch zur Schlacht, die Ihr so lange erharrt habt. Streitet so, daß die Nachwelt mit Stolz von Jedem unter Euch sage: Er war in der großen Schlacht unter den -) Nach dem Russischen Courier- Mauern von Moskau!" — Freudejauchzen ward ihm als Antwort. Um bz Uhr etwa, als durch die Morgennebel die Strahlen der ausge henden Sonne erglänzten, trat Napoleon auS seinem Zelle und rief, nach ihr hindeutend, seiner Suite zu: So ging sie am Tage von Austerlitz auf! — Damals erkannte er noch nicht, daß für ihn die früheren Zeilen ans immer untergegangen, daß die Sonne von Borodino für ihn den verhängnißschwcren Lag einer ersten Verfinsterung seines Ruhmes beleuchten sollte. Napoleon sprengte zu Ehevardin; die Regimenter desselben rück ten zur Schlacht vor. Sorbicr fuhr seine Geschütze auf. Bei der Russischen Hauptdatterie wachte damals schon Knäs Kutusov. Als er die Bewegung der feindlichen Schaaren wahrnahm, donnerte aus der Russischen Batterie der Signalschuß. Sein dumpfer Schall ver breitete sich rings und verklang. Ohne seine Suite abzuwartcn, ritt der Russische Feldherr aus dem Hauptquartier zur Batterie hin. ES schlug 6 Uhr, als in der Entfernung von einigen Wersten plötzlich daS Feuer aufzublitzen begann, die Klcingcwehrschüffe aus vollem Halse lachten (anipo»>>iri^«, .-jngrnobvmli), die Kanonen laut brüllten, jähzornig die Schlacht auffuhr — die Schlacht von Borodino.... Nein! Vergeblich wohl möchten wir auch nur den allerschwächsten Umriß dieser Großthat, wie es ihrer nicht viele gegeben, zeichnen wollen, ja, wenn wir auch Muster-KriegSgeschichtschreiber wären! Zusammengedrängt auf acht Quadrat-Wersten dreimalbundcrt- tausend Mann, bei ununterbrochenem Getöse von fünfzehn hundert Stücken Geschütz, zwölf Stunden hinter einander käm pfend und einander vernichtend, bis der dritte Theil von Allen todt auf dem Platze geblieben oder mit Wunden bedeckt auS der Schlachtordnung geschieden. Von den unaufhörlichen Salven wurden die Stücke glühend und platzten; die Kanonenkugeln und Kartät schen flogen wie sonst Flintcnkugeln umher; die Batterieen gingen fünf, ja sechs Mal aus einer Hand in die andere über und mußten daS Feuer einstellen, weil sie unter Leichen verschüttet wur den. Mehrere Generale wurden getövtct, über sechzig mit Wunden besäet, und die Erde dröhnte und bebte auf 2S Werst vom Kanonen donner. So war die Schlacht von Borodino! Wer möcht' eS wagen, sie zu schildern? Wer zählt alle die Großtbaten auf, alle die Tbatcn unerhörter Mannhastigkeit, alle nähere Umstände dieser verzweiflungs vollen Schlacht? Keiner wollte sich gefangen geben» Keiner Gefan gene machen. Aber bringen wir immerhin den Zoll der Erinnerung diesem unsterblichen Helvenwerk, wenngleich nur durch die kürzeste, unzureichendste Beschreibung. Die Schlacht begann, wie wir gesehen haben, um K Uhr Mor gens, mit einem Male auf der ganzen Ausdehnung der Russischen Linie, hauptsächlich aber unterhalb Borodino und SemenowSk, mit einer donnernden Kanonade. Sorbicr ließ 120 Stücke ausfahrcn und eröffnete ein mörderisches Feuer. Unsere Batterieen antworteten mit nicht geringerer Stüücnzahl. Nach dem jenseitigen Plane warsen sich vor Allem die JtaUäncr auf Borodino, und hier wurde mit ihnen zuerst der Oberst Biester handgemein (welcher in der Folge General der Infanterie und Befehlshaber über alle Garden zu Fuß geworden ist). Kühn warf er mit dem Jägerregiment der Leibgarde die Feinde zurück, zog sich aus der Schußlinie und ging über die Kolotscha. Der Feind warf sich auf das andere Flußufer, aber Hier empfingen ihn mit Bajonnetten und verjagten ihn die Obersten Karpenko und Wuitsch (?) mit dem ersten und dem loten Jägerregi ment. Hier fiel unser Oberst Gowerdovskj, wurde der Oberst Ma- karov schwer verwundet und blieb der feindliche General Plau- sonnc nebst dem Oberst Dume. Unsere vermöge der Oertlichkeit überlegenen Batterieen brachten das Geschütz des Feindes zum Schweigen, der zwar hier das Feld räumte, Moch nur, indem er die Hauptbewegung seines rechten Flügels verdeckte. Der Marschall Davoust niit 44 Geschützen- vor den Kolonnen führte daS Fußvolk ourch Gestrüpp nach Semcnovsk und stellte eS unter den Kartät- schenschüsscn und dem Feuer unsercr-Schützen auf. Dieses Werk war schwierig, aber etwa um 7 Uhr Morgens stand der Feind geordnet und warf sich durch einen Bach auf unsere SemenovSkische Batterie. Hier blieb General Campan; an seine Stelle trat De'sair, welcher schwer verwundet und deshalb von Rapp ersetzt, der jedoch eben falls verwundet wurde. Davoust selber warf sich ins Feuer und stürzte mit rem Pferde, das, von einer Kanonenkugtl getroffen, unter ihm siel, so daß er nicht weiter kommandiren konnte. Nev trat einstweilen an seine Stelle und wurde durch Murat mit Reiterei