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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- PreiS 22; Sgr. lL THIr.) »ierteljäbriich, Z Lbir. sür tu« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. für die Man »ränumcrirl auf diese« Literatur-Llatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staat«.Heilung (griedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wodllöbl. Post-Acmlern. Literatur des Auslandes. 92. Berlin, Montag den 2. August 1841. England. Fortschritte der Schifffahrtskunde in den letzten Dezennien. Von Cap. Basil Hall. Die Fortschritte, welche die Schifffahrts-Kunst oder Wissenschaft, wie inan sie nennen will, in der letzten Zeit gemacht hat, sind im Allgemeinen wenig bekannt. Ich will daher, wenn auch noch sehr unvollkommen, eine Lücke ausfüllcn, welche so vielen Personen fühl bar sepn muß, deren Lebensrichtung sie verhindert, sich über einen Gegenstand selbst zu unterrichten, den sie ohne Schwierigkeit verstehen würden, wenn man ihnen denselben von der Hülle technischer Aus drücke entkleidet darböte. Die meisten Wissenschaften kann man mit Erfolg in der Ein samkeit seines Studirzimmers treiben. Will z. V. ein gebildeter Mann sich in der Astronomie oder Chemie unterrichten, ist er mit brauchbaren Hülssmittcln versehen, will er sich führen lassen von dem Genie und den Arbeiten der Heroen jener Wissenschaft, so kann er ihnen auf ihrem Wege nachgehen mit eben dem Erfolge, wie sie selbst, und vielleicht mit noch größerem Vergnügen. Doch sür den Dilettanten der Schlfffahrtskunde gicbt es kcme solche geebnete Straße, welche ihn gemächlich zu einer vollständigen Kenntniß der selben führen konnte. Diese Kunst hat Geheimnisse, welche auf dem Verdeck eines Schiffes, auf weiten Mecresfahrten, bei jedem Wetter und jedem Klima studtrt werden müssen, um vollkommen verstanden zu werden. Stellen wir uns zuerst einige der augenscheinlichsten Vortheile, welche in der Praris erreicht sind, vor Augen. Eine Reise nach Indien, welche früher, "hin und zurück, ein Paar Jahre wcgnahm, ist jetzt nur eine Sache von neun Monaten, selbst sür Kauffahrtei schiffe, die zum Ablaven und zur Aufnahme neuer Fracht für die Rückreise erforderliche Zeit mit eingerechnet. Früher ergriff der Skorbut (Scharbock) immer über die Hälfte der Mannschaft und wüthete heftig selbst auf Kriegsschiffen; jetzt ist er eine so seltene Krankheit, daß viele unserer Wundärzte nie Gelegenheit gehabt haben, sie zu behandeln. Die Zahl der Schiffe aller Art hat sich unglaublich vermehrt; der Kampf, welchen die Elemente ihnen bereiten, ist ohne Zweifel eben so furchtbar als ehemals, und doch ist jedenfalls das Vcrhältniß der Schiffbrüche heutzutage unendlich viel geringer, als jn früherer Zeit. Die Verhältnisse einer Seereise, in Betreff der Vorräthe an Lebensmitteln und Wasser, haben sich bedeutend verbessert; die Sicher heit und das Wohlbefinden der Passagiere, wie auch der Schiffs mannschaft, haben unter dem Einfluß einer besseren Disziplin viel gewonnen, während gleichzeitig ein großer Theil der Manöver und der Takelage so vereinfacht worden, daß, wenn der alte Benbow oder selbst Kempenfelt aus dem Grabe aufstände, er im ersten Augen blick kaum wissen würde, wie er sich bei der Lenkung eines Schiffes zu benehmen hätte. Doch wollen wir uns aber auch nicht von unserer Eitelkeit ver leiten lassen, zu wähnen, daß, weil wir sicherer und besser ein Schiff zu führen verstehen als unsere Vorältern, wir nur uns selbst das Verdienst unserer reellen Ueberlegenbcit über jene alten Seemänner beimeffen dürfen. Vergessen wir nicht die ungeheuren Verpflichtun gen, welche wir ihrem Talent, ihrer Kühnheit, ihrer Beharrlichkeit schuldig sind, welche uns gelehrt hat, was man mit einem Schiffe machen konnte, auch mit so unvollkommenen Mitteln, als ihnen zu Gebote standen. Auch wollen wir die Dienste anerkennen und würdigen, welche uns zuerst die Astronomen geleistet haben, indem sie uns die wahre Natur der Hindernisse kennen lehrten,'welche die Schiffer zu überwinden haben, und dann auch alle die genialen Männer, deren Bücher und bewundcrnSwerthc Instrumente eS uns möglich gemacht haben, die materielle Kunst der Schifffahrt zu dem Range einer Wissenschaft zu erheben. Es ist wohl von Nutzen, und gewiß wenigstens nicht ohne In teresse sür diejenigen, welche nicht Seeleute von Fach sind, durch ein Beispiel darzuthun, wie sehr die Schifffahrtskunde, wenn sie von der Wissenschaft unterstützt wird, jener blinden Routine überlegen ist, welche man bei der Englischen Marine rbe rule vk ibumb nennt. Man nehme z. B- eine Erdkugel und ziehe darauf den kürzesten See weg nach Indien, so wird man doch einen ungeheuren Jrrthum be gehen, wenn man sich einbildct, daß dieses wirklich der Weg scy, den man nehmen müsse. Und daS haben doch unsere Vorgänger thun müssen, bis die Zeit und eine lange, durch unzählige Unglücks ¬ fälle sanctionirte Erfahrung sie gelehrt hatte, die Winde, welche in den verschiedenen Breitengraden herrschen, aufzusuchcn und zu be nutzen. Nach alter Gewohnheit mußte ein Schiff, wenn cs von England auSlief, zuerst nach Madeira steuern, die Kanarischen und die Inseln deS Grünen Vorgebirges umschiffen, dann in gerader Richtung auf das Kap hinlenkcn und von da direkt nach Indien. Doch in der Praris trog diese Theorie fast immer. Wenn sich der Schiffer den Tropen näherte, führte eine Reihe von Windstillen und Windstößen ihn von seiner geraden Linie ab, und er mußte dann entweder längs der Afrikanischen Küste laviren oder sich nach der Brasilianischen Küste treiben lassen, glücklich noch, wenn er sich nicht genöthigt sah, in der größten Angst wieder zurück zu fahren. Heut zutage im Gegenthcil ist der genaue Punkt, wo mau die iin Atlan tischen Ocean herrschenden Nordost-Paffatwinde verlassen muß, sind die Längen- und Breiten-Grade, wo man am leichtesten dem Ein flüsse der wechselnden Windstillen und periodischen Winde der Tropen entgeht, der Längengrad, unter dem man die Linie passiren muß, der Weg, welchen man zu desahren hat, um daraus den größten Vor theil zu ziehen, das Alles sind jetzt dem wahren Seemann so ver traute Dinge, daß er kaum daran denkt; es sind Kenntnisse der Ge wohnheit, welche er zu seinem Vortheil anwcndet, fast ohne daß er darüber nachzudcnken braucht. Der Weg, welchen er nimmt, ist also sicherlich nicht der, welchen ein Unkundiger sich vorgezcichnet haben würde, und doch ist er der kürzeste. Wer sich über diesen interessan ten Theil des Zaches — „das Passiren der Linie und die Benutzung der Paffatwinde" — unterrichten will, den kann ich mit vollem Recht verweisen auf das Buch von Horsburg: K»8t-Inlli» üirector^, welches auch von dem Schiffs-Eapitain Le Prödour I8ZL ins Fran zösische übertragen ist. Der Schiffer neuerer Zeit vermeidet, sich zu sehr den Passat winden von N. O. anSzusetzen, sondern sic leicht passirend, streift er die Küste von Brasilien, und von da sich keck in die südlichen, etwas höheren Breiten werfend, ist er gewiß, oder doch fast gewiß, dort anhaltende Nord-Westwinde zu finden, welche cS ihm möglich machen, auch noch obencin den scheinbar gemachten Umweg wieder cinzu- bringen. Eben so, wenn er nun am Kap vorbei ist, welches für die alten Seefahrer ein^ wahres k»bo üor, l'nnnentos war, so kümmert der erfahrene Schiffer, statt deS vergeblichen Bemühens, Indien zu erreichen, indem er direkt in die Meerenge von Mozambique steuert, sich wenig nm die Entfernung, sondern behält immer die südliche Richtung und steuert entschlossen fast unter der nämlichen Breiten- Parallele, mit dem Westwinde im Rücken, weiter nach Osten, bis er in die Gegenden kommt, wo er endlich das Kap nördlich lassen kann, weil er nicht eher in die südöstlichen Paffatwinde gekommen ist, als auf dem Punkte, wo sic ihm wahrhaft nützlich werden können. Wenn cr im Gegentheil furchtsam, unvorsichtig oder guerfahren ist, so wird cr sich oft zu sehr beeilen, das Kap nördlich zu lassen, aus einer dem Anschein nach gegründeten Furcht, sich zu sehr von seinem Ziele zu entfernen. Daher kommt cs denn, daß, wenn er auf die Sük-Ostwinde stößt, er sic cntgegcn bat, statt sie im Rücken zu haben, und er wird gcnötbigt sepn, sich wieder nach Süden zu wenden, um etwas mehr Vorsprung in Osten zu gewinnen, mit Hülle der Westwinde, welche beständig in den hohen südlichen Breiten herrschen. Doch müssen wir bemerken, daß diese Anweisungen, als sichere Norm angcwcndet, oft den Schiffer irre leiten können. In der That, zu gewissen Jahreszeiten, namentlich wenn die Sonne sehr hoch im Norden des Acquators steht und der S. O. Passatwind im Indischen Ocean herrscht, ist der wahre Weg, um vom Kap nach Indien zu fahren, der, daß man den Kanal von Mozambique zwischen Mada gaskar und dem Kontinent passirt, um über den Acquator zu kom men und aus hoher See in die Bucht von Bengalen einznlaufen. Auch in anderen Jahreszeiten ist es möglich, daß der Schiffer, an statt günstige Winde zur Fahrt nach Indien zu finden, nur laviren muß, wenn cr wenigstens nicht hinlängliche Kenntniß besitzt, um seine Einfahrt in das Meer von Bengalen gut zu wählen, und Gewandt heit genug, sie gut zu bewerkstelligen; dcnn es gehört viel dazu, die auf einander folgenden periodischen Winde vom Lande und von dcr See her, welche an dcn Küsten von Koromandcl und Pegu herrschen, zu seinem Dortheil zu benutzen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Paffatwinde, welche amangs für ganz unveränderüch gehalten wurden, nicht nnr nach dem Stande dcr Sonne gegen dcn Acquator einem großen Wechsel in ihrer Stärke und Richtung unterworfen sind, sondern daß cs auch Gegenden giebt,