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WöchenUich «scheinen drei Nummern. PrznumeeaUonS- Prei« 22j S,r. (; THIr.) oierieiiöhrlich, z Lh!r. sür das gan,e Jade, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man vränttmerirt aus diese» Literatur-KIatt in Berlin in dir Expedition der AUg. Pr. ZiaalS-^eilung (Zriedrjchestr. Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemiern. Literatur des Auslandes. 81. Berlin, Mittwoch den 7. Juli 1841. Frankreich. Eine Abend-Gesellschaft bei Berryer. Von einem Engländer.") Zu den beredtesten Männern seiner Zeit gehört Berryer. Habt Ihr ihn jemals gesehen? Er ist einer der schönsten Männer in Frankreich. Wie edel ist sein Ausdruck! wie würdevoll seine Hal tung! wie bezaubernd sein Lächeln! Mit welcher Gewandtheit er greift er die schwachen Seiten in der Beweisführung seines Gegners, mit welcher wunderbaren Kunst entlarvt er die Unredlichkeit, die Heuchelei, die Verworfenheit, und giebt sie der Verachtung der Welt preis! Sprecht mir von Statuen und Gcmälven, von redendem Marmor und lebender Leinwand, so viel Ihr wolll! aber zeigt nur, wenn Ihr cs könnt, eine Statue, Berryer vergleichbar, wenn er in der Aufrichtigkeit seiner Ueberzeugung die Sache der Unschuld oder der Schwäche führt ober einen loyalen Angeklagten gegen unge rechte oder charakterlose Verfolger in Schuß nimmt. Berryer ist Advokat und Staatsmann in Einer Person; er ist die Beredsamkeit selbst, weiche Achtung gebietet. , Berryer übernimmt nicht jeden RechtShanvel; er vertheidigt nie das Laster; er läßt sich nie zu spitzfindigem Bemäkeln einer Anklage herab; er gebraucht keine kleinliche Kniffe, um für einen wahren Verbrecher ein Verdikt der Freisprechung zu erwirken. Reichthum oder Armuth der Parteien sind ihm gleichgültige Dinge. Er führt die Sache des Armen gegen ein gekröntes Haupt; allein er thut eS nicht, weil sein Klient arm ist, und um das gekrönte Haupt anzutasten; und ebenso wenig verwendet er seine mächtigen Getstes- gaben — wie groß auch die Bestechung sev, die man ihm verheißt — um den Triumph der Macht über das Recht zu sichern. „Lasset uns weniger Gesetze haben und mehr Gerechtigkeit", sagte Justice Bayley zu einem wohlbekannten Englischen Advokatcn; und dies ist bas Prinzip, welches Herrn Berryer bei seinen AmlS- vcrrichtungen lcitct. Ich will nicht untersuchen, welches das Srgeb- niß in England seyn würde, wenn bie Advokaten hier immer diesem Grundsätze folgten; allein ich bin überzeugt, daß in unserem Vater lande das Advokaienwesen, das Kreuz- und Querfragen, die tech nischen Einwendungen und die Nichtbeachtung der Moralität der Sache zu großen Einfluß haben und auf eine gefährliche Weise aus gedehnt werden. Berrycr ist mittler Statur, etwas zum Embonpoint geneigt und ungefähr Zahr alt. Er hat einen starken, von Haaren entblößten Kopf und ein volles Gesicht mit schönen, edlen Zügen, in denen fast noch mehr Güte als Große sich malt, obwohl beide Eigenschaften in ihm sebr glücklich vereinigt sind. Seine Brust ist breit und gewölbt, sein Auge das ausdrucksvollste, das ich jemals gesehen; seine Hal tung männlich cdel, gesetzt und doch anmuthig. Hier steht er, bie Sache eines politischen Angeklagten führend: sein Schützling ist ein Legitimist; er war em Anhänger der alten Französischen Dynastie; er gab seine Vorliebe sür den älteren Zweig des Hauses Bourbon etwas unbesonnen zu erkennen, cr wog seine Worte nicht ab, ließ sich öffentlich zu unklugen Aeußerungcn forlrttßen. — Er ist ver haftet und steht jetzt als Beleidiger des Hauses Orleans vor Gericht. „Ehre, wem Ehre gebührt!" ruft Berryer; „unv Steuer, wem Steuer zukommt! Dies ist die goldene LcbenSregel eines Royalisten und bcr Wahlspruch seiner Partei! Die bestehende Obrigkeit ist von Gott eingesetzt! Za, sic ist cs, zum Guten wie zum Bösen — zur Ermuthigung und Unterstützung oder zur Bestrafung und Unter drückung eines Volkes! Die Obrigkeit ist von Gott, und wer in gewöhnlichen Fällen dieser Regel zuwider handelt, der ist nicht bloß cin schlechter Bürger — er ist ein schlechter Mensch. Wenn aber die bestehende Obrigkeit von der hohen Stufe, auf welche die Vor sehung sic gestellt hat, in eine niedere Sphäre herabsteigl — wenn sic cnlweber direkt oder durch ihr« Agenten eine politische Partei zu kränken unv zu verderben sucht, ihre Glieder zur Empörung entflam mend, nur um ihre eigene Rache zu befriedigen, ihren eigenen Groll auszutobcn; wenn die bestehende Obrigkeit, wie bei meinem Klienten der Fall, statt durch ihren moralischen Einfluß und durch nationale Größe die Gesellschaft auszurichten, sich so weit herabläßt, daß sic durch niedrige Ränke und Kniffe den Unvorsichtigen zu Fehltritten, zu unklugen Erclamationen und unüberlegten Ausdrücken verleitet — '1 Nach dem »lnvun? kl-xaiwr, das deriits mehrere ähnliche von un< milgetheitte Stegen Franjbmcher Manner und Sitte» geliefert hat- dann verliert sie allen Anspruch auf Achtung oder Huldigung, und Schmach und Schande werben den unwürdigen Thatcn einer solchen Obrigkeit folgen." Berrycr hatte die subjektive Ueberzeugung, sein Klient sey ein Opfer polizeilicher Kunstgriffe und feindlicher Machinationen gewesen. Ob cr dabei geirrt oder nicht, will ich dahingestellt sepn lassen. Der Angeklagte wurde freigesprochcn. Berryer flößte der Jury Sympathie ein für den Mann, der als Verbrecher vor ihr er schien. Er lehrte sie, einen Märtyrer und nicht einen Verräther in ihm sehen; einen Freund fester Prinzipien, und nicht einen Aufruhr- prcdiger; einen Mann, der den politischen Verpflichtungen, die er eingegangen, treu und doch seinem Baterlande ergeben ist. Er führte ihnen alle Lebens-Umstande des Angeklagten vor, alle seine Lebens-Verhältnisse, seine mehr oder minder erheblichen Handlungen — und fragte sie darauf, ob ein solcher Mann der systematische und entschlossene Fcind Frankreichs habe seyn können, sür den man ihn auSgad. „Sie haben einen cdeln Beruf", sagte Berrycr am Schluffe seiner gewaltigen Rede; „der Himmel bat Sie (die Jury) berufen, diesen Mann, diesen Bürger, diesen echten und tugendhaften Patrioten zu befreien." „Nicht schuldig" — sagte der Obmann der Geschworenen etwa zwei Minuten später. Als ich Arm in Arm mit einem seiner Freunde daS Tribunal verließ, luv dieser mich ein, ihn am Abend in Berryer's wöchentliche Abend-Gesellschaft zu begleiten. „Diesen Abend wird die Gesellschaft zahlreich seyn", sprach er; „denn unsere ganze Parte, werd sich beeilen, unserem Demosthenes Glück zu wünschen.") Außer unseren Freunden werden Sie auch einige Häupter anderer Oppositions-Parteien antreffen." Ich nahm die Einladung mit Freuden an, und jetzt befinden wir unS in Berryer's fast zum Erdrücke» gefülltem Zimmer in der Kus Aeur« se-i petitx-l'tismp». Hier war Ehateanbriand, der mehr von Gebrechen als von Jahren gcbcugte Verfasser des Könie üu «N,r^r,aui>une. Ehateaubriaud liebt Berryer, d. h. er liebt sein kindliches Gemüth, die Liebenswürdigkeit seines Charakters, den Zauder seiner Unterhaltung, den reichen Schatz seines.Esprit und seiner Laune. „Sie können sich nicht aus Berrycr verlassen", sagte Herr H — zu Chateaubriand. — „„Warum nicht?"" — fragte der Vicomte. — „Weil er immer von einem Gegenstände zum anderen fliegt und gar keine Stabilität hat." — „„Das heißt, Berryer ist cin Dichter und schwingt sich empor, statt am Boden zu kriechen"", versetzte Chateaubriand. „„Sie können ihm nicht die Flügel beschneiden; könnten Sie es, so würde ein bloßer Käfig-Vogel aus ihm, der aber nicht einmal sänge."" Chateaubriand hat eben Berryer über den schönen Erfolg seiner heutigen Anstrengung ein Kompliment gesagt. „Nicht ich, sondern unser Prinzip ist Sieger geblieben", ver setzte Berryer. „Nicht mein Klient hat vor den Schranken gestan den, sondern der NoyaliSmus, den Sie, Herr Vicomte, während eines langen und kostbaren Lebens mit so viel Talent und Tugend vertheidigt haben." Jener Geistliche dort ist der Abb« v. Genoude, der trefflich begabte, gelehrte, liefe und beredte Eigcnthllmer und Herausgeber der linrmiv So k'rsnce Wie herzlich schüttelt cr Berryer die Hand! Herr v. Genoude war noch vor wenigen Jahren ein Mann weltlichen Standes und hat erst seit dem Tode seiner schönen und angebcteien Gattin das priesterliche Kleid angezogen. „Die Welt als solche hat keine Reize mehr für mich", sagte Genoude nach diesem herben Verlust zu seinem vertrautesten Freunde. „Sie erschien mir grünend, blumig, lachend, sonnig, und sic war mir theuer. Aber ihre Sonne ging am Mittage unter, und jetzt finde ich diese Welt verödet, kalt, mürrisch, leivenvvll und sündhaft. Ich muß hinführo dem Wesen der Wesen mich weihen, das mir eine reinere Gluth einhauchen, mit eincr nie untergehcnden Sonne meinen Pfad erleuchten kann, das mich nach seinem Rache leitet und seiner Herrlichkeit theilhaslig machen wird." Ich sah ihn öfter, als scinc Frau noch lebte, bald nach der Revo lution von lKM. Er war damals voll Unwillen, Entrüstung und Par tei-Eiser; aber abgeschen von seinen Meinungen, war es cin großer Genuß, seine Deklamationen, Vorhcrsagungcn und Satiren zu ver nehmen. Die «EMto üe kraue« begründete das untcr den Legiti- ') In der Tbat muß man iuqcdcn, daß er «den so, wie einst Demosthenes, eine hoknungswfe Sache venhcwigi.