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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerarions- Preis 22^ Sgr. (j LbU.) rierteliabrlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Fricdrichsstr. Nr. 72); in der Prooinz so wie im Auslande bei dm Wohllöbl. Post-Aemtcrn. Literatur des Auslandes. e-N 133 Berlin, Freitag den 5. November 1841. Syrien. Erinnerungen aus dem Kampfe mit Mehmed M. Von Patison Hunter. IV. Die Einnahme von Akko (St. Jean d'Acre. °) Jetzt sind wir mit dem gegen Akko befehligten Geschwader in See gegangen. Ich hatte die Ehre, auf dem Flaggen-Schiffc Walker- Bci's zu seyn, dessen Kajüte, außer dem Bei, seinem Sccretair und mir, auch Selim-Pascha und den Preuß. Hauptmann Laue beher bergte. Das Schiff war ein gutes Emblem des heutigen Zustandes der Türkei — alt, zerfallen, leck und geflickt; nur ein sehr unter nehmender Schiffer konnte sich in diesem Rumpelkasten auf die hohe See wagen. Damals war dieses Fahrzeug fast das einzige Linien schiff des Sultans und hatte schon manches Jahr auf einem alten Werfte des Marmora-Meeres abgetakelt gelegen. Walker-Bei fand das Wrak vor, ließ es kalfatern, und schon nach wenigen Wochen erschien es mit einer aus dem Janhagel Konstantinopels aufgegriffe- nen Bemannung vor Beirut. Ich habe noch nie einen so buntscheckigen Haufen in einem engen Raum versammelt gesehen. Wohl achthundert dieser Kerle waren Eishändler, Schwammverkäufer, Gewürzkräuter u. dal. gewesen; sie sahen großentheiis abgemagert und sehr unkriegerisch aus. Etwa hundert Andere gaben sich mit ihrem stämmigeren Bau und kühneren Ausdruck als Kaiktschi'S (Bootsleute) oder Bauerburschc zu erkennen. - Nicht über 20 Mann hatten schon vorher auf einem Schiffe gedient! Wie soll ich aber beschreiben, wie eS unter dem Verdeck aussah! Da ich von einem Britischen Flaßgenschiffe kam, wo Alles reinlich und in vollkommenster Ordnung ist, wo die gesunde muthvolle Mann schaft ihre guten Speisetische und Hangematten hat, mußte mir der Kontrast mit dem gegenwärtigen Schauspiel natürlich auffallender seyn. Haufen schmutziger Kerle kauerten, streckten und dehnten sich in allen Richtungen — Einige aßen, Andere schmauchten, wieder Andere zankten mit einander, und noch Andere machten emsig aus gewisse Insekten Jagd. Nur in der Kajüte, dem Schiffschnabel und dem Halbverdeck ging es so reinlich und ordentlich her, wie am Bord eines Britischen Kriegsschiffes. Eine Türkische Schildwachc spazierte vor der Kajüte auf und nieder. Aus der ersten Abtheilung, wo ge speist wurde, führte eine Thür in das Gemach Selim-Pascha'S, der mit seiner langen Pfeife und seinem bis auf die Augenbrauen ge drückten Feß einen Winkel des Soka'S einnahm. Ihm gegenüber saß sein Verwandter, Selim-Bei, ein junger schöner Mann und der gebildetste Türke, den ich bis dahin kennen gelernt. Er sprach go- läusig Englisch, da er unter Mahmud's Regierung eine Zeil lang in England gewesen. Selim-Pascha war der einzige angesehene Türke, der mit den Alliirten in Syrien landete. Er hatte damals nur den Rang und die Geschäfte eines Brigade-GeneralS; obgleich an der Spitze der Türkischen Truppen, mußte er sich dem Admiral und dem Commodore unbedingt fügen. Sein biederes und bescheidenes Benehmen, seine Tapferkeit im Felde und seine beständige Sorge für die Wohlfahrt der Soldaten erwarben ihm allgemeine Achtung und Bewunderung. Als aber die Aussichten günstiger wurden — was bald geschah — da traten größere Pascha'S auf den Schauplatz; man bewarb sich im Wetteifer um die Verwaltung des einträglichen Syriens. Isset Mehemcd Pascha, einer von der alten Schule, durch seine viel jährigen Erpressungen schon so reich wie Krösus, landete mit dem pomphaften Titel eines Statthalters von Syrien und Aegypten zu Beirut. Und was that dieser große Mann gleich nach seiner An kunft? Er ließ bei dem Munizipal-Rath anfragen, was für Forde rungen der vorigen Negierung noch nicht eingezogen seyen; und als man ihm meldete, die regelmäßigen Steuern seyen bis auf den letzten Para bezahlt, fragte er weiter, ob es keine andere Auslagen gäbe, die man nicht habe realisiren können. Es stand noch eine Summe don 20,000 Piastern, und sogleich befahl der neue Statthalter, dieses G^d, unter Androhung der ConfiScation ihrer Effekten, morgen Mit tag von den Bürgern einzuziehrn! Dies waren also die ersten Früchte der gepriesenen Türkischen Reform, welche, wie es im Manifeste dcS Edmmodore's hieß, dem Syrischen Lande wieder Heil bringen sollte! Glücklicherweise verwundete sich Isset bald darauf mit einem zufällig loSgeyenden Pistol im Bein, und die Wunde erhielt einen so bedenk- ') Ngl- Nr. iw, iro »„d 126 de- Magazin-. lichcn Charakter, daß er mehr an die Erhaltung seines Lebens als an das Geld seiner Untergebenen denken mußte. Selim-Pascha, der schon eine wahre Null geworden, erhielt wieder die Initiative, und wir sehen ihn jetzt im Begriff, an den Gefahren und dem Erfolge dessen, was für seinen Herrn geschah, Theil zu nehmen. Der Britische Bei (Walker) war bei den Türken ungemein be liebt; seine Tapferkeit und Leutseligkeit weckten schon ein günstiges Borurtheil für ihn, und sein reich besetzter Tisch knüpfte die Bande der Zuneigung noch fester. Selim-Pascha hatte den Ehrenplatz am Tische; zu seiner Rechten saß der Schiffs-Capitain Oßman, eine wohlbeleibte Figur mit einem Auge, das von munterer Laune über quoll — das orientalische Konterfei unseres John Fallstaff; dann kam der Jtaliänische Arzt, ein sehr geschickter Mann in seinem Berufe, dann Selim-Bei und einige untergeordnete Personen. Als ich eines Tages bei Tische mein Glas köstlichen Madeira zum Munde führte, sah.ich, wie mein Freund Oßman einen Blick voll der rührendsten Theilnahme auf das Glas warf. Der Admiral fragte Selim-Pascha bei Gelegenheit, ob er nicht etwas Champagner trinken wolle, da er die anderen Weine vorübcrgehcn ließ. Da nahm Oßman hastig das Wort und hielt dem Pascha einen begeisterten Diskurs zu Gunsten des Vorschlags; aber Letzterer schüttelte gravi tätisch sein Haupt, legte Oßman die Hand auf den Mund und ent gegnete, er werde jetzt inmitten des Ramasan keinen Tropfen Wein zu sich nehmen. Die Sache war um so spaßhafter, da ich wußte, baß beide Herren der Flasche sehr gern zusvrachen. Oßman, der kein Heuchler war, rrant allemal über den anderen Tag seinen Wein und ließ sich ihn munden, wie der beste Christ; nur bei jener Gelegenheit bekämpfte er aus Respekt vor dem Pascha sein Gelüst, und der Letz tere scheute sich nur, Wein zu trinken, weil Fremde am Tische saßen. Auf unserer zweitägigen Fahrt nach Akko hatte ich so viel an genehme Beschäftigung, daß ich keinen Augenblick melancholischen Ge danken Raum geben konnte. Ich knüpfte hier mit dem Preußischen Hauptmann Laue engere Bekanntschaft. Dieser tapfere Ossizier, ein Veteran aus den Europäischen Befreiungs-Kriegen, erzeigte mir die Ehre, res Admirals Pläne von Akko mit mir gemeinschaftlich zu studiren. Die Art, wie er den ganzen Angriffsplan, die Vertheivi- gungs-Maßregeln des Feindes und die Gefahren und möglichen Glücks fälle auf beiden Seiten abwog, fesselte mein Interesse ungemein. Aber auch die Zurüstungen zum bevorstehenden Kampfe beschäftigten eines Jeden Aufmerksamkeit. Die Kajüten des Mitteldecks wurden weg geschafft, damit vom Vorderthcil bis zum Schiffschnabel ein offener Raum blieb; die kupfernen Gitter und Pfeiler, die als Zierde auf Schiffschnabel und Lierteldcck gestanden, wurden gleichfalls abge brochen und, wo es nöthig, durch Tauwerk ersetzt. Dies geschah, damit cs keine gefährliche Metallsplitter geben sollte, im Falle hier Kugeln anschlügen; aber das ganze Verfahren kam den Türken, die nichts vorher überlegen, gar seltsam vor. Die Feierstunden der Mannschaft waren religiösen Ucbungen gewidmet: mehrere an Bord befindliche Derwische sprachen ihnen lange Gebete vor, und bei jeder Kanone kauerte eine Truppe Türken, die, mit geschloffenen Augen und das Antlitz gegen Osten gewendet, ihre Lippen rasch bewegten, auch von Zeit zu Zeit ihrer ganzen Lange nach sich auf das Ver deck warfen. Am Nachmittag des zweiten November erreichten wir die Bai von Akko. Die vier Kriegs-Dampfböte, welche gestern angekommen waren, warfen von Zeit zu Zeit Sprengkugeln in die Festung, und der Feind antwortete aus Mörsern, aber bis dahin ohne Wirkung. Gegen Sonnen-Untergang war das ganze Geschwader angclangt; die Linienschiffe warfen Anker. Am Abend hielt der Admiral einen KriegS- rath, worin man beschloß, daß das Bombardement am nächsten Morgen beginnen sollte, und zwar so früh, als der Wind dem Geschwa der erlauben würde, sich den Batterieen zu nähern. Der Englische Admiral beschloß, eines der Dampfschiffe zu besteigen, indem er so die ferneren Evolutionen der Schiffe besser leiten zu können glaubte. Ad miral Walker, der die freie Wahl seiner Stellung hatte, entschied sich für den südöstlichen oder inländischen Winkel der südlichen Batterie- Linie, weil die Mauer hier etwas verfallen und eine Bresche am leichtesten zu bewerkstelligen war. Der Edinburgh sollte ihm dabei hülfreich seyn. Die resp. Chess, Hauptleute und Befehlshaber des ver bündeten Geschwaders erhielten eine Karte der verschiedenen Anker gründe in der Bai, die zwei Britische Offiziere nach vorgängiger Untersuchung der Untiefen entworfen hatten. Die Festung Akko hat an der Scescite zwei BerthcidigungS Linien, die einen rechten Winkel beschreiben, der nach Westen und nach.