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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- 'vreiS 22i Sgr. (^ Thlr.) »iertclliibrUS,, Z Thlr. für das ganze Jadr, offne Er- bödung, in allen Theilen der PreuSischen Monarchie. für die Man vränumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Exveditivn der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Friedricksür. Rr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. LiLcrtltur des Auslandes. 90. Berlin, Mittwoch den 28. Juli 1841. Abyssinien. , Neueste Reise in das südliche Abyssinien. Von Röchet d'Hericourt. Die Nolle, welche der Arabische Meerbusen in der Kindheit der nautischen Kunst spielte, war nicht ohne Glanz und Bedeutung. Auch außer den biblischen Erinnerungen und den wunderbaren Sagen, die sich an dieselben knüpfen, war dieses Meer der Schauplatz einer großen Völker-Bewegung. Die Flotten Salomo's durchschnitten eö in allen Richtungen. Sie gingen von Ezivngeber ab, um sich nach Ophir, dem Lande des Goldstaubs, nach den Sabäischen Häfen, wo sie Weihrauch und Gewürze einnahmen, nach den Inseln Tyros und Arados zu begeben, die ihre Perlenfischereien berühmt gemacht. Ueber Adulis stand der Arabische Golf mit Arum und dem König reiche Meroe, über Thapsakos mit dem oberen Euphrat, über Okenis, Kanö und Aden mit der ganzen Arabischen Halbinsel, über Asania und Ptolemais mit dem Afrikanischen Küstenland in Verbinvung. Die Segel der Reiche Juda und Israel Haben, wenn Männert und Heeren Glauben verdienen, diese Linien sogar überschritten: fie haben die Gestade des Ganges und die große Inselwelt des Indischen Oceans besucht. Die Pharaonen und die Ptolemäer ließen das Arabische Meer auch nicht unbefahren, und Arsinoe, das heutige ^uez, war der Abgangs-Punkt mehrerer weiten Expeditionen an den Küsten Asiens und Afrika's. Unter den Chalifen dauerte diese "E/sche Bewegung fort, und die Verbindung beider Meere, vor welcher der heutige Unternehmungsgeist zu stutzen scheint, wurde, durch einen Fatimivifchen Herrscher, vermittelst eines Kanals, der Suez mit dem Nil vereinigte, verwirklicht. So schien " auf rem Arabischen Golfe den Untergang großer Reiche und die Wechsel großer Dynasticen zu überdauern. Um diese Regung ins Stocken zu bringen, mußte Vasco de Gama das „Kap der «türme ' umschiffen und künftigen Handelsflotten einen anderen Seeweg nach Ostindien eröffnen. Heutzutage kehrt die auf das Seewesen angcwendete Dampfkraft Alles wieder um. Der Isthmus und die beiden ihn bespülenden Meere bevölkern sich mit schnellsegelnden Pakctböten, und ein mecha nisches Agens giebt der Reise-Route um die Welt eine andere Richtung. Europa hat seine Verbindungen mit Indien durch die Arabischen Gewässer wieder angeknüpft. Die Depeschen, die Passa giere, die werthvollen Handels-Artikel haben diesen Weg schon in Beschlag genommen; das Kap der Guten Hoffnung ist zum niedrig sten Dienste herabgewürdigt. Der Isthmus von Suez wird hinführo daS wahre Bano zwischen England und Bengalen seyn; das Glück wendet sich nach dieser Seite; die Pläne eines Leibnitz und eines Albuquerque siegen über die Entdeckungen Vasco de Gama'S. Bom- Pap liegt nur noch 40 Tagereisen von London, und der Verkehr zwischen der Metropole und ihrer riesigen Vasallin ist durch die neuen Circuiations-Mittcl um das Doppelte lebendiger geworden. Die Zeil kann dieses Resultat nur fördern. Die Vervollkommnung der Transport-Mittel, die Verbesserung deS Landweges über den Isthmus und endlich auch wohl die wirkliche Verbindung beider Meere werden eine Revolution vollenden, die wir entstehen sahen. Man kann schon ahnend vorhersehcn, welche wnnverbare Thätigkeit in jenen Gewässern herrschen wird, wenn sie von der ganzen Be wegung Europa's nach Indien und Indiens nach Europa Zeugen seyn werden. Wie klug hat England diese Zukunft vorherberechnet, und wie sehr bemüht es sich, sie seinem Interesse zuzulenken! Kaum sah man die entfernt scheinende Möglichkeit einer regelmäßigen Verbindung über Aegypten und Syrien, als auch schon Britische Agenten sich einfanden, die Einen im Namen und auf Befehl ihrer Negierung, die Anderen von eigener Eingebung und von jenem Instinkte der Unternehmungen angetrieven, der das rührigste Volk dieser Erde nie verlaßt. Schon 1828 fuhr Oberst Chesney auf einem Dampfboote den Euphrat hinan, machte sich mit der Beschiffung desselben ver traut und rekognoszirtc bann den Lauf des OronteS bis an seine Mündung ins Syrische Meer. Gleichzeitig unternahm man große hydrographische Arbeiten im Rothen Meere, deren Ergebnis eine meisterhaft ansgeführte Karte war. Seit diesem ersten Schritte hat England alljährlich einen Vorthcil mehr gewonnen. Gegen den Euvbrat h,n haben zwei bedeutende Städte, zwei reiche Stapelplätze, Maskat und Bassora, seinem Einflüsse nicht widerstehen, sein Pa tronat nicht zuruckweisen können. Gegen daS Rothe Meer hin hat England Aden, den Schlüssel dieses Meeres, einem Arabischen Häupt ling abgckauft; die Britische Flagge weht jetzt von allen Comptoiren des Arabischen Bassins, und wenn neuerlich der Scherif von Mocha den Muth gehabt hat, gegen dieses Emblem einer nahen Unter drückung zu protestiren, so darf man erwarten, daß er diesen Augen blick der Empörung und die Vertreibung eines Konsuls, den Kalkutta und London ihm gesendet, hart büßen werde. Bis jetzt scheinen die Pläne Englands jedoch nur auf das Ara- hische Küstenland gerichtet; die gegenüberliegende, die Abpssinische Küste hat England unbeachtet gelassen. An diesem Punkte ist, ver möge einer ziemlich seltenen Ausnahme, Frankreich allein Autorität, oder wenigstens höher geachtet. Den Grund hat man in verschie denen abenteuerlichen Reisen durch Habesch zu suchen, die seit zehn Jahren von Franzosen ausgeführt worden. Ubi, der Fürst von Tigr«, scheint sür diese Reisenden und ihre Nation Interesse ge nommen zu haben; und wenn es wahr ist, daß fünfzehn junge Abyssinier jetzt auf dem Wege nach Frankreich sind, so könnte man wohl an die Aufrichtigkeit seiner guten Gesinnung denken. Die auf den Hochebenen von «amen, Amhara und Tigrö wohnenden Völker haben übrigens Manches mit den Europäern gemein, und beson ders ist ihr Charakter dem unsrigen analog. Seit undenklicher Zeit herrscht hier ein durch biblische Gebräuche gemildertes (?) Christen thum. Die Sitten der Bewohner sind saust und gesellig; ihr Charakter ist ernst und kräftig. Fürst Ubi, dem ein Heer von WMU Reitern und 20,00» Fußgängern zu Gebote steht, würde sich, wie man sagt, die Obhut über die Küste angelegen seyn lassen und die Europäischen Comptoirs, die man daselbst errichten könnte, in seinen Schutz nehmen. Er hat sich dazu erboten, und er wird sein Wort halten. Die Luft an der Küste erzeugt Fieber; aber einige Maßregeln der Vorsicht beschwören die Gefahr, die übrigens eine kleine Meile landeinwärts schon nicht mehr vorhanden ist. Die wohlbeschützten Ankergründe, die geräumigen Rheden, die natürlichen Häfen sind, besonders an der Mündung des Rothen Meeres, in Uebcrfluß vorhanden. Man könnte hier eine Niederlassung gründen, einen Handel mit dem Binncnlande eröffnen und mit der Aussicht auf sichere Döbouchö'S die das innere Afrika durchwandernden Kara wanen anziehen. So würde man die Britische Habgier in Respekt halten und auf Lie Besitznahme einer Seite des Arabischen Kanals mit Besitznahme der anderen Seite antworten. Vielleicht ist dies ein zu kühnes Projekt, das ernsthaftere Studien, als die Eindrücke Reisender sind, noch beleuchten müssen; es ist aber würdig, die Auf merksamkeit der Regierung zu fesseln. DaS nördliche Abyssinien (Habesch) deckt übrigens kein un durchdringlicher Schleier mehr. Seil einem Jahrhundert haben Europäer dieses Land in fast allen Richtungen durchwandert, und Europäer, besonders protestantische Missionaire, wohnen sogar in demselben. Zu den ersten Europäischen Besuchern gehörte der Por tugiese Covilham, dsr sich in Gonvar niederließ und seine Heimat nicht wiedersah. Pater Alvarez verweilte zu einer Zeit beinahe sechs Jahre in den Abyssinischcn Staaten, und als er um 1340 nach Europa zurückkehrtc, erschien sein Reisebericht, den man jedoch nicht ohne Mißtrauen benutzen darf. Im Verlaufe vcS loten Jahrhun derts war Abyssinien, so zu sagen, Portugiesischen Hülfstruppen preisgegeben, deren Dienste gegen die Muselmänner seine Könige angenommen hatten. Den Soldaten waren Missionaire vom Jesuiten- Orven gefolgt, die sich der geistlichen Gewalt bemeisterten. In diese Epoche fällt ohne Zweifel die Errichtung mehrerer Gebäude von augenscheinlich Europäischem Stil, Lie man in den vornehmsten Städten von Tigre und Sanem sieht. Andere Monumente gehören einer weit früheren Civilisation an, die vielleicht mit der Aegyp- tischen zusammenfällt. Unter den Beobachtern, die der Portugiesischen Periode.angehö- rcn, befinden sich drei, die es verdienen, daß man sie im Andenken . bewahre. Einer von ihnen, der Pater Fernandez, drang auf seinen, Entdeckungsreisen bis nach Anaria oder Narea, Dshingiro und Cambat vor, welche Regionen des innersten Afrika's Keiner nach ihm gesehen hat. Er hoffte auf diesem Wege bis Melinde, an das Ge stade deS Indischen Oceans, zu gelangen, aber unbesiegbare Hinder nisse zwangen ihn zur Rückkehr. Der Zweite, Pater Paez, entdeckte zuerst Vie Quellen des Blauen Nils; der Dritte, Pater Lobo, irrte lange Zeit unter den Galla's herum, weil er den Nachstellungen der Könige Abyssiniens sich entziehen wollte; er hat einen interessanten Bericht über seine Abenteuer hinterlassen. Nach diesen Dreien ent steht eine Lücke, und wir müssen bis ins letzte Jahr des l7ten Jahr-