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530 Süden dem Meere zugekehrt ist. Eine Untiefe von bedeutender Länge erstreckt sich vor der westlichen Linie, an ihrem See-Winkel beginnend. Der Commodore sollte mit dem Geschwader von Süden her die westliche Fronte angreifen und sein Schiff im südlichen Winkel der westlichen Linie aufstellcn. Unser Türkisches Schiff lichtete mit Ta gesanbruch die Anker und segelte der Spitze des Berges Karmel zu, um später seine Station an der südlichen Linie einnehmen zu können. Am Vormittag mußte Herr Walton in unserem Schiff die Runde machen und dem Admiral über seinen Zustand Rapport bringen. Ich begleitete diesen Offizier auf seinem Jnspections-Gang. Wir begaben uns zunächst nach dem Pulver-Magazin. Der Türke, der uns zu der Pforte des Magazins führte, zog kaltblütig eichen eisernen Schlüssel aus seiner Tasche und stieß ihn zu unserem Entsetzen mit plumper Faust in ein Schloß von demselben Metall! Herr Walton urtheilre jetzt weislich, er habe genug gesehen, drehte sich um und rief aus: „Nun, Gott bewahre uns vor dem Aufstiegen, wenn wir anders nicht untersinken!" Wir begegneten dem Arzte und baten ihn, uns nach dem Lokale der Kranken zu bringen. „Ach! «sro mic>", versetzte der Jtaliäner, „die Türken haben von so etwas keine Idee; da unser Admiral jedoch mir befohlen, einen Theil des Schiffes zu einem solchen Zwecke ein zurichten, so ist es mir gelangest, in einem Winkel des unteren Raumes meine Instrumente zu bergen. Aber, Signor, der Ort riecht sehr übel, ich rathe Ihnen nicht, ihn zu besuchen." DaS war eine gar tröstliche Kunde — ein Mensch, der sich frisch und gesund fühlte, konnte nicht ohne Gefahr für seine Gesundheit an einen Ort gehen, wohin er vielleicht eine halbe Stunde später mit einem Arm oder Beine weniger geschleppt werden sollte! Der Ort mußte in Augenschein genommen werden; wir stiegen durch eine Reihe Löcher und finsterer Gänge abwärts, und bei jedem Schritte wurden die Hitze und der eingcxreßte Dunst drückender. Endlich ge langten wir in einen kleinen Packraum im Buge des Schiffes und gerade über dem Kiel. Seine Ausdehnung mochte 20 Fuß in der Länge und IK in der Breite betragen. Das Gemach war von einigen großen Schiff-Laternen erleuchtet, und Matratzen, die über Tonnen lagen, bedeckten es in jeder Richtung. Die Schwüle war so groß, daß man nur mit Mühe athmen konnte, und dazu hatte man vorher mit Ammonia und Chlor-Kalk geräuchert! Ungeheure Schwämme, eine große Flasche mit Ammonia, eine Anzahl Schraubenbinden und mehrere glänzende chirurgische Messer lagen aus einem kleinen, dem Doktor angehörenden Tische. Als wir tappend und stolpernd durch die finsteren Gänge, die aus dem eben geschilderten Lokale führten, wieder nach oben kamen, sah ich mehrere Individuen in einem anderen kleinen und schwach erleuchteten Raume, den ich aus Neugierde betrat. Es waren die Derwische, die sehr melancholische Gesichter schnitten. Ihr Chef lag auf seinem Rücken am Boden, vermuthlich, um so tief als möglich unter die Oberfläche des Wassers zu kommen; dabei rollte er fürch terlich die Augen und klapperte mit den Zähnen, daß cs ei» Er barmen war. Endlich machte unser Schiff den Batterieen gegenüber Halt. Der Admiral schickte seinen Dragoman hinab, um den Lieutenant des GcschützwescnS fragen zu lassen, ob die Mannschaft auf ihren Posten und Alles, was zu den Kanonen gehörte, in Bereitschaft sep. Der Dragoman kehrte nach einiger Zeit wieder und berichtete, die Kanonen des Hauptverdecks sepen noch nicht losgemacht. „Rufet geschwind den Lieutenant", sprach der Admiral. Nach einigem Zögern kam dieser Offizier zum Vorschein. Er sprach gut Englisch, da er in unserem Dienste sich gebildet hatte, war aber fast bei allen Gelegenheiten flau und nachlässig. Der Admiral warf ihm seinen Ungehorsam vor; er aber antwortete mit einiger In solenz und entschuldigte sich aus eine lächerliche Weise. Sofort befahl der Admiral Walker dem an seiner Seite stehenden Capitain Oßman, dem Lieutenant seine mit Diamanten besetzte Decoration vom Halse zu nehmen und ihm strengen Arrest zu geben. Der gutmüthige Oßman zauderte und sah den Admiral verwundert an; er schien seinen Ohren kaum zu trauen, da das Schiff schon fast im Bereiche der feindlichen Kanonen war. Aber der Chef warf ihm einen durchdringenden Blick zu, ging auf den Lieutenant los, nahm ihm eigenhändig die Deco ration ab und jagte ihn die Treppe hinunter. Die übrigen Schisse deS Geschwaders setzten sich erst um halb elf Uhr aus der hohen See in Bewegung. Jedes Schiff war nun süd wärts und dem Berge Karmel zu gekehrt. Bis dahin hatte ein gelinder Wind aus Süden geweht, der aber mit einem Male nach Norden umschlug. Die Schiffe kamen anfangs nur langsam vorwärts. Gegen rin Uhr Nachmittags gab der Commodore, da der Wind jetzt noch nördlicher wehte, das Signal, schief zu segeln. Diese Evolution ging sehr gut von Statten, und das Geschwader formirtc sich, während es den Batterieen nahte, immer mehr zum Sectreffen. Sobald jedes Schiff der Festung gegenüber aufgestellt war, war fen die Dampsbötc Bomben aus, von denen aber durch einen unvor hergesehenen Umstand wenigstens ein' Drittheil auf halbem Wege platzte. °) Der Commodore, welcher der westlichen Fronte gegenüber stand, signalisirte jetzt einen Angriff auf die Nord-Batterieen und bugfirte sogleich etwas nördlicher. Der veränderte Wind hatte ihn außer Stand gesetzt, seinen ersten Plan zu verfolgen. Sobald dieses Signal gegeben war, signalisirte Capt. Stewart vom Benbow, der eben dem See-Winkel zwischen beiden Linien gegenüber hielt: „Soll ich die Süd-Batterie angreifen?" und der Admiral crthcilte ihm augenblicklich vom Phönir her die Erlaudniß dazu. Dieser rasche Entschluß des Capt. Stewart verdiente großes Lob, da er jede augen blickliche Verwirrung verhütete. (Schluß folgt ) ') Die metallenen Zünder tlusbe») waren nicht zweckmäßig gearbeitet. Schweden. Brief über Stockholms Abend-Gesellschaften. (Schluß.) Da hast Du, meine liebe Freundin, eine kleine Zeichnung von einem Stockholmer Souper und, mit wenigen Ausnahmen, von den Stockholmer Soupers überhaupt. Diese Abend-Gesellschaften sind eine Menge schläfriger Schwestern, deren Mutter, die Langeweile, und Tante, die Eitelkeit, nicht müde werden, sie mit tiefen Knircn aus einem Hause ins andere zu führen. Man hat sie tausendmal unausstehlich gefunden, aber bisher noch nicht gewagt, sie zu ver bannen, weil die Langeweile und die Eitelkeit ein paar alte, steife Dalpen sind, die es verstehen, sich in Respekt zu setzen, und die man nicht ungestraft beleidigen darf. Macht man sich über ihre Steifröcke lustig, so läuft man Gefahr, für naseweis oder nicht klug gehalten zu werden. Wenn Du glaubst, daß irgend ein Anspruch von Winterspleen seine düsteren Schatten auf diese meine Beschreibung der Stockholmer Abend-Gesellschaften geworfen, so sage ich nicht geradezu nein, — doch ist sic den Hauptzügcn nach Wahrheit und nicht Karikatur. Es ist mir unbegreiflich, daß so viel kluge Leute sich versammeln können, um sich zu langweilen. Wollten die Genien des Vergnügens an ihre Verehrer in Stock holm eine Proclamation erlassen, um sie aufzufordern, sich zu amü- siren, so denke ich, der Inhalt würde ungefähr folgender seyn: „Freunde des Vergnügens, deS Lachens und der Freude, die ihr des Lebens flüchtige Minuten und seine kurzen Mußestunden ge. meßen wollt, fliehet, flieht die Abend-Gesellschaften!" „Seht hier mein Rezept zur Verjagung der finsteren Geister der Langenweile in der bösen Zeit der langen Winterabende!" „Versammelt Verwandte, Bekannte und Freunde, aber nicht zu viele! Aus Gedrang und Hitze entsteht der Souper-Sirocko." . „Steckt Licht an in den Zimmern, — vor allen Dingen entzün det aber in euren Köpfen das Licht des WitzcS und dcS feinen Scher zes! Leuchtet einander mit dem Hellen Feuer der Fröhlichkeit. Sepd munter, sepd gütig, sepd — wenn ihr könnt — witzig. Tanzt, spielt, singt, aber nicht mit Widerwillen, sondern zu eurem Vergnügen. Flechtet mit leichten Händen den Kranz der Freude, und Jeder reiche anspruchslos und willig sein Blümchen dazu." „Der Genuß der Conversation sep euch thcucr. Werft mit Funken des Scherzes um euch, die leuchten, aber nicht brennen. Laßt Gedanken auf Gedanken, Gefühl auf Gefühl, Lächeln auf Lächeln, wie ein melodisches Echo antworten, oder vielmehr wie jene milden, schönen Töne, welche die leiseste Berührung der gestimmten Harfe entlockt." „Dabei darf über den wohl unterhaltenen und berücksichtigten Geist der Leib jedoch keincSwegeS vergessen werden. Reicht ihm einige leichte Erfrischungen, jedoch nur wie beiläufig und im Vor- übergehen. Setzt man sich mit Ernst und feierlicher Miene zu Tische und nimmt Messer, Gabel, Löffel und Serviette zur Hand, so wird das Essen zum wichtigen Geschäft." „Man ißt, um zu leben, — man lebt nicht, um zu essen, sagte ein Weiser. Ihr wollt euch vergnügen, — esset und trinket nur, um nachher desto herzlicher lachen zu können." „Al» der allweise Schöpfer anordnete, daß auf unserem kleinen Erdenball Nacht und Tag ahwechsclnd herrschen sollten, war gewiß seine Absicht, daß die Menschen, seine edlen, aber schwachen Kinder, während jener ruhen sollten, damit sie beim Hellen Licht des Tages desto mehr wirken und genießen könnten. Darum laßt doch mit dem Abend, der den Tag schließt, auch eure geselligen Genüsse enden; — darum legt euch mit dem Schlüsse des AbendS zur Ruh, damit die Stunde der Mitternacht euch im Schooße des Schlafes finde. Und wenn ihr den Tag zur gehörigen Zeit mit Frieden geschloffen, dann singet mit unserem edlen und liebenswürdigen Franz«»: Nach einem Abend, Mäßig genossen, Herzlich geschloffen, Schlummert man sanft und erwachet beglückt." O Himmel, die entsetzliche Souper-Stunde ist da, — cs schlägt acht Uhr! Der Wagen ist vorgefahren, mein Gemahl ist fertig, und ich habe noch keine einzige Blume im Haar! Gute Nacht, glückliche Freundin, — Du gehst bald zu Bett, und ich muß mich zur Campagne rüsten. Morgen, wenn ich heute nicht meine Stimme einbüßc, werd' ich singen: Nack einem Sckmause, Reicklick genossen, Mahnend geschlossen, Schlatt man erbärmlich, erwacht man verstimmt- (Teckningar utur HvardagSlifvet.) Polen. Aus Kraszewski's Wolhynischen Neisebildern. (Schluß.) Also — rief Einer aus dem Haufen — wieder Tataren? Hast Du Nachricht? — Freilich sind Nachrichten da, so wle jeden Winter, — versetzte der Kosak — kaum steht der Sand und sind die Flüssc gefroren, so spricht man auch von den Tataren. Sic ziehen durch die Thaler verstohlen nach Dubno. — Wie viel sind ihrer? — Das weiß Gott, der unS diese Plage schickt. Auf dem Marsche verkriechen sie sich, sind sie hier, so werden sic sich in Rauchwolken hüllen und