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WS-dentlich »scheinen drei Nummern. PränumerLtions» Preis 22^ Sgr. (i Tblr.) vierteljährlich, 3 T!Nr. sür da« ganje Jahr, ohne Er, Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin fü.r die Man prSnumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Tilg. Pr. StaatS-Zeitung sgricdrichsgr. Rr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 103 Berlin, Freitag den 27. August 1841. Frankreich. Zur Geschichte der socialen Bestrebungen der Gegenwart. Die politischen Revolutionen haben immer die Folge, daß sie die Grundlagen der Gesellschaft erschüttern. Solche gewaltige Be. wegungen treiben den menschlichen Geist aus seinem gewohnten Geleise; er überstürzt sich, indem er daS ideale Gebiet absoluter Vollkommenheit, unbeschränkten Glücks zu betreten sucht; diesem jagt er beständig in der sichtbaren Welt nach, aber wie ein täuschendes Luftbild weicht es auch beständig vor ihm zurück. So lange cs bei der Theorie bleibt, sind dergleichen Exkursionen eine nützliche Hebung für den philosophischen Geist, der allmälig das Anwendbare aus solchen Ideen herausfindct; sollen sie aber ohne Weiteres realisirt werden, so tritt eine ernste Gefahr ein. Die gesellschaftlichen Bande werden gelockert, nützliche Uebcrzeugungen vom Zweifel bewegt: die Verachtung der Tradition führt zur Verachtung des Prinzips der Moral; die Gegenwart tritt mit der Vergangenheit in Fehde, und die Zukunft ragt drohend in jene hinein. Seit zehn Jahren offen, bart sich die gefährliche Lage der gesellschaftlichen Ordnung durch die furchtbare Aufregung der Gcmüther, durch das feindliche Zusammen stößen der Systeme und durch die Verworrenheit des Denkens. Eines der unverkennbarsten Symptome Vieser Auslosung ist das offen hintretende Apostolat der Empörung gegen die Grundgesetze der Gesellschaft, wenn man die Unterdrückung der schlechten Leidenschaften, die Heiligkeit der Ehe, die Rechtmäßigkeit der Familie und das Recht de« EigenthumS als solche gelten lassen will, und daS wird man doch wohl müssen. Die drei kühnsten Reformatoren, welche am meisten zur Unter grabung der heiligsten Grundsätze der Moral und der öffentlichen Ordnung beigetragen haben, sind Robert Owen, Satnt-Simon und Fourrier. Wir haben es erlebt, daß sich Schulen gebildet haben, welche die chimärischen Ideen derselben verwirklichen wollten: wir haben gesehen, daß sich Männer von unbestreitbarem Talent mit dem der Jugend eigenen Feuer der Verbreitung dieser gefährlichen Theorieen geweiht haben. Einige Energumencn, welche den stolzen Namen von Bildnern des Menschengeschlechts annahmen, haben die moralische Unverantwortlichkeit des Menschen, die Herrschaft der Leidenschaften und die Rehabilitation des Fleisches als oberste Prin zipien hingestellt; indem sie absichtlich hie der Gesellschaft anklebenden Mängel übertrieben und die versöhnende Kraft der Religion ver kannten, haben sie den Geist "der Materie unterzuorvnen versucht. Einer von ihnen, Robert Owen, behauptet) die Bestimmung des Menschen scy, seinen Neigungen und Gelüsten blindlings zu gehor chen; seine Natur fessele ihn an die Erde, und er dürfe den Blick nicht zum Himmel erheben. Keine der gesellschaftlichen Institutionen findet Gnave vor den Augen der Reformatoren. Es würde zu weit führen, eine vollständige Uebcrsicht dieser utopistischcn Theorieen zu geben- Eine sehr genaue und gewissen hafte Auseinandersetzung findet man übrigens in den „Lnulcx xur le« rölArmuteur* eomomiwruink" von Louis Repbaud, die jetzt in der zweiten Auflage erschienen sind. Eine Stelle aus der Vor rede derselben, die wir hier folgen lassen, giebt den allgemeinen Gesichtspunkt an, von dem aus der Verfasser den Gegenstand seines Studiums betrachtet hat, und der im Ganzen auch wohl der richtige seyn dürfte. Sie lautet: „Jwei Dinge sind vorzüglich an den Neuerern unserer Zeit zu tadeln: die Verachtung der gesellschaftlichen Ueberlieserungcn und das Recht, welches sic den Leidenschaften als solchen einräumcn. Es ist ein angemessener Stolz, wenn sie mit einem Federstriche die ganze Vergangenheit ausstrcichcn und sie als einfältig ausschreien; es ist gefährlich, alle Leidenschaften zu ent fesseln, im blinden Vertrauen auf eine Eombination, welche das Böse selbst als Triebwerk des gesellschaftlichen Mechanismus an wenden will. Die Gesellschaft hat indes« das Bewußtseyn, daß sie eine Tochter der Vergangenheit ist, und die Achtung vor seinen Ahnen und vor den Erfahrungen der Jahrhunderte gehört zu den menschlichen Pflichten. Daher muß auch jede Neuerung in der Ver gangenheit wurzeln und deren Substanz in sich aufnehmen. Was die unbegränztc Gewalt der Leidenschaften betrifft, so ist es leicht ersichtlich, daß diese mchr zur Ernicvriqung als zur Erhebung des Menschengeschlechts beitragen muß. Die Herrschaft des Menschen über sich selbst macht einen Theil seiner Freiheit aus; die Unter werfung unter die Leidenschaften führt ihn aber wieder zum un fruchtbaren Dogma der Fatalität und zur Bewußtlosigkeit des Natur gesetzes zurück." „Das Moralgesetz eines Volkes anzutasten, ist eine äußerst be denkliche Sache; die besten Absichten würden dem Uebel nicht steuern können, das aus abenteuerlichen Theorieen entspränge; und in einer Welt, wo die Leidenschaften beständig den Damm zu durchbrechen drohen, wo die Genußsucht und der Eigennutz uns überall entgegen treten, scheint es doch gefährlich, ihnen freien Lauf zu lassen, wenn man nicht will, daß sie die Herrschaft gewinnen sollen." „Was die Neuerer vorzüglich irre führt, das ist ihr falscher Ausgangspunkt. Als mathematische Geister wollen sie das Absolute erreichen; sie haben für den Menschen ein absolutes Glück, eine ab solute Moral ausgcdacht. Das Absolute ist das Geheimniß Gottes. Ein absolut tugendhafter, absolut glücklicher Mensch würde kein Mensch mchr seyn, Mit Ausnahme einiger Empfindungen, die an geboren zu seyn scheinen, ist das Maß der menschlichen Handlungen bei den verschiedenen Völkern sehr verschieden, und nur die allmälige Bildung des Menschengeschlechts kann zu einer allgemeinen Moral führen. Wenn wir das Glück betrachten, was ist relativer als dieses? Man will es durch eine unbegränztc Befriedigung erzwingen. Aber hier liegt ja die tägliche Erfahrung vor, und Jeder mag sich selbst sagen, ob die vollständige Befriedigung der Leidenschaft daS Glück gewährt. DaS absolute Glück würde auch einen großen Uebelstand haben: cs würde jedes Streben nach einem besseren Zustande unter drücken." „Streben wir nach dem Besten! das ist der beste Gebrauch, den der Mensch von seiner Kraft machen kann; aber suchen wir es im Bereiche der Möglichkeit und glauben wir nicht an eine plötzliche Umwandlung. „„Alle Kreatur seufzt"", sagt der Apostel Paulus, und auf diesem Punkte scheint das Problem des Glücks noch immer zu stehen. Dennoch ist das Menschengeschlecht seitdem zu einem ver- hältnißmäßig besseren Zustande gelangt. <Ks hat den Erdball durch messen, es hat die Elemente gebändigt und sich dienstbar gemacht, es hat glänzende Siege über die Natur davongetragcn. Ist es darum auch verhältnißmäßig glücklicher geworden? Seufzt die Kreatur nicht noch immer? Sind alle Wünsche, alle Bedürfnisse befriedigt? Die Antwort fällt nicht schwer, und man mag daraus schließen, daß das absolute Glück ein flüchtiger Schatten ist. Ernstgestimmte Geister gestehen sich dies ein, ohne ihren Halt zu verlieren und ohne in Selbsttäuschungen Schutz gegen eine schmerzliche Nothwendigkeit zu suchen. So wird eine Theorie, welche uns lehrt, das Leben zu regeln und zu beherrschen, immer Vas Uebcrgcwicht über diejenige behaupten, welche Gehorsam gegen die Neigungen und blinde Unter werfung unter die natürlichen Triebe predigt." Betrachtet man die drei Reformatoren, deren Systeme der Verf. zum Gegenstände seiner Untersuchung gemacht hat, so kann man cs sich nicht verhehlen, daß ihnen ein charakteristischer Zug ge meinsam ist. Es ist dies eine unbezwingliche Hartnäckigkeit, eine Aufopferung für ihre Ucberzcugung, die allen Prüfungen widersteht, selbst der Armnth. Ihr Leben ist ein fortwährender Kampf, ein fort währendes Entsagen, und dies wird ihnen immer die Theilnahme aller edlen Gemüther sichern. Darin liegt das Geheimniß des Ein flusses, den sie während ihres Lebens und nach ihrem Tode übten. Dennoch kann die Triebfeder ihrer Handlungen nicht verborgen bleiben, und diese Triebfeder ist die Herrschsucht, ist der Stolz. Saint-Simon, Fourrier, Robert Owen waren der Meinung, ihre geistige Begabung habe ihnen die Mission übertragen, der Gesell schaft eine neue Organisation zu geben und die Leitung der mensch- -lichcn Geschicke zu übernehmen. In Saint-Simon tritt dies am deutlichsten hervor. In seinem siebzehnten Jahre ließ er sich mit den Worten wecken: „Stehen Sie auf, Herr Graf, Sie haben Großes zu thun." Fourrier, von strengerem und moralischerem Charakter als Saint-Simon, bei dem der Cyniömus nicht bloße Theorie war, kämpfte ohne eigene Erniedrigung gegen sein Mißgeschick an: aber er fand sein Glück in den Illusionen des befriedigten Stolzes. „Freudestrahlend", sagt L. Repbaud, „wandelte er unter einer freien unv begeisterten Bevölkerung umher, welche ihn wie einen Wohl- thätcr begrüßte und wie einen König krönte. Er sprach mit diesen Wesen, den Kindern seiner Träume, eine Sprache, welche sie allein zu verstehen schienen; er baute sein Phalanstöre, ^bevölkerte es, orga- nisirte es, führte selbst die Gruppen der Harmoniens zur Arbeit, gründete eine Stadt, cine Hauptstadt, eine Metropole, verknüpfte durch Vas GcseUschaftsbaud ven Orient mit dem Occivent, den Lior-