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Wöchentlich erscheinen drei Nnmmern. Prinunnration«- Prei« 22 z S-,r. (z Tblr.) vierteliäbrlich, Z THIr. für daS ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses, Literatur, Klatt in Berlin in der Expedition der AUg. Pr. Staat« Zeitung (Friedrichtstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllödl. Post-Acmiern. Literatur des Auslandes. 135 Berlin, Mittwoch den 1ü. November 1841. England. Lady Arabella. Wenn das Leben irgend einer geschichtlichen Person dem Roman entlehnt zu seyn scheint, so ist es jedenfalls daS dieser unglücklichen Prinzessin, welcher die Politik die Ehe wie ein Verbrechen unter sagte, weil sie eintretenden Falls ihrem Gemahl eine Krone hätte zudringen können. Ihr ganzes Leben ist mit dem Schleier des Geheimnisses um hüllt, den ihre zwei oder drei Biographen noch wenig gelüftet haben. Morant in der „tliugispki» Ilrimmiiea" verwechselt sie mit einer ihrer Tanten, der Gräfin von Shrewsbury, und macht aus ihr eine thörichte, eigensinnige und anmuthlose Person. Georg Balland und Andreas Kippis führen sie unter den schriftstellernden Frauen auf, wodurch sie indeß immer noch nicht die weibliche Anmuth gewinnen wurde, welche ihr Morant streitig macht. War sic schön, war sic häßlich, machte sie wirklich Verse, oder war sie einfältig? DaS sind die Fragen, die uns hier entgegcntreten, und auf welche sich wohl keine andere Antwort dürste crtheilcn lassen, als die folgende: Lady Arabella — so bezeichnen sie gewöhnlich ihre Zeitgenossen, ohne ihren Familiennamen Stuart oder dcn Namen ihres Gatten, Seymour, hinzuzusügen — stammte, wie die Königin Elisabeth und Jakob I-, von Margarethe, der ältesten Tochter Hclnrich's Vll. Als geborene Engländerin hatte sie gegründetere Ansprüche duf den Thron, als ihr Vetter. „Ihre doppclrc Verwandtschaft", sagt Lodge, „er regte in gleicher Weise die Eifersucht der Königin von England und des Königs von Schottland, welche Beide die Ansprüche der recht mäßigen Nachkommenschaft dieser Prinzessin zu fürchten hatten." Man wundert sich, daß der furchtsan.c Jakob I. sie nicht selbst ge- heirathet hat, und man weiß nicht, ob er die Gesinnung der Elisabeth aus eine geschickte Weise erforschen wollte, als er der Lady Arabella seinen Vetter Lord ESmc Stuart, den er zum Herzog von Lenor und zu seinem Erben designirt hatte, zum Gemahl antrug. Diese Verbindung schien den Interessen beider Parteien zuzu sagen, aber Elisabeth gab nicht so leicht ihre Einwilligung zu einer Heirath- Sie legte sich ein, gcrieth in Wuth gegen Lady Arabella und ließ sie cinsperrcn, anstatt sie ihrem Vetter, dem König von Schottland, zu schicken, von dem sic bei dieser Gelegenheit in äußcrst verächtlichen Worten sprach. „D->o pulubran mux axpera.x x so muclu, ü>,grcci» comra ol üicbo re)' üv b^coein", wie der Spanische Gesandte sich auüdrückt, gegen den sich der König über das Benehmen der Königin von England bcklagtc. (^'invvuaü !Ae- morial«.) Dieser erste HeiratHS- Antrag, der an Lady Arabella er ging, war von böser Vorbedeutung für ihr ganzes Leben. ES ist bekannt, wie ungern Elisabeth an ihren Nachfolger auf dem Ahrone dachte; dieser Gedanke war für sic eine Quelle bestän diger Unruhc. Sie fürchtete, daß sie einst vernachlässigt werden könne. „Die Menschen", pflegte sie zu sagen, „wenden sich der auf. gehenden Sonne zu." Diese traurige Vorcmpfindung hielt sie ab, ihre Nachfolge zu regeln, und noch auf dem Tovtenbette widerstaud diese kokette Politik allen Vorstellungen ihrer Minister. Indem aber Elisabeth diese wichtige Frage unentschicden ließ, stand eine Menge von Bewerbern auf. In England wählte jede Partei ihren Prätendenten, und auch die fremden Mächte sahen sich nach einem solchen um. So versuchte der Papst, der Jakob l. wegen seiner Religion feindlich gesinnt war, einen Prinzen aus dem Hause Savoyen, dcn Herzog von Parma, auf den Englischen Thron zu bringen, weil dieser von einem Bastarde Eduard'S IV. abstammte. Um dessen zweifelhaften Ansprüchen ein größeres Gewicht zu geben, hätte ihn Se. Heiligkeit gern mit Lady Arabella vermählt; leider hatte sich aber der Herzog schon verheirathct, ohne dcn Papst davon in Kenntniß zu setzen, der sich nun gezwungen sah, dessen Bruder, den Kardinal, aus dem geistlichen Stande zu entlassen. Aus den Briesen des Kardinals von Offat ist zu ersehen, welche Aussichten auf Erfolg diele katholische Verschwörung hatte, für die Rom alle Engländer zu gewinnen hoffte, welche die Richter ober Gegner der Maria Stuart' gewesen waren. War nun Lady Arabella katholisch? Der Geschichtschreiber Dodd behauptet es; der Jesuit ParsonS sagt, sie sey von ungewisser Religion gewesen uuv hätte den AuSgang abwarten wollen, um sich für den Papst oder die Protestanten zu erklären. Darum würde sich übrigens ein Anhänger, den der Papst ihr zuführte, wenig gekümmert haben, nämlich Heinrich I V., König von Frankreich und Navarra, der um jeden Preis die Vereinigung der beiden Kronen, welche durch bei» Regierungs-Antritt Jakvb'S l. erfolgen mußte, verhindern wolltey er selbst war noch vor kurzem Protestant gewesen, dennoch griff er begierig dcn Gedanken auf, einen Jtaliänischcn Kardinal auf den Englischen Thron zu bringen; aber diese zweite Heirath der Lady- Arabella scheiterte wie die erste. Sie selbst trug sich mit dcm Gedanken einer dritten; sie glaubte, Elisabeth würde sich ihrer Verbindung mit einem Englischen Grasen günstiger zeigen als der mit einem Schottischen Herzoge; nach de Thor» hatte sic die Augen auf den Grafen von Northumberlanv geworfen-. Elisabeth's Antwort ließ ihr keine Hoffnung. Endlich starb Elisabeth, und Jakob war ihr Nachfolger. Lady- Arabella hoffte, dieser Fürst, der sie hatte verhcirathcn wollen, als sie noch nicht daran dachte, würde ihr gestatten, einen Gemahl zu suchen, nun sie selbst Lust dazu fühlte. Diesmal verdarben ihr die Verschwörer daS Spiel; diese wollten eine Königskrone auf eiw Haupt setzen, das mit cincm Brautkranze vollkommen zufrieden ge wesen seyn würde. Jakob war zum friedlichen Besitz des Thrones gelangt; er war sogar mit einer Art von Enthusiasmus ausgenommen worden. In dem Sohne der Maria Stuart hoffte man einen liebenswürdigen Fürsten zu erhalten; man rühmte seinen Geist, seine Beredsamkeit, sein Wisse»; alle Parteien und religiöse Sekten hatten vertrauens voll ihre Augen auf diesen neuen Salomo gerichtet. Die Täuschung war nicht von langer Dauer. Bald fand man, daß er die unliebens- würdigstc, unbeholfenste Erscheinung an seinem Hofe sey; der geist reiche Mann verwandelte sich in einen faden Witzling, der Redner in einen Schwätzer, der Gelehrte in einen Pedante». Die Engländer beklagten sich, daß der Monarch den adeligen Schottischen Bettlern- seine ganze Gunst zugewendct habe; die Schotten behaupteten, Jakob verachte seine LanvSlcutc und opfere seine alten Unterthanen den neuen; die Katholiken waren unzufrieden, daß dcr Sohn einer ka tholischen Königin sich nicht duldsamer gegen sie zeige als die Mör derin seiner Mutter; die Dissidenten murrten, daß ein Herrscher, der in einem protestantischen Lande auferzogen worycn, dem AnglikaniS. muS anhänge; kurzum, dcr neue Salomo verlor bald seine ganze Popularität. Allerdings wäre hier auch zu untersuchen, ob die Ge schichtschreiber sich gegen den unvolkSthümlichcn Monarchen gerecht und unparteiisch bewiesen. Jakob'S I. Charakter ist ein moralisches Phänomen, eine vollständige Abnormität. Sein Leben war ein Räthsei, dessen Auflösung die historische Kritik noch nicht gesucht hat. In Jakob l. waren zwei Individualitäten enthalten, und zwei ganz entgegengesetzte. Jakob I. war eine menschgcwordcne Antithese, ein gekrönter SolöciSmus. ES liegen eben so viel Beweise seiner Schlauheit wie seiner Einfalt vor; cr untermischte gern den König lichen und würdevollen Styl mit Ausdrücken gutmüthiger Vertrau lichkeit; er war scurig, rasch entschlossen, leichtsinnig; andererseits aber besaß cr wieder eine bcwundernSwerthe Ausdauer, wenn es darauf ankam, sich aus den Schlingen zu ziehe», in denen er sich selbst gefangen halte; sein gewichtiger gesunder Menschenverstand und sein leichtfertiger Sinn, seine Klugheit und seine Unbesonnenheit, seine Verschlossenheit und seine Freimülhigkeit mußten ihn in unauf hörliche Verlegenheiten stürzen. Er war Philosoph, aber nur thcore- tischer; er war zu geistreich ober zu aphoristisch; er schien nie in Verlegenheit zu seyn, wenn er sich entschließen sollte, aber cr war zu sorglos oder zu schwach, wenn er einen Entschluß fassen sollte, und folgte gern fremdem Rathe. Dennoch liebte er nicht die Be- rathungen im StaatSrathe; die laufenden Geschäfte ekelten ihn an. Er bildete sich ein, seine Gesundheit, die, wie er sagte, die Gesundheit dcS Reiches war, hänge davon ab, daß er einen Tag um den anderen jage. Er zog die Schlösser Theobalds und Royston zu sehr dem Hause der Gemeinen und dem Palast von Whitehall vor. Dem verkannten Fürsten machte zunächst die antischottische Par tei zu schaffen, welche sich an Arabella anschloß und diese an dis Stelle ihres Königlichen Vetters setzen wollte. Die Verschwörung war indeß schlecht angelegt, und eS ist nur zu bewundern, daß ein so verständiger Mann wie Walter Raleigh Theil an derselben ge nommen. Indeß scheint der König von Spanien den Verschwörern seinen Schutz verheißen zu haben. Lady Arabella aber, welche kein, großes Gelüst nach dem Throne hatte, übergab Jakob I. die Briese, die ihr zugestcllt worden waren. Sie täuschte sich indeß, wem» sie den König dadurch zu beruhigen glaubte. Iakob I. sah in ibr rin Werkzeug, das in der Hand eines Ehrgeizigen gefährlich