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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönumcrations- PreiS 22> Sgr. (Z Tdlr.) vierteljökrlich, 3 Lhtr. s>1r das ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. a g a für die Man prönumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zeitung (FriedrichSslr. Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllidl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 147 Berlin, Mittwoch den 8. Dezember 1841. Holland. Hollands Verhältnisse zu Java. Von X. Marmier. Wäre ich Mitglied jener reichen Holländischen Societät, die unter dem Namen der HandelS-Maatschappij bekannt ist, oder auch nur ein schlichter Bürger des Königreichs der Niederlande, so würde ich darauf antragen, daß man an der Spitze des Helder ein Monument errichtete, auf welches der Name Houtman eingegraben wär?. Stein und Erz find öfter dazu verwendet worden, um weniger bedeutende Menschen zu verewigen. An der Spitze des Helder war eS, wo vor mehr denn zwei Jahrhunderten jene Flotte ins Meer stach, die Holland eine Quelle unermeßlicher Reichthümcr eröffnen sollte. Die Bande, welche das Ländchen so geraume Zeit an Bur gund und an Spanien geknüpft hatten, waren gesprengt. Wilhelm des Schweigsamen mit Klugheit verbundene Ausdauer batte über die rohe Gewalt Philipp'S II. gesiegt. Ein Haufe Bauern und Fischer, angeführt von einigen Edelleuten, die mit Stolz den Namen „Gueusen" (Bettler) trugen, welchen höhnender Spott ihnen gege ben, hatte die blutigen Projekte des Herzogs von Alba zu Schanden gemacht. Der Utrechter Friede besiegelte die Einheit und Freiheit der Niederländischen Provinzen, und von den Ufern der Maas bis zu den Nordgestaden Frieslands organtsirte sich eine Republik. Diese junge Republik konnte aber nur durch den Handel bestehen, und Philipp II. schnitt ihr alle Seewege ab, die sie bis dahin so eifrig befahren. Siegreich an ihren Gränzen, fanden die Holländer im hohen Meer eine mächtige Flotte, die ihr Vordringen hemmte. Von Portugal hatten sie die Freiheit des Handels mit Indien erhalten; aber Portugal war jetzt mit Spanien vereinigt, und kein Hollän disches Fahrzeug durfte in den Tajo einlaufen. Anfänglich suchten die Generalstaaten durch Aufsuchung eines nördlichen Seeweges nach Indien dieses Hinderniß zu überwinden — allein vergebens. Die fruchtlosen Unternehmungen eines Barentz und Heemskerrkc be wogen ihre Landsleute, auf rin anderes Mittel zu denken, das ihnen den Handel mit den Produkten des Südens wieder verschaffen könnte. Da offenbarte plötzlich ein Zufall der unruhigen Republik, was ihre Geographen und Seeleute vielleicht noch lange vergebens gesucht hätten. Ein Holländischer Handelsmann, Cornelius Houtman, wurde in Lissabon festgenommcn und als Agent eines feindlichen Landes zu einer bedeutenden Geldbuße verurthcilt. Houtman war ein Mann von vielem Verstände und großer Kühnheit; er nützte die Zeit, die er im Gefängnisse zubrachte, um sich bei den Portugiesen nach dem Ostindischen Seewege und nach der Art, wie man dort Handel trieb, zu erkundigen. Als er sich dann heireichend unter richtet glaubte, ließ er einigen Rhebern von Amsterdam insgeheim anzeigen, daß er, wofern sic ihn einlösten, wieder heimkehren und ihnen wichtige Nachrichten bringen würde. Man schickte ihm bas nöthige Geld; Houtman kehrte zurück, meldete ihnen Alles, was er erfahren, und flößte seinen Befreiern so viel Vertrauen ein, daß sie vier Schiffe zur Fahrt nach Indien auSrüsteten. Am 2. April ILSS ging die kleine Flotte unter Segel. Houtman befehligte sie. Er sollte um das Kap der Guten Hoffnung schiffen, bis zu welchem die Holländer damals noch nicht vorgedrungen, an den Küsten die zu Erleichterung des Verkehrs nöthige Kunde ein ziehen und den Portugiesischen Niederlassungen so viel als möglich auSweichen. Houtman erfüllte seinen Auftrag mit Muth und Geschicklichkeit. Er rekognoSzirte die Küsten Brasiliens und Afrika'S, ankerte bei Madagaskar, den Maldiven und den Sunda-Jnseln. In Java an gelangt, stellte er sich dem ersten Häuptling der Insel als Admiral vor und schloß ein Bündniß mit ihm. Die auf Java angesicdelten Portugiesen sahen diese Holländische Erpedition in Gegenden, die sic selber entdeckt hatten, nicht ohne große Eifersucht. Sie legten Hout man allerlei Schlingen und schritten sogar zu bewaffneter Opposition; aber der glückliche Seefahrer überwand alle Hindernisse, besiegte seine Widersacher und führte am 14. August 1387 seine vier Schiffe triumphirend an die Holländische Küste zurück. Auf den Sunda- Jnseln hatte er eine Ladung Pfeffer und andere Spezereien sehr wohlseil eingekauft; sonst war seine Reise in finanzieller Beziehung nicht sehr vvrtheilhaft gewesen; allein sie löste eine große, bis dahin unentschiedene Handelsfrage und öffnete den Holländern einen Weg, Hessen Beschiffung das Ziel ihrer Wünsche gewesen. Houtman brachte einen von ihm gemietheten Lootsen aus Surate mit, der von den Küsten Indiens sehr genaue Kenntniß besaß. Man beschloß unverzüglich eine zweite Expedition. Houtman stach von neuem, und zwar mit einer zahlreicheren Flotte, als die erste gewesen, in See und besucht« Madagaskar, Kotschinschina und Sumatra. Der Häuptling dieser Insel empfing ihn ansangs gnädig und erlaubte ihm, seine Schiffe zu befrachten; dann aber änderte er, in Folge Portugiesischer Einflüsterungen, ganz plötzlich sein Benehmen und ließ ihn einsperren. Die Schiffe kehrten mit einer reichen Ladung heim, aber Houtman war im Gefängnisse geblieben. Nach einiger Zeit wurde er wieder in Freiheit gesetzt, jedoch unter der Bedingung, nie wieder nach seiner Heimat abzugehen. In einen Distrikt der Insel verbannt, von den Seinen verlassen und von Seiten derer, die ihn eingekerkert halten, streng bewacht, unterlag der arme Houtman endlich seinen Leiden. Die Rückkehr seiner Gefährten erweckte in ganz Holland neue Hoffnungen. Sie brachten ihren LanvSleuten nicht bloß sehr nützliche Kunde von den Erzeugnissen und dem Handel der Länder, die sie besucht hatten; sie offenbarten ihnen auch die wahre Lage der Por tugiesen in jenen Gegenden. Bis dahin hatte man Letztere an den von ihnen entdeckten Küsten für unumschränkte Gebieter gehalten; jetzt erfuhr man, daß ihr Fanatismus, ihre rohe Habsucht die Ein- gebornen jener Länder gegen sie empört hatten, und daß sie an mehreren Punkten nur durch Gewalt und beständige Kämpfe sich halten konnten. Alle Rheder der Niederlande wollten jetzt ihren Kreuzzug nach Indien machen. Indien war das gelobte Land der Kaufleute; von dort her strahlte ihnen das Glück wie ein neuer Messias entgegen. In Amsterdam bildete sich eine Hanvcls-Gesellschaft zur Ausdeutung dieser entlegenen Läneer, und nach ihrem Beispiele entstanden mehrere andere in den Provinzen. Jede dieser Eompagntecn hatte ihre be sonderen Agenten, ihre Comtoirs, und man sah bald ein, daß sie einander alle durch Vie Konkurrenz großen Schaden brachten. Außer dem mußten sie ost gegen die Angriffe der Portugiesen oder Indischer Fürsten sich vertheidigen, was ihnen, da sie isolirt waren, sehr sauer wurde. So vereinigten sich im Jahre 1602 die verschiedenen kleinen Comvagnieen zu einer großen, die den Titel „Ostinbische HandclS- Gcsellschaft" annahck. Die Gcneralstaaten bewilligten ihr ein Privi legium aus 21 Jahre. In dieser Urkunde war gesagt, die Societät solle daS ausschließliche Recht haben, an allen östlich vom Kap liegen den Küsten Handel zu treiben; sie könne Truppen auShcben, Festungen bauen, Länder erobern, Verträge schließen. Das Kapital der Com pagnie betrug 28 Millionen Gulden; Amsterdam allein hatte die Hälfte dieser Summe geliefert. Der fruchtbare Boden von Java und die sehr bequeme vor nehmste Rhede dieser Insel bestimmten die Gesellschaft', ihr Haupt- Comioir hier zu errichten. Einige Monate nach ihrer Organisation rüstete sie 14 Schiffe und mehrere Jachten für Indien auS. Der Admiral Warwick, dem das Kommando dieser Flotte anvertraut worden, gründete das Comtoir Batavia, errichtete ein anderes in den Staaten des Königs von Dschahor und schloß Verträge mit mehreren Bengalischen Fürsten. Im folgenden Jahre liefen 13 Schiffe unter dem Admiral van der Hagen aus dem Terel und kamen 18 Monate später mit kostbaren Spezereien zurück. Alle diese Unternehmungen waren jedoch von großen Hinder nissen und zahlreichen Gefahren begleitet. Die Holländer hatten e» mit den Engländern, den Portugiesen, den Spaniern und den Fürsten der Indischen Inseln und Länder zu thun, welchen Letzteren daS Kritische ihrer Lage immer deutlicher ward. Die Schiffe der Com pagnie konnten an keiner Küste verweilen, ohne auf Begegnung mit einer feindlichen Flotte gefaßt zu sepn. Auf der hohen See mußten sie oft mit den Spaniern kämpfen, die ihnen wie einem Wilde nach- spürten, aber nicht selten cntmastet und leck wieder abzogen. Auch in Batavia stieß man auf viele Hindernisse: bald verfolgten Portu giesen und Engländer die Holländischen Schiffe bis in die Rhede; bald störten die Insulaner den FcstungSbau. Trotz dieser stets erneuten Hemmnisse, dieser beständigen Angriffe und blutigen Schlachten, wurde die Holländische Compagnie reicher und mächtiger. Ihre Klugheit und eherne Ausdauer überwand Alles. Der Muth ihrer Seeleute erschreckte die Flotten Philipps I I. und >rug ihre siegreiche Flagge an alle Küsten. Schon war dc» kühne» Speku lanten Java nicht mehr genug; sie eroberten die Moluckiichen Inseln, drangen in den Bengalischen Golf, bemeistertcn sich der Insel Ceilon, gründeten ein Comtoir aus Japan und rückten gegen China vor.