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3tt8 Erziehung, als der Natur zugcschrieben würde, so würde der Be weis der Gleichheit wenigstens in denjenigen Beispielen sichtbar seyn, in welchen die Erziehung den geringsten Einfluß hat. Hierher gehört jene wunderbare Fähigkeit, welche Genie genannt wirb, und welche, wenn sie im höchsten Grave vorhanden ist, unbestreitbar von dem Einfluß der Erziehung unabhängig ist und sogar durch keine Hindernisse gewöhnlicher Art unterdrückt werden kann. Wenn daher die Natur die geistigen Kräfte unter beide Geschlechter gleich vertheilt hätte, so könnten wir mit Recht erwarten, daß vie Zahl der Frauen von ausgezeichnetem Genie, — von Frauen, welche den höchsten Rang in der Literatur und Kunst erreicht haben, eben so beträchtlich gewesen seyn würde, als die der Männer. Doch wie stellt sich jetzt das Verhältniß? Wir wollen keine strenge Prüfung anstelle»; wir wollen nicht nach jenen großen Autoritäten des weiblichen Geschlechts fra gen, welche in den Kriegs- unv Regierungs-Künsten den höchsten Ruhm erlangten; Venn vie Ausübung solcher Künste verträgt sich nicht mit der Weiblichkeit. Wir suchen bloß die berühmtesten Frauen aus dem ruhigen und stillen Felde der Literatur unv ver Kunst, vie von Frauen eben so gut getrieben werben können, als von Männern. In ver Erziehung der Männer liegt nichts, bas sie besonder« geschickt machen könnte, sich hierin auSzuzcichnen. Wir wollen sogar noch die Wissenschaft bei Seite lassen, damit man uns nicht für zu streng halte, und wollen zu unserer Basis nur die Poesie unv die schönen Künste wählen, in welchen, wie man a priori vorauSsetzcn sollte, das lebhaftere Temperament, die regsamere Phantasie unv ver edlere Geschmack der Frauen ihnen eine unbestreitbare Uedcrlegcnheit über die stärkeren Nerven und die gröbere Constitution der Männer ge ben müßten. Und doch, — obgleich gebildete Frauen sehr gut über schöne Literatur, ja vielleicht besser als die Mehrzahl ver Männer, sprechen und obgleich viele zu allen Zeiten Lcrsemacherinnen ge wesen sind, und obgleich »ach dem Sprüchwort der Dichter „gebo ren und nicht gemacht" wird, und obgleich in den Gewohnheiten der Frauen nichts liegt, was, wie die ernsteren Beschäftigungen der Männer, ihr poetisches Feuer dämpfen oder ihre Begeisterung stören könnte; — doch wo ist die Dichterin, die, ich will nicht sagen, ein unparteiisches, sondern sogar ein parteiisches Urthcil mit Shake speare, Spencer, Milton, Drpden, Bpron in gleiche Linie stellen würde?") Frauen haben, besonders in England, so viel und so gut geschrieben, baß sie vavurch beweisen, daß ihnen die Natur vie Anla gen zur Poesie nicht verweigert hat; es giebt nicht wenige (von de- nen einige noch jetzt leben), welche mit einem gewissen Grad von Kraft und Schönheit geschrieben baden, ver, wenn er sie auch nicht auf die höchste Stufe stellen oder einen starken Eindruck auf dess öffentlichen Geschmack hervorbringen kann, sie doch weit über den verächtlichen Cbarakter der Mittelmäßigkeit erheben sollte. Dies ist daher ein schönes Feld für ihr Streben; dies ist ein guter Boven, auf welchem die Frage über natürliche Ueberlegenheo cntschieven werven kann. Dennoch ist in dieser unbedeutendsten männlichen Per- standeSübung vom Weibe nie der höchste Rang erreicht worden, ob gleich es sich mit Glück darin schon ausgezeichnet hatte. Wir wollen zunächst zur Malerei unv Musik übergehen. Dies sind Künste, welche meistens von Eigenschaften abzuhängen scheinen, die mehr Attribute des weiblichen Charakters, als ver ernsteren und weniger empfindsamen Natur des Mannes sinv. Sie eignen sich weniger zu dem gewöhnlichen Streben und Beruf der Männer, als der Frauen; unv vurch den Einfluß der Erziehung fallen sie, beson ders in England, nuistens dem Weibe zu. Gegen zwanzig Mädchen, bei denen Musik unv Zeichnen ein Theil der Erziehung ist, wlrv man kaum einen Knaben finden, bei dem dies der Fall wäre. In anderen Ländern mögen die Unterschiede unbedeutender sepn; aber immer wird man finven, daß diese Künste mehr von Frauen auS- geübt werden, und nicht etwa aus bloßer Liebhaberei, sondern als Brodstudicn, und zwar mit allem Eifer, den daS stärkste Sclbst-Jnter- effe einflößen kann. Doch wo sinv vie großen Namen? ES hat viele Männer als Maler unv Komponisten gegeben, veren Namen viel leicht eben so lange fyrtlcben werden, als vie schönen Künste, m denen sie sich auszeichneten, für einen wichtigen Theil der unschuldi gen Vergnügen der civilisirten Gesellschaft werden gehalten werven. Jedoch von welcher Frau kann man dasselbe sagen? Wir können keine einzige neunen, deren Ansprüche auf solche Auszeichnung vurch vie öffentliche Stimme bestätigt worden wäre. DaS sinv ganz unleug bare Tbatlachen; unv wir sehen nicht ein, wie wir den unvermeid lichen Schluß umgehen können, daß selbst in Viesen Fächern ver Gei stesfähigkeit, welche der Nalur, Erziehung unv den Bestrebungen des WeibeS so sehr angemessen sind, kein Weib jene Höhe erreicht, zu welcher die Ueberlegenheit des Mannes ihn manchmal erhebt. (Schluß folgt.) 's Bei oberflächlicher Ansicht dieser Behauvtung konnte man den Einwurs erbeben, da» wobt el>er tausend Männer, die sich der Dichikunfl hingeben, eine» «hakesvearc n. s. w. in ihrer Mitte haben können, als zehn Frauen, die im Dcrhattniß zu tausend Dichtern Dichterinnen, eine so hervorragende Eeledrikat^n ihrem kleinen Kreise haben können. Zndesi verhalt eS sich doch von Natur anders. Hat das Weib auch noch so viel Talent für Poesie, noch so viel Sinnigkeit zum Reflektier», noch so viele Kewandtheit und Anmutl, zum Darfletten, iv wird ihm dennoch die schövserische Genialität und ersinde. rische Krast in eingeschränktem Grade zuzuerkcnnen se»n. Kleine lyrische Sruszer, wenn auch voll intensiver Gluth, wie bei der einzigen Savvho, mag ein Weib wohl dichten i Idyllen, Novellen, Romane, recht viele, zarte und liebliche z aber das echte nationale Evos, so wie Tragödie und Komödie, wird ihm ewig verschlossen bleiben. DaN es nicht an Mannern gesehlt, welche der Frau von Start so lange Mit der Versicherung schmeichelten, San sie Berus zum Höchsten i» der Philosophie und Dichtkunst hatte, dis sie selber unwider- legiim daran glaubte, kann uns nicht irre fuhren- Vergleiche Rosenkranz Studien, tster Thi S- M. Der Uebe rs. Mannigfaltiges. — Deutsche Prosa in England. Mistreß Sarah Austin, die bereits vurch mehrere elegante unv mit Vorliebe von ihr ausge führte Uebcrsetzungen Deutscher Werke einen Anspruch auf unsere Achtung unv Theilnahme besitzt, hat sich einen neuen erworben durch Zusammenstellung unv Herausgabe einer Auswahl von Gedanken und Bemerkungen aus den besten Deutschen Schriftstellern in Eng lischen Uebertragungen, unter dem Titel: „Bruchstücke aus Deutschen Prosaisten."") ES sind in diesem Buche geistvolle Proben nicht bloß von unseren bekannteren Schriftstellern, wie Lessing, Goethe, Jean Paul, A. W. v. Schlegel, Bettina und Anderen, sondern auch von minder bekannten, wie v. Knebel, Isaac Jselin, Heinse, Hamann, Hippel rc-, mitgelheilt, denen die Uebersetzcrin biographische Notizen über ihr Leben, so wie kritische Anmerkungen über ihre Werke, hin zugefügt hat. Von der Art der letzteren mögen nachstehende Aus züge aus den Noten der Verfasserin in Bezug auf Goethe als Probe dienen: „In England", sagt sie, „giebt es noch viele Leute, die, wenn sie von Deutscher Literatur reden ober sogar schreiben, immer Goethe und Kotzebue zusammenstellen, was einem Deutschen Ohre gerade so klingt, wie vem unsrigen, wenn Jemanv die Namen Shake speare und Colman zusammenstellen wollte. Andere sprechen von Werther, dieser fruchtbaren Quelle des Lächerlichen, al« ob Goethe nichts Anderes geschrieben hätte. Wieder Andere denken sich ihn bloß als den Verfasser des „Faust", dieses unübersetzbaren Gedichtes, das jeder Engländer übersetzt. Um aber einen Begriff von Goethe's Verdiensten zu bekommen, muß man seine kritischen Bemerkungen über Literatur und Kunst und seine Urtheile über Menschen und Ereignisse lesen.... Weiterhin werde ich von den Schwierigkeiten zu reden haben, die eine Uebersetzung Jean Paul'S verursacht. Sic sind groß und, wie ich glaube, in die Augen springend, vermöge der Unregelmäßigkeit, Bizarrerie und Wunderlichkeit seines Styls, dem es allerdings auch nicht an einer mächtigen Beredtheit fehlt, so wie vermöge der charakteristischen Ueberschwänglichkeit und Buntheit seiner Bilder unv ihrer tiefgetränktcn Lokalfarben. Aber <n Goethe's Stpl ist cs nicht etwa vesscn Zierlichkeit unv Einfachheit, die seinen Uebcr- setzer zur Verzweiflung bringt, sondern dessen Vollkommenheit: man nimmt bald wahr, wie jede Veränderung der Form nur zum Nach theil gereichen kann. Er war, wie ich glaube, der vollendetste Meister der Form, vcn die Welt seit den Tagen des Virgil und Catull gesehen, und wie schwer ist e«, das, was Form heißt, zu reprovuzireni Die harmonisch verketteten Worte, die wie eine Schnur Perlen aufgereihet sind, vie majestätische Ruhe und der Wohlklang, die vollkommene Angemessenheit des Stples für icven der zahllosen Gegenstände, über welche er schrieb -- alles dies sind Eigenschaften, die vem gewissenhaftesten unv glücklichsten Uebersctzer unter der Hand entschlüpfen." — Französisches Hicroglyphen-Wörterbuch. °°) Be kanntlich waren alle Versuche, die Hieroglyphen-schrift zu Leuten, fruchtlos geblieben, bis im I. 1800 der Stein von Rosette entdeckt wurde, ver ein Priester-Dekret zu Ehren bes Ptolemäus Epiphancs in vrcierlei Schriften enthielt, nämlich in Hicroglyphischer, in De motischer und in Griechischer Schrift. Dadurch würbe zuerst ein Anhaltspunkt unv die Möglichkeit einer Deutung geboten. Man versuchte nun, vie auf dem Stein befindlichen Worte durch Ver gleichungen zu erklären. Besonders machte sich Champollion viel damit zu schaffen unv erlangte auch einen gewissen Ruhm dadurch. Jnbeß wurden schon 18ZZ seine Entdeckungen unv sein Wissen von Klaproth sehr heftig angefochten. In seinem „kxamon oririgue üe« reavaux üo tou ^ki. üe Oimmpolliun" bewies derselbe, daß Cham pollion unzuverlässig und phantastisch sep und nicht einmal den zehn ten Theil, des Steins von Rosette habe lesen können. An diesen schließt sich jetzt Herr Duteil, der in seinem in der Anmerkung ge nannten Werke ebenfalls den von Champollion ausgestellten Ansichten aufs entschiedenste entgegentritt nnd dessen vermeintliche Kenntnisse von ver Hieroglyphen-Schrift ganz in Abrede stellt. Nach der An sicht Duteil's sind die Hieroglyphe» Snmdole, darin stimmt er mit seinen Vorgängern überein; aber diese haben die symbolische Be deutung in ven moralischen Eigenschaften der Thierc gesucht, vee wir ihnen oft ohne Grund beilegen, während er sich nur an die physischen Eigenschaften derselben halten will. Als Probe seiner Auffassung lassen wir die Erklärung ver Sphinr folgen. Nachvem er vie Be merkung voransgeschickt, daß der Löwe das Symbol des die Erde befruchtenden Wassers war, die Löwin, welche der Löwe befruchtet, das Symbol der Erve, sagt er: „Die Aegypter stellten die symbo lische Löwin gewöhnlich liegend dar, um die Unbeweglichkeit der Erde anzudeutcn; unv wenn sie bezeichnen wollten, daß vie Löwin, das Symbol der Erde im Allgemeinen, das Symbol der Aegyptischen Erde seyn solle, so gaben sie der Löwin einen Aegyptischen Haar schmuck oder einen Aegyptischen Fraucnkopf. Zuweilen stellten sie, um die Fruchtbarkeit dieser Erde anzuveutcn, die Löwin mit einem Fraucnkopfe, liegend und mit mächtigen Brüsten bar; dies bedeutete: die fruchtbare Erve Aegyptens. Das ist die berühmte Sphinr, welche Räthsel ausgab und Menschen verschlang. In der That sind alle Erzeugungen der Erve Räthsel für uns, und die Erde verschlingt uns Alle." ') ntx troin KermLn ?ro»ie ^Vrilerx k»F 8arak «kitU uvtr«». I^nuilon, 1841. ") Ilictiouo-tire lziero^l^ptsex V0N Camille Duteil- Herauszcgklcn tzo» Ler Expedition der Allg. Prcuß. Staals-Zeitung. Rcdigiri von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.