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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumerationS- PreiS 224 Sgr. (j Thlr.) vierteljährlich, 3 THIr. für Lai ganze Jahr, ohne Er, Höhung, in allen Theilen der Preußisch«« Monarchie. Magazin für die Man pränmnerirt auf diese« Literatur,Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staatö,Zeitung sFriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Ausland« bei de« Wohltöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 124 Berlin, Freitag den 15. Oktober 1841 England. Geschichtliche Entwickelung des Deismus. Der Deismus ist allerdings ein überwundener Standpunkt, aber er hängt nichtsdestoweniger mit der religiösen Richtung unserer Zeit aufs innigste zusammen. Der Deismus ist nicht über die Stufe der Reflexion und über die Willkür des raisonnirenden Subjekts hinaus gegangen. Er war ein religiöser Pragmatismus, der sich in seinem Extrem bis zur Unredlichkeit verleiten ließ, indem er den wesenvollen und geistigen Gehalt, welcher der Religion zu Grunde liegt, ver kannte, indem er sogar die geschichtliche Wahrheit verfälschte und da, wo augenscheinlich eine nothwendige, im ganzen Wesen des Menschen begründete, geschichtlich befestigte, geistige Entwickelung vorlag, nur Pfaffentrug und Priestererfindung witterte. Die Will kür der Subjektivität war sein Mangel. Aber der Deismus pro- klamirte zugleich die Freiheit des Denkens, er erhob sich gegen den Autoritätsglauben, gegen die positiven Satzungen in solchen Dingen, wo nur der Geist Zeugniß ablegen kann, er stellte die Vernunft als oberstes Prinzip aller Erkenntniß hin. Das darf eben so wenig ver kannt werden. Wenn man nun bedenkt, daß der Gegensatz, dessen eine Seite der Deismus so scharf und einseitig ausgeprägt hat, der Gegensatz nämlich zwischen Glauben und Wissen, zwischen starrer Autorität und freier Erkenntniß, noch keineSweges vermittelt ist, so bedarf eS wohl keines Beweises, daß eine Uebersicht der geschichtlichen Ausbildung des Deismus von der höchsten Bedeutung sür die reli giöse Bewegung unserer Zeit sepn muß.") DaS erste geschichtliche Hervortreten des Deismus — oder sagen wir lieber des Englischen Deismus, denn in England trieb er seine ersten Wurzeln und gelangte er zu seiner vollen Entfaltung — fällt tn den Anfang dcS I7ten Jahrhunderts. Anknüpfungspunkte finden sich schon früher, und wenn wir daran festhalten, daß der Deismus von der Emancipation des Denkens auSaegangen ist, überall da, wo dieses versuchte, die Fesseln des scholastischen Dogmatismus und des Kirchenglaubens abzustreifen. So müssen wir, wenn wir auf die Zeiten der Scholastik zurückgehen, den Nominalismus hierhcrrechncn, der das Allgemeine nicht für etwas Selbstständiges, sondern nur für eine Vorstellung sür uns gelten lassen will und insofern mit dem Sensualismus und Empirismus verwandt ist, auf dessen Boden der Englische Deismus erwachsen ist. So später Wicliff, insofern dieser den praktischen Theil der Religion gegen den dogmatischen hervor- hebt. So Reginald Peacock, der die natürliche Vernunft für die erste Erkenntnißquelle und die Schrift nur für die Norm der geoffen- barten Wahrheit erklärt. Einen näheren Zusammenhang hat indeß wohl der Deismus mit der Reformation. Diese warf die kirchliche Autorität bei Seite und stellte die Bibel als Norm hin; dadurch wurde der freien For schung ein weiteres Feld geöffnet. Vom größten Einflüsse ist aber der Gang, welchen dieselbe in England nahm. Hier ging sie vom Fürsten aus, der sie nicht in ihrer ganzen Ausdehnung annahm, sondern ihr willkürlich eine Gränze setzen wollte. Dem Hofe trat aber die religiöse Bewegung des Volkes gegenüber. Alle gütliche und gewaltsame Versuche, eine Vermittelung zwischen diesen beiden Gegensätzen hcrbeizuführen, schlugen fehl. Je mehr aber dieselben gerade auf Aeußerlichkeitcn beruhten, desto näher lag die Ver suchung, eine Einheit und Versöhnung auf anderem Wege zu ge winnen, ein Gebiet religiöser Wahrheit auszusuchcn, das jenseits deS Streites läge. Auch ist nicht zu übersehen, daß zu der Zeit, wo der Deismus anfing, sich geltend zu machen, schon eine Reform der Philosophie begonnen war, nämlich durch Francis Bacon, dessen Hauptstreben Segen die scholastische Philosophie gerichtet war. Bacon wollte reine Erkenntniß, reale Erkenntniß, und von nicht geringer Bedeutung war ts hierbei, daß er zeigte, wie eine Hauptursache der Jrrthümer und des Stillstandes der Naturwissenschaften im Aberglauben und blinden Rellgiongeifer liege. Zwar erklärt er die geoffenbarte Religion für fest auf ihrem Grund und Gebiet und für unabhängig von den Wechselfällen philosophischer Forschung; zwar hat nach ihm der Glaube ungleich größere Würde als das Wissen in seiner damaligen "> Eine solch« Uebirgcht giebt di« „Beschichte Les Englischen Deismus" von G. B- vechlee «Stuttgart und Tübingen bei Cotta, 1841», welche eine Frucht Les gründlichsten Studium« ist und deren Hauptresultate Lier mitg«. «bellt werden sollen. Beschaffenheit. Indeß giebt er zu, daß der Mensch gewisse Begriffe, wie Tugend, Laster, Gerechtigkeit, auS dem natürlichen Lichte habe; auch zieht er eine scharfe Gränze zwischen Theologie und Philosophie und will eben so wenig zugeben, daß die Philosophie in die Theologie kingreifen solle, wie umgekehrt. Sein Rath ist: l)a lutei ouae tiüei nunt. Jede Mixtur» tkeologiao cum plnlonopliiu hält er für etwas an sich Unwahres. I. Anfänge des Deismus bis Locke oder bis zur Revolution von 1688. Als den Vater des Englischen Deismus kann man Edward Herbert bezeichnen. Derselbe stammte aus dem Hause der Grafen von Pembroke und war ausgezeichnet durch jede Art persönlicher Tüchtigkeit. Er war ein Charakter, der die höchsten Gegensätze in sich vereinigte, denn er war eben sowohl ein Mann des Handelns und des Lebens wie ein ausgezeichneter Denker und Schriftsteller. Vom entschiedensten Einflüsse aus seine religiöse und philosophische Bildung war ein längerer Aufenthalt in Frankreich, wo ziemlich allgemein eine Denkweise verbreitet war, welche sich gegen die kon fessionellen Gegensätze und den Unterschied der positiven Religionen gleichgültig oder skeptisch verhielt. Seine Hauxtschriften sind „<le veritste", die eine Theorie der Gesetze des Erkennens'aufzustellen versucht, und „flo religione gen- rilium", die eine Kritik des Glaubens enthält. Im Allgemeinen stellt er die Religion so hoch wie nur irgend möglich, indem er sie für daö einzige unterscheidende Merkmal des Menschen erklärt; ja er bestrettet sogar, daß ein Mensch gesunden Geistes Atheist sepn könne. Die Religion ist den Menschen, seiner Ansicht nach, gegeben, damit sic zu dem, was sie von selbst «Hun sollten, verpflichtet würden. Dagegen spricht er sich sehr scharf gegen die Priester aus. Da in jedem Lande und zu jeder Zeit Religion geherrscht, so wundert er sich nicht wenig, daß die Priester das Volk zu dem, was nicht sepn soll, und zur härtesten Zwietracht gereizt. Diese Ansicht führt ihn auf die Vermuthung, daß frivole und sogar verderbliche Dogmen den guten und nützlichen beigemischt worden sepen. Demnach will er, aber nicht bloß im heidnischen Aberglau ben, sondern auch in der Bibel, zwischen dein, was echtes Wort Gottes, und dem, was nicht, unterschieden wissen. Als Kern der Wahrheit in allen Religionen ergeben sich ibm folgende fünf Artikel: I) vaS Dasepn eines höchsten GotteS; 2) die Pflicht der Verehrung dieses höchsten GotteS; 3) Tugend und Frömmigkeit sind die Haupt- theilc der Gottesverehrung; 4) die Verpflichtung, die Sünden zu bereuen und von ihnen zu lassen; S) die Vergeltung, theilS in die sem, theils in jenem Leben. Herbert nimmt eine doppelte Offenbarung an, eine im Innern dcS Menschen und eine i» der Natur, oder mil seinen Worten: Deus ipsum tacite inciicavit et «e palckecir. Die Alten, sagt er, forschten nach etwas Ewigem und wandte» sich zum Himmel, wo sie vie Sterne als etwas Ewiges, Wechselloses, Seliges fanden. Sie verehrten die Gestirne nicht als höchste Gottheit, sondern als vorzüglichste Diener derselben; man gab ihnen zwar den Namen Golt, aber nur in einem weiteren Sinne. So verehrte das Altcr- thum, durch daS Buch der Natur belehrt, die höchste Gottheit. Allein das Heidcuthum enthält auch viel Abgeschmacktes, Unsinniges. Dies kömmt auf Rechnung der Priester. Es trat eine Meinung auf, welche behauptete, man müsse Gebräuche und Ceremonien dem inne ren Gottesdienste beifügen, man müsse auch Gottes Diener verehren. Aber die fünf Grundsäulen der reinen Religion standen auch im Heidenthum fest. Im Christenthum wiederholt sich derselbe Gang: ursprüngliche Reinheit, dann Entartung'durch die sich bildende Hie rarchie. Uebernatürliche Offenbarung stellt er nicht in Abrede, aber unter starken Bedingungen, von denen die hauptsächlichsten sind, daß sie unmiltelbar zu Theil wurde, und daß sie etwas ausnehmend Gu tes und Wahres enthalte. Uebrigens erklärt er sie für überflüssig. Der Blüthepunkt dieser Periode ist in Thomas Hobbcs zu suchen; in ihm haben die Zeitrichtungen ihren schärfsten und um fassendsten Ausdruck gesunden. Darum ist es erforderlich, auf diese einen Blick zu werfen. Wie die fürstliche Macht sich -um Schutzherrn der Gewalt der Bischöfe und des äußeren Glanzes des Kultus aus warf, wie sie die kirchliche Konformität zu einer bürgerlichen Pflicht, die Episkopalkirche aber zum Danke dafür das Supremat zu einem - RcligionS-Akte machte, so wurde die populaire RcforPation dazu Hingetrieben, mit der bischöflichen Kirche zugleich die Staatsgewalt zu bekämpfen. Der religiöse Glaube halte zu seiner Vertheidigung