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Wöchentlich erscheinen drei Numtnern. Pränumkralion«- PreiS 22j Sgr. (j THIr.) »ierreljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er, Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie, Magazin für die Man prännmerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (FriedritdSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslands bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 98. Berlin, Monlag den 16. August 1841. «WM Polen. Trentowski's philosophische Schriften. Trentowski gehört durch seine philosophischen Schriften Polen und Deutschland zugleich an. Es ist einerseits zu bewundern, mit welcher Leichtigkeit dieser geniale Mann sich die Deutsche Sprache nach kurzem Studium derselben so zugängig machte, daß er darin seine ersten philosophischen Abhandlungen (Grundzüge der universellen Philosophie und Vorstudien zur Wissenschaft der Natur) nicht nur in einer reinen und verständlichen, sondern sogar originellen und anziehenden Schreibart vor die Augen des Deutschen philosophischen Publikums brachte"); andererseits nöthigt uns der strenge und ernste Wiffenstrieb des Philosophen Ehrfurcht ab, indem er sich frei erhält von allen Einflüssen, welche in Polen sich in die Person und in das Wissen hineinbränaen möchten und dem letzteren eben so nachtheilig sepn würden, als sie der Belletristik auf die Beine halfen. TrentowSki bekennt selbst, daß er dem Geiste nach Deutschland verbrüdert sey; und es ist wahr, daß der Philosoph als Philosoph kein Vaterland haben darf. Deshalb ist auch das Unrecht der Vor würfe, welche dem in Freiburg docirendcn Professor von seiner Heimat auS gemacht wurden, daß er die Interessen des eigenen Landes ver gesse und sich für Deutschland aufopfere, von seinen Landsleuten bald genug eingesehen und di« Forderung, Trentowski solle in Polnischer Spräche schreiben, so weit zurückgenommen worden, daß man nur einen Theil der schriftstellerischen Thätigkeit desselben beanspruchen wird. Wenn berücksichtigt wird, daß jeder Schreibende ein Publikum, ein möglichst großes Publikum haben will, dem er die Früchte seines Fleißes vorlege, so ist auch begreiflich, daß der Philosoph am liebsten für Deutschland schreibt""), welches in der That dazu bestimmt scheint, aus dem Meere seiner Philosophie das Gränzland und die Erde zu bewässern und zu befruchten. Auch Polen hat sich an Deutscher Philosophie getränkt und thut es noch; was es im Ganzen und Großen von uns herübernimmt, zertheilt eö unter sich und macht die schwer« Speise der spekulativen Wissenschaft zur genieß bareren Milch des weniger metaphysischen Talents. Trentowski's erste schriftstellerische Arbeiten haben in Deutsch land die gebührende Würdigung erlangt; in Polnischer Sprache liegt uns von ihm erst eine kurze Abhandlung über die Ehe vor, die wir nach der Bekanntschaft mit ihren Hauptsachen in der Kürze be sprechen wollen. Sie bildet den Vorgänger einer vielleicht bald er scheinenden Pädagogik, deren Vortheile für Polen von um so größerer Erheblichkeit sepn können, da das ErziehungSwesen daselbst bis jetzt entweder noch einen untergeordneten Standpunkt einnimmt, oder die Bildung eine von außerhalb hergeholte, also nicht natürliche, einseitige ist, die oft sogar noch den guten Keim der Heimat einge büßt hat. Außer dem eigentlich philosophischen Wcrthe hat Trentowski's Arbeit noch die verdienstvolle Intention, sich, wie die Deutsche Philo sophie, eine ihr angemessene Sprache zu schaffen, und hierzu steht dem Philosophen ein so reicher Wortschatz zu Gebote, daß er, ohne nach fremden Sprachen herüberzugreifen (wie wir es oft genug müssen), seinen Begriffen den bezeichnendsten Ausdruck geben und schon dadurch die Verständlichkeit um Bedeutendes erhöhen kann. Wenn sich Trentowski über die stilistische Dürre der Deutschen Metaphysiker wundert, so giebt er darin seinen eigenen Willen zu erkennen, nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Sprache seinen Tribut zu zahlen- TrentowSkl S Abhandlung tritt uns in der Form von Aphoris men entgegen. Wer sind nicht der Meinung, daß ein Philosoph in Aphorismen schreiben dürfe,- er stellt uns die einzelnen Gedanken ohne Zusammenhang hm, ohne die konkrete Rothwcndigkcit ihrer Aufeinanderfolge durchblicken zu lassen. Wir fliegen von einem Ge danken zu dem anderen stets, wie über einen Abgrund, und gewinnen auf der entgegengesetzten Hohe kaum wieder festen Fuß. Wir wissen nicht, ob sich der Philosoph seine Schlüffe bewiesen hat, oder ob er sie uns bloß versichert. Der Einwand, es solle dem Leser ein freies Feld zum Denken bleiben, würde nicht stichhaltig sepn; dann wäre das Publikum nicht gut berechnet, für das Trentowski schrieb. ES werden sich viele unter den Lesern finden, welchen die Unter- VP. Nr. 23 des Magazins, Artikel ,,Mannigfaltiges", wo wir bereits A Verfassers „Vorssudien" geweochen- - Ciefzkowski schrieb wöbt aus diesem Grunde seine Hlftorwfovbie schiede zwischen Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelnheit, welche bei der Beweisführung hier eine bedeutende Wichtigkeit haben, un klar sind. ' Die Abhandlung beginnt so: I. Die Bestimmung des Menschen ist: vollkommene Ent wickelung seines Wesens oder Erweckung der in seiner Brust schlummernden Gottheit und Hinführung dersel ben zum eigenen Gefühl, zum Bewußtsepn, zur That, oder, um philosophisch zu reden, Verwirklichung dessen, was Gott in porenkia in ihn gelegt hat, Verwirklichung des Seyns zum Da je pn. Diese Bestimmung ist Universalbestimmung, durchdringt daher alle unsere anderen Bestimmungen; wir lassen sie in der Folge unberührt und halten uns an die allgemeine Bestimmung. 2. Jedes Universum ist dreifach: Allgemeinheit, Beson derheit und Einzelheit; das Universum ist, um zu sagen: Gott und seine Offenbarung in der Natur, der ewige Autor und sein fortdauernd in großen Lieferungen erscheinendes Buch. Es ist überall ganz, gleich in dem Gebäude der unermeßlichen Welt, wie im Atom — diesen zwei entgegengesetzten Extremen. Sein Anfang enthüllt sich am klarsten in seinem Ende; also ist Gott im Menschen die Saat jedes DasepnS in der Blüthe. Das Universum ist nicht als logischer Begriff, sondern als Dasepn angesehen, Gott oder Gott heit, oder das Bild Gottes; ist System oder sein stereotyper Keim, seine Miniatur. Jedes System, mithin jedes Universum, ist All heit, Einheit und Ganzheit, in organischer Harmonie. Allheit ist Natur, theilbare Materie, unendliche vielfache Sach- heit, also der große Polyp, der seine Arme durch den Raum aus streckt. Einheit ist der Geist, die Seele jenes Polypen, die sich ewig entwickelnde Idee, der sich selbst in der Zeit aussprechende Ge danke. Ganzheit endlich ist Allheit und Einheit zusammen, die große oder kleine, immer ganze, für sich eristirende, absolute Welt! Allheit ist Realität, mithin empirischer Natur; Einheit ist Idealität, also Objekt der Spekulation; Ganzheit ist Realität und Idealität in Einem, oder Wirklichkeit, also gleich empirischer, wie spekulativer Farbe oder Ziel der Philosophie. Das Universum ist der Anfang, die Ganzheit das Ende jedes Daseyns, mithin der vollkommenste Abdruck des Universums. Allgemeinheit nun ist Allheit, Be sonderheit Einheit, und Einzelnheit Ganzheit im System des Universums; oder die erste reales, die zweite ideales, die dritte wirkliches Universum. Allgemeinheit herrscht nur in der Empirie und ist die Stimme aller Menschen. Das Feuer brennt, das Messer schneidet u. s. w. sind allgemeine Urtheile. Besonderheit herrscht nur in der Speculation, die in zahlreiche Schulen zerfällt. Alles, was ist, ist nur insofern, als es Gedanke, Idee, Be griff ist; die Wirklichkeit ist Monade u. s. w- sind besondere Urtheile. Einzelnheit endlich herrscht in der Philosophie, welche die Schöpfung Gottes in der Natur und die Schöpfung des Men schen in seiner eigenen Welt ist; sie will aus jedem der Menschen das Bild Gottes machen, also ein selbstkräftiges, freies, ein eigenes System gründendes Wesen. So tritt nun die Universalbestimmung des Menschen auf als eine allgemeine, besondere und einzelne. Wir sprechen nur von der allgemeinen. Da die Allgemeinheit in der materiellen Natur herrscht, so ist die allgemeine Bestimmung des Menschen seine natürliche, also empirischen Inhalts, ein Tausendschönchen, ge pflückt auf dem Boden der Erfahrung. 3. Und was ist die allgemeine oder natürliche Bestim mung des Menschen? Der allgemeine Mensch ist ein gewöhnlicher, realer oder empirischer Mensch. Er arbeitet für die eigene Erkal tung, beschäftigt sich mit Ackerbau, Handwerk, Kunst oder Wissen schaft, aber immer, wenn nicht ganz, so doch zum Theil seine Nah rung zu erwerben; er ist nur der nördliche oder südliche Magnet der Menschheit; nur Mann oder Weib; nur Halbmensch. Hat er seinen äußeren Standpunkt in der Welt eingenommen, so sucht er ein Weib oder einen Mann, d. h. seine zweite Hälfte, oder die Er gänzung seines Wesens, die Veränderung zur Ganzheit. Die Ehe also ist die allgemeine oder natürliche Bestimmung des Menschen. 4. Der Mensch, das Bild Gottes und die Krone der wirkli chen Welt, die Gottheit der Erde und der König der Natur, überall durch seinen göttlichen Funken sich selbst gleich, zugleich das-Ende der Thätigkeit des Schöpfers, auf allen Sonnen und Planeten selbst kräftig, der Anfang in sich, trägt in seiner Brust eine Tiefe voller Geheimnisse. So viel Jemand aus sich herauszukesen, so viel Schätze er im Himalaja seiner Brust aufzuschließen vermag, so weit er in