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Wöchentlich erscheinen dr-I Nummern. PränumerationS- Preis 22^ Sgr. (j Thir.) vierteljährlich, 3 Thlr. für VsS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der PrciMcher. Monarchie. Magazin für die Ma» pränumerirt auf dieses Lüeranir-Llatt in Perlin in der ErreLüion der Ava. Pr. SlaatS-Zeirung sFriedrickesir. Rr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wobllöbl. Post-Acmiern. Literatur des Auslandes. .-U 7Z Berlin, Freitag den 18. Juni 1841 Ostindien. Die Empörung der Spahi's in Vellore. °) Von einem Augenzeugen. Seit dem in der Ueberschrift bezeichneten schrecklichen Ereignisse, das in der Geschichte Ostindiens, seitdem die Briten dort herrschen, wohl ohne gleichen ist, ssnv nun beinahe volle 3» Jahre verflossen, und doch ^at es der Zufall so gefügt, daß wir seht erst eine um ständliche Schilderung davon erhalten. Diese ist aus vcr Fever ves Militair-Wundarztes, l)r. John Dean, geflossen, der mit seinem bereits verstorbenen Kollegen, Or Jones, von Anfang bis z» Ende Zeuge der blutigen Katastrophe gewesen und an dem Kampfe thätigen Theil genommen hat. Die Veranlassung dieses Aufstandes erfahren wir nicht; vielleicht war er nur eine Tvdcszuckung des thatkräftigcn Patriotismus der Hindu's, ein letzter, zwar sehr vereinzelter, aber um so verzweifel terer Versuch, das damals noch nicht so gewohnte Joch der auslän dischen Beherrscher abzuschütteln. Das ruhmwürdige Benehmen des »r. Dean an jenem heißen Tage ist durch unverwerfliche Zeugnisse festgestellt, und seine hier folgende schlichte Erzählung zeugt schon wegen der anschaulichen Lebendigkeit ihrer Details, hei sehr lockerem Zusammenhang und ziemlich verwahrlostem Stile, von der Unmittelbarkeit der Eindrücke ves Verfassers, der es seinen Lesern überläßt, sich einen übersicht lichen Standpunkt selbst zu wählen. Die Garnison von Vellore stanv damals unter dem Befehle deck Obersten John Fancourt vom Lasten Acgimcnte. Es waren a Eompagmeen des Königlichen Ollsten Regimentes; » Eompagnieen vom Isten Bataillon des lsten Spahl-Regimentes"): das 2te Ba taillon des Listen Regimentes Infanterie jedenfalls Spahi's) und einige invalide Europäische Artillerie. Die Gesammtzahl der einge- bornen Soldaten in der Festung betrug etwa GW Mann. Von einer Mißstimmung der Letzteren war durchaus nichts bekannt, und die Ereignisse ves 10. Jul! iXtM kamen so unerwartet und ungeahnt, als nur irgend sonst etwas. Ich batte den Abend vorher bei meinem Chef, dem Obersten Mackerras, gesveist; und als ich darauf über den Parabc-Play nach Hause ging, sand ich eine ungewöhnliche Heiterkeit im Palastc. Der Mahall"°) war lllumiuirt, eine festliche Musik ertönte, und ich ließ mir nicht träumen, daß die Hand, die ick noch vorhin freundlich gedrückt, m wenigen Stunden und nicht weit von dem Orte, wo ich stand, so kalt wie der Tod seyn würde. Am Morgen des ll>. Juli weckte mich ein Gewehneuer vor meinem Hause. Ich eilte ans Fenster und sah mehrere Leute in weißen Jacken hin und her laufen. Wenige Minuten später kamen zwei junge Offiziere van vemselben Bataillon, zu dem ich gehörte (die Lieutenants Winship und Zoll-), in meine Wohnung und sagten mir, sic vermutheten, vas ollste Regiment scp auSgerückt unv feuere auf die Spahl's. Ich äußerte ihnen meine Absicht, sogleich mich an zukleiden und mit ihnen nach den Kasernen der Spahi's zu gehen, da wir ohne Zweifel bald die Trommel hören würben, die zu den Waffen riefe; sie entgegneten mir aber, daß sie gleich wieder nach Hause gehen wollten, indem sie überzeugt seyen, ihre Leute würden sie beschützen, was auch Vorfällen möchte. Dann eilten sie wieder fort. Einen Augenblick später — ich zog eben meine Stiefeln an — kam Lieutenant Cutcliffe vom lsten Regiment und sagte mir, er scp in die Schulter geschossen worden; als das Schießen in der Rähe seines Hauses annng, habe er aus vcm Fenster sehen wollen, und in demselben Augenblick habe ein Spahi nach ihm gefeuert. Die Kugel war ihm durch die linke Schulter gefahren, unv seine Verletzung war ') Vellore lWellphr) liegt im Süden der Indischen Halbinsel, in .der langen und schmalen Landschaft Karnatik, deren Saum die Küste Koro mandel helnt. Die Entfernung der Stadt von dem östlich und am Meere lieqcnden Madras betragt unaesahr stv Engl. Meilen- "1 Das Wort Sevou ist nichts Anderes, als eine kleine Verderbung von Sp-Hi oder Sloahi, was im Persische» und Hindostanischen zunächst Reiter und dann Truppen überhaupt bezeichnet; daher z- P. Sipahdär, Che, einer Armee. Mahall (Ort des Verweilens und Srt überhaupt) gehört zu den Arabischen Wörtern, die mit dem Islam nach Ostindien gekommen sind. ES ist hier augenscheinlich ein öffentliches Gebäude, vieueicht der Palast selbst, »der ein Theil desselben, gemeint. gefährlich. Ich führte ihn durch ein enges Gäßchen hinter meinem Hause in die benachbarte Wohnung ves Bataillons-ChirurguS, Ör. Jones. Dieser sagte uns, es müsse etwas sehr Ernsthaftes vor sich gehen, im nächsten Hause sc-cn mehrere Offiziere versammelt, und wir würden wohl am besten thun, wenn wir Alle zusammen- dlieben. Da Herr Jones keine Instrumente zur Hand hatte, so kehrte ich auf demselben Wege in mein Haus zurück, brachte die nöthigen Instrumente, und Lieut. Cutcliffe's Wunde wurde verbunden. Jetzt begaben wär uns in das nächste Haus, wo der Adjutant des lsten Bataillons (lsten Reg. der Spahi's) wohnte. Hier fanden wir den Capitain M'Lauchlan, drei Subalterne des Ollsten Reg., den Sergeant-Maior Brad- und den Adjutanten Ewing vom lsten Reg. Es waren unserer neun, mit Einschluß unseres verwundeten Gefähr ten. Wie gewöhnlich, war eine Indische Wache, aus einem Korporal unv drei Spahl's bestehenv, im Hause, um die Urkunden des Regi ments u. s. w. zu verwahren. Wir entwaffneten diese Wache so gleich, nahmen ihre Gewehre nebst Munition an uns und luden die Gewehre. Ich bekam eines derselben, und da wir jetzt nicht mehr zweifeln konnten, daß eine sehr bedenkliche Empörung ausgebrochen war, bereiteten wir uns auf das Schlimmste vor. Diejenigen von uns, die keine Gewehre hatten, gürteten Säbel um. Untervcß wurve ras Gewehrfeuer in allen Theilen der Festung sehr heftig, und von Zeit zu Zeit glaubten wir einen Kanonendonner zu nnterschcwen. Wir hörten vas Getrappel ganzer Haufen Leute, die vor dem Hanse über die Straße liefen, und beschlossen, unsere Flurthür halb offen zu lassen, damit wir Jeden sehen könnten, der etwa zum Thor hereinkäme. Bald darauf stürmte wirklich ein Menschentrupp, den wir nach dem Geräusche, das er machte, auf ungefähr 2ll Köpfe schätzten, von der Straße her in die vordere Veranda. Sobald sic in den Flur yereindringcn wollten, gaben wir Feuer; der Haufe stürmte gleich wieder fort und schleppte, wie es uns schien, seine Berwunveten ovcr Tobien mit sich. Wir blieben in unserer Stellung und hörten Nichts weiter von ihnen. ES war noch finster, und nach einiger Bcrathung kamen wir zu dem Ergebnisse, vas erste Haus rechter Hand ldaS des Herrn JoncS) eigne sich besser zur Vertheidigung. Es lag in der Rähe der Kaserne des ollsten Regiments und konnte im Hintergründe besser verthcidigt werden. Wir versuchten mehrmals, mit dcm Ollsten Regiment in der Kaserne in Verbindung zu treten; allein das ganze Gebäude war von insurgirlen Spahi's umlagert, und alle Versuche fcheiterten. Endlich graule der Tag, und wir hörten große Trupps von Spahi's, die hinter unserem Hause ad und zu patrouillirtcn. Als es schon ganz hell geworden war, horten wir, wie ein großcr Haufe ver Empörer über vie Mauer vcr Außengebäude hercinsticg, und rüstetelen uns zur Vertheidigung. Rur Eine Thür war im Hintergründe unseres Gemachs, und eine nach vorn, die durch den Flur auf die Straße führte. Sobald wir die Spahi's über die Maner steigen und heran- kommcn sahen, drückten wir unsere Gewehre gegen sie ab und ver- theidigten den Eingang. Sic drangen uns so schnell zu Leibe, daß wir nicht zum zweiten Male laden konnten; so zogen wir, die Em pörer mit Säbeln und Flintenkolben von uns ckbwehrcnd, nach der vorderen Veranda zurück, während sie gegen uns feuerten. In dem Handgemenge am Eingang war ich niedcrgeworsen worden und hatte meinen Hut verloren. Unterveß riefen uns Leute vom Ollsten Regiment aus den Fen stern ihrer Kaserne, wir möchten zu ihnen hcrüberkommen. Als wir dies thaten, folgten die Empörer unS in die Veranda nach, hörten aber auf, zu fchießcn, da die Soldaten des Ollsten Regiments aus verschiedenen Fenstern der Kaserne einen Hagel von Kugeln ge gen sie schickten. Wir gelangten Alle unbeschädigt und mit unserem verwundeten Kameraden durch ein Fenster in die Kaserne. Hier erfuhren wir, sämmtliche Soldaten von der Hauptwache sc-en ermordet, drei Kanonen aus dcm Zeughause in Vie alte Kaserne gebracht — zwischen dieser und ver Kaserne des Ollsten Regiments lag ein schmaler, wenige Fuß breiter Weg — von wo man mit großen unv klemcn Kugeln beständig gegen das Miste Regiment gefeuert habe; die Fahne von M-sore se- aufgepfianzt worden; große Jnsurgenten- Haufen hätten sich nach dem Ouartier der Offiziere begeben, um sie zu ermorden^ und die ganze Festung befände sich in den Händen der insurgirten wpahi'S. In der Kaserne herrschte gräuliche Verwirrung. Dir Soldaten