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Naunhofer Nachrichten : 16.12.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190312169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19031216
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19031216
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Naunhofer Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-12
- Tag 1903-12-16
-
Monat
1903-12
-
Jahr
1903
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 16.12.1903
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die sich in Forbach verging», dürfe« nicht mit all den anderen ehrbaren Damen ver glichen werden. Me Mißhandlungen find zurückgegavgen. 68 vom Hundert wurden durch Meldung bekannt; das Beschwerderecht bewährt sich also. Im Fall Breidenbach habe der Hauptmann seine UeberwschungS- Pflicht nicht ernst genommen, sonst hätte er die Mißhandlungen sehen müssen. Der Kaiser habe über solche Vorkommnisse seine ernste Mißbilligung ausgesprochen. Der Minister nannte zum Schluß die Bewaffnung unseres Heeres eins vorzügliche, sie sei besser, als die der Franzosen. Abg. Richter (frs. Vp.) übte Kritik an der Finanzreformvorlage, die hierauf vom Reichsschatzsekretär von Stengel verteidigt ward. Nachdem Abg. p. Kardorff (frkons.) schärfste Maßnahmen gegen die Sozialdemo kratie verlangt hat, erfolgte Vertagung. Am heutigen Sonnabend stand das Handels provisorium mit England zur Beratung. — In der bayerischen Kammer der Reichsräte gab Ministerpräsident von Podewils am Freitag eine Erklärung ab, die in folgendem gipfelte: Die bayer. Regierung wird künftig ebensowenig wie bisher, ihre Politik auf eine Majorisierung Preußens richten. Siner solchen Annahme find wir auch bei den maßgebenden Stellen im Reiche vollkommen sicher. Man hat dort das feste Vertrauen, daß das gute Verhältnis unter den Bundesstaaten dasselbe bleibt. Wir werden in freundschaftlichem Zusammengehen mit der Präsidialmacht und den übrigen Bundesstaaten unter unserem blauweißen Banner treu zur nationalen Fahne stehen. — SS Kriegsschiffe außer Torpedo- bodten sollen nach dem Flottenplan für 1904 in den heimischen Gewässern Dienst tun. Darunter sind 13 Linienschiffe, 4 Küsten panzer und 2 große Kreuzer. Für den Auslandsdienst sind 26 Schiffe bestimmt, so in Ostasien 3 große, 2 kleine Kreuzer, 4 Kanonen-, 2 Torpedo- und 2 Flußkanonenboote, in Amerika 1 großer, 2 kleine Kreuzer, 1 Kanonenboot. — Berlin. Wegen der reichsgesetzlichen Regelung der Entschädigung unschuldig Ver- hafteter ist jetzt in der Hauptsache eine Ver ständigung zwilchen den verschied. Regierungen erzielt. Die Angelegenheit wird das BundeS- ratsplenum voraussichtlich in einer der ersten Sitzungen nach Neujahr beschäftigen. — Köln. In einem AktcnunterschlagungS- Prozeß dauerte die Verhandlung vor dem Kölner Schwurgericht am letzten Verhandlungs tage bis Sonntag früh 4'/, Uhr. Der Hauptaugeklagte, ein früher bei der Staats anwaltschaft beschäftigter Schreiber, der auf Betreiben des Agenten Schambony Akten gestohlen und gegen hohe Belohnung vernichtet hatte, erhielt 7 Jahre Zuchthaus und 10 Jahre Ehrverlust, Schambony 3 Jahre Gefängnis; die übrigen Angeklagten wurden mit Geldstrafe belegt. - Franks, a. M. Wie der „Frkf. Ztg." aus Sydney gemeldet wird, ist der deutsche Dampfer „Essen" bei Neu-Caledonien gestrandet. Ein Schleppdampfer ist unter wegs; es besteht die Hoffnung, den Dampfer wieder flott zu machen. Aus Stadt und Land. Naunhof de« 15. Dezember 1903. Naunhof. Nächsten Sonntag als am 20. Dezember soll den kleinen Zöglingen des Slisabeth-ister bescheert werd«. Schon lange wartet die Keine Gesellschaft auf den lichter strahlende« Weihnachtsbaum und übt gar fleißig ihre Verschon zum Aufsagen und Singen ein. Es wird wieder eine schlichte anmutige Feier werden, die nachmittags 5 Uhr beginnen soll, nur wird diesmal darauf gehalten, daß der Schuljugend der Zutritt zu verweigern ist, da im vorigen Jahre der Andrang der größeren Kinder viel Unzuträglich keiten mit sich brachte. -j- Wie manche Stadt ihren Bürger- meistOk zu schätzen weiß! Herr Dr. Seetzen m Wurzen hatte sein Bürgermeisteramt gekündigt, da er als solcher anderweitig ge wählt war. In der am Sonnabend erfolgten Sitzung beschloßen Rat und Stadtverordnete, Herrn Dr. Seetzen vom 1. Januar 1904 von 6000 auf 7000 M. und vom 1. Jan. 1905 auf 8000 Mark das Gehalt zu erhöhen. Herr Stadtrat Baeßler führt folgendes dazu aus: In seiner Eigenschaft als Stadverordneter habe er durch die vielen Verhandlungen mit dem Herrn Bürgermeister die Erfahrung ge macht, daß der Stadt in seinem Bürger meister eine schätzenswerte Kraft besitzt. Das Gehalt, was bis jetzt gezahlt wurde, hat mit denjenigen anderer Städte nicht gleichen Schritt gehalten. Die Annahme der Rats vorlage könne er nur angelegentlichst empfehlen, wir leisten damit der Stadt selbst den besten Dienst, wenn wir unsern Herrn Bürgermstr. der Stadt zu erhalten suchen. Den Worten schließt sich der Vtzeoorsteher Herr Scharrenbeck vollständig an und empfiehlt dem RatSbeschluß einstimmig zuzustimmen. Mit ganz besonderer Freude stimme ich dem Ratsbeschluß zu, denn ein Gemeinwesen kann nur gedeihen, wenn das Oberhaupt fleißig seine Arbeit leistet und die ihm übertragenen Vollmachten in geschickter Weise zu erledigen sucht. Wir haben in ihm einen Mann, der diese Eigenschaften voll ständig besitzt. Hervorheben will ich noch, daß jedes Amt seinen Aerger und seine Ver drießlichkeiten hat, mehr oder weniger ist auch unser Bürgermeister diesem ausgesetzt. An gesichts dieser Umstände wollen wir ihn durch die Gehaltserhöhung unser volles Vertrauen zum Ausdruck bringen und hoffen, daß er unserer Stadt noch recht lange erhalten bleibe. In diesem Punkte sparsam zu sein, wäre nicht angebracht. Die Ratsvorlage findet einstimmige Annahme. -j- Eine für alle Arbeitgeber hochbedeutsame Entscheidung hat das Landgericht Breslau gefällt. Es hat einen Arbeitgeber, der ver absäumt hatte, Marken für einen von ihm beschäftigten Lehrling zu verwenden, zur Zahlung der Invalidenrente für die Lebensdauer des Lehrlings verurteilt. Durch die Nichtverwendung der Marken hatte der invalid gewordene Lehrling den Anspruch auf Rente von der Landesversicherungsanstalt ver wirkt, und das Landgericht hat den Arbeit geber, durch bessert Versäumnis dec Verlust des Rentenanspruchs herbeigeführt wurde, für regreßpflichtig erklärt. Vor 97 Jahren wurde Sachsen zum Königreich erhoben. Nachdem Sachsen am 11. Dezember 1L06 vom Kaiser Napoleon zu Posen den Frieden erhalten hatte, wurde unser Kurfürst Friedrich August zum souveränen König von Sachsen erhoben und trat dem Rheinbund bei. Am Sonntag Estomihi, 8. Februar 1807, wurde deswegen ein allgemeine» Dankfest in Sachsen gefeiert; doch begannen alSÜM neue blutige Kriege, die das Vaterland schwer erschütterte«. ch Nach der neuesten amtlichen Aufstellung der Durchschnittspreise -er wichtigsten LebeuSmittel haben sich die Getreidepreise nur wenig verändert, ebenso die Fleischpreise mit Ausnahme des noch mehr zurückgegangenen Preises für Schweinefleisch. Erheblich teuerer geworden ist die Butter, auch der Kartoffel preis stieg. -j- Um die mit dem Eisenbahn-etriebe unvermeidlichen Gefahren für das Personal nach Tunlichkeit abzumindern, hat die Staats- eisenbahnverwaltung neuerdings wieder Maß nahmen getroffen und vor allen Dingen die in dieser Hinsicht bereits gegebenen Vorschriften den Beteiligten nachdrücklichst ins Gedächtnis zurückgerufen. Alle Beamten und Bediensteten des Lolomotiv-, Zugs- und Rangierdienstes werden durch die ihnen vorgesetzten Dienst stellen in alljährlicher Wiederholung ein dringlich darauf hingewiesen, welche Gefahren das zu weite Hinausbeugen aus den Fahr zeugen während der Fahrt mit sich bringt. Wenn innerhalb der Bahnhöfe mit stärkerem Rangierverkehre Gleisarbeiten an Stellen vor genommen werden, a« denen die beteiligten Arbeiter durch Wagenbewegungen gefährdet erscheinen, so hat ein mit den Betriebs verhältnissen vertrauter Arbeiter darüber zu wachen, daß die Arbeiterkolonne usw. nicht gefährdet werde; er darf sich an der Arbeit selbst nicht derart beteiligen, daß der ihm übertragene Sicherheitsdienst beeinträchtigt würde. Diese Vorsichtsmaßregel wird in ver schärftem Maße auch auf der freien Strecke dann angewendet, wenn Schneeverwehungen zu beseitigen oder festgefahrene Züge wieder flott zu machen sind. -j- Ueber Lehrlingswesen im Bau sach wird geschrieben: Nur in dem Berufs zweige, in welchem ein ordnungsmäßiger Lehrgang durchgemacht und die Gesellen- Prüfung bestanden wurde, darf ein Handwerker auf Grund Gewerbe-Ord. § 129 Lehrlinge selbst anleiten, dann aber auch in einem damit verbundenen verwandten Handwerks zweige zufolge Gew.-Ord. § 129s. Lehrlinge halten, deren Ausbildung er jedoch einem in diesem ausgebildeten Betriebsgehilfen anvertrauen soll. Wer nun Lehrlinge hält, ohne dazu befugt zu sein, ist straffällig nach Gew.-Ord. § 148 und setzt sich der Gefahr aus, daß ihm die Lehrlinge auf Grund Gew.-Ord. 144a zwangsweise abgenommen werden, er auch denselben schadenersatz verpflichtet wird nach B.-G.-B. § 823. Selbst die Auffassung, daß ein Vater kraft der elterlichen Gewalt zur Lehrlingsanleitung seines Sohnes befugt sei. ist seitens des Gerichts für irrtümlich erklärt, wenn dem Vater, die in Gew.-Ord. ß 125a vorgesehenen Eigenschaften des Lehrherren fehlen. Nach der Gew.-Ord. § 131 ist jedem Lehrlinge Gelegenheit zu geben sich der Gesellenprüfung zu unterziehen und hat nach § 131a der Lehrherr denselben anzuhalten nach Ablauf der Lehrzeit die Gesellenprüfung vor dem Prüfungsausschuß abzulegen. Die Gewerbe- Kammer hat nun bestimmt, daß sämtliche Maurer-, Zimmer- und Steinmetzlehrlinge von Jnnungömeistern die Prüfung vor dem Prüfungsausschüsse einer Innung, die anderen Lehrlinge jedoch die Prüfung vor dem GesellenprüfungSauSschusse in Dresden abzulegen haben. Lehrherren, welche einer Innung nicht angehören, können „Lehrbriefe" gemäß K 127o der Gewerbeordnung ihren Lehrlingen nicht ausstellen, da dazu nur der eingesetzte Gesellenprüfungs-Ausschuß der Innung berechtigt ist. -j- Die Frist, innerhalb welcher die 20- Pfennigstücke aus Nickel bei den Reichs- und Landeskaffen noch in Zahlung oder zur Um wechselung anzunehmen sind, endigt mit dem 31. Dezember 1903. -j- Die neue Maschinengewehrabteilung in Dresden ist jetzt eifrig bei der Arbeit. Mit einem Maschinengewehr können in einer Minute 360—400 Schuß abgegeben werden. Das Maschinengewehr ist nicht stärker, aber etwas kürzer als der Lauf des Jnfanterie- gewehres, ist aber mit einem zwei Zoll weiten Mantel umgeben, der mit Wasser gefüllt ist, um das Glühen des Rohres zu vermeiden. Das Maschinengewehr wird vom Wagen von zwei Mann bequem abgehoben und nach einem erhöhten Punkt getragen, auf ein niedriges Gestell gelegt und von dem Richt schützen liegend bedient. Das Gewehr dreht sich nach rechts und links, sodaß eine Fläche von mehreren 100 Metern mit Kugeln be strichen werden kann. Der Schütze drückt nur, nachdem er das Gewehr gerichtet, fort während auf einen Knopf, sodaß beim jedes maligen Drücken eine Kugel den Lauf verläßt. Die Treffsicherheit ist eine außerordentlich große, die Flugweite bis 2000 Meter. Ein Maschinengewehr kann mit Erfolg ein ganzes Bataillon bekämpfen. Daß dre Kinder als fahrläff.Brand- ffifter in der Feuerstatlstik im Königreiche Sachsen leider eine nicht unbedeutende Rolle spielen, ist anscheinend in weiten Kreisen noch immer wenig bekannt, denn sonst würde in dieser Hinsicht auf die jungen Menseln mehr Obacht gegeben und damit sicher eine Ver minderung der durch Kinder verursachten Brände herbeigefühlt werden. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Während in dem zweijähn ren Zeitraum 1893 und 1894 : 265 Brände durch Kinder verursacht wurden, waren in den Jahren 1899 und 1900: 338 solche Fäll? zu verzeichnen und in den Jahren 1901 und 1902 stieg die Zahl um 14 Proz. auf 389. In der Hauptsache entstanden diese Brände allem Vermuten nach durch Spielen oder fahrlässiges Gebahren mit Streichhölzchen. In dem zehnjährigen Zeit raum 1893 bis mit 1902 sind insgesamt 1617 Brände durch Kinder entstanden, wo von 1084 teils erwiesenermaßen, teils mut maßlich auf Streichholzspielereienzurückzuführen waren. Von diesen 1084 kamen 497 auf die Dörfer und 5^7 auf die Städte. Hoffentlich geben diese Zahlen Veranlassung zu einer besseren Verwahrung von Feuer und Licht vor den Kindern. Grimma. Herr Gleisberg hat Herrn Baumeister Lehmann mit der Erbauung eines Aussichtsturms oberhulb der Schiffmühle be auftragt. Der Turm, welcher ganz in Bruch stein ausgeführt werden wird, kommt auf einen ungefähr 176 Meter hohen Punkt zu stehen und wird reichlich 14 Meter hoch werden, sodaß er eine weite Rundschau er schließen wird. Die im Buchgewerbehause in Leipzig unter Vorsitz des Herrn Georg Giesecke ab gehaltene Versammlung, welche EinigungS- versuche zwischen den Prinzipalen und den streikenden Schriftgießergehilfen bezweckte, ist, Die Macht der Höne. Roman von Jeanne Mairet. 18 „Entsinnen Sie sich der kleinen fünfzehnjährigen Sirene des Märchens sion Andersen? ES war ihr gestattet worden, bis zu der Oberfläche des Wassers emporzusteigen, sie wurde bei dieser Gelegenheit eines jungen Sterblichen ansichtig, und sie, welche die Liebe nie kennen lernen sollte, sie verliebte sich in ihn. Sie singt und ist frohen Mutes, während sie von ihren Schwe stern umringt wird, welche schön sind gleich ihr. Die Wogen be- spülen wildromantische Felsen, und göttlicher Gesang übertönt das Brachen des Meeres. AuS weiter Ferne, prosaisch gesagt: aus der Coulisse, muß der fröhliche Gesang der Matrosen herüber- klingen, dann entfesselt sich plötzlich der Sturm der Elemente, die Stimme der Sirene aber, der selbst der ärgste Orkan nichts anhaben kann, ist nicht zum Schweigen zu bringen. Der Chor der Matrosen, der jetzt Todesschrecken verraten muß, kommt immer näher und näher Der Sturm läßt langsam nach; von einer Welle über den Bord des Schiffes hinweggespült, wird ein junger Mann dem Strande zugetrieben; seine Kräfte drohen ihn zu verlassen, er ruft um Hilfe, und tiefe Ohnmacht umnachtet bald seine Sinne; die Sirenen tragen ihn bis zu dem nächsten Felsen, und dort singt die jüngste unter ihnen ihr gött liches Lied, das er, seiner Sinne noch nicht mächtig, wie im Traume hört. Dann plötzlich verwandelt sich dieser Gesang in einen lauten, erschütternden Schmerzensschrei, sie will ein Weib werden, um lieben zu können; sie ruft eine Hexe der Unterwelt zu ihrer Hilfe herbei, und diese erscheint ihr plötzlich. Ja, sie soll ein Weib werden, soll lieben lernen und darin ihre Strafe finden. Als Preis für den Liebestrank, den die Hexe ihr gegeben, verlangt diese von der Sirene das Geschenk ihrer herrlichen Stimme; sie soll sie erst zur Nachtzeit, in dem Augenblicke, in dem sie stirbt, de^n sie muß sterben, wieder erhalten. Die Sirene geht auf die- sen Vorschlag ein, sie steigt aus den Wogen empor und wird zum Weibe, der Chor ihrer bisherigen Genossinnen aber bricht in laute Klagen aus. Um denjenigen zu fesseln und zu besiegen, welchen sie liebt, wird sie nur ihre Schönheit, den Schmelz ihrer Augen, die Anmut ihrer Bewegungen zur Geltung bringen kön- nen. Während er wieder zum Leben erwacht, hört er den Ge sang, der ihn in wohlthuende Besinnungslosigkeit eingewiegt hat; er möchte den Traum in die Unendlichkeit fortgesetzt wissen, möchte an das Schicksal die Frage stellen, ob dieses ihm nichc das Weib mit der göttlichen Stimme zeigen könnte. Die Sirene aber ist stumm, ist ein Geschöpf, das gleich ihm Schiffbruch ge litten und an den Strand geschleudert wurde. Sie ist immer hin ein wertvolles Geschenk des stürmischen Meeres, ein Ge schenk, das er liebt, Wieman etwa ein schönes, phantastisches Kind liebt. Beim Erwachen aber ist nicht sie es, die er auf den er sten Blick bemerkt. Eine Prinzessin, die von ihrem Hofstaate um geben ist, wird des Ohnmächtigen ansichtig, und er giebt sich dem Wahne hin, daß die Stimme, die er wie aus weiter Ferne herüberklingend vernommen hat, die ihre gewesen sei. Wie hätte er auch erraten sollen, daß die kleine Stumme es war, die ge- sungen hatte? Während des ganzen Ganges des Dramas fühlt er sich aber beunruhigt, sucht er, ohne zu finden. Eines Abends, als es zu dämmern beginnt, hört er wieder die Melodie, die das Leitmotiv meiner Schöpfung sein soll, diesen Gesang, der gleichzeitig zu fliehen und zu klagen scheint. Vollständig liebes- toll, trachtet er diejenige, die das Lied singt, in seinen Armen aufzufangen, aber auch das irdische Mädchen hat die herrliche Musik vernommen. Einzelne Klänge derselben sind ihrem Ge dächtnisse eingeprägt geblieben; sie flüstert diese dem jungen Manne, der natürlich, wie das in der Märchenwelt nicht an- ders geht, ein Prinz sein muß, ins Ohr, und so geschieht es, daß dieser ahnungslos am wahren Glücke vorbeigeht und dem fal schen folgt; er hält die Nachäffung eines vollkommenen Geschöp fes für die wirkliche Vollkommenheit, liebt in dem irdischen Mäd- chen eine Erinnerung, ein Ideal, und glaubt sie selbst zu lieben. Sein Volk fordert eine Herrscherin an der Seite des Herrschers; die Prinzessin wird mit Beifall ausgenommen, denn sie ist schön und anmutig. Das Hochzeitsfest währt bis zum Abend; von einer Terrasse aus, welche den Blick auf die See hat, sieht die verzweifelte Sirene die tanzenden Paare im Ballsaale, hört sie die fröhliche Musik. Plötzlich ist die Stimme ihr wiedergegeben, denn die Nacht ist angebrochen und sie muß sterben; aus der Ferne rufen ihre Schwestern, die Sirenen, sie zu sich, und wie der erhebt sich ihr herrlicher, schöner, klarer Gesang, der über all' ihre sterblichen Schmerzen emporsteigt und wie in der ersten Scene das Rauschen der Wogen übertönt. Der Prinz eilt voll Bestürzung aus dem Ballsaale, er naht ihr und erkennt in ihr die kleine Stumme, die er zuerst gesehen, da er aus seiner Ohn macht erwachte. Ihre Schönheit aber ist übernatürlich, gleich ihrem Gesang; er stürzt vor ihr in die Knie und fleht sie an, die Seine zu wer den. Nun erst verrät sie ihm ihr Geheimnis; sie weiß, daß sie sterben muß, und dank ihrer Sirenenmacht wird sie es zu stände bringen, daß dem Prinzen von dieser Liebesscene nur eine un klare, süße Erinnerung bleibt. Können Sie sich dieses reine, seltsame Liebes-Duo vorstellen, das im Tode ausklingt? Nach ihrem Geständnisse, nach einem einzigen Kusse öffnet die Sirene ihre Arme, ruft ihre Schwe- ster herbei und läßt sich in das Wasser zurücksinken, wo sie zu Grunde geht, da sie diesen einen Augenblick des Glückes sich da mit erkauft hat, daß sie ihre Unsterblichkeit geopfert. Die Neu vermählte findet ihren Gatten allein auf der Terrasse, wie er in die Meerestiefe starrt. Während er seine junge Frau an sich zieht, flüstern seine Lippen leise: Es ist nur ein Traum gewesen." „Ich habe gegen Ihr Libretto manche Einwürfe zu erheben, lieber Freund!" „Ja, natürlich, Einwürfe giebt es immer, aber sie sollen alle in nichts versinken, angesichts der magischen Gewalt der Verse und der Musik. Sie werden sehen, iede Note soll von Leiden schaft, von Poesie von Lebensfrische erfüllt sein. Meinen Si renengesang höre ich in meinen wachen Träumen, es fehlt nicht mehr viel, und es wird echte Lebenskraft besitzen; ich bedarf zur Begleitung desselben das Schäumen der Wogen; wochen lang bin ich diesen Sommer am Strande umhergeirrt, habe ich dem sanften Wellenschlag gelauscht, wenn die Wogen das sau- dige Ufer bespülten. Dann wieder hörte ich die mächtige Bran dung gegen die Felsen schlagen, sah ich, wie große und kleine Kieselsteine von ihr mit fortgerissen wurden. Ich ging weiter und immer weiter, nicht wissend, wo ich stehen bleiben müsse. Ich beachtete jedes Geräusch, das die so abwechslungsreiche Ein- tönigkeit des Strandlebens unterbrach. In der Bretagne wurden die harmonischen Klänge immer großartiger. Ich habe in Belle- Jsle Stürme mitgemacht; ich habe stundenlang im Sande ge- legen; ich habe die furchtbaren Stromschnellen bei Maunmssvn ander entgegengesetzten Seite der Insel Oleron gesehen; ich habe unter dem Schatten der Fichten gelegen, die nur m jenem sandigen Boden gedeihen. Wllchch
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