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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pninumeration«- Prcis 22^ Sgr. Tblr.) vierteljährlich, 3 Thtr. sür da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wokllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 80. Berlin, Montag den 5. Juli 1841. Ostindien. Die Bewohner der Nikobaren-Inseln, von Rosen. Die Nikobaren haben den Zeitungen zufolge kürzlich ein Eng lisches Schiff, das bei ihnen Gastfreundschaft suchte, auf eine sehr hinterlistige Weise überfallen und den größten Theil seiner Mann schaft umgebracht. Nur drei Mann retteten sich aus einem Boot und stießen glücklich auf ein anderes Englisches Schiff, das sie zu Hülse riesen. Als nun die Wohnungen der räuberischen, aber geflüchteten Bevölkerung durchsucht wurden, fanden sich allerhand Gegenstände von anderen Europäischen Schiffen, die wahrscheinlich hier öfters dasselbe Loos erfahren hatten. Daß diese Inseln, mitten im Bengalischen Meerhusen, also in vieler Beziehung äußerst wichtig für die Schiff fahrt gelegen, in einem noch so wilden und unbesuchten Zustand ver bleiben konnten, rührt nur daher, weil Dänemark eine Oberhoheit über sic in Anspruch nimmt, obgleich es, außer ein paar Unter suchungen derselben, sie nie besetzt hat und überdies die sämnitlichcn Dänisch-Oftindischcn Besitzungen dem Mutterlande schon lange eine bloße Last sind. Jene Plünderung wird jetzt, wie verlautet, die Ur sache zu Unterhandlungen, nach welchen die Inseln künftig in Britische Hände übergehen sollen, und sie müssen dann schon wegen ihrer Lage jedenfalls einmal Bedeutung erlangen. Es dürfte darum im gegen wärtigen Augenblick nicht uninteressant sepn, etwas Näheres über ihre Bewohner aus des Dänen Rosen Besuch dieser Inseln zu erfahren, einem Buche, das im vorigen Jahre zu Kopenhagen erschien und das wahrscheinlich die einzige umständlichere Beschreibung von ihnen ent hält, die ihnen je zu Theil geworden ist. Abstammung der Bewohner und ihr Aussehen. Die Nikobaren wissen nichts von ihrem Ursprung. Doch findet man eine kindische Mythe unter ihnen verbreitet, die ich hier anführen will, um ein Beispiel von ihren Fadeln zu geben. Sie erzählen nämlich, in den ältesten Zeiten habe eine Ucderfchwemmung stattgesunden, bei der alle Menschen und Thierc ihren Tod fanden. Nur ein Niko- bare rettete sich, indem er einen Baum an dem höchsten Punkte auf der einen ihrer Inseln, Loang, bestieg. Als das Wasser fiel und er herabkam, fand er kein anderes lebendes Wesen, als eine Hündin; und diesem Paare Haden die jetzigen Nikobaren ihren Ursprung zu verdanken. Uebrigens scheinen die Nikobaren nicht die ersten Bewohner -u sepn, die diese Inseln bevölkert haben. Im Innern der Insel Groß-Nikobar soll sich ein wilder Volksstamm finden, der aller Wahrscheinlichkeit nach älter als jener sepn muß. Die Nikobaren betrachten sich selbst weit erhaben über diese Wilden, die sic mit Affen vergleichen. Nach ihrer Aussage kennen sie den Gebrauch von Kleidern und menschlichen Wohnungen nicht, sondern halten sich wie Thierc in den dicksten Wäldern aus, fürchten sich vor dem Anblick anderer Menschen und kommen nie aus ihren Schlupfwinkeln hervor, außer »m nach Nahrungsmitteln auSzugchcn, die sie bisweilen aus den Häusern der Nikobaren zu rauben versuchen, wenn sie merken, daß sic verlassen sind. — Die Umstände erlaubten mir nicht, diese Insel zu untersuchen oder andere Aufklärung zu erhalten, als die ich bei einzelnen Nikobaren sammeln konnte, welche jedoch selbst diese Wilden nicht aus eigener Erfahrung zu kennen schienen. Die Hautfarbe der Nikobaren fällt etwas ins Kupferrothe und hat viel Ähnlichkeit mit der der Malaien. Sic sind ziemlich vier schrötig von Bau und gewöhnlich unter S Fuß Höhe. Einzelne haben wirklich athletische Formen; die Schlankheit und Zierlichkeit, die man bei den meisten anderen Rationen findet, sucht man bei den Niko baren vergebens. Sie haben nicht die Gewohnheit, wie andere wilde Völkerschaften, ihre Körper zu punktircn oder zu tättoviren; dagegen reißen alle Männer ihren Bart aus und die meisten, vornehmlich alle Frauenzimmer, rasircn die Haare auf dem Kopf. Beide Ge schlechter bohren Löcher in ihre Oberlippen, die sic zuerst mit Hülfe eines Holzes, nachher mit dem elastischen Mark gewisser Pflanzen erweitern; doch hängen sie nie Schmuck hinein, sondern eine Surut (Zigarre) nimmt gewöhnlich diesen Platz ein. Aber den größten Fleiß verwenden sic auf ihre Zähne, um ihnen die Farbe und Form zu geben, die sic — nach ihren Begriffen von Schönheit — für eine Pollkommcnheit ansehcn. Wenn die Niko baren ein gewisses Alter erreicht haben, färben sie ihre Zähne schwarz, welches sie leicht bewirken, indem sie sic mit den, Saft von einigen scharfen Kräutern reiben und beständig unreife Arekanüsse kauen. Außerdem feilen die Männer ihre Vorbcrzähne, damit die scharfe Feuchtigkeit jener Nuß sich besser einätzen soll, wodurch die Zähne gleichsam erweicht werden und wirklich aufschwellen; sic fahren dann fort, sie nach außen zu pressen, und bringen es zuletzt so weit, daß sowohl Ober- als Unterzähne über die Lippen hcrvorragen, wie Hau zähne, von der Dicke eines Daumens und mit einer rauhen Ober fläche, so daß es aussieht, als wenn sie doppelte Lippen hätten. Denkt man sich nun diese Zähne mit den Spuren der gekauten Betcl- dlättcr belegt und von dem sich einätzenden Kalk eine rothe Farbe annehmcnd; stellt man sich den großen Mund mit Lippen vor, deren Haut durch das häufige Betelkauen hart wie Leder geworden ist; die vorstehende Unterlippe, die platte Nase und die mit rothem Ocher und Schweinefett stark eingcriebenen Wangen — so wird man sich leicht einen Begriff von dem schönen Aussehen eines Nikobaren- Gesichts machen können. Jhe Kleidung verräth völlig den barbarischen Zustand, in dem sie sich noch befinden. Eigentlich gehen die Männer ganz nackt; denn der schmale blaue Leinwandstretfen, den sic um die Hüsten bin den und hinten festknüpfen, wo er in Form eines Schwanzes herab hängt, — bedeckt Nichts; er scheint keine andere Bestimmung zu haben, als zu einer Art Putz zu dienen. Um den HalS, die Arme und die Knöchel tragen sic dicke silberne Ringe, welche ihnen gewöhnlich die Malaien bringen; aber oft ver fertigen sie sie auch selbst, bloß indem sie einen Piaster auShämmern. Diejenigen, welche langes Haar haben — welches die meisten Männer bis zu ihrem zwanzigsten Jahr tragen, wo sie allgemein den Kopf rasiren — legen einen dünnen, breiten, silbernen Ring um das Haupt; in Ermangelung eines solchen nehmen sic den inneren zähen Bast einer Art Bäume, den sic auch um die Knöchel binden. Wenn sie entweder zu einem Feste gehen oder von einer Arbeit im Walde kommen, binden sie sich gewöhnlich Kränze von verschiedenen Blättern um den Kopf und andere Theile ihres Leibes. Sowohl Junge als Alte übermalen ihre Gesichter mit rothem Ocher, der in Schweine fett gerieben ist. Sie sind zwar sehr begierig nach Europäischen Kleidern, die sic auch ziemlich theucr bezahlen; doch betrachten sie sie als keine Nothwcndigkeit, sondern nur als ein Mittel, ihre Per son auszuzeichnen, weshalb der Eigenthümer solcher Kleider sie ge wöhnlich anzieht, wenn er Besuch auf einem Schiffe oder bei einer Person von Bedeutung ablegen will- Aber zu Hause, bloß unter sich und bei ihren Arbeiten, kleiden sie sich nie an. Die Frauenzimmer hüllen ein Stück Zeug, meistens blaue Lein wand, um ihre Hüften; dies geht bis auf die Kniec herab, läßt aber den obersten Theil des Körpers unbedeckt. Nur bei einzelnen Gelegen heiten bedienen sic sich einer Kleidung, der ähnlich, welche die Hindu- Frauen gebrauchen, und die den größten Theil der Person verbirgt. WohnungS- und Lebensart. Die Häuser der Nikobaren baden eine auffallende Aehnlichkcit mit Bienenkörben; in einiger Entfernung gesehen, haben sie ein elendes Ansehcn, aber wenn man näher tritt, findet man sic viel größer, und untersucht man den inwendigen Bau, so entdeckt man eine gewisse Kunst und Verstän digkeit in ihrer Zusammensetzung. Sic sind aus Pfählen gebaut, von denen 10 bis 12 in den größeren Häusern bestimmt sind, das Dach zu tragen. Diese sind alle aus den dauerhaftesten Holzarten, gut zugehaucn und werden in einem regelmäßigen Kreis aufgestellt, dessen Durchschnitt ungefähr 30 Fuß ausmacht. Innerhalb derselben setzen sie eine kleinere Reihe von 8 bis IO Pfählen, auf welchen der Fußboden des Hauses ruht, der aus Brettern verfertigt ist und ti Fuß über der Erde liegt. In der Höhe darüber, auf die äußerste Reihe Pfähle gestützt, wird ein starkes Netzwerk von dünnen biegsamen Latten, meist Bambus, dickem Ratang u. dergl. ausgesührt. Dies Alles wird gemeinschaftlich mit Natangflechtcn zusammengcbundcn und bildet eine ovale, vollständige Kuppel, zwischen deren Gipfel und dem Fußboden der Abstand in den kleineren Häusern IS und in den größeren 20 bis 2S Fuß sepn kann. Um diese Kuppel haltbarer zu machen, sind mehrere Querhölzer von der einen Seite bis zur anderen angebracht. Das Ganze wird mit Atap-Blättern gedeckt. An dem niedrigsten Theil der Kuppel, wo dieselbe an den Fußboden anstößt, sind kleine Bretter von der Weite eines Fußes angebracht, die wie Fenster geöffnet werden können. Man findet nur sehr wenig Gcräthschaften bei den Niko baren, die in dieser Hinsicht so genügsam sind, wie die Hindus. Der Fußboden wird hier, wie bei Jenen, zu Stuhl und Tisch gebraucht. Einige Matten, um darauf zu schlafen, einige wenige Thongefäße zum Kochen, etliche Jagd- und Fischgeräthe — sind die Dinge, die man gewöhnlich in der Hütte eines Nikobaren findet. Aber wenn der