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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PkänumersstonS- PreiS 22^ Sgr. (Z Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man oränumeriri auf diese- Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Aeitung (FriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Pofi-Aemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, Freitag den 13. August 1841. Aegypten. Alexandrien und die Alexandriner unter den Ptolemäern. Unter den Weltstädten des Alterthums zeichnet sich Alexandrien dadurch^auS, daß es neu und dennoch gleich voll Größe an mensch lichen Seelen und Geistern war, und daß man wußte, wann und von wem cs erbaut wurde. Alle andere große Stüvte waren oder dünkten sich so alt, daß ihre Erbauungszeit in das Dunkel des Mythenalters verlegt werden mußte, und sie nothwendig aus den Händciu eines Gottes over Halbgottes hervorging; bei Alexandrien war es anders, es stieg, gleich St. Petersburg, unter ähnlichen Ver hältnissen und fast ähnlichen Ursachen, auf den Befehl eines mächtigen Herrschers aus dem Nichts hervor, und die Stadt kann den Jahres tag ihrer Gründung mit aller Bestimmtheit feiern. Alexander der (sogenannte) Große war es, der sich durch die Idee und den Befehl zur Erbauung dieser Stadt an einem so günstig gelegenen Punkte ein bleibendes Denkmal errichtete, ein Denkmal, das seinen Geist schöner verherrlicht, als der Ruhm, eine Million Menschen er mordet und die halbe Welt erobert zu haben. Es war für Alexander's Rechtfertigung auch dringend nöthig, in diesem Zeitpunkte eine große Stadt zu erbauen, denn man liest in der Weltgeschichte die Erbauung dieser Stadt gerade zwischen der Zerstörung zweier mächtigen Städte durch die Hand dieses Mannes, der bald Ucbermensch, bald Unmensch war. Die Zerstörung der größten Handelsstadt, Tyrus, ging der Gründung Alexandriens in demselben Jahre voraus; die Zerstörung der größten Königsstadt, Akrsepolis, folgte ihr in demselben Jahre nach. Roch waren des Weltstürmers Hände mit dem Blute der erschlagenen Phönizier be fleckt, noch rauchten sie vom Blute der tapferen Vextheidiger Gaza's°), als er den Grundstein zur neuen Stadt legte; und kaum haben diese Hände das schöne Werk vollbracht, so sieht man schon, auf Geheiß einer Buhlerin, die fürchterliche Fackel darin, welche die Hauptstadt der Welt in Asche legte. Wenn es wahr ist, daß Alexander's Absicht war, hier einen Mittelpunkt für den Handel des Morgen- und Abendlandes zu gründen °°°), so wird, nach den sonderbaren Fügungen im KreiSlause der Dinge, erst in unseren Tagen seine Absicht erfüllt werden. Bis 14V v. Ehr. war noch immer der große Welthandel in den Händen der an derselben Küste wohnenden Karthager. In den ersten Jahr hunderten nach Ehr. tauchte schon die Neu-Persische Macht auf, welche einen besseren Handelsweg von Indien nach Vorder-Asien über den Persischen Meerbusen behauptete. Alexandrien wurde durch diesen Handelsweg vollends bei Seile geschoben, als sich das glän zende Bagdad nicht weit von jenem Meerbusen erhob. Nach dem Falle Bagdads aber ist durch die Umschiffung Afrika's der Fall Alexandriens entschieden worben. Erst jetzt, wo bex Handel mit Asien ein ganz anderer geworden ist, als zur Zeit Alexander's; jetzt, wo dieses Asien Europäischen Herrschern unterworfen oder verbunden ist, kann cs das werden, was bei seiner Erbauung vorgeschwcbt hatte. Den Engländern war es Vorbehalten, nachdem sie Mehmed Ali gcdcmüthigt, nachdem sie das den Arabischen Meerbusen beherr schende Aden in Besitz genommen, über Alexandrien und das Rothe Meer ihr eigenes Indien und China mit Europa zu verbinden; ihnen war es Vorbehalten, das auSzuführcn, was Alexander vielleicht beabsichtigte und was so wenig nach seinem Tode in Erfüllung ging, am wenigsten unter den Ptolemäern. - Denn unter diesen war Alexandrien nicht sowohl Sitz der In dustrie und des Handels, sondern Sitz des Luxus, der Ueppigkeit, der Gelehrsamkeit und vorzüglich der Schöngeisterei. ES war am passendsten mit Paris unter Ludwig XIV. zu vergleichen. Turenne's und Colbert'S gab es dann freilich sehr wenige, aber Rezensenten und gefällige Damen von Geist m Menge. Der erste Ptolemäer war ein Schöngeist und der letzte Sproß seiner Nachkommen war eine vollkom- ,. ') BZckl Vatis das kleine Gaza io lavier venheidigte, ließ ihn Alexander bmrichce»; und zwar ließ er Nun die >xune durchbohren und ihn um die Mauern der Stadl schleifen, weil AckMeS so den Hektor behandelte. I In der neueren Zelt iü von einem anderen Helden diese Schändlichkeit übertroffen worden. Kein Geringerer als v-el so ».war es, der in Neapel aut Be«hl seiner Buhlerin Hanultoa seinen Nuhm mr immer befleckte. t Daß Alexander uxsvxiwglicb nichl diett Slbßcht hatte, wollen viele neuere Gelehrte behaupten. Man sehe besonder- zlathe, Geschichte Mace- domens Th. I, zig. unwahrscheinlich ist diese Meinung nicht; er baut- eine Stadt, weil er eine paffende Baustelle sand, so wie Abdel-Kader sei» weiland Tekedemvt. mene Ninon de l'Enclos, und zwischen ihnen waren fast alle Herrscher von solchem Charakter, daß unter ihnen Witz, Satire, heitere Laune und Ausgelassenheit in Wort und That aufgemuntert wurden. Den Zu stand Alexandriens unter diesen Herrschern zu beschreiben, ist der Zweck des folgenden Aufsatzes, wobei wir eine gründliche Abhand lung der tzuartert^-lievierv benutzen. Alexandrien war kaum auf den Ruinen des kleinen Dorfes Rhakotis von dem Baumeister Dinokrates, der alle Pracht und den Glanz der Griechischen Kunst dabei entfaltete, erbaut worden, als es sich durch verschiedene Stämme bevölkerte: mit Griechen, mit unruhigen Söldnern, die den Mameluken der neueren Zeit ziemlich ähnlich waren; mit Aegpptiern, welche Strabo eine verwegene Menschenklasse nennt, unv mit Inden, denen man einen besonderen Stavtlheil, eine abgesonderte Ethnarchie, wie später zu Rom, an wies. Dieses seltsame Gemisch von verschiedenen Völkerstämmcn , sand in der neuen Stadt seine verschiedenen Gottheiten wieder, den Tempel der Isis neben dem Tempel des Apollo, und den großen Serapis, das Symbol der Welt, eine pantheistische Gottheit, neben dem Jupiter, dem Könige des Olympus. So war der ursprüngliche Charakter Alexandriens der Synkretismus und folglich die Ironie; alle diese Nüancen mußten sich gegenseitig verwischen und im Skepti zismus unv Sarkasmus endigen. Die ganze Welt, d. h. die damals bewohnte Welt, kam in diesen prächtigen Mauern, die beständig von dem doppelten Lärmen der Industrie und der Vergnügen wicderhall- ten, zusammen. „Griechen, Jtaliäner, Syrier, Lwier, Cilicier, Aethiopier, Araber, Bakkrier, Sc-then, Indier, Perser", sagt der heilige Chrysostomus, „strömten in eine Stadt, welche, nach Eusta- thiuS, Nur allein der Weltstadt Rom nachstand; welche Strabo „den allgemeinen Vereinigungspunkt", der Jude Philo „mehrere Städte in einer Stavt" und Gregorius von Npffa „die große Schule" nennt, die alle Freunde der Philosophie ver einigte und welche endlich der Kaiser Hadrian kurz und sinnreich so bezeichnet: „Niemand ist daselbst müßig." Eine außerordentliche Thätigkeit beförderte die Industrie, die Literatur, die Künste und die Vergnügungssucht der Alexandriner. Nichts Gemäßigtes, nichts Mittelmäßiges, keine Muße, keine Ruhe war unter ihnen. Ihre Glas-, Krystall-, Papier- und Messer- Fabriken und ihre Kunsttischlereien waren in der ganzen Welt be rühmt. „Selbst wenn ein Alexandriner die Gicht in den Füßen und Händen hätte, und selbst wenn ihm die Augen ausgestochen wären, so würbe er dennoch Mittel finden, sich zu beschäftigen." Diese Thätigkeit erzeugte den Reichthum, den Luxus, alle sinnliche Lüste, aber auch das Bevürfniß nach immer neuen sinnlichen Reizen, die Unruhe des Gemüthes, das Nesormfieber und die Neuerungssucht. Die Römer sahen sich gcnöthigt, diese unruhigen und ungestümen Menschen, denen der Lärm unv der Aufruhr ein Vergnügen war, und die sogar bei ihren Mahlzeiten und Festen das Toben liebten und die Ruhe und den Frieden nicht leiden konnten, einer strengeren Aufsicht und schärferen Gesetzen zu unterwerfen. „Jedes Mal, wenn ein Alexandriner ein Fest gicbt, hört man wilde Stimmen, Flüche und Lärmen; der Wirth überwirft sich mit seinen Gästen, die Kinder weineg und werden geschlagen, der Herr zankt mit dem Koch, dem Diener, dem Kellermeister und manchmal mit seiner Frau." Ob gleich, wie Dio Kassius erzählt, das Erscheinen eines einzigen be waffneten Soldaten unter diesen lärmenden Menschen Schrecken ver breitete, so sprachen sie doch unaufhörlich davon, Alles niederzu metzeln, und bei der geringsten Meinungsverschiedenheit geriethen sie in Wuth und Streit. Unverschämte Prahler, unermüvlichc Schwätzer, die beständig drohen und bei der unbedeutendsten Beleidigung auf- brausen, ohne Grund und unaufhörlich Schimpfreden ausstoßen und auf den Straßen von ihren Schmerzen und Klagen singen, kannten sic, sagt Hcrodian, kein größeres Glück, als sich über ihre Herrscher lustig zu machen, sie in lächerlichen Bildern darzustellen, sie mit Epigrammen zu bespötteln und ihnen Spitznamen zu geben. „Als boshafte Verleumder", sagt Philo, „ersannen sie für jeden ihrer Könige schimpfliche Beinamen, die ihnen blieben und welche die Geschichte nicht hat verwischen können; solche. Spottnamen sind: Tryphon (Schwelger), Physkon (Schmecrbanch), KakergeteS (Uebelthäter), Kybiosaktes(FiMändler), Philadelphos und Phi- lopator (Schwesterliebend, Vaterlicbend, in übler Bedeutung) und Auletes (Flötenspieler). Der Minister, der zu lange im Amte blieb, hieß ihnen Polychrvnios (zu lange lebend); Demetrius, welcher