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WöchenUich erschcincn drei Nummern. Pränumrraüvn!- Dr-iS 22j Sgr. Td,r.) öierkUjiUirN», Z THIr. für ön» aanzc Inhr, opne Er död ung, in allen Tk-ilen der -vrenßlschen Monarchie. Magazin für die Man vrLumeeir! ans diese» ?ire.alur°BIail in Berlin in der Erredmon der AUg. Pr. TeaatS-Aeitung fZriedrichsür. Nr. 72); in der Pronin; so wie im Auslande bei den Wodllöbl. Post-Aennern. Literatur des Auslandes. 86. Berlin, Montag den 19. Juli 18^1. Holland. Das heutige Amsterdam. Wäre es nicht Unrecht, Venedig mit einer anderen Stadt der Welt zu vergleichen, so würde man sich versucht fühlen, Amsterdam das Venedig des Nordens zu nennen. Wie die Königin der Lagunen, herrscht die Königin des Zuvdersee auf einem Jnselthrone, umgeben von unzähligen Kanälen. Doch weiter geht die Ähnlichkeit nicht. Man muß in dem Holländischen Venedig nicht die Paläste, die Gon deln suchen, die der alten Dogenstadt den zwiefachen Charakter der Großartigkeit und romantischen Anmuth gewähren. Die Paläste von Amsterdam sind kleine rothe Ziegelhäuser, mit weißangestrichenen Ecken und spitzen Giebeln, seine Gondeln unansehnliche Böte, die gewöhnlich Butter und Käse geladen haben. Doch die User von Amsterdam sind von Baumrcihcn heiter umgrünt, und dieser Zier entbehrt Venedig. Die Hauptstadt von Holland hat vier Stunden im Umfange und acht Thore. Die früheren Wälle sind zu Promenaden umgcstaltet und die sechsundzwanzig Bastionen von riesigen Mühlen besetzt, welche die Stadt zu überschatten scheinen. Amsterdam ist in der Gestalt eines Halbmondes gebaut; man kann es nicht unpassend mit einem Theater vergleichen, in dem der Hafen die Bühne vorst-llt. Ein breiter Graben geht im Halbkreis um die Wälle, und fünf breite Kanäle, welche die Stadt mit Wasser versorgen, beschreiben innerhalb derselben fünf parallele Bogen. Von zahlreichen Kanälen durchschnitten, wird Amsterdam in fünfundneunzig kleine Inseln ge iheilt, welche durch nicht weniger als sechshundcrtscchsundsechzig Brücken mit einander verbunden werden. Drcißigtausend Häuser und mehr als 220,000 Seelen befinden sich im Bereich dieses kleinen Archipels. Amsterdam hat seinen Namen von einer Schleuse (üuin) an der Mündung des Flusses Amstel. Diese Stadt, die jetzt eine so bedeutende Rolle auf der Bühne der Welt spielt, war im dreizehnten Jahrhundert ein kleines Dorf, daö Fischerei trieb. Das Schloß des Grafen Ghysbcrt erhob seine .sinnen aus der Mitte einiger Fischerhütten. Sein Nachfolger baute Thürme, Bastionen u. dcrgl., und das Dorf wurde zu einer Stadt erweitert, die ein Holländischer Graf einzog und zu seinen Besitzun gen schlug. Nachdem ein halbes Jahrhundert in dem Ringen nach Unabhängigkeit verflossen war, erhielt die Stadt Amsterdam eine ständische Verfassung. Sein Umfang vergrößerte sich, das armselige hölzerne Pfahlwerk, von dem cs bisher umschlossen war, wurde in einen Steinwall verwandelt, und am Anfänge des fünfzehnten Jahr hunderts waren die Enkel der Fischer Herren des gejammten Handels auf dem Baltischen Meere. Doch Glück erzeugt Eifersucht; die Be- wohner einiger benachbarten Gegenden nahmen die Vorstädte von Amsterdam bei einem nächtlichen Uebcrfall ein, uns nicht zufrieden, die Häuser anzuzündcn und zu plündern, legten sie zweiundzwanzig «chigc, die sich im Hafen befanden, in Asche. In späterer Zeit drangen die Wiedertäufer, von dem berühmten Johann von Lcpden angeführt, bis ins Innere der Citadelle, und zehn Jahre später er litt Amsterdam einen anderen Angriff ähnlicher Art. Nachdem cS siegreich allen Gefahren dieser unruhigen Feiten entgangen war und au dem großen National-Aufstande Theil genommen hatte, befreiten die Bewohner Amsterdams sich iz78 vom Joche Spaniens. Von diesem Zeitpunkten schreibt sich der Reichthum und Vie kommerzielle Bedeutung der «tadt. Religiöse Verfolgungen veranlaßten große Schaaren flüchtiger Protestanten, sich zu ihr zu retten, und ihre Bc- rricbfamkeit vergalt den Schutz, den man ihnen gewährte. Die Sperrung der Schelde, welche im Vertrage von Münster bestimmt war, richtete Antwerpen zu Grunde und erhöhte Amsterdams Blüthe; es wurde die Hauptstadt der kaufmännischen Welt. Jetzt ist Amsterdam nur noch ein trauriger Schatten seiner alten Größe. Neue Handelsplätze, neue Mittelpunkte der Gewerbthätigkeit sind emporgetaucht; das Scepier der Hanvelswelt ist in andere Hände udergegangen. Doch so tief Amsterdam auch gesunken ist, noch cr- u'uert es in seinem Wesen und Treiben lebhaft au seine frühere Blmhe, und die Schilderung, die Fenclon unter dem Namen TpruS davon entwirft, paßt auf seinen heutigen Zustand vollkommen. „Ich konnte nicht müde werden", läßt er seinen mythischen Reisenden sagen, ,'das prachtvolle Schauspiel zu betrachten, welches diese große «ladt darbietct, jn v» Alles Leben und Thätigkeit ist. Ich sehe hier nicht, wie in den Griechischen Städten, Schaaren von Müßig gängern, die auf den Straßen umherschlendern und jeden Fremden begaffen, der das Ufer betritt. Die Männer sind emsig beschäftigt, die Schiffe auszuladen, Vie Waaren auf den Berkaussplätzen zusam- menzubringen, die Magazine in Ordnung zu halten und Berech nungen mit ihren Käufern abzumachcn." Das Bild würbe noch treffender geworden sepn, wenn er hinzugefügt hätte, daß das schöne Geschlecht in Amsterdam mit den Männern in Fleiß und Thätigkeit wetteifert. In Marokko sicht mau Weiber, die an den Pflug ge spannt sind; in Utrecht zieht das Weib ost ein schwcrgeladenes Boot auf dein Kanal, wahrend ihr Eheherr mit größter Behaglichkeit in demselben sitzt und seine Pfeife raucht. Jn Amsterdam ist häufig die mühsamste Arbeit den Frauen zugcwiescn. Man sicht sie beständig, wie sie Kähne umlaven, Karren schieben, Fässer rollen u. dergl-, und die fanaiischc Rcinlichkeitsliebe, welche an der Nation charakteristisch ist, unterwirft die Holländischen Dienstmädchen so mühvollen Beschäf tigungen, daß in anderen Ländern die männlichen Diener dagegen protestircn würden. Doch diese Schlachtopfer ertragen ihr Märtprer- thum mit der größten Freude, und ihre rothcn Gesichter liefern den schlagendsten Beweis, daß ihre Anstrengungen der Gesundheit nicht schädlich.sind. Man könnte Amsterdam einem Schiff auf offener See vergleichen. Die Stadt scheint im Wasser zu schwimmen, und ihre Bewohner müßten vor Durst vergehen, wenn nicht häufiger Regen ihre Ctsternen lüllte unv man das Wasser ans der Becht, welche wenige Meilen von der Stadt entfernt fließt, nicht leicht hcrüberschaffen könnte. Eine Eigenthümlichkeit, die den Reisenden, wenn er in Amsterdam cinlritl, zuerst unangenehm berührt, ist Vie ausnehmende Stille. Die Stadt liegt lautlos, wie die Flächen, die sie umgeben. Der Grund hiervon ist, daß die Kanäle der Mittelpunkt aller Thätigkeit sind. Einen Wagen erblickt man fast nie. Der Gebrauch der Wagen erfordert ein Privilegium, das nur an wenige Personen vcrtheilt wird, eine Beschränkung, welche die allgemeine Wohlfahrt nothwcndig macht. Der Boden, auf den die Stadt gebaut ist, ist so wenig fest, daß bei dem Nollen des leichtesten Fuhrwerks die Häuser von Grund auS erzittern. Die Noth hat eine eigene Gattung von Miethkutschcn erfunvcn; diese ruhen nicht auf Rädern, sondern auf einem Schlitten, welcher ohne Schlittern und Geräusch die Straße entlang gleitet. Ein einziges Pferd genügt dazu. Der Kutscher geht zur Seite, und anstatt einer Peitsche hält er ein Stück ölgetränkten Tuches in der Hanv, welches er von Zeit zu Zeit unter den Schlitten stcckt, um das Gleiten zu befördern und dem Pferde die Anstrengung zu er leichtern. Man kann leicht denken, welche Annehmlichkeiten dergleichen Fuhrwerke darbieten. Bei den Eilwagcn, die Unternehmungen von Privatleuten sind, besteht das Gesetz, daß der Unternehmer jeden Passagier, der zur bestimmten Zeit etntrifft, aufnchmcn muß. Und wenn es unmöglich ist, ihn in die bereits überfüllte Kutsche amzu- nebmcn, so muß er eine andere stellen. Auch dies ist ein charakte ristischer Zug für den Holländer, der stets zu spät zu kommen fürchtet. Die Häuser tu Amsterdam sind, wie ich bereits bemerkt habe, aus Steinen gebaut, so wie in ganz Holland. Auf den gemeineren Straßen hat man die Backsteine in ihrer natürlichen rothen Farbe gelassen, voch in den vornehmeren Stadtthcilen sind die Außenseiten der Häuser eben so sorgfältig gemalt und lakirt, wie die inneren Wände. Unglücklicherweise findet man bei der Wah! dieser Farben nicht eben immer den besten Geschmack. Manche Häuser sind blau, andere grün oder gelb, während Ecken und Giebel weiß sind und Verzierungen der rohsten Skulptur das Wunderbare ihrer Erschei nung erhöhen. Der höchste Beweis von Verschwendung und Ge schmack, den ein Holländer zu geben weiß, ist, daß cr auf jeden Gie bel seines Hauses eine aiztike Vase und auf die Mitte des DachcS eine Gestalt, etwa einen Ochsen, ein Schaf oder einen Schäfer, stellt. Die Häuser haben selten mehr als drei Fruster nach vorn heraus; bringen sie es auf funk, so gehören sie dem höchsten Range an. Alle sind auf Pfähle gebaut, denn die Erddccke ist sehr dünn, und sieben oder acht Fuß unter der Oberfläche findet sich Wasser. Für ein Haus von gewöhnlicher Größe sind ungefähr hundert Pfähle erforder lich, jeder L0-00 Fuß lang; ein StaatSgebäuve verlangt wenig stens 1000; zur Aufführung des Palastes sind, wie man mir ver sichert hat, IZ,700 gebraucht worden. Bauten sind in Holland höchst kostspielige Unternehmungen; das Hans selbst zu bauen, kommt erst als zweiter Punkt in Betracht, zuerst muß der Grund gebaut wer den, auf dem das HanS stchcn soll; und ist dieser gewonnen, wankt cr oft und versinkt während des HauSbancs. Um mich in meiner Schilderung nicht in ein Meer von Einzelheiten zu verliere^, indem ich den Leser von Straße zu Straße, von HauS zu HauS führe,