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302 Antrag keiner Antwort würdig und erlaubte nur Herrn Jourdan, dem Korrespondenten Ben Aiffa'S, demselben zu melden, daß man es nicht wagte, bei Hofe einen Brief vorzuzeigcn, der so wenig Rück sicht auf die Religion, auf die Frömmigkeit des Königs und auf die Verschiedenheit der Sitten und Gebräuche beider Nationeck nehme; daß aber, wenn der König von Marokko von den Wahrheiten der christlichen Religion hinlänglich überzeugt wäre, um zu derselben überzutreten, er alsdann wohl ein größeres Recht haben würde, Ge hör zu erhalten." (k'. k.) A b y s s i n i e n. Neueste Reise in das südliche Abyssinien. Von Röchet d'Hericourt. (Fortsetzung.) Ein paar Hundert weißliche Hütten im Vorgrunde bildeten den Hafenort Tuschurra, einen Stapelplatz des südlichen Abpssiniens; und im Hintergründe reihten sich vulkanische Berge, die in Terraffen- Form von Ost nach West zogen. Ucbrigens sah man wenig oder gar keine Vegetation; nur in langen Zwischenräumen blickte dünnes Ge strüpp aus der Sandwüste. Tuschurra gehorcht einem Sultan, der 300 Hütten des Dorfes unumschränkt beherrscht. Herr Röchet wurde diesem Herrn vorge führt und mußte sich über seine Projekte erklären. Der Sultan machte ihm eine Menge Einwürfe und behauptete, daß der Weg durchs Land der Adel's vor Wiederkehr der Regenzeit ungangbar sep. Da die Quellen in der Wüste versiegt waren, so wäre es allerdings tollkühn gewesen, jetzt schon aufzubrechen. Unser Reisender installirte sich daher gut oder übel in einer kaum gegen das Wetter ge schützten Hütte, hei einer Hitze von 40» bis 48» R. Tuschurra ist von Muselmännern bevölkert, die Handel und Küstenschifffahrt treiben; die Karawanen des südlichen Abpssiniens vertauschen hier Afrikanische Lebensmittel gegen die Erzeugnisse Arabiens. Der vornehmste Han dels-Artikel sind Sklaven. Die Rhede ist groß, aber unsicher; doch hat sie einen gut erhaltenen Grund. Keine Kultur belebt die Umgegenden, daher die Einwohner ihre nothwendigsten Eßwaaren thcils aus dem inneren Afrika, theils von den Küsten Jemen's be ziehen müssen. Die Eingebornen von Tuschurra haben weit mehr von dem berech nenden Geiste des Hinduschen Banianc», als von der Leidenschaftlichkeit des Arabers. Sie sind außerordentlich mäßig und his zur Knickerei ökonomisch. Dem Vergnügen des TabackrauchenS haben sie entsagt, weil es zu kostbar ist; aber sie schnupfen dafür, obwohl in langen Zwischenräumen. Ihre Großmuth geht bisweilen so weit, daß sie dem Fremden einige Körner von ver Prise anbieten, die sie fest zwischen den Fingern halten; niemals aber reichen sic ihm den Beutel, der ihnen als Dose dient. Ihr sehr einfaches Kostüm besteht aus zwei Stücken Stoff; sie tragen keinen Turban und lassen ihr von der Natur gekräuseltes Haar lang wachsen. Die Frauen, welche hier größere Freiheit genießen, als vielleicht in jedem anderen muselmän nischen Lande, tragen weite Blousen und flechten ihr Haar mit einiger Sorgfalt; sie gehen ohne Schleier. In den Häusern sieht man wenige Mobilien: einige Milchnäpfc, eine Art Fcldstühle aus Bachweiden oder ledernen Riemen, bisweilen auch Matten von verschiedener Farbe, Vas Werk der Frauen, endlich noch Schild und Lanze, die pflicht mäßigen Waffen der Eingebornen, sind der gewöhnliche Lurus ihrer Hütten. Der Sultan selbst ist in dieser Beziehung kaum besser ausge staltet, als seine Unterthancn: und die Hütte, die er unserem Reisenden vermiethete, unterschied sich nicht durch die Eleganz ihres Mobiliars von den übrigen. Seine Hoheit hatte für diese Wohnung anfangs ZOO Talari's verlangt und war endlich mit 8 Talari's zufrieden gewesen! Unter einem Häuptling, der so viel kaufmännischen Instinkt besitzt, müssen die Unterthanen geschickte Handelsleute werden. Die Gewalt dieses Sultans ist in gewissem Betrachte eingeschränkt; in wichtigen Fällen deliberirt daS ganze Dorf, und die Majorität macht Gesetze. Tuschurra maßt sich eine Art von Lehenshoheit über das Reich Adel an; aber diese Autorität eristirt nur dem Namen nach. Die Adel's ober Danakil's bilden ein Aggregat von einander unabhängiger Stämme, die nur den Namen gemein haben. Jeder dieser Stämme gehorcht seinem Häuptling (Ra aß), wie die Beduinen ihren Scheichs gehorchen. Manche Aehnlichkeitcn stellen diese Afri kanischen Nomaden den Asiatischen Nomaden nahe. Die Blutrache findet sich bei ihnen mit ihrem ganzen unversöhnlichen Charakter. Auch scheuen sie eine seßhafte Lebensweise und wandern mit ihren Zelten bald hierhin, bald dorthin, immer nach Wasser und Weide sich umsehend. Ucbrigens sind diese Völker mehr habgierig als blut dürstig, mehr spitzbübisch als grausam. Den Umgebungen von Tuschurra sind die Spuren einer großen vulkanischen Erschütterung aufgedrückt, besonders in der Gegend einer Schlucht, die auf den Berg Dabenet führt. Die meisten Gebüsche, welche diese dürre Schlucht zieren, sind sehr armselige Gummi-Sträu cher, die nach oben wie Fächer gestaltet sind. Man findet hier auch den Giftbaum, von den Eingebornen Summi genannt. Er hat die Stärke einer Europäischen Eiche; seine Rinde ist sehr rauh und röth- lich, seine elliptischen Blätter gleichen denen des CitronenbaumcS. Ein Thier, das von diesem Laube gefressen, verendet zehn Minuten darauf unter fürchterlichen Zuckungen. Dieser Baum liefert den Beduinen daS Gist, mit welchem sic ihre Pfeile bestreichen. In den ersten Tagen des August hatten einige Gewitter die Vertiefungen der Wüste gefüllt, und fo konnte Herr Röchet endlich Tuschurra verlassen und dem südlichen Abyssinien zuwandcrn. Zwei Führer begleiteten ihn; der Eine war ein Beduine vom Stamme Danakil, der Andere ein Muselmann von der Küste. In einer be deutenden Entfernung von der letzteren bewahrt die Landschaft noch ihren rauhen Charakter: eine Reibe nackter Hügel ermüdet durch ihre Monotonie das Auge und scheint den Reisenden in dieser Gegend einzusperren. Von Tuschurra nach dem Königreiche Schoa folgt man im Ganzen einer süd-südwestlichen Richtung. Die kleine Karawane zog über Ambabo, Dullulle, Gabtima und Daffarb, ohne in der Vegetation und Gestaltung des Bodens große Wechsel zu bemerken. Der Regen begann in Strömen herabzufallen und zwang unseren Reisenden, öfter Station zu machen. Er breitete alsdann zwei Ochsen häute, die eine als Matratze, die andere als Decke, am Boden aus und wartete, dis die Schleusen des Himmels wieder geschlossen waren. Je weiter er in der Richtung eines großen Salzsees, den die Karawanen der Danakil's besuchten, vorrücktc, desto mehr nahm die Lava in der Gestaltung des Erdreichs die erste Stelle ein. Nach kurzer Rast an den Ufern dieses Sees, wo einige Beduinen seine Karawane ver stärkten, setzte Herr R. die Reise fort und kam zu der Stelle, wo die Wege nach Schoa und nach Aussa sich kreuzten. Auffa, das nur noch 13 Licues entfernt lag, ist die vornehmste Stadt im Lande der Adel's oder Danakil's. Wie die Eingebornen versichern, so be steht sie aus ISOO, Hütten und zählt eine Bevölkerung von <>000 Seelen. Dem Handel und dem Ackerbau ergeben, finden die Einge- borncn ein natürliches Bewässerungs-Mittel in den periodischen Ucber- schwemmungen eines großen Sees, der, gleich dem Nil, das umge bende Land befruchtet und fett macht. An einem Ende des Sees soll eine Schleuse sepn, welche das Wasser so lange zurückhält, bis der Boden hinreichend getränkt ist. Diesem Systeme verdankt man den herrlichen Wachsthum des dortigen Gctraides; Aussa kann fast die ganze Gegend mit Durra versorgen. Herr R. ließ den Weg nach Auffa rechts liegen und nahm in Nehclle, aus der Straße nach Schoa, sein Nachtquartier. Nehell« hat eine heiße Quelle von 5b" R. Etwas entfernter, zu Segadarra, giebt es eine Mine kohlcnsaucrn Kupfers in einer Lage eisenhaltigen Thons. Zu Abi-Juffus empfing der Reisende den Besuch eines Häupt lings vom Stamme Dcbenet, der ihm einige Lebensmittel schenkte und dem er einige Stücke Seidenstoff, Scheermeffcr, ein Messer und einen Spiegel verehrte. Dieser Mann war von den Europäischen Gaben fv entzückt, daß er sich selbst erbot, dem Herrn Röchet als Eskorte zu dienen. Man sah nichts Merkwürdiges, bis man nach Haulle kam, wo am Fuße eines aus Granit, Trachyt und Basalt bestehenden Berges vierzehn warme Quellen sprudeln. Vier dieser Quellen, haben eine so heiße Temperatur, daß die Beduinen ihre Lebensmittel in denselben kochen. Auch heilt Vas schwefelhaltige Wasser nach ihrer Meinung alle erdenkliche Krankheiten. Die größte Quelle hat IK4 Fuß im Umfang und 3 — 4 Fuß Tiefe. In diesen Einöden gleicht eine Tagereise der anderen. Die ein zigen lebenden Wesen, denen man begegnet, sind gefleckte Hyänen, die unaufhörlich um die Karawanen herumstrcifen. Zur NaHtzeil stehlen sie den schlafenden Beduinen ihren Speiscvorrath unter dcm Kopse weg. Zu Haffen-Mera rieth der Häuptling der Gegend unse rem Reisenden, eine Eskorte zu nehmen, um einem Hinterhalte von Galla's auszuweichen, die einige Lieues von dem Orte entfernt in feindlicher Absicht seiner harrten. Herr Röchet verwarf diesen Rath nicht, wollte aber, daß die bei der Karawane befindlichen Salzhänd ler nach Maßgabe ihrer Bctheiligung bei der allgemeinen Sicherheit zu den Kosten beisteuerten. Die Debatten über diese wichtige Ange legenheiten dauerten zwei Tage, in deren Verlauf man allerlei Fest lichkeiten beging. Das Lager bestand aus »oo —400 Individuen, und jeden Abend mit Sonnenuntergang begann der Tanz. Die Beduinen hatten einen Kreis gebildet, und Einer von ihnen stimmte ein Lieb an, das die Anderen im Chore wiederholten. Dann dräng ten sie gegen einander, hüpften und schlugen dazu in die Hände. Endlich gingen sie, um den Beifall der Frauen und der junge» Mädchen, die diesem Schauspiele beiwohnten, zu ärndten. Von Haffen-Mera an wurde die Karawane des Herrn Röchet eine imposante Masse. Zu Burduda erhielt sic noch einen Zuwachs von 2l Personen, so daß sie jetzt gegen SOO Individuen zählte. Diese Zahl war hinreichend, um jeden Angriff abzuwehren. Die Physiognomie des Landes hatte sich verändert; man sah nicht mehr die vulkanischen Einöden von Tuschurra, sondern Ebenen, die mit üppigem Grün bedeckt waren. Diese von den Beduinen vernach lässigten Länder würden sich prächtig anbauen lassen. Heutzutage sind sic noch das Gebiet der Stephanien, der Gemsen und Zebra's. Nickts kann einen Begriff von der Menge Wild geben, das sie be herbergen. Man sieht hier Gazellen, Hasen, Strauße, Perlhühner, kleine Haselhühner, grüne Abyssinische Tauben, mehrere langge schwänzte Afrikanische Mandelkrähen, ParadieS-Ammern vom Kap, Kardinalsvögel von allerlei Spielarten und andere prächtige Vögel. Wenn man diese Gegenden durchzieht, glaubt man fast, von dem ersten Erwachen der Natur Zeuge zu seyn. — Der Mensch allein fehlt in dieser bunten, wimmelnden Schöpfung. Auf dem Gebiete der Modeltos, eines der furchtbarsten Stämme des Landes, findet man wieder Basalt-Lagen, und die Natur erhält wieder ein anderes Ansehen. Indessen sind noch nicht alle Sträucher verschwunden: bald sehen wir eine saserigc Agave, bald eine Aloe, bald eine jener Grevia's, deren gelbe und rothe Früchte, von der Dicke einer Erbse, einen vortrefflichen vegetabilischen Honig enthalten. Auf diesem Plateau schoß Herr Röchet eine Antilope von der Größe eines stattlichen Europäischen Hirsches. Als man am Abend Halt wachte, wurde dies prächtige Wild zerlegt und auf einem improvi- sirten Roste gebraten. Beefsteaks von Antilopenfleisch, das auf solche Art zubereitet ist, sind nach Herrn R. eine köstliche Speise. Dies Homerische Mahl gab übrigens zu einem nächtlichen Abenteuer Ver anlassung. Die Üebcrbleibscl der Mahlzeit zogen an jenem Abende