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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration^ Preis 22^ Szr. (j Tblr.) viertcljädrlich, 3 Thlr. snr »aS ganze Jahr, ohne Er höhung, in alten ^heilen der Preußischen Monarchie. Magazin , für die Man prönumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. StaatS-Zeitung (FnebrichSstr, Rr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllödl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 12S Berlin, Montag den 18. Oktober 1841. Spanien. Dit Spanische Literatur im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert. Von Don Eugenio de Ochoa.") Da der Verfasser des Cid nicht bekannt ist und sich selbst die Zeit, in der dies Gedicht abgefaßt ist, nur durch Konjekturen be stimmen läßt, so steht Gonzalvo von Berceo, ein Geistlicher aus dem dreizehnten Jahrhundert, an der Spitze der Spanischen Dichter. Don Gonzalvo, geboren in der kleinen Stadt Berceo, in der Pro vinz Nioja, nahm, wie man sieht, den Namen seiner Vaterstadt an, und sein Familienname ist uns unbekannt. Diese Sitte, die damals allgemein üblich war, währte bis ins fünfzehnte Jahrhundert, nur daß man in diesein sich vielmehr nach der Stadt, in der man zum Doktor graduirt war, zu benennen pflegte. Man hat lange behaup tet, Don Gonzalvo sep Benediklinermönch gewesen, doch ist gegen wärtig bekannt, daß er keinem Mönchsorden angehörte. Er blühte gegen den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Weder sein Gc° vurts- noch sein Todesjahr ist uns überliefert. Da sowohl Ausländer als Spanier selbst aus den „Bibliotheken" des Don Nicolaus Antonio ihre Belehrung über unsere alte Literatur zu schöpfen pflegen, so muß ich hier bemerken, baß man sich auf das nicht verlassen darf, was Don Nicolaus von Berceo sagt. Lange Zett ist dieser Dichter fast ganz unbekannt gewesen; man hat von ihm nur nach dem Hörensagen gesprochen, und mit jedem neuen Kritiker, welcher gewissenlos genug war, ein tieferes Studium zu scheuen, hat sich die Zahl der alten Jrrthümer vermehrt. Der Marquis von Santillan«, einer der gebildetsten Männer des ISten Jahrhunderts, erwähnt ihn nicht in seinem bekannten Briefe an den Connctadlc von Portugal, in welchem er alle Dichter, die er kennt, aussührt. Don Nicolaus Antonio stellt Berceo in das llte Jahr, hundert; vor ihm war Fray Prudencio de Sandoval, der gewandte Geschichtschreiber Karl'S V., in denselben Jrrthum verfallen; dies beweist, daß weder der Eine noch der Andere Berceo's Schriften kannte. Um diese Angabe zu widerlegen, genügt es, anzuführen, daß im Kloster von San Millan eine nicht unbedeutende Anzahl von Handschriften des Dichters sich befindet, die er eigenhändig gezeich net hat: Don Gonzalvo, Diakonus von Berceo, im Jahre 1220 und l22I. Außerdem legt ihm Nicolaus Antonio noch Werke bei, die er nicht geschrieben hat, und die zum Theil gar nicht vorhan den sind. Die Fruchtbarkeit dieses Patriarchen der Spanischen Literatur ist bemerkenswerth. Folgendes ist das Verzeichniß seiner Werke, die von Thomas Antonio Sanchez in seinen „Uuokmk anterioro« al XV «Iglu" (1780. 2 Bde.) angegeben sind: Das Leben des heiligen Dominikus; das Leben des heiligen Millan de la Cogella; das Meßopfer; das Martprium des heiligen Laurentius; Lobgevicht aus die heiligt Jungfrau; die Zeichen, welche vor dem jüngsten Ge richt erscheinen werben; die Wundcrthaten ber Jungfrau; die Trauer der Jungfrau am Tage der Kreuzigung ihres SohneS; bas Leben der heiligen Aurea. Das erste dieser Werke ist ein Gedicht in drei Theilen und ent- hält 777 vierteilige Strophen. Der Verfasser macht keine hohe An sprüche; er kündigt sich in der Vorrede nicht als begeisterten Sänger, nur als Erzähler an. Dies sind seine Worte: Im Namen des Vaters, der Alles geschaffen, im Namen Jesu Christi, des glorreichen Sohnes, im Namen des heiligen Geistes, der Eins ist mit Beiden, von einem Bekenner will ich euch erzählen. In schlichter Rede"") nur weiß ich zu sprechen, so wie ein Nachbar spricht zu dem anderen; ich bin nicht gelehrt, um Lateinisch zu dichten; möge die Kunde euch erfreuen, wie ein Glas guten Weines! Der Dichter bedient sich des Alerandriners, und die vier Verse jeder Strophe schließen mit demselben Reim. Dies ist bereits rin ) Dieser jki-, Paris lebende Svaniicke Gelehrte und Literarhistoriker hat IN seiner Muttersprache mehrere aeschabke Arbeiten jur Geschichte der älteren und neueren Spanische» Literatur herauegegebcn. Nachstehendes Beuwstuck wird auch in Dentschland mit Interesse aclescn werden. "> ttomuu puluäiun. Dieser Ausdruck hat den Pater Sarmiento in seinen Memoiren nber die Spanische Poesie zu einem sonderbare» Jrrtbnm verleitet. Er glaubt- palaUiun Hanae mit patarlu zusammen und bedeute etwa königlich, erhaben; doch cS heißt gerade bas Gegenthril, wie bereits der Zusammenhang ergicbt, und wie dies die Ableitung des Wortes von palam bestätigt. Nnm. des Vers. Fortschritt gegen die lästige Einförmigkeit, welche das Gedicht vom Cid dadurch erhält, daß alle Verse eines Gesanges durch denselben Reim gebunden werden. Noch stoßen wir im Versbau bei Gonzalvo auf mannigfache Unregelmäßigkeiten, doch es ist nicht diese, man möchte sagen, barbarische Zügellosigkeit, die in jenem Gedicht herrscht. Das einzige Stück, in welchem Berceo den Alexandriner nicht ge braucht, ist ein kleines Lied, welches er in ber „Trauer der Jung frau" einen Juden singen läßt; eS bestebt dies aus sechsnnvzwanzig acht- bis zehusilbigen Versen mit dem Refrain e^a velar (lustig!). Ein glückliches Mittel, in den ermüdenden Gang der Erzählung Abwechselung zu bringen, ist die Form des Dialogs, die der Dichter oft anwenbel. So finden wir in dem Leben des heiligen Dominikus einen sehr lebhaften Streit zwischen dem Heiligen und dem König Garzias von Navarra, der sich der Schätze des Klosters bemächtigen will. In dein Martprium des heiligen Laurentius findet sich ein Dialog zwischen dem heiligen Sinus und dem heiligen Valerius, und ein zweiter zwischen dein heiligen Sinus und dem Kaiser Decius. Das Gedicht von der Trauer der Jungfrau ist ganz dialogisirt, und die geschickte Ausführung gereicht dem Dichter zu voller Ehre. Er nimmt an, der heilige Bernhard sep begierig gewesen, die Leiden der Jungfrau in ihrem ganzen Umfange kennen zu lernen; er habe bei diese». Verlangen nichts Besseres zu thun gewußt, als sich selbst an die zu wenden, welche Gabriel grüßte: äve Vl.rria. Die Jungfrau erhörte ihnp sie erschien ihm und schilverte ihm ihre Schmerzen. Hierauf folgt rin neuer DW.oa zwischen der Mutter und ihrem gött lichen Sohne, welchem sie aufträgt, stets die fromme Neugier des heiligen Bernhard zu befriedigen. Das Gedicht ist voll naiver An- muth und tiefen Gefühls. Zugleich liefert es einen neuen Beweis für die Unhaltdarkeit der Ansicht, daß Berceo dem Ilten Jahrhundert angehöre. Der heilige Bernhard starb 1133. Er wurde durch Alexander 111 kanonifirt 1178. Rach diesem Zeitpunkt also muß der Dichter geschrieben haben, weil er ihn den heiligen nennt. Doch die Stelle in Gonzalvo'S Werken, in der er sich meines Erachtens am meisten als Dichter zeigt, die wenigstens in Gedanken und Diction mir die gelungenste scheint, ist die schöne Vergleichung, welche dem kleinen Gedichte „die Wundcrthaten der heiligen Jung frau" zur Einleitung dient. Dieser Wunder führt er fünfundzwanzig auf, und' obgleich die Anzahl derer, welche Gott durch die Vermitte lung seiner heiligen Mutter oollbracht hat, unendlich ist, so können doch nicht alle von den Gläubigen bewundert werden, welche der Dichter auffübrt, denn von mehreren findet sich außer seinem Ge dichte keine Spur; ja, unbczweifelt ist nur eines, die Niederfahrt der Jungfrau, als sie dem heiligen Jldephons bas Meßgewand brachte; das Andenken an dies Wunder stiert die Kirche zu Toledo jeden 24. Januar. Die erwähnte Vergleichung ist folgende: Der Dichter bemerkt, daß wir Alle Pilger sind in dieser Welt, daß unsere Pilger schaft schwer und ermüdend ist, doch daß eine reichblühende Wiese uns stets zur Ruhe einladet; dies ist die Jungfrau Maria. Wir bedauern, die lebendigen Farben des Originals in einer prosaischen Uebersttzung nicht wicdergcbcn zu können: „Diener und Anbeter Gottes des Allmächtigen, wollt ihr geneigt mich anhören, ich erzähle euch ein Ereigniß, bas euch die Herzen erfreuen soll. — Ich, genannt Meister Gonzalvo von Berceo, kam auf meiner Pilgerschaft zu einer grünen herrlichen Wiese, die mit Blumen reich überdeckt war und den Ermüdeten zu süßer Nast ein lud. — Die Blumen athmeten weiche Düste aus, sie erquickten Auge und «ecle; aus jedem Steine sprang eine klare, vollsprudclndc Quelle, kalt im Sommer, im Winter lau. — Reichbelaubte Bäume standen umher; Granaten, Feigen, Birnen, Aepsel und viele andere herrliche Früchte, die ich nicht alle nennen kann, schwankten von den Wipfeln herab; kein Wurm, keine Fäulniß war zu sehen. — DaS Wiesen- grün, die Blumcndnfte, der Schatten der Fruchtbäume erfrischten mich wunderbar. Diese Düste allein hätten genügt, einen Menschen zu beleben. — Nirgends auf der Erde habe ich eine so heimliche Ruhestatt gefunden, nirgends so linden, kühlenden Schatten, nirgends so berauschende Düste; ich legte die Kleiber ab und streckte mich in den Schatten. — Da vergaß ich aller meiner Sorgen; süße melo dische Lieber rauschten über mir in den Wipfeln; kein Ohr noch hat holdere Klänge vernommen. — Die Wiese war von Golt so ge segnet, daß sie weder durch Frost noch Hitze litt. Sie war über und über grün; kein Sturm zerstörte ihr diesen holden Schmuck. — So bald ich mich ins Gras gestreckt batte, war all' meine Müdigkeit verschwunden; *ich war glücklich, kein Leid regte sich in mir, ich wünschte nichts mehr, als ewig so glücklich, ewig hier bleibcn zu