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seinem Innern mit seinem geistigen Blick drang, so viel Selbsterkennt- niß hat er, welche die Lampe in dem dunkeln Labyrinth der Erkennt- niß des Menschen im Allgemeinen wird. Der Eine erhielt das Scepter der Herrschaft über sich und ist der Stern der Menschheit; der Andere taucht sich in den Sumps der Sinnenlust und ist elender als der Wurm; Einer herrscht über Haupt und Herz seiner Brüder, ist das Orakel für Millionen, der Andere ist ein Spiel des Windes. Wozu sich Jeder selbst gemacht hat, das ist er. In unserer Hand ruht der Hammer unseres Glücks. Der Thor nur öffnet un vorsichtig die Hand und läßt seinen Vogel in Freiheit! Das größte Glück des Menschen ist, seiner Universalbestimmung, der allgemeinen und besonderen, zu entsprechen. Der einzelnen Bestimmungen zieht es eine unberechenbare Zahl. So viel Stände, Beschäftigungen, Denk weisen es in der Menschheit giebt, so viel Vorstellungen von Glück. Der besonderen Bestimmungen giebt cs auch viele; der lebt z. B. für die Befreiung des Vaterlandes, jener für Musik,, Architektur, Poesie w. Doch unsere allgemeine Bestimmung ist nur eine. Der Mensch als physisches Geschöpf und mehr privilegirter Bruder des Thieres und der Pflanze, als organischer Mikrokosmus, die Natur in einer ihrer Blumen, muß eine gleiche Bestimmung mit der gan zen, zurückgebliebenen, jüngeren Familie haben, d. h. Verewigung des eigenen Wesens, materielles Blühen, Fruchtzeugung und Reifung seiner selbst in seinem Erzeugniß. Die Ehe ist also die allgemeine oder natürliche Bestimmung und das Glück deS Menschen. S. Das sogenannte Cölibat, sey cs ein freiwilliges oder irgend einem Gesetz unterworfen, eS ist, mit Ausnahme jedoch bei solchen, die einzig der Frömmigkeit leben und alle fremde Berührung mei den, ein Unglück, weil cS den Menschen von seiner natürlichen Bestimmung entfernt. Hier verliert eines seiner Hauptziele das Le ben, eines, das man durch die ganze Natur gewahrt. Polygamie und Cölibat sind zwei entgegcnstehende Ertrcme. Die Monogamie ist die natürliche Wahrheit. Die Polygamie macht den Menschen zum Thiere, das Cölibat zum Engel oder zum Satan; hier hört er auf, ein natürlicher, also ein wirklicher Mensch zu seyn. «>. Um das Wesen der Ehe zu erkennen, müßte man ») vom Manne, b) vom Weibe, e) von ihrem gegenseitigen Verhältniß ober der eigentlichen Ehe sprechen, wie es Trentowski gethan hat, wir werden jedoch am Manne seine Auffassung der Ehe rhcilwcise kennen lernen. 7. Der Mann. Im Urzustände der menschlichen Gesellschaft, und heute noch unter wilden Völkern, oder auch auf ihrem niedrigsten Kulturgrade, reicht es aus, physische Kraft zu haben und ein Her- kules zu seyn, um dem Weibe zu gefallen und sie später gegen jeden äußeren Angriff zu vcrtheidigen. Der Mann ist für das Weib in dieser Lage ein Held, ein Halbgott, Alles auf der Welt; das Weib nur sein erstes und liebstes HauSthier. Der Wilde geht mit dem Speer in der Hand, den Pfeilen im Köcher voran und bahnt den Weg, das Weid folgt ihm, wie ein Manllhicr mit Kindern und Gc. räth beladen. Heute, im Schooß der Civilisation und der organi- sirten Menschheit, verlangt das Weib mehr vom Manne, als bloße Körperkraft und Löwenmuth. Heute bedarf sie eines Mannes in her vollen Bedeutung dieses Worts. Statt des Kampfs ge gen Tiger oder Bären, muß der Mann gegen Jntriguc, Bosheit und menschliche Nichtswürdigkeit kämpfen; denn heute ist nur der Mensch der größte Feind des Menschen. Seine Herrschaft hängt nicht vom Stocke ab, sondern von der Ileberlegcnhcit seiner Person. Das Weib hat heute das Recht, vom Manne Charakter zu fordern. 8. Der männliche Charakter ist die im Manne erweckte Gottheit, die sich unmittelbar als Freiheit, Selbstkraft, Tugend fühlt, in jedem Nächsten ihren Bruder sieht, in Gott ihren Vater, in Beiden eigent lich sich selbst — und die nach ihrer göttlichen Natur handelt. Der Charakter ist eine seltene Erscheinung in der menschlichen Gesellschaft; wo und wann er sich zeigt, sey es im Purpurmantel oder im Kittel, er ist ein Stern, der der Menschheit vorleuchtet. Ueber dem Charakter kann der Mann nichts aufweisen. Charakter steht ungleich höher, als Genie, Talent und unerhörte Fähigkeiten. Er kann nur Eigenthum des Mannes und wahrhafte Mannheit seyn. Der Charakter umfaßt --) Wissen, Ergebenheit, /) Selbstkraft. «) Wissen des Mannes. S. Das Wissen ist die süße Frucht wahrer Erkenntniß, und die Erkenntniß fließt aus drei Quellen, die sich in drei große Ströme ergießen: die Empirie, die Speculation und die Philosophie. Diese drei Ströme vereinigt, bilden ein Meer des Wissens. 10. Unsere Sinne sind der erste Quell unserer Erkenntniß und geben uns Eindrücke. Ihr Erbe ist die erste unmittelbare Gewißheit des Erkennens, und ihre Stimme: 8emio, ergo res esr, Ltuuv res SUIN. Auf diesen Felsen baut die Erfahrung und die ganze Empirie ihre Pagoden. Der innere Sinn, also der mitt lere Heerd unseres ganzen Sinnenwescns, ist die Vorstellungs kraft, die unrichtig mit Imagination verwechselt wird. Die Vorstellungskraft verwandelt die sinnlichen Eindrücke in Vorstellun gen. Sie ist die Königin der Sinnlichkeit, oder der höchste Sinn; und die Vorstellungen sind in unserem Innern aufgehäuft, mithin die äußeren Eindrücke vergeistigt. Die, ihre Vorstellungen in sich ent haltende Vorstellungskraft heißt Gedächtniß, und die darin noch später nach unserem Willen gehaltenen, in den Horizont unserer Gedanken gerufenen Vorstellungen, heißen Recordationen (nicht Erinnerun gen, die ein Aufnehmen der Vorstellungskraft von Außen sind). Die Einheit der Vorstellungskraft mit dem Gedächtniß ist Verstand, und die Einheit der Vorstellung mit irgend einer Recordation ist Begriff. Witz, Humor und Scharfsinn sind Schattirungen des Verstandes, verschmelzen daher in sein Wesen. Vorstellungskraft, Gedächtniß und Verstand sind nur passiver Natur und ihr Objekt ist die Materie oder die Aeußerlichkeit des Daseyns. Das durch Vorstellungskraft, Gedächtniß und Verstand erworhcne Wissen ist nur ein reales, zum Körper in seiner umfassendsten Bedeutung genommen, gehöriges, nur positives. (Schluß folgt.) Aegypten. Alexandrien und die Alexandriner unter den Ptolemäern. (Schluß.) So war diese sittenlose Bevölkerung. Es gebrach ihr an Ener gie, wirklichem Muthe und männlichen Eigenschaften; aber sie war thätig und betriebsam; sie liebte den Luxus, den Aufwand, den Witz und das Vergnügen: ein Beweis, daß diese Eigenschaften nicht hin reichen, wenn ein Volk in der Geschichte berühmt werden will. Der Alexandriner, wesentlich ruchlos und ganz skeptisch, hatte keine Götter und erkannte alle Götter an. Seinen Weihrauch und seine Ironie theilte er zwischen den Götzen Griechenlands und denen des alten Aegyptens. Einem Volke, das nicht an seine eigenen Götter glaubt, gebricht es wesentlich an allen Bedingungen zur historischen Größe: ein Volk von boshaften Kindern und verleumderischen Schülern kann weder große Gesetzgeber, noch erhabene Dichter, noch berühmte Ge schichtsschreiber hervorbringcn. Die Ptolemäer dulveten nicht bloß alle Systeme, alle Lehren und den Atheismus, sondern sie suchten so gar sie mit einander zu verschmelzen. Bei Hofe stellte man den Theodoros an, der, nach Diogenes Lacrtius, keine einzige Religion duldete. Man begnügte sich damit, daß man dem Hegesias verbot, di» Lehre des Selbstmordes, ein Dogma, das der Vermehrung der Bevölkerung wenig günstig ist, zu predigen. Aber Ptolemäus Toter berief in seine Nähe den berühmten Stilpo, den die Athenische De mokratie verbannt hatte und der zu Krotcs sagte: „Auf der Straße sprich mir niemals von den Göttern; wenn wir allein sind, will ich Dir sage», was ich hierüber denke." Dcr Kultus der Alexandriner umfaßte alle Religionen und schloß folglich alle aus. Auch erfanden sie ein Erziehungs-System, das allen Religions Unterricht ausschloß, und eine Literatur, aus der Genie und Wahrheit verbannt waren. Die Ptolemäer waren keine große, aber sie waren ausgezeichnete Männer. Arrian rühmt die Schriften des ersten Ptolemäers über die Kriegskunst. Ptolemäus PhiSkon und die meisten seiner Nachfol ger waren echte Gelehrte. Ihr Museum, im Alterthum berühmt, jetzt vergessen, war der erste Versuch, die moralische Erziehung und das wissenschaftliche Stu dium von dem Religionsunterricht zu trennen. Man ließ neben dem Königlichen Palasse ein ungeheures Gebäude mit einem Amphitheater fstr die öffentlichen Vorlesungen, Säulenhallen (^^^«r«;) für diejenigen Lehrer, welche der peripatetischen Methode folgten, einen großen Speisesaal und eine Bibliothek, die 70U,<K>0 Bände fassen konnte, errichten. Diese große Anstalt hatte keinen eigenen Fond; ans dem Königlichen Schatze entnahm man die zu ihrer Er haltung nöthigen Gelder. Die Hauptbeschäftigung der Meissen dieser Gelehrten bestand nicht in der Abfassung neuer Werke, sondern in der Kritik. Man zählte in ihren Reihen Kritiker, welche die Fehler ausfuchten, und andere, die sie entschuldigten und verbesserten. Also iss die kindische Beschäf tigung, der wir in der neueren Zeit so viel Wichtigkeit beigelegt haben, schon so alt und geht bis auf Aristoteles zurück. Niemand hat in dieser Kunst mehr Ruhm erworben, als SosibioS, der des halb der Reiniger und Verbesserer (« dieß. Um alle Wunden, welche die Kritik einem Werke beigcbracht hatte, zu heilen, hatte er ein leichtes Mittel erfunden, welches cr die Umkehrung (Anastrophe) nannte, und welches darin bestand, daß er statt des angegriffenen Wor tes ein anderes wählte, das gerade das Gcgentheil ausdrückte. Man machte dem Homer die folgende Redensart zum Vorwurf: „Keiner dcr Jünglinge konnte die Last tragen; aber Nestor der Greis hob sie auf." — „Wie konnte", fragte man, „diese Last für Diomedes, Achilles und Ajax zu schwer seyn, die für den alten Nestor leicht war?" — SosibioS antwortete: „Setzt nur das Wort „Greis" an eine andere Stelle und anstatt: „Keiner der Jünglinge" leset „Keiner der Greise.... u. s. w." Jetzt erst redet Homer ganz vernünftig. Und hierzu dient meine Regel der Anastrophe." Ptole mäus PhiladelphoS glaubte, daß man diese literarische Regel auch mit Vortheil auf die Politik und vorzüglich auf die Finanzen anwenden könnte. Als SosibioS sein Gehalt holen wollte (denn die Gelehrten Alexandriens wurden besoldet), antwortete ihm der Schatzmeister: „Du hast Dein Geld schon erhalten." — „Aber ich habe noch nichts geholt; und meine Wäscherin, die eine sehr hitzige Aegypterin ist, verlangt durchaus das Geld, das ich ihr schuldig bin." — „Du bist schon bezahlt, sage ich Dir." — „Ich versichere dir, daß die« nicht wahr ist." — „Du biss bezahlt mit der Anastrophe; siehe in mein Buch, wo der König eigenhändig eingetragen hat: So und so viel gezahlt an den Lehrer ? 80-res; , « - - - - - Dichter. - - - so-8l-genes; - - - - - - - Philosophen . . . M-on; - . - - - - - Rhetor ^poIIoni-08. Dies ist Deine Rechnung und nichts ist richtiger, als diese Quittung nach den Gesetzen unserer gelehrten Kritik." Die Königin von England fragte einmal: „Was macht man an der Oxforder Universität?" Der Gefragte war um die Antwort verlegen. WaS machten in den Mauern jenes großen und prächtigen Gebäudes die Gelehrten, welche man darin einschloß? Die Geschichte antwortet dreist: „Sie aßen vortrefflich und tranken tüchtig." Es scheint