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L48 die in öffentlichen Tempeln den Gottesdienst geleitet hätte; man hat sie nur bei häuslichen Cercmonien präsioiren lassen. Allein diese Hierarchie mußte in einer Religion, zu deren vornehmsten Bedingun gen »Selbstkasteiung, Absperrung von der Welt in gewissen LebenS- perioden und stille Beschaulichkeit gehörten, von dem aktiven Kriegs dienste und selbst von direkrem Antheil an Civilsachcn allmälig zurück- treten, wenn ihr gleich die vollkommenste Autorität über Beides verblieb. Di« Priester übertrugen den Oberbefehl im Kriege reu tapfersten und rührigsten Leuten des Gemeinwesens, die unter ihren Auspizien und dem Segen ihres GebcieS in den Krieg zogen. So entstand eine besondere militairischc Kaste, während diejenigen, die zu Hause blieben und ihre Felder bauten over Handel und Gewerbe trieben, auch von ihrer Seite in eine Körperschaft zusammcntratcn. Selbst die höchste bürgerliche Autorität, die ausübende Königliche Macht, konnte einem Individuum der minver heiligen Kaste zugewcndet werden, wogegen die richterliche Gewalt, die Auslegung der Gesetze und die ganze Kontrolle der Regierung in den Händen der Hierarchie blieben. Die regelmäßigere künstlichere Form dieses gesellschaftlichen SpstemS — gleichsam baS positive Gesetz der Kastcn-Abtheilung — die Genealogieen, d. h. der göttliche Ursprung der verschiedenen Ka sten, sofern sie auS nichr over minder edcln Theilen der Gottheit emanirten, entwickelten sich stufenweise aus dein aristokratischen Kör perschaft». Geiste und dem Ahnenstolz« der Kasten. Die Eintheilung des Lebens in vier Perioden, wie Manu sie von dem Ideale des Brahmaneu verlangt, zeigt die seltsamste Ccm- bination der Beschaulichkeit mit der Prans, over, wenn der Ausdruck erlaubt ist, bcS mönchischen und des weltlichen Elementes. Wir fin» den hier eine frühe Disziplin, die sehr geeignet ist, eine unbedingte Ergebenheit an den Orden zu nähren; die höchste Ehrfurcht vor Odern, welche in Zukunft durch Ausübung derselben Supcriorität ausgewogen werden soll, und jene äußerste Strenge gegen sich selbst, die einen harten unbeugsamen Lharaktcr erzeugt. Die Franzis kaner und die Jesuiten hätten sich eben sowohl in Brahmanischen, als in ihren eigenen Schulen zu dem heranbilde» können, was sie geworden sind. Aber die Hierarchie darf nicht in ein MönchSlhum auSarten — sie muß sich erblich fortpstanzen. — Heirathen und Kin- derzeugen ist eine positive und unerläßliche Pflicht, und die Entschär fung dieser Pflicht bei einer Kaste, deren meiste Mitglieder nicht eben arm scpn mochten, die schon in den Gaben der Frommen, jenem wich tigsten Theile der Religion bei den anderen Kasten, einen sicheren Fond hatte, auch nicht wie die Tschatrja'S (Krieger) den Wechsel fällen des Krieges ausgesetzt war, mußte ihre beständige Fortpflan zung verbürgen. Hatte diese Kaste einmal in solchem Grade nume risch sich entwickelt, so drohte ihr nicht mehr das Schicksal kleiner aristokratischer Gesellschaften, die geistig und phpsisch herunterkom- men und am Ende auSsterben. In der ersten Periode seines Lebens darf der Brahman« seine Aörperkraft nicht durch vorzeitige Kasteiun gen aufreiben; seine Jugend ist einigen der vornehmsten Bürger pflichten gewidmet; er soll durch Lehre und Beispiel auf seine Mit- Menschen wirken, soll die Weisheit der heiligen Bücher dolmetschen, ein Muster der Tugend in seiner Familie seyn, Kinder zeugen und tugendhaft erziehen: und erst wen» er diesen drei großen Pflichten gegen die Gesellschaft Genüge geleistet, wenn die nützlichst« Periode seines Lebens vorüber, soll er von der Welt zurücktrelen, um seine moralische Natur, durch die härtesten Bußübungen läuternd, zu ver vollkommnen. Diese gleichzeitig geistliche und weltliche Aristokratie der Brah- manen, die das Gefühl ihrer Würde, ihr religiöser Enthusiasmus, ihr Kastenstolz von den gewöhnlichen Beschäftigungen des Lebens ent fernte und von Anbeginn auf intellektuelle und spekulative Bestre bungen anwieS, mußte, sobald sic erst von der übrigen Gesellschaft streng geschieden war, eine literarische Aristokratie im weitesten Sinne werden und in jedem Zustande der Civilisation ihre Entwickelung lei ten, ihren Genius repräsentiren. Brahmaneu wurden die Dichter der Nation, die Philosophen, die Männer der Wissenschaft, die Sekten- stifter, die Verfasser der Gesetzsammlungen. Da dieses System nach Dauer seines politischen Einflusses und Einfachheit der politischen For- men strebte, so konzentrirtc eS die Regierung in der Person des Monarchen, dessen Macht nur unterthäntge Ehrfurcht vor seinen geist- lichen Rathen beschränkte. In seinen spekulativen Wirkungen halte der Brahmanismus, wie alle hierarchische Systeme des HeibenthumS, die Tendenz, auSzuarten, was auch in der That geschehen ist, und zwar von dem reinen Monotheismus der Weda'S biS zu dem unend lichen Labyrinthe von Allegorie«», Legenden und Fadeln, das uns jetzt als Brahmanischer Glaube entgegentritt. Die Waischna's und Siwaiten, die Buddhisten und die Dschai« na'S haben ihre verschiedenen Lehrmeinungen und Systeme viele Jahrhunderte lang in Ostindien herrschen lassen. Der ursprüngliche Monotheismus der Weda'S ist die Zuflucht solcher philosophischer Forscher gewesen, die vor dem groben Aberglauben deS Volkes zurück- bebten; aber Brahma, als Neutrum, der reine und ungemischte Geist, hat nie «inen öffentlichen Gottesdienst gehabt, und selbst Brahma, der ersten Offenbarung der Gottheit, ist, wie eS scheint, nur Ein Tempel gewidmet gewesen. Die religiös« Moral war, wie in allen Systemen, welche das ursprüngliche Uebel der Materie, eine Seelenwanderung zur Läuterung des Geistes und endliche Auslösung in die Gottheit predigen, voll der strengsten und bis ins kleinlichste Detail gehenden asketischen Vorschriften, während der Indische Pan theismus in allen seinen Formen beständig die Gränzen übersprang, wo Geist und Materie um den Vorrang kämpfen- Schon zu Ma- vu's grauer Zeit muß man über die Weltseile viel gegrübelt haben; eine und dieselbe Lehre erhielt auch in verschiedenen Perioden eine mehr philosophische oder mehr religiöse Form. Die Sankja, welche die Ewigkeit der Materie annimmt, und der Wedanta, welcher Alles von Gott herleitet, ja fast die Wirklichkeit der Materie leugnet, sind nur logische und rationalisirende Reflere älterer RrligionS- Systeme. (ft. U.) Mannigfaltiges. — Ehrenrettung Ossian'S. Kaum ein Jahr, nachdem Frau Talvj die auch in diefen Blättern (lkiw Nr. IZ2) erwähnte Schrift: „Die Unechtheit der Lieder Ossian'S und des Macpherson- schcn Ossian'S insbesondere" herausgegcden, tritt ein Landsmann des Schottischen Barden, Herr Patrick Macgregor, mit einer neuen Untersuchung hervor, in welcher er, wie eS scheint unwiderleglich, darthut, daß die Lieder Ossian'S echt seye», und daß Macpherson kcineswegcS die ihm von so vielen Seiten gemachte Anschuldigung des literarischen Betruges verdient habe. Herr Macgregor, der seine Untersuchung zugleich im Namen und unter dem Patronate der Londoner „Hochlands. Gesellschaft" herauSgiebt, verbindet damit die Publikation einer neuen und zwar wörtlichen Uebersetzung deS Gälischen Originales. °) Wenn eine solche wörtliche Uebersetzung der oben genannten Deutschen Schriftstellerin Vorgelegen hätte, so würde sic allerdings Anstand genommen haben, ihr Anathem nicht bloß gegen Macpherson, sondern auch gcgen dessen, wie sic behauptet, nur vorgebliche» Original auSzusprcchen. Den» gerade, was ihr die Ossianischen Dichtungen Macpherson'» verdächtig machte, der Ton derselben, der nichts weniger als volksmäßig und voll künstlichen PompcS ist, das erscheint in der Uebertragung Macgregor'» ganz verschieden. Die Hyper-Romantik und der Bombast waren aller- dings ausschließlich Macpherson'» Zutbatcn, aber nichtsdestoweniger sind sämmtllche Dichtungen, di« er mit diesen Zuthaten versehen, das Eigenihum deS nicht wegzuleugnenben Gälischen Barden Ossian. Herr Macgregor sagt von seinem Vorgänger: „Macpherson vcr- sicherte zwar, wörtlich übersetzt zu haben, aber er hat ganze Zeilen weggelaffen oder hinzugefügt und andere nach Gutdünken geändert; kaum eine seiner LieblingS-Phrasen kommt im Gälischen vor, wir z. B. „andere Tage", „andere Jahre", „Fest der Schalen", „mild erröthend", „düster rollend", dunkler Felsensturz", „strömendes Ge bräu»" u. s. w." — Herr Macgregor stellt den alten Dichter in seiner ursprünglichen Reinheit her, und zwar schließt sich seine Ueber setzung Zeile für Zeile dem Original an; ja selbst das Sylbenmaß desselben ist treu beibehalten. Bei dem Jnterrffe, das Deutschland seit achtzig Jahrcn an Ossian nimmt, würde auch wohl bei uns eine vollständige Ehrenrettung deS Dichters, nach Macgregor'» Vorgang, an ihrem Platze seyn. — Französische Biographieen. Zwei Ehrenmänner Frank, reich», cm Held zur Sec und eincr zu Lande, Jean Bart und Latour d'Auvergne, Haden kürzlich neue Biographen gefunden. Das Leben deS Sceheldcn bat ein Landsmann desselben, Herr Van> bereit (van de Rest), geschrieben, der es für seine Pflicht hielt, den vielen Fabeln, die über Jean Bart und namentlich auch durch Eugen Sue'S sogenannte Geschichte der Französischen Marine verbreitet sind, durch eine beglaubigte Erzählung enigegenzutreten. Bart war, wie die meisten Französischen Marine-Offiziere seiner Zeit, in dem Win kel von Flandern geboren, welchen Ludwig XlV. den Spaniern ab nahm und vcr früher b'Iamlre marftime genannt wurde. Seit der Französischen Revolution bildet dieser See-Winkel in Verbindung mit dem an seiner südöstlichen Gränze gelegenen Kreis Lille (der eigent lichen „l-lamfte b'cuuyai.-ie"), so wie mit dem an der Belgischen Gränze bis Maubeuge sich hinabneheuden Theil des alten BurgunvS, das ItLyaemmeut <lu XurS. Noch jetzt begegnen UNS auf diesem zwischen West-Flandern und dem Departement des Pa» de Calais liegenden Landstriche lauter Niederdeutsche Ortsnamen, wie Dünkir. chen (Dunkerke), Gravelingen, Berge, Cassel, Hascbruck w., und noch jetzt liefert er der Französischen Marine die besten Seeleute (Namen wie Verhuell haben diesen Ursprung). Bart stammte, wie sein jetziger Biograph nachwcist, von einer rein Deutschen Familie ab; einer seiner Vorfahren soll sogar Großmeister des Deutschen Ordens gewesen seyn. Herr Bänderest selbst kann übrigens seinen Flamändischen Ursprung nicht verbergen, denn nur mit einiger Unze- lenkigkeit bewegt er sich in den Französischen Sprachformen, gegen die er sich auch, wie ihm bereits vorgeworsen worden, manche Verstöße hat zu Schulden kommen lasse». Latour d'Auvergne, oder mit seinem vollen Namen und Titel: „Thcvphilc Malo Corrct de Kerbeauffret de la Tour d'Auvergne, erster Grenadier von Frankreich", ge hört ebenfalls eincr sehr alten Adelsfamilie an, und zwar stammt er, wie sein jetziger Biograph, Herr Buhot de Kerser», nachwcist, von dem berühmten Geschlechte der Herzoge von Bouillon ab. Die liixrvire <Ic la ^our ä'äuvergne des eben genannten Verfassers ist in vier Ablhcilungen herausgegeben worden, doch ist gleichzeitig noch eine andere Lebensbeschreibung Latour d'Auvergnc'S in kurzen Umrissen erschienen (Xotico liixtnrique zur la 'l'»ur-S'äuvorgue), deren Verfasser ein Herr Calohar ist und die ebenfalls sehr ge rühmt wird. *) 'vl»« xeiuine r-niLiox ot O-ri»», NttorLN^ L Nzk piztrirk ^I'Vrexor, bl- ulio«!-tti«, »xo ol Herausgegeben »»n der Expedilisn der Mg. Prcuß. Staat»-Zeitung. Redigin von 3- Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hay».