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Wöchentlich erscheinen drei Rupimern. PränumerationS- PreiS 22i Sqr. Tdlr.) viertebädrlich, 3 TI>lr. sür da« ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preukischrn Monarchie. Magazin für die Man prünnmerirt auf diese» Litcralur Blatt in Berlin m der Erpebition der Allq. Pr^ Craats Zeiiung sFricdri<sftr. Nr. 72); in der Prooini s» wie im Auslände bei de« Wohllödl. Post-Aemlern^ Literatur des Auslandes. 136 1841. Berlin, Freilag den 12. November Frankreich. Einiges über Erziehung in Frankreich. Von W. Nolte. Das Kind ist geboren und muß auch erzogen werden, wenn ein würdiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft aus ihm werden soll. Die Charte und das Französische Gesetz wollen keinen Zwang im Unterrichtswescn erlauben, und Jeder thut mit seinem Kinde, was ihm gut dünkr. Die Freiheit ist ein recht gutes Ding, und ihr Äover, die Charle, auch, doch helfen beide der Erziehung sehr wenig auf die Beine. Jedes Kind ist von revolutionairer Natur. Rein lichkeit und Ordnung können ihm nur mit der größten Mühe und Sorgfalt ausgezwungen werden. Wärterinnen und Erzieher klagen täglich darüber. Das Französische Kind ist deshalb um so schwieriger zu leiten, als ihm die RcvolutivnS- und Nationalhelden-Geschichten täglich in die Ohren klingen und ihm zu ähnlichen Großthaten Lust cinflößen. Die Kinder haben im Allgemeinen eine große Liebhaberei für Krieg und Soldatcnwcseu. Diese Neigung muß bei Kindern durch andere Richtungen geschwächt werden; man muß ihnen Ge schmack und Interesse für Moral, rechtliche Beziehungen und die ihrem Stande nothwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten einflößen. Dazu sind aber gut eingerichtete Anstalten nöthig, die vom Staate beaufsichtigt und dirigirl werden müssen. Die Mehrzahl der Französischen Kinder, die erzogen werden (denn alle werden leider nicht erzogen), genießen ihren Unterricht in PcnstenS-Anstalten. Diese sind ein guter Handelszweig und können von Jedermann erstanden, gehalten und eingerichtet werden. Es kommt habet nicht auf Kenntnisse und Fähigkeiten an, sondern auf Gpeculation und andere kommerzielle Kunstgriffe, und man sieht nicht selten einen fallirtrn Kaufmann sich als Pädagogen etabliren, bei dem auch wohl seine alten Commis als angehende Lehrer in allem Möglichen functiouiren, wenn sie sich sonst ihre Lehrstunden nicht Ihcucr bezahlen lassen. Fallirt dieser alte Handelsmann mit seinem neuen Geschäfte wieder, so überläßt er eS einem Anderen und siedelt sich schnell in einem neuen unbekannten Quartier an, um sein Glück von neuem zu versuchen. Andere glücklichere Pädagogen spekulircn wieder anders. Sie verkaufen ihre mit einer gewissen Anzahl Zöglinge versehene Pension mit allen mobilen und immobilen Fonds einem Anderen, richten anderswo eine neue ein und verkaufen sie wieder, wenn sic einiges Ansehen, d. h. viele Zöglinge, erworben haben. Das Lehrer-Personal solcher Unterrichts-Anstalten ist denn oft gar wunderlich zusammengesetzt. Eine Person oder mehrere sind pöthig, um die Zöglinge überall hinzubeglciten, zu beaufsichtigen, mit ihnen zu schlafen und zu machen. Dazu werden oft die gc- braucht, welche sich aus bedrängten Umständen oder aus Gcistcs- unfähigkcit dazu vergeben müssen. sJbrc Besoldung reicht nicht über die eine« gewöhnlichen Bedienten.) Offene LedrerstrUen werden in der Regel von denen besitzt, welche am wenigsten fordern oder fordern können, so daß sich die Fähigeren, welche ans anvrrc Anstellungen Aussicht haben, zurückzichen. Alle bewährte Lehrer werden oft fort- geschickt, weil andere ihre» Unterricht und ihre Person zu billigcren Preisen feilbieten. Es giebt Pensionen, wo die Lehrer all« Vicrtel- und Halbjahre wechseln, der Lehrer nicht zu gedenken, die manchmal nach 14 Tagen abgehe» oder fortgeschickt werden. Wenn man noch bedenkt, daß die Laune eigensinniger und leider zu ost unerfahrener Pensions-Vorsteher Alles durchsetzen will, was ihrer beschränkten Einsicht einsäUt, was kann das innere Bild einer solchen Anstalt noch dem redlichen Beobachter darbictcnk Welchen Einfluß muß verewige Wechsel der Lehrer und ihrer Lebrmcthovrn auf das kindliche Gemülh der Zöglinge auSübe»? Wie können die Zöglinge fortschreiteu, wenn bei so häufigem Wechsel der Lehrer eben so häufig der Unterricht unterbrechen und demselben eine neue Richtung gegeben wird, die der früheren ost cutgegenstrebt? Und wie kann da der moralsschcn Stimmung cincs KtndcS, das, entfernt von leinen Leitern und Ver wandte,i, mit allen scincn Gebräuchen, Sitte» und seiner Lebensart «n die Pension und deren Lehrer gebunden ist, eine planmäßige Leitung gegeben werken, wenn der Lehrer keine Zeit hat, es lieb zu gewinnen öder nur kennen zu lernen; wenn das Kind voraus weiß, bald wird ihn ein Anderer vertreten, und kursi» Anderen wieder «in Aukenr. Es ist Hari, daß bei einem Kinde alte schöne Gefühle auf solche Weise unterdrückt, anstatt weiter entwickelt zu werd«». Die Jugend bedarf mehr als jedes andere Aller^ sich Jemande» mitzü» theilcn, sich an dessen Schutz und Liebe zu erfreuen. Werden solche Neigungen und gegenseitiges Interesse nicht früh im Kinde genährt^ so wird der Erwachsenc diese herrlichen Empfindungen ganz entbehren oder sie nicht zu schätzen wissen. Er wird alsdann Alles gleichgültig und mit der höchsten Indifferenz betrachten und nach Genüssen greifen, die ihm jene besseren, woran er Mangel leidet, ersetzen sollen. WaS läßt sich da noch vom Charakter sagen, der ja nur entsteht, wenn sich der Mensch einer gewissen Neigung ganz hingicbt und sich für Vies oder jenes entschieden intcrcssirt. Um die Lchr-Ge-cnstänve und Methoden genauer zu bctrachtrn, wollen wir bei den frühesten KindcSjahrcn beginnen, und bei dem, was wir in Deutschland Volksschulen nennen. Von vorn herein hört man gleich von Methoden, und bcim Dominospiele muß das Kind die Buchstaben und lesen lernen. Diese Spiele werden so lange als möglich fortgesetzt, und wer am längsten spielen lassen kann, ist Meister. <Nun, spielt nur zu, ihr werdet ein mal echte Taschenspieler, meine lieben Kleinen! Und weil ihr ja in der Schule »och spielen und täudcln lernt, so habt ihr auch Recht, c« euer ganzes Leben fortzusetzen, denn in dcr Schule lernt man sürS Leden.) Dieser ganze Unterricht wird zu Lesen und Schreiben angc- wandt; Wenige lernen rechnen. Di« Lehrer sprechen oft von Analyse, doch lernt das Kind nie, was das Wort bedeutet. Dl« Religion wird gar wenig besprochen und wird, als problematisch unverstätw- lich, bei Seite gelegt. Nach diesem Lehrgeschäfte wachsen di« Kinder heran, und die Kellern halten cs sür sehr bequem, sie dci sich zu be halten, um ihnen zur Hand zu gehen oder mit ihren kleinen Ge schwistern zu spielen. Mittlerweile kommt Vic Zeit, wo sie zum Abcndmahle gehen müssen, und sie nehmen das Abendmahl und ver lernen schreiben und lesen. Dir Irrfahrten des Ulysses und Fenelon's Telemach, die mau diesen unerfahrenen Kindern so oft in di« Hände giebt, führen sie nm so mehr irre, da sic um so virt weniger einen Begriff von alter Geograpbie, Sitten und Alterthum haben, als sie mit keinem einzigen Gedanken an dcr jetzigen neueren Wclt haften. Neue Geographie, cinige Gcschichtsnamcn und Data und wenige Kuriositäten aus der Naturgeschichte können die Be griffe cincS Kindes erweitern. Dies wird auch wohl gelehrt i» manchen Pensionen, doch welches Kind nimmt eifrig Theil an diesen Lcctionen, und wie kann cS daS, wenn die Lettern, statt daS Kind dazu anzutreiben, ihm sagen, es sepen Dummheiten, die im mensch lichen Leben überflüssig sepen. So bleibt das Kind zu Hause und glaubt nicht mehr an jene Dummheiten. ES ist unmöglich, ein anschaulicheres Bild von diesen Anstalten zu geben; überall sind sic anders und die eine unordentlicher als die andere gehalten. Um die Zöglinge anzueisern, hängen die Lehrer dem besten eine Medaille um, auf der ein kleiner Napoleon als Schutz patron Frankreichs ober auch wohl andere Nationalbilbcr und Heili genbilder stehen. Wenn cs den Lettern, die gut bezahlen oder die sonstigen Einfluß aus den Pcnsionsherrn üben, lieb ist, daß ihr Kind auf ähnliche Weise sich hervonhue, dann nehmen es die Lehrer nicht so genau und hängen ihm auch so ein Ebreukreuz um den Hals, wenn es auch noch so sehr hinter den anderen zurückblcibt. Ans diese Weise wird wenigstens der Zögling von dcr Pension beibehal- tcn und dic Eigenliebe dcr Acltern befriedigt. Wenn Leitern Kunde von ihren ost faulen Kindern elnziehen, so wird ihr Gewissen immer beruhigt, und schleicht sich ein kleiner Tadel ein, so wird dcr durch so improvtsirte brsscre Eigenschaften, die der Lehrer dem Kinde ungenirt brilegt, beschönigt. DaS ist Französische Liebenswürdigkeit, gegen di« so leicht Keiner anstößt. Das ist aber auch der Grund, warum Jeder,nanu nur an Lob und Schmeichelei gewöhnt ist, wenn es so gar Personen nickt aufrichtig mtincn, di« für das moralische Wohl und Weh der ihnen Anvertrauten verantwortlich scyn müssen. Dar um Hörl man im Französischen Umgang« ,o oft die liebknowiirdigfien Phrasen, die man eben so gut sür daS bloße EcgcnlhcU, sür vi« schalste Moqneri« halten könnte. Ein Zug, dcr brr ganzen Französischen Nation Ebre macht und nicht genug gelobt werden kann, ist die dumauste Behandlung in allen LedenSvcrhältniffen und die gänzliche Beseitigung oller barba rischen Zwangs- und Strafmittel. Es wagt kein Pädagog, die Zög linge mit Ruldrn zu streichen oder sie sonst mit Stößen heftig zu be handeln, aus Furcht, die ganz« Französische Rationalchrc zu b-leidigem ' Di« wörtlichcn Zurkchiwkisungen müssen sogar mit Vorsicht gesche he», und eS wagt wohl nicht leicht «in Lelrcr, grcbc Sckettw^rle dabei anzuwenden. Durch diese Bcbandlnngswciic wird schon im Kmdk «in gewisser Grad von Ehrgcfühl errcgt, was im menschlichce