Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prämimcrationi- PreiS 22z Sgr. (j Tdlr.) viertcltähriich, Z THIr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. M a g a für die Man prünumerirt aus diese- Literatur Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zcitung (FricdrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 140 1841. Berlin, Montag den 22. November Spanien. Rückblick auf den Spanischen Bürgerkrieg. n. Erinnerungen aus den Jahren 1837, 38 und 30. Erster Theil. Frankfurt a. M-, 184t- Der Fürst Felix Lichnowskp gehört demselben Standpunkte an wie sein Vorgänger; auch ihn bestimmte ein ritterlicher Drang, seine Dienste dem Prätendenten zu weihen. Das Bild eines „hohen ritterlichen Gönners, das ihn einer Oriflamme gleich in Kämpfen und Gefahren umschwebte", in sich tragend, trat er die Reise nach Spanien an, die er den Vorläufer eines Kreuzzuges für eine von ihm als heilig und gerecht anerkannte Sache nennt. Die Betrach tungsweise mzv die Gesinnungen der beiden ritterlichen Paladine sind dieselben, doch ergiebt sich in der Darstellung ein äußerlicher Unter schied. Herr von Goeben sucht uns ein umfassendes und vollständiges Bild deck Bürgerkrieges zu geben; der Fürst Lichnowskp schildert nur SelbstcrlebteS und SelbstgeseheneS. Hierbei hat er vor Herrn von Goeben das voraus, daß er die große Königliche Erpevition begleitete. Im Anfänge des Jahres I8Z7 betrat der Fürst Lichnowskp den Spanischen Boden. Ein alter Schleichhändler Dihursudcher, der im Schmuggeln eine große Erfahrung besaß und der auch den Präten denten geleitet hatte, führte ihn über die Gränze. Zugarramurbi war das erste Spanische Dorf, daS er betrat, und hier wurde ihm das Vergnügen, in einem großen stämmigen, Burschen, der um den Hals ein geweihtes Säckchen trug, sonst sich durch seine Schmutzig keit auszeichnete und, nachlässig auf sein Gewehr gestützt, eine Papier- Zigarre rauchte, den ersten Verfechter von Thron und Altar zu erblicken. Er begab sich zunächst nach Jrun, wo er den Königlichen Ober-Commiffair Don Diego Miguel de Garcia, einen „Diener der geheimen doppelzüngigen Politik Ferdinand's Vli. und den Urheber des schaudervollen Ouet » pens, der zur Hinrichtung von Torrijos führte", kennen lernte. In Jrun wollte er verweilen, bis die Ant wort aus dem Königlichen Hauptquartier eingetroffen seyn würde; allein sein kriegerischer Muth trieb ihn, an dem Gefechte von Amezogana Theil zu uehmen. Er folgte dem Bataillon, dem er sich im Gefechte angeschlagen hatte, nach Andoain, wo sich damals daS Königliche Hoflager befand. Wir folgen ihm in das Hofläger, wo er zunächst einen Blick auf das damalige Ministerium wirft. Dasselbe bestand aus Herrn von Sierra, als interimistischem Chef, dem Bischof von Leon, Minister der Gnaden und der Justiz, Don Pedro Diez Labandero, Finanz- Minister, und dem General Cabanas, Kriegs-Minister. Herrn von Sierra nennt er ein kleines, stilles, bescheidenes Männchen. Den Bischof von Leon bezeichnet er als eine Null und bedauert dies um so mehr, als derselbe, wenn er irgend Festigkeit des Willens gehabt, leicht einen sehr glücklichen Einfluß hätte üben können. Herrn von Labandero schildert er als schwach und gutMüthig, obwohl redlich; er wirft ihm vor, daß er durch unverständige Operationen, durch Anstellung einer Menge von Beamten, Intendanten, Einnehmern u. s. w., so wie durch Verschleuderung des Geldes und der Lebens mittel, der Sache seines Herrn großen Schaden gebracht. Der Fürst Lichnowskp wurde dem Könige vorgestcllt; er soll selbst den Eindruck schildern, den der Anblick desselben auf ihn machte: „So stand ich denn daS erstemal vor König Karl V. Ich war so ergriffen, als ich mich vor dem unglü-cklichen Monarchen bcsaüd, der, seinem großen Ahn Pelayo gleich, mit dem Degen in der Faust sein Reich wiederzucrobern gekommen, daß ich kaum ein Wort hcrvorzu- bringen im Stande war. Der König redete mich sehr gnädig an und sprach vom gestrigen Tage, vom zweiten Bataillon und von allen seinen braven Verthcidigern, die, setzte er traurig hinzu, er nicht zu bezahlen und zu belohnen im Stande sey. Ich kann nicht sagen, wie jedes dieser Königlichen Worte mich erschütterte. Karl's V. Gestalt ist weder schön noch imposant, doch kam er mir in diesem ärmlichen Pfarrhause, in der einfachsten Kleidung, so groß und würde voll vor, wie kein Monarch der Erde im vollsten Glanze majestätischer Herrlichkeit. Ich gelobte mir selbst, mehr als ich durch Worte auS- zudrücken im Stande war, in freudigen und traurigen Tagen ihn nicht zu verlassen und alles Ungemach redlich mit ihm zu theilen." Der Lerf. schloß sich nun den militairischen Bewegungen an und nahm an dem entscheidenden Treffen von Oriamendi und der Affaire von Galdücano Theil, welche die Absicht der Christinos, den Ausstand durch eine große kombinirte Bewegung zu unterdrücken, gänzlich vereitelten. Er wirft bei dieser Gelegenheit einen Blick aus die Hülssmittel und die Lage der Karlisten. Als der König den Infamen Don Sebastian an die Spitze stellte, zählte ihre Hecres- macht ZO,OUl> Mann Infanterie und ISOO Pferde; die Artillerie war in einem äußerst schwachen Zustande, und auch die befestigten Punkte der Karlisten waren mit denen der Feinde nicht zu vergleichen. Mit diesen Mitteln schlug der Jnfant nicht nur die Angriffe eines weit überlegenen Feindes ab, sondern hätte auch, wenn wir dem Vers, glauben dürfen, nach dem Siege von Oriamendi ohne Schwertstreich Madrid für den König gewinnen können. Obgleich diese Annahme äußerst gewagt erscheint, so ist doch nicht zu leugnen, daß die Früchte des Sieges verloren gingen. Der Verf. mißt die Schuld größten- theilS dem General Moreno bei. Er wirft ihm vor, daß er durch seine eingewurzelten Ideen von militairischcr Disziplin, Subordina tion und schweigendem Gehorsam, die den Basken nicht zusagen wollten, sich unpopulär gemacht. Durch seine schroffen, ernsten Manieren entstand eine Spaltung zwischen ihm und den Basko- Navarresen oder sogenannten Provinzialen. Vergrößert wurde die selbe noch dadurch, daß Moreno Offiziere von vornehmer Geburt aus anderen Theilen des Reiches, welche die Provinzialen als Castilianer bezeichneten, in seinen Generalstab zog. Der Jnfant dagegen begünstigte wieder die Basken und Navarresen. In den BüreauS des großen Generalstabes ward das undisziplinirte Wesen der Provinzialen getadelt, in den Salons des Jnfanten dagegen wieder über Moreno und seinen Anhang bittere Bemerkungen ge macht. „Dies war der kleine Anfang jener unseligen Spaltung und Zwietracht, welche kurz darauf alle militairische Operationen lahmte und, stets zunehmend, namenlose Jntrtguen, die Entfernung und Ab setzung der tüchtigsten Generale; Mord und Verrath, endlich den schmählichen Untergang der Königlichen Sache herbciführte." Die Folge dieser Uneinigkeit war, baß eine kostbare Zeit, fast zwei Monate, verloren gingen. „Beide Parteien intriguirten vom Haupt quartier auS, durch ihre Anhänger im Königlichen Hoflager Zu Estella, und in der nächsten Umgebung des Monarchen befanden sich Vertraute ver beiden Gegner, deren Augenmerk war, jeden hinge henden Moment des Königs zu erlauschen, um zu Gunsten der Ihrigen den Widersachern tödtlichc Schläge beizubringen. Die Seele aller dieser Umtriebe war eine kränkliche, halb geheimnißvolle Er scheinung, ein Mann ohne allen offiziellen Charakter, den man nie am Hoflager des Königs oder in seinem Kabinet, nie in den Salons des Jnfanten oder in den BüreauS des Generalstabes, am aller wenigsten aber auf Märschen sah. Herr von Corpus war bas Prototyp jenes geheimnißvollen Einflusses und der,dunkeln Gewalt, wodurch in der Stille die größten Staaten minirt werden. So mußten seit Philipp II. alle jene Camarilla-ChefS auSgeschen haben, die sich zwischen König, Minister und Abel stellten, da das Volk für nichts gezählt wurde; absetztcn und erhoben, belohnten und hinrichten ließen, ohne daß man sie je bei irgend einem Vorderthor cingehen sah, ohne baß irgend ein Hofkalendcr ihre Namen enthielt, die man erst nach ihrem Tode ober Verschwinden erfuhr." Hier möchten wir den Fürsten von Lichnowskp fragen, welche Garanticen er hat, daß die CamaLilla, deren gemein-schleichendes Tpeiden er so treffend schil dert, nicht zur Herrschaft gekommen seyn würde, wenn Don Carlos auf den Thron gekommen wäre, und ob er nie auf die Vermuthung gefallen ist, daß dieselbe im Äesen ver Sache liege, der er sich an geschlossen hatte. Nachdem ein ganzer Monat unter allerlei Lappalien, Streitig keiten und Debatten vorübcrgegange» war, wurde endlich der Ent schluß zu der großen Expedition gefaßt, die das Ende des langen Krieges herbeiführen sollte. Jndeß erhoben sich schon damals viele Stimmen, welche den Zeitpunkt ver Erpevition für schlecht gewählt hielten. So ver Jnfant Don Sebastian, welcher der Ansicht war, daß man Espartero schlagen müsse, ehe man die Ebro-Linie passire; auch wollte er, daß der König in den Nord-Provinzen Zurückbleiben solle, weil dessen Anwesenheit dem Expeditions-Corps eine zu große Verantwortlichkeit auferlegen würde. Der Verf. tritt ebenfalls der Ansicht bei, daß die Gegenwart des Königs nicht günstig auf die Ex pedition gewirkt, allein er meint, dieselbe sep gewissermaßen dnrch die nicht auszurottendcn Zweifel an der Anwesenheit des Königs bedingt gewesen; man hätte den König dem Volke'zeigen wollen, damit es endlich an ihn glaube. Am II. Mai I8Z7 trat die ExpeditionS-Armec den Marsch an;