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182 „Nm GoltcSwillcn, diese Zwangsjacke!" „Du kamist doch die Leute nicht in Hemdsärmeln em pfangen wollen." „Frau, die Sticheleien verbitte ich mir/" Die Klingel schlägt draußen an, — einmal, zweimal, dreimal. „Die Gäste kommen! Mann, so eile doch! Du wirst uns noch blamiren! „Mein Gott, ja, ja! Ich gehe schon!" Von neuem seufzte er tief und schwer. O, dieses Schicksal! Dann schleppte er sich in sein Zimmer. Und sic eilt an die Thür. Das Herz pocht ihr hör bar laut. Jetzt werden sic kommen. Aber sie kommen noch nicht. Die Boten vom Traiteur sind es. Die Speisen werden gebracht. Sic ist ein wenig enttäuscht. Schließlich nimmt sie ein Tnch nm die Schultern,- hebt die Schleppe auf, damit ihre Nvbe nicht befleckt wird, — dann eilt sie in die Miche, um danach zu scheu, daß alles glatt von statten geht. Jetzt ist alles bereit. Die Zimmer sind arangirt, die Tafel gedeckt, die Weinflaschen entkorkt und draußen dampscu die Speisen, die Gäste können kommen. Aber wo nur ihr Manu bleibt? — ein Mäd chen wird in sein Zimmer geschickt. „Der Herr älanzlci- rath käme gleich", meldet sic. Da ist er schon. Er sieht so übel nicht aus, das muß sic zugcbeu, immer noch ein ganz netter Mann. Aber was für einen entsetzlichen Geruch bringt er denn mit? „Mann, was hast Du Dir den» angegossen?" „Gar nichts, Fran- chen!" „Aber riechst Dn denn nichts?" „Ach ja, Mottenpulver. „Allmächtiger!" „Aber uuschuldches Mottenpulver, Nickchen." „Mann, Du ruiuirst unsern Nns!" „Ich!? Du bist iu der Wahl Deiner Worte wirklich nicht sehr vorsichtig, Niekchcn." „Aber begreifst Du deuu nicht, daß das so nicht geht?" „Na, dafür kann ich doch nicht!" „Wie konntest Dn den Nock anzichcn?" „Heiliges Donnerwetter! Jetzt reißt mir die Geduld." „Du wirst brutal! — Meine Nerven!" Die Knnzleiräthin sinkt in einen Fantenil. Er aber läßt sie ruhig sinke» »»d geht wuthe»tbra»»t auf uud ab. Das dauert so einige Sekunden. Plötzlich springt sie auf, reißt eine Flasche mit Parfüm von einer Etagere und be ginnt den Frack ihres Mannes zn bespritzen. Aber Nickcheu, ich bitte Dich. Das theure Parfüm." „Besser so, als uns blamireu." „Das halte ich aber nicht ans, der Geruch macht mich kraul." Doch sie achtet uicht auf ihn und spritzt, bis die Flasche leer ist. Erschöpft sinkt sie nm. Er duftet wie ein Parsümcricladcn. Er stöhnt, seufzt, wimmert, — ach, ihm wird schrecklich im Kopse. Verdammter Geruch! Plötzlich beginnt cs in seiner Nase zu kribbeln, ganz fei» zuerst, dann aber stärker, uud endlich gchtS los — Hcpsiii! er niest — wieder nnd wieder. — Jetzt wird ihm besser, er kann wieder athmeu. Draußen wird geschellt. „Sie kommen! Mann, Mann, höre ans zn niesen I" „Kann ich denn! Hcpsiii! Hcpsiii! „Aber so kannst Dn doch keinem Menschen entgegen gehen." Hcpsiii! Hcpsiii! „Warum hast Du mich so begossen! Hcpsiii! Hcpsiii!" „So werde ich die Gäste allein empfangen." „Mir auch recht. Hcpsiii!" Sic rauscht zur Thür hinaus. Er niest weiter. Daun nimmt er ein buntes Kattnntuch und hält cs unter die Nase. Der Geruch des Parfüms ist jetzt ciu wenig verflogen, dafür macht sich das Mottenpulver wieder bemerkbar. Ein sonderbarer Geruch, dieses Gemisch vvu Mottenpulver uud Parfüm. Was die Gäste wohl sage» werde»!" Die Flügelthürc» wer de» geöffnet. Die Gäste werde» vv» der gnädige» Fra» hcrcingeführt. All gemeine Begrüßung. Der Kanzlcirath ent schuldigt sich. Er macht Bücklinge, er spricht zu viel, er schüttelt zu ost und zu kräftig die ihm darge- bolcucu Hände. Entsetzlich! Die gnä dige Frau bemerkt alles. Andere Gäste kommen. Dieselben Scenen von neuem. Endlich kann man zu Tisch gehen. Natürlich hat mau sofort gemerkt, daß der Frack des jtanzlciraths nach Mottenpulver riecht. Mau lächelt zuerst, flüstert es dann weiter, von Mnnd zu Muud ycht cs, — endlich wissen cs alle. Und man lächelt heimlich und auch offen. Man bemitleidet den armen Mann der energischen Fran. Wie unbeholfen er sich anstelltc. Der Kanzleirath aber merkt nichts von alledem, er ist jetzt schon ein bischen heimisch unter den Gästen, er fühlt sich behaglich. Zwar macht er keine Umstände, er spricht immer gerade heraus, wie's ihm um's Herz ist. Und man belächelt ihn immer unr. — Der arme, gute Mann! Die Mahlzeit beginnt. Mau hat die Gläser gefüllt. Die Suppe wird herumgereicht. Alles geht gut. Die erste Rede. Der Kanzleirath klopft an's Glas. — Seine Frau zitiert. Er steht auf, räuspert sich, streicht sich die Stirn, stützt die eine Hand ans den Tisch, Brnst heraus, Kopf »ach hittte», — er begi»»t. Die Kauzlciräthi» ist eiuer Ohmiincht nahe. Aber die Angst ist mnsonst. Er spricht zwar nicht viel, er muht zu lauge Pausen, betont falsch, er schnarrt, lispelt,— endlich ist er z» Ende. Golt sei Dank. Sie athmet wieder. (Schluß folgt.) Der Kanzleirath klopft an's Glas . . . Seine Frau zittert.