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366 von denen man glaubte, daß sie allgemein ihrem Einflüsse unter worfen wären, und wo man sie doch nicht finden kann, wo man so gar im Gegentheil zu gewissen Jahreszeiten ganz entgegengesetzte Winde antrifft. Als Beispiel kann ich die mittägliche Küste von Mexiko anführen, deren Breite sehr wenig erhaben ist, so daß man glaubt, man müsse hier N. O. Winde finden; und doch ist hier der Einfluß der Sonne, groß genug, um Westwinde zu erzeugen. Eben so sind die periodischen Winde vom Lande und von der See her, welche an allen diesen Küsten herrschen, oft durch die Nähe hoch oder tiefliegender Länder, in Verbindung mit der Nähe oder Entfernung der Sonne, auf eine merkwürdige Weise modifizirt. Doch die De tails eines solchen Gegenstandes müssen, wenn ne vollkommen ver ständlich werden sollen, mit der Theorie verbunden studirt werden, welche über die Richtung aller Winde Auskunft gicbt. Allein so viel kann ich in dieser Skizze sagen, daß nichts in der Praxis der Schiff fahrt nützlicher ist, als die vollständige Kcnntniß der Gesetze, welche die Lustbewegungen bestimmen; und wenn gleich oft der Schiffer nicht wissen kann, wie er die einzelnen Fälle mit den allgemeinen Ge setzen zusammenreimen soll, so wird er doch, welche Erscheinungen ihm auch vorkommen.mögen, immer Grund haben, den Glauben an das fcstzustellen, von dem er weiß, daß es wahr ist. Kurz, der kundige und mit nautischen Instrumenten versehene Schiffer, welche es ihm heutiges Tages möglich machen, jeden Punkt mit absoluter Gewißheit festzustellen, kann sich fast immer der günsti gen Winde versichern, für jede Periode seiner Reise, und ihre Dauer annäherungsweise bestimmen, wenn ex gleich auf seinem Wege bis weilen genothigt werden kann, von der Richtung abzulenkcn, welche nach dem ersten Anblicke auf der Karte die kürzeste und beste schien. Das alte Sprüchwort, welches sagt, daß der längste Weg auch am raschesten vorwärts führe, ist nie besser gerechtfertigt worden, als durch die Praxis, der neueren Schifffahrt. Freilich müssen wir nicht vergessen, daß dies nur wahr ist, wenn man die wechselnden Um stände von Zeit und Naum klug berechnet und sie so zu kombiniren gewußt hat, daß man seinem Fahrzeuge diese Bedingungen günstiger Winde und gemäßigter Witterung gegeben, ohne welche weder eine schnelle noch sichere Reise möglich ist. Dieser Zweig der Kunst er fordert also, mehr als irgend ein anderer, zugleich die reelle Kennt nis der allgemeinsten Theoricen der Wissenschaft und die wachsamste Aufmerksamkeit, um sie immerwährend der Kontrolle der Praxis zu unterwerfen. Namentlich bietet in den Indischen Meeren das ganze System der Winde, ohne theoretische Hülfe studirt, dem Geist nur ein nicht zu entwirrendes Chaos dar; und doch würden auch die umfassendsten meteorologischen Kenntnisse dem Schiffer nicht allein von Nutzen seyn, sondern sie könnten ihm sogar zum Theil gefährlich werden, wenn er ihnen ausschließlich vertraute, ohne weder die Lokal- Keuntniffe, noch die Fortschritte, welche die Kunst der Schifffahrt ge macht hat, zu berücksichtigen. (Fortsetzung folgt.) Abyssinicn. Neueste Reise in das südliche Abyssinicn. Von Röchet d'Höricourt. (Schluß.) Herr R. wohnte seit drei Wochen in Angolala, als der König ihm den Vorschlag machte, ihn auf einer kriegerischen Expedition ins Land der westlichen Gallas zu begleiten. Das Abyssinische Heer war bald in Marsch-Ordnung; es bestand aus 20,000 mit Lanzen be waffneten Reitern und LOU Infanteristen, die Schloßflinten trugen. Der König eröffnete den Zug auf einem prächtigen Maulesel mit goldgestickter Schabracke. Er trug weite Pantalons von grüner Seide mit einem Gürtel aus rothem Atlas, an welchem ein krummer Säbel in silberbeschlagener Scheide steckte, und über seinem gewöhn lichen Kleide eine Löwenhaut als Mantel. Die ganze Erscheinung des Monarchen war höchst imposant und martialisch. Zwölf Schild knappen mit einem großen silberbeschlagcnen Schilde und sechs Prie ster im geistlichen Turban ritten ihm zur Seite. Zunächst kamen die Frauen des Königs, seine Eunuchen, die Musik und der Hofnarr; dann ein von bewaffneter Eskorte umgebenes Pferd, das in einem mit rothem Tuch ausgeschlagenen Korbe die heiligen Bücher der drei Kirchen von Ankobar: Scne Marjam, Sene MarkoS und Sene Mikael (Sta. Maria, St. Markus und St. Michael), tranSportirte. Diese Abyssinische Armee gewährte auf ihren prächtigen Pferden einen wahrhaft schönen Anblick, als die ersten Strahlen der Morgen- sonnc ihre 20,000 Lanzen vergoldeten. Sie wendete sich gegen Nord west, setzte über einen kleinen Fluß, trat alsdann in das Land der Gallas, die beim Anmarsche einer so furchtbaren Reiterschaar schnell ihre Unterwerfung anboten. Man drang bis zum Nil vor, an einem Punkte, wo das Bette des Flusses 70 Meter Breite und nur drei Meter Tiefe hat. Man besuchte das Kloster Dewra Libanos; dann kehrte die kriegerische Expedition feierlich nach Angolala zurück. Die GallaS-Stämme, denen Sahlö-Salassi seinen Besuch abgestattet, sind Götzendiener; allein sie haben dem Islam und dem Evangelium verschiedene Gebräuche entlehnt. Sie feiern sehr gewissenhaft den Sonntag und bitten Gott an diesem Tage um reiche Acrndten. Die äußeren Formen ihres Kultus sind wunderlich: sowohl Männer als Frauen nehmen ein paar Hände voll grünes Gras unter die Arme, ergreifen dann einen kurzen Stab, den der Mann am einen und das Weib am anderen Ende hält, und tanzen auf diese Weise um einen heiligen Baum, indem sie Auke rufen, d. h. „Gott, wache über unsere Heerde», unsere Aerndtcn u. s. w." Die Gallas sollen übrigens das schönste Volk in Afrika seyn. Hoch von Wuchs, mehr kupferfarben als schwarz, mit breiter Stirn, Adlernase, regelmäßigen Zügen und wohlgeformten Lippen, sind sie eben so kühne Reiter als tüchtige Ackerbauern und würden sich, wenn sie unter einander einig wären, bald zu Herren des Landes machen; so aber bleiben die ein zelnen Stämme isolirt und müssen das Joch der Abyssinischen Könige tragen. Die Frauen der Gallas sind wegen ihrer anmuthigen Formen, die mit einer sehr kräftigen Muskulatnr sich paaren, in ganz Abyssinicn berühmt. Die Rückkehr des Königs, nach seinem unblutigen Feldzuge, war mit großen religösen Ceremonien verbunden. Vor den Thoren der Stadt setzte er sein silbernes, in Gold eingefaßtes Diadem auf und wurde alsbald vpn der Geistlichkeit, die seine Waffen segnete, in Empfang genommen. Die christliche Religion hat in Abyssinicn sehr einsache'Formcn bewahrt. Der Ritns ist der Koptische, welcher sich an das Schisma der Monophysiten knüpft. Die Abyssinier glauben an die Dreieinigkeit, erkennen aber in Christus nur eine menschliche Natur an. Der vornehmste Gegenstand ihrer Verehrung ist die hei lige Jungfrau, die, wie sie sagen, noch höheren Anspruch auf Ver ehrung hat, als Christus selber, da sie seine Mutter ist. Sie taufen ihre Kinder, indem sie dieselben vom Kopfe bis zu den Füßen mit Weihwasser waschen, und ziehen ihnen dann ein weißes Hemde an; diese Taufe wird alle Jahr erneuert, und am 18. Jänner badet sich die ganze Bevölkerung zu demselben Zweck im Flusse. Die Be schneidung wird an beiden Geschlechtern vollzogen. Ehen werden gewöhnlich von den Priestern gesegnet; aber nicht selten umgeht man diese Ceremonie. Der Sonnabend und der Sonntag sind zwei dem Gottesdienst geweihte Tage. Die Abyssinier haben zwei große Fasten, von denen das eine 40 Tage vor Ostern, das andere 18 Tage wäh rend des Advents dauert. So lange diese Fasten dauern, nimmt Jeder in 24 Stunden nur Einmal, und zwar nach Sonnenuntergang, Speise zu sich, die aber nur aus Gemüsen, in Oel oder Piment ge kocht, bestehen darf. Die Priester wurden sonst von einem Koptischen Bischof ordinirt, den der Patriarch zu Kahira nach Gondar schickte. Jetzt ist dieser Posten vakant, und die Kirche hat kein Oberhaupt mehr. Dies kommt daher, weil Habesch seit undenklicher Zeit bei jedem Hintritt eines Bischofs dem Patriarchen von Kahira Tribut zahlen mußte, um die Installation eines neuen Prälaten zu erlangen. Nun aber machte der Patriarch, als der letzte Bischof gestorben war, übermäßige Ansprüche, und die Abyssinier weigerten sich-, ihm Folge zu leisten. Sie wollen lieber einen geistlichen Obcrbirten entbehren, um nur nicht gebranbschatzt zu werden. Wenn dieser Streit noch eine Zeil lang anhält, so wird Habesch ohne Zweifel der geistlichen Vermitte lung Kahira's ganz sich entziehen und eine unabhängige Kirche grün den. In architektonischer Hinsicht haben die dortigen Gotteshäuser keinen großen Werth; einige Aufmerksamkeit verdienen nur diejenigen Kirchen, die durch Portugiesische Arbeiter erbaut sind. Die übrigen bestehen aus einem kreisrunden Ban mit kegelförmigem Dache und einem Kreuze darüber; ihr Styl ist also dem an den Privathäusern gleich. Im Innern der Kirchen sicht man nur einen großen Saal mit einem kleinen Altar im Hintergründe, den ein Altartnch aus Seidenstoff deckt. Einige dieser Kirchen sind mit weißem GypS be worfen oder mit grober Fresko-Malerei ausgeschmückt. Stühle oder Bänke fehlen gänzlich; der Fußboden ist aus festgeschlagener Erde. Bald nach der Expedition an die Nil-Ufer wurde Herr N. ein geladen, sich mit dem Könige nach Ankobar zu begeben, welches lange Zeit die Hauptstadt von Schoa gewesen ist. Diese Stadt war früher die äußerste Gränze des Reichs gegen Osten; aber in Folge einer Ausdehnung des Gebietes ist sie beinahe in die Mitte des Landes gekommen. Amphithcatralisch auf einem waldigen Berge erbaut, ge währt Ankobar mit seinen konischen Dächern den Anblick einer An häufung von Bienenkörben mit grünem Hintergründe. Indessen dachte Sahle-Salassi daran, aus der Anwesenheit des Europäischen Reisenden Vorthcil zu ziehen. Unter den Geschenken, die er empfangen hatte, befand sich eine Pulvermühle, und er war sehr begierig, diese Maschine in Thätigkeit zu sehen. Herr N. kam seinen Wünschen zuvor; mit Hülse einiger Zimmerleute des Landes ließ er einen Schuppen bauen, verschaffte sich Salpeter, der an ver schiedenen Punkten in Ueberfluß vorhanden ist, und Schwefel von vortrefflicher Qualität, woraus er sich ans Werk setzte. Nach weni gen Tagen erhielt er seines Pulver, das dem König eine unbeschreib liche Freude machte. Bis dahin hatten die dortigen Arbeiter, weil sie die Masse nicht zu reinigen verstanden, nur grobes Pulver fabxi- ziren können; das Verfahren des Herrn R. war also für sic eine neue Entdeckung. Eine zweite xUeberraschung für den König war die Fabrication des Zuckers in Hüten. Obgleich Gebieter eines Lan des, wo das Zuckerrohr ungemein üppig gedeiht, hatte Sahlö- Salassi bis dahin doch sich genöthigt gesehen, seinen kleinen Vorrath an raffinirtem Zucker aus Mocha kommen zu lassen. Herr R. ließ durch die Töpfer von Ankobar zwanzig irdene Formen machen. Man schälte das Zuckerrohr, zerstieß es in Mörsern und schüttete dann Alles auf starkes Baumwollenzeuch, mit dem cs unter die Presse kam. Der Saft floß, wurde in einem wollenen Capuchon durchgeseiht, dann verdunstet, gesotten und endlich zum Krystallisiren in die Formen geschüttet. Ein paar Tage darauf nahm man die Materie wieder aus den Formen, und obwohl sie nur mittelmäßig weiß war, so hatte sie doch die verlangte Festigkeit und alle zu gutem Gebrauche erforderlichen Eigenschaften. Don jetzt an gab man bei Hofe kein Fest mehr, zu welchem Herr R. nicht eingeladen wurde. Der König nahm ibn auch auf einem Kriegszugc gegen die südwestlichen Gallas mit sich, die eine bis dahin von keinem Europäer besuchte Gegend bewohnen. Am 24. Januar 1840 setzte sich das Heer in Bewegung, und nach vier Tagen war es im Angesicht des Feindes. Die Reiter von Schoa