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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Preis 22^ Sgr. (z Tdlr.) vierteljährlich, 3 Tdn. für daS ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prännmerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Ällg. Pr. SiaatS-Zeitung (FriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 111 Berlin, Mittwoch den 15. September 1841 Nord - Amerika. Ueber den Verkehr und die Staats-Unternehmungen in den Vereinigten Staaten. Von Chevctlier'S bcveutendem Werke „Geschichte uns Beschrei bung ver Communications-Wege in den Vereinigten Siaaien" ist so eben die dritte Lieferung erschienen. Die in diesem Bande be handelten Gegenstände sind sehr verschieden. Wir erfahren zunächst von den Kanal- und Eisenbahn-Linien, die sich von der südlichen Küste der Vereinigten Staaten, d. h. von Maryland, Virginien, Süd-Karolina und Georgien, bis zu dem großen Thal des Ohio und Mississippi erstrecken, welches den Mittelpunkt des Kontinents bildet: unter diesen Linien zeichnet sich besonders der schöne Chesapeakc- Ohio-Kanal aus, der nach dem Entwurf des berühmten Generals Bernard angelegt worden ist. Hierauf folgen die Verbindungs- Linien, die von dem ungeheuren Flußgebiet des Mississippi und Ohio zu dem fast eben so umfangreichen des St. Lorenzflufses, welches an das erstere gränzt, eröffnet sind; sie bilden ein Netz, welches das ganze Gebiet von Ohio, Indiana, Illinois und Michigan bedeckt. Hieran schließt Michel Chevalier die Kanäle, die entweder erst an- gefangen oder doch noch in der Ausführung begriffen sind, Kanada durchschneiden und um den Niagarafall und zu den Seiten des St. Lorenz sich ausbreitcn. Die Lange der Kanäle und Eisenbahnen, die in diesem Lande beschrieben werden, beträgt über 10,Aw Kilo meter. Dabei ist cS Chevalier gelungen, mit Hülfe einer methodischen Eintheilung seine Darstellung sehr klar und übersichtlich zu machen, und der Stil dieser Beschreibungen trägt dieselbe Anmnth an sich, an die seine Leser sonst gewöhnt sind. Die sechs großen Tafeln mit Abbildungen, die dieser Lieferung beigegcben sind, dienen dazu, erstens die Maschinerieen und Zu rüstungen genau zu versinnlichen, deren man sich zum Ban ver mächtigen Brücke über den Potowmak, bei Washington, bedient hat: zweitens die Construction der Schleusen des Kanals seitwärts vom St. Lorenz barzustcllen, welche nach ungewöhnlichem Maßstab ange legt sind. Michel Chevalier ist darauf bedacht gewesen, die technischen und finanziellen Fragen in den Borgrund zu stellen. Dieser Band ent hält die interessantesten Aufschlüsse über die Finanzen der Vereinigten Staaten, deren Unternehmungen er bespricht. Indem er sich zu einer Prüfung der wichtigsten administrativen und kommerziellen Verhält nisse erhebt, giebt er einzelne interessante Blicke in die National--' Oekonomie. Wir heben folgende Stelle aus: „Die Arbeiten, welche wir eben beschreiben wollen, finden in dem großen Dreieck statt, das im Norden durch die Seen, von den beiden anderen Seiten durch den Mississippi und Ohio' be glänzt wird. „Diese Gegend bietet eine merkwürdige Erscheinung dar, die in der Geschichte einzeln dastcht. Als die Unabhängigkeit der Ver einigten Staaten von England anerkannt wurde, hatte die Civilisation noch nicht in diese fruchtbaren Gegenden eindringen können, in denen sich jetzt die Staaten Ohio, Indiana, Illinois, Michigan und deS Wisconsin Gebietes entwickeln und deren Umfang größer ist als Frank reich. Die Englische Bevölkerung Amerika's besaß kein Dorf, keine Hütte im Westen des Ohio. Am Anfang des achtzehnten und be reits zum Schluß des siebzehnten Jahrhunderts hatten Vie Franzosen, die damals Beherrscher von Louisiana und Kanada waren und mit unermüdlichem Scharfsinn und Eifer den herrlichen Plan verfolgten, bei dem sie nur zu bald vom Mutterstaate nicht unterstützt wurden, «in Reich zu stiften, welches das ganze Thal im Herzen von Nord- Amerika, vom St. Lorenzgolf dis zum Golf von Meriko, umfassen sollte, in der Thät eine Kette von Niederlassungen gegründet, die och vom Erie- und Michigan See bis zu ven Mündungen des MGlssippj erstreckten und die ihrer vortheilhaften Lage wegen sich seitdem zu blühenden Städten umgewandelt haben. Sie batten so- A«* Ausgängen mehrerer Tbäter des Mississippi, die jetzt zu ZUlnoiS gehören, und aus den Usern deS Wadasch Dörfer und Stabte erbaut. So entstand Vincennes in Indiana am Wabasch lm ^ahre Kaskaskia in Illinois, an dem Flusse desselben NamenS, schreibt sich fast aus der Zeit der ersten Erpedition des unerschrockenen La Salle her (1083). Kahokia, Prairie du Nvcher, Saint-Philipp und andere wurden ebenfalls im Süden des Land strichs, den jetzt Illinois umfaßt, am Ufer des Mississippi oder nicht weit davon entfernt, um jene Zeit gegründet. Doch diese Nieder lassungen batten, als sie durch den Vertrag von 1703 mit Allem, was zu Kanada gehört, an England gefallen waren, durch weite -Strecken von einander getrennt, sich zu entwickeln aufgehört, und schienen am Schluffe des achtzehnten Jahrhunderts, unbeachtet und verloren im weiten Kontinent, kaum bemerkbare Oasen in der grän zenlosen Wüste zu scyn. Die Gegenden von Ohio und Indiana waren unberührt geblieben. Dort herrschten die Indischen Stämme, die in regellosem Jagdleben umherzogen. Sogar das linke Ufer des Ohio, wo jetzt Pennsylvanien, Virginien, Kentucky und Tenessee sich ausbreiten, war ihnen unterthan. Sie untersagten den weißen Ein wanderern jede Annäherung an ihr Gebiet, denn die herrlichen Wälder, welche die Ebene bedeckten und welche die Art des Weißen niedergehauen oder doch gelichtet hätte, verbargen unter ihrem dichten Schatten zahlreiches Wildpret, von dem sie sich nährten. Biele Pflanzer-Familien machten auf blutige Weise mit dem Hoheitsrechte, welches die Wilden sich beimaßen und welches sie, die Art in der Hand, vcrtheidigten, Bekanntschaft. „Die erste Niederlassung der Engländer auf dem westlichen oder, rechten Ufer deS Ohio war die Stavt Marietta, deren Alter nicht höher als bis inS Jahr 1788 hinaufreicht. Das Bundesgesetz, wel ches den Grund zur Bebauung dieser Gegenden legte, stammt erst von 1787. Mehrere Jahre verstrichen mit Kämpfen, in die man mit den Indischen Stämmen verwickelt war, welche sich in ihrem nomadischen Leben und ihrer Leidenschaft für die Jagd nicht an die Nachbarschaft thätiger Menschen gewöhnen konnten, welche die Wäl der wegräumten und sich in Besitz des Bodens setzten. In diesen Kämpfen wurden zwei kleine Amerikanische Heere, welche die Generale Harmar unv Saint-Clair anführtcn, nach einander geschlagen. End lich trug im Jahre 1794 der General Wayne einen entschiedenen Sieg über die Indianer davon; hierauf folgte ein Friedensschluß, in dem sic sich offen für besiegt erklärten. Von dieser Zeit an lebten die Weißen ungestört im Westen des Ohio, und Auswanderer ström ten herbei. „Diese Auswanderer kamen vorzüglich aus den Staaten von Neu-England; sie zeichneten sich durch Betriebsamkeit, Kraft, Ueberle- gung, Ausdauer und durch eine ungemeine Gewandtheit in kaufmän nischen Unternehmungen ans; in jeve unvorhergesehene Wendung ihres abenteuerrcichen Lebens wußten sie sich zu finden, die Einsamkeit, die für den Pflanzer unvermeidlich ist, ertrugen sie leicht, und begehrten nichl mehr, als sie im Kreise ihrer Familien fanden; so schienen sic in ihrer Kraft, in der Strenge ihrer Sitten und in ihrer religiösen Gesinnung die sicherste Bürgschaft für das Gelingen ihres Strebens zu besitzen, Industrie und Kultur dort einzuführen, wo bisher in wüster Einöde nur Rohheit und Barbarei geherrscht hatte. „Diese neue Bevölkerung nahm an Zabl und Rcichthum un glaublich schnell zu. 1802 bildete sich ver Staat Ohio und wurde in ven Bund ausgenommen. Die beiden Staaten Kentncky und Tenessee, jenseits des Alleghany - Gebirges, doch auf dem linken Ufer des Ohio, hatten bereits früher dieselben Rechte erlangt. Gleich wohl wurden die Bewohner des Westens durch die Schwierigkeit, ihre Produkte abzusetzen und sich mit Lebensmitteln, die ihr Boden nicht trug, und mit Fabrikaten, die sie nicht bereiten konnten, zu versorgen, in ihren Fortschritten gehemmt. Die Barken, welche von Zeit zu Zeit von Neu-Orleans bis in den Ohiostaat gelangten, segelten sehr langsam; die Reise währte stromaufwärts bisweilen zweihundert, im besten Falle hundert Tage. Im Jahre 1810 zählte die Gegend, welche beut die fünf Staaten umfaßt und in welcher die Schätzung von 1840 eine Bevölkerung von 2 Millionen 803,340 Seelen fest- gestellt hat, noch nicht mehr als 272,324. „Damals erschien Fulton, der durch sein Dampfschiff der Wohl- thäter des Westens wurde. Er knüpfte eine regelmäßige Verbindung zwischen New-Aork und Albany an. 1811 drang das erste Dampf boot, welches die Ströme des Westens furchte, von Pittsburg bis zur Mündung des Mississippi. Doch sechs Jahre verstrichen, ehe ein Boot nicht bis Pittsburg, sondern nur bis LvuiSville aufwärts drang, welches gegen 948 Kilometer tiefer liegt. Diese erste Fahrt wähne fünfundzwanzig Tage. Sie erregte großes Aufsehen im Westen; der Capitain Schreve, der sie leitete, wurde wie ein Argonaut überall gepriesen und mit Freudenfesten bewillkommt. 1818 belief sich die Zahl der Dampfschiffe auf zwanzig, 1821 auf zweiundsicbzig, am 31. Dezem ber 1834 auf 389, am Schluß des Jahres 1838 auf 800, welche 180,000 bis 100,000 Tonnen laden. „Die Einführung der Dampfschiffe hat eine gänzliche Umze-