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318 Eigenthümer der Hütte ein Häuptling oder sonst ein wohlhabender Mann ist, so sieht man hier zugleich ein oder mehrere Kisten, gewöhnlich in Malaiischem Geschmack, in denen er seinen Vorrath von Leinwand und anderen Europäischen Waaren aufhebt. Diese Sachen betrachten sie im Allgemeinen wie ihren Schatz; sie verbrauchen sie selten, wenn sie es vermeiden können. Doch bei festlichen Gelegenheiten wird Alles herausgenommen und auf dem Fußboden an der einen Sette der Stube ausgebreitet, als ein Beweis von dem Ansehen und Reich thum des Hausherrn. Ich war einst bei einer solchen Gelegenheit zugegen, nämlich bei dem Häuptling Anker in Jnuang, wo alle seine Habe, die er meist von seinem Vater geerbt haben soll, so zur Schau gestellt war. Sie bestand aus über IMO Stücken blauer Leinwand, verschiedenen Stücken Bengalischer Musseline, S Europäischen silbernen Eßlöffeln, 21 silbernen Gabeln u. M. Solche Kostbarkeiten, als die eben genannten, handeln sie sich manchmal von frcmven Schiffen ein, wenn der Capitain sie nicht auf eine andere Art zufriedcnstellen kann. Nach Geld sind sic nicht so begierig, außer sie wünschen es zu einem oder dem anderen Schmuck zu verarbeiten; dagegen setzen sie großen Werth auf Waaren, besonders Leinwand. Auf der einen Seite in der Hütte findet man einen Sandhaufen, in welchem einige große Steine ausgestellt find. Dies ist die Zeuer- flelle. Fast alles Kochen wird hier vorgenommen, weshalb auch die Wände ihrer Wohnungen allgemein mit Ruß überzogen sind. Um in diese Häuser zu kommen, muß man auf einer Leiter bis unter den Fußboden steigen, wo eine Luke angebracht ist, die in der Nacht verschlossen wird. Der unterste Theil des Hauses, der nach allen Seiten offen ist, wird nicht zum Bewohnen gebraucht, sondern um darin Vorrath, Holz, Calberafrüchte, die einige Zeit liegen müssen, und das Vieh aufzubewahren. Einundzwanzig oder einuud- dreißig Familien wohnen gewöhnlich zusammen, so daß ein Dorf, das höchstens 12 solche Häuser hat, eine Volksmenge von 7» In dividuen enthalten kann. Herr Rosen giebt uns folgende Schilderung von seinem Besuch auf einer der Nikodarischen Inseln, Bambok, und seinem Aufenthalt hier in dem Hause deS Häuptlings: „Früh am Morgen verließen wir den Hafen und erreichten Bambok um 4 Uhr Nachmittags. Diese Insel hat eine bedeutende Höhe und fällt sehr steil in die See hinab. Ihr einziger Landungsplatz ist auf der Westküste, wo das Dorf liegt. Ich vermuthe, daß die Insel vulkanischen Ursprungs ist, denn die Küsten sind ganz mit einer harten Steinmaffe umgeben, die dicht am User abbricht, als wenn sie ursprünglich fließend gewesen, aber plötzlich im Wasser erstarrt wäre. Vor dieser Steinmaffe liegt ein Sandboden, doch dieser fällt sehr jäh ab, so daß man ganz dicht an der Küste eine Tiefe vou 81 Faden Wasser findet. Terassa hat dieselbe Naturbcschaffenheit. Chirurg Christens und ich gingen ans Land und setzten uns unter einigen KokuSbäumen, um Mahlzeit zu halten; wir waren aber bald von allen Neugierigen des Dorfes umringt. Der Häupt ling lud uns in sein Haus ein, und wir bestimmten uns, darin Quartier zu halten. Wir fragten nach Marlborough, hörten aber, daß er Häuptling von dem Dorfe Lakoi auf Terassa wäre. Wenn uns also die Nikobaren früher ihn als Häuptling von Bambok nannten, so geschah es, weil der Name dieser Insel von ihnen oft als Benennung für beide gemeinschaftlich gebraucht wird. — Die Wohnung des Bambokschen Häuptlings war eine von den größeren Nikobaren-Häufern, so daß es uns nicht an Platz fehlte, obgleich wir die Anzahl der Gäste bald beschwerlich fanden; denn Groß und Klein strömte herein, um unS zu sehen, und dies dauerte bis nach Mitternacht. Zuletzt ließ man uns Ruhe; die Fallthür im Fußboden, durch welche man hinaufsteigt, wurde verschlossen, die Lampe geputzt und mit mehr Schweinefett versorgt, um die ganze Nacht hindurch zu brennen, und die Familie breitete nach und nach ihre Matten zum Nachtlager auS. Ich hatte kaum angefangen, einen kurzen Schlum mer zu genießen, als ich aufs neue durch das Oeffnen der Fallluke gestört wurde. Einige andere Mitglieder der Familie, die vermuth- lich auf Jagd, Fischerei oder Besuch gewesen waren, kamen jetzt zu rück; sie suchten sogleich den Platz in der Nähe der Feuerstätte auf, wo das Caldera-Brod in einer Schlinge an einem Querholz deS Daches hing, schnitten ein Stück ab, setzten, nachdem sic cs verzehrt, eine Surut-Zigarre in den Mund, nahmen einige Züge aus den aufgehangenen Aokusschalen, die mit dem berauschenden Tobdi ge füllt sind, und krochen dann auf ihren Schlafplatz. Zwei oder drei Wiederholungen solcher später Heimkehr waren hinlänglich, um mich den übrigen Theil der Nacht wach zu erhalten; ich setzte mich auf meiner Matte aufrecht und vertrieb mir die Zeit mit Rauchen von Suruten, bis der Tag graute. (Der vorgenannte Toddi ist ein Hindustanischer Ausdruck, welcher den vom Blüthenstengel des Kokus- daumes herausträufelnden Saft bezeichnet, der in Gährung über gegangen ist; man nennt ihn auf Dänisch Spre, welches ein ver dorbenes Sanskrit-Wort ist.) Die Nikobaren haben die sonderbare Sitte, daß sie in der See vor den Dörfern, ungefähr 180 Schritt vom Ufer, Stangen in einer Höhe von etwa M Fuß gufrichten, an welche sie große Büschel einer langen Grasart in Zwischenräumen von einander binden. Die Ab sicht dabei ist vermuthlich, daß diese Stangen, die durch ihre Weiße und dürch die angehängten Bündel etwas Abstechendes gegen den dahinterliegeuden dunklen Wald haben, als Kennzeichen dienen sollen, um die Dörfer in einer Entfernung zu finden, in der man die Häuser nicht sehen kann. °) (Schluß folgt.) ') Nack den jetzt bekannten Vorfällen kann es auL ein verrätherischeL Zeichen bei Anwesenheit eines fremden Schiffes se«n. Frankreich. Die Freischütz-Sage in Frankreich. (Fortsetzung.) Fürs erste, meine Kinder, begann Mouny Robin, man muß während des Hochamts auf die Jagd gehen, wenn dies Euer Ge wissen erträgt. Das riecht nach dem Zauberer, dacht' ich; doch wir gingen, als die Glocke des Dorfes die Gläubigen zur Kirche rief, und dies sicherte uns wenigstens vor lästigen Konkurrenten. Das ist zu früh, sagte Mounp Nobin. Lassen Sie alles Volk erst ver sammelt seyn, bevor der erste Schuß fällt; es darf uns weder ein Mädchen, noch eine Frau begegnen. Trotz seiner Vorficht und ungeachtet wir, dem Zauberer zu Gefallen, dessen Umschweife uns ergötzten, um jeder Begegnung mit irgend einer Bäuerin, die sich auf dem Kirchgänge verspätet hatte, aüszuweichen, große Umwege machten, so standen wir doch plötzlich einer Schäferin gegenüber, die ihre Heerde in einem Winkel der Wiese hülete. Da sie uns nicht entgegcnkommt, sagte mein Bruder, kann man dies keine Begegnung nennen. Das gilt gleich, sprach Mouny; es ist sehr schlimm, und das Glück ist wider uns. Wir werden zwei Stunden umherziehen, ohne Etwas zu erlegen. In der That, zwei Stunden gingen vorüber, ohne daß wir ein Thier gefällt hätten. Da du ein Zauberer bist, sprach ich, so solltest du, anstatt die bösen Begegnungen zu beschwören, dir vielmehr Kugeln verschaffen, welche stets treffen. Man sagt, Gcorgeon zieht dergleichen seinen Freunden. Glauben Sie an Georgeon? sprach er, indem er die Achseln zuckte. Ich betrachte Alles, was man von ihm sagt, nur als Mähr- chen, die erfunden sind, um die Kinder zu schrecken. Aber weshalb scheust du dich vor Begegnungen? weshalb jagst du während der Messe? weshalb glaubst du an Glück und Unglück in der Jagd? Schelm, antwortete er, du sprichst von Dingen, die du nicht verstehst. Wie es bei der Jagd zugcht, begreift Niemand; doch es giebt Glück und Unglück bei ihr, das steht fest; mehr kann ich dir nicht sagen. Hab' ich dir's nicht gesagt, wir würden zwei böse Stunden haben? Sie sind vorüber; du siehst eS an der Sonne. Wohlan denn! dort auf dem Baume ist eine Elster. Treff' ich sie, so ist das Glück uns günstig; fehl' ich sic, so thun wir besser, um zukehren, denn alsvann schien wir heute beständig. Er schoß die Elster herab. Hebt sie nicht auf, berührt sie nicht, rief er uns zu. Sie dient nur dazu, das Unglück von uns zu wenden. Ach so, die Schäferin hat unS also bchcrt? fragte ich. Nein, sprach er, es giebt weder Zauberer noch Zauberinnen; doch sie äußerte einen verderblichen Einfluß auf uns. Sie kann nicht dafür. Jetzt ist der Einfluß aufgehoben; wir werden zwei Rebhühner am weißen Kreuze finden. Wie? eine halbe Meile von hier? sprach mein Bruder. Ja wohl, erwiederte Mouny, ein Männchen und ein Weibchen! Sie können schießen, wie Sie wollen; diese Rebhühner werden Wie tödten; ich bestimme sie für Sic. Wir fanden sie an dem bezeichneten Orte, und mein Bruder tödtete sie. Jetzt werden wir eine halbe Stunde lang Nichts erblicken, sagte er; nehmen Sie Ihre Uhr zur Hand. Die halbe Stunde verstrich. Ich will einen Hasen schießen, sprach er; ich muß ihn schießen, diesen Teufel von einem Hasen! Der Hase kam in solcher Entfernung vorüber, daß mein Bruder rief: Schießt nicht, es ist umsonst, er ist außer der Schußweite. Der Schuß fiel. Mag er ein Zauberer seyn, wie er will, sagte mein Bruder, den schießt er nicht; das ist rein unmöglich. Such', Ragest! rief Mouny seinem Hunde zu. Ja, ja, such'! sagte mein Bruder und lachte. Rageot flog wie ein Pfeil; es war ein schöner langhaariger Jagdhund, weiß, mit zwei gelben Flecken. Er schwamm über den Fluß, denn Mouny hatte hinüber geschossen, beschnupperte die Ge sträuche, stieß einen Freudenschrei aus, mmhlte sich in ein Dorn gebüsch hinein und brachte den Hasen, der von Mouny's Kugel durchbohrt war. Wahrhaftig, ich fing zu glauben an, daß Georgeon hierbei im Spiele scy. Er sprach mehrere, andere Prophezeiungen auS, die zutrasen, wie die früheren. Auf dem Rückwege schlug unser Hund Mevor auf einen Schwarm von Rebhühnern an. Lassen Sie mich darunter schießen, sagte Mouny, indem er meinen Bruder zurückhielt; wir bekommen mindestens sechs. Er schoß sieben. — Pah! sagte er, indem er sie zusammenraffte, das war zu wohlseil gekauft. Wenn er nicht ein Zauberer oder Teufel ist, sagte ich zu meinem Bruder, als wir heimgckehrt waren, so hat er doch einen geheimen Kunstgriff, von dem ich nichts ahne. KeineswegeSj erwiederte mein Bruder; er hat die Fährten des Wildes so ausgespürt, daß er alle Schlupfwinkel, alle Gewohnheiten desselben kennt. Die wilden Thiere leben sehr regelmäßig, und es genügt, sie einen Tag mit scharfer Beobachtung zu verfolgen, um für alle übrige Tage das Nöthigc zu wissen. Aber der Hase außer der Schußweite? Sein Gewehr trägt weiter als die unseren. Aber die sieben Rebhühner? Er hat in «den dichtesten Haufen geschossen. Auch bestreit' ich nicht, daß er geschickter ist als wir. Aber seine Vorherverkündigungcn?