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130 „Und deshalb wurde er dein Verhängnis — arme Eva." „Male nicht so grane Farben, Georg. Hans Lingen liebt mich, ich werde ihn beherrschen, und er wird mir alles nach Mansch tun — was will ich mehr?" „Und dein Herz, Eva, dein einsames, liebebedttrftiges Herz?" „Pah!" entgegnete sie wegwerfend. „Das ist ein anspruchs volles Ding, wer dessen Launen befriedigen könnte? Ist denn dieses Herz nicht auch bisher leer ausgegangen? Wer hat die Ge währ, daß es in Zukunft seine Rechnung fand?" „Arme Eva, arme, liebe Eva," wiederholte er noch einmal, „möchtest du iu Zukunft nicht allzn bitter bereuen." „Nein," sprach sie stolz, „sei ohne Sorge; ich werde nie sonn- z glücklich werden, wie du befürchtest. Ich tat, wozn die Verhält- ! nisse mich drängten. Und entsprießt kein Heil ans diesem Bunde, so falle alles Unglück ans die Hänpter derjenigen zurück, die durch ihre Lieblosigkeit und Herzenshärte mich zn dem machten, was ich bin, ein kaltes, berechnendes Weib. Doch verzeih', ich glanbte deine Mutter hier zn finden, man wies mich in dieses Zimmer, als ich nach ihr fragte; ich kam, nm ihr meinen Besuch abznstatten. lich wie die erste Frühlingsblüte. Kaum glaublich, was ans dem Wildfang von ehemals geworden. Eva und Marga — welch ver schiedene Wesen. Beide schön in ihrer Art, die eine von bestricken dem, fast dämonischem Reiz mit ihren dunkeln, fast bezwingenden Angen — die andere lieblich und rein, wie die Engel des Him mels mit dem leuchtenden Man ihrer Augen. Zwei Blumen im Garten Gottes, die eine zart und duftig wie das Maiglöckchen znr Frühlingszeit — die andere einer exotischen Pflanze gleichend, beranschend in ihrem Drift nnd ihrer fremdartigen Schönheit. — Ein frohes, wohliges Gefühl überkam ihn in Margas Nähe, er hätte ewig so sitzen und in die strahlenden Augen blicken mögen, dieser offene Kinderblick hatte es ihm angetan. Weder Haß noch Leidenschaft trübte diese klare Stirn. Eine fast unbewnßte Zärt lichkeit stieg iu ihm auf, die in dem Wunsch gipfelte, daß diesem nnschnldigen, lieblichen Wesen nur frohe Stunden zn teil würden. Seliges Ahnen überkam ihn. War das die Liebe, die holde Zau berin, die Wunder wirkt nnd nnser Herz wendet, ehe wir's gedacht ? Noch am Morgen hatte er das Verlangen der Eltern weit von > sich gewiesen, wie einen unerhörten Frevel, nnd jetzt - wenige Hans nnd Gretel. Von M. Wunsch. (Mit Text.) „Entschuldige, ich werde sie sogleich benachrichtigen," sprach Georg und eilte nach der Tür. „Bitte, laß das lieber; ein andermal," hinderte ihn Eva daran. „Unser Gespräch hat mich doch erregt, nnd da ist es besser, wenn ich mich jetzt entferne. Leb' wohl, Georg, dn kennst nnn meine Beweggründe nnd wirst mich milder beurteilen nnd mit der Zeit auch wohl dieselben gerechtfertigt finden." Während noch, der Ton von EvaS Stimme in Georgs Ohren widerhallte und der ganze Reiz und Zauber des herrlichen Mäd chens ihn umfangen hielt, trat jenes andere Wesen, das Voit den beiderseitigen Eltern ihm zur Lebensgefährtin bestimmt war, ihm entgegen. Hatte EvaS stolze, imponierende Schönheit ihn in ihren Bann gezogen und zur Bewunderung hingerissen, so schienen ihm in dem holden Wesen Margas alle Reize nnschnldvoller Natürlichkeit, An mut und Grazie sich vereinigt zn haben, diesem Zanber entgegen- zuwirken. Hatte er bisher geglaubt, Marga müsse um die Pläne ihrer nnd seiner Eltern wissen, so mußte er das jetzt entschieden ver neinen. Solche holde Unbefangenheit, so jugendlicher Frohsinn konnte nicht täuschen. Wie ein reiner Quell sprudelten die Worte von ihren Lippen, teils wie in holder Unbefangenheit eines Kindes nnd doch wieder mit der kenschen Zurückhaltung des werdenden Weibes. Ihr ganzes Wesen war Holdseligkeit nnd Grazie, lieb Stnnden später, klopfte sein Herz stärker in der Nähe des holden Kindes. War es Wahrheit, daß von manchen Menschen ein Zanber ansgeht, der unwiderstehlich anzieht, so war das bei Marga der Fall, aber es war sicher eine gütige Fee gewesen, die dieses Zanber- mittel in Margas Wiege gelegt, damit das Gntc nnd Reine in dem Menschengeschlecht noch nicht anSsterbe. Mit heimlicher Freude hatte Herr von Vlotho und seine Gattin den günstigen Eindruck wahrgenvmmen, den Margas nngesnchter Liebreiz auf Georg nnsübte. „Sieh' nur den Jpngcn an, Lotte," hatte Herr von Vlotho seine Lebensgefährtin aufmerksam gemacht. „Ist er nicht wie ansgewechselt? Das macht sich ganz von selbst, ohne nnser Zntun. Er weicht ja nicht von ihrer Seite." „Gott sei Dank!" hatte die Matrone erwidert; „wenn die Herzen der beiden sich finden, so ist ja nnser Wunsch erfüllt nnd Georg braucht sein Erbe nicht zn verlieren." „Wäre auch ewig schade darnm." Georg hatte eine unrnhige Stacht verbracht, die Erregungen des Tages ließen ihn nicht schlafen, zn viel war au diesem Tage auf ihn eingestürmt, nnd wenn er dann doch einmal zn kurzem Schlummer die Augen schloß, nmgaukelten ihn die^zwei Frauen bilder, die gestern so verschiedenartig auf ihn eingewirkt hatten. Und in diesen Träumen hatte Eva die Rolle einer bösen Fee, die dem von Marga ausgehenden gnten Element feindlich gesinnt war und das holde Kind zn verderben trachtete. Welche Rolle er da bei spielte, ob er der Bedrohten hilfreich als edler, tapferer Ritter 131 * znr Seite stand, oder ob er sich passiv verhielt, war ihm nicht er innerlich^ Die Sonne schien hell und freundlich in sein Zimmer. Im Hanse begann es sich leise zu regen; vom Hofe her hörte man, wie die Türen der Stallungen geöffnet wnrden, das Ackergeräte hervorgezogeu, hörte die Pferde wiehern, die Kühe blöken, die Hühner nnd Eu- Äther schwang! Wahrlich, ein arger Pessimist hatte er sein müssen, wenn nicht auch seiue Seele vou gläubigem, frohem Hoffen erfüllt worden wäre. Auch er hätte jetzt ausjubeln mögen mit dem jubeln den Vöglein, das er kanm noch als dnnklen Pnnkt im lichren Äther erkennen konnte. Zeigte ihm der kleine frohmntige Sänger ten schreien und gackern. Das Leben erwachte allmählich nnd nahm seinen ge wohnten Gang. Georg trieb es aus dem Zim mer, hinaus in den frischen, köst liche» Maien morgen, in die treibende und werdende Na tnr, da würde er Klarheit nnd Rnhe über die verschiedenarti gen Eindrücke desvergangenen Tages erhalten. So hatte er es immer gehal ten; wenn etwas in ihm nnklar nnd verloren war, so hatte ein Gang in die morgcnstille Schöpfung ihm noch immer das Gleichgewicht seiner Seele zn- rückgegeben, er wußte alsdann, wo das Wahre nnd das Rechte lag. Auch heilte sagte er sich, daß dergestrige Tag, eigentlich ganz gegen seinen Willen, über sei ne Zukunft ent schieden hatte. Was er am Mor gen noch in so schroffer Ableh nung verworfen hatte, der Abend zeigte eS ihm als Gipfel seiner höchsten Wün sche nnd als Er füllung seiner kühnsten Träu me. Und doch, war es nicht ein vorzeitiges Ge fühl, beeinflußt vou dem Wun sche, seiner Kin deSpflicht Ge nüge zn tun? Dennoch, was konnte er Schö neres verlali- gen? Schaffens frohe Arbeit nnd das lieblichste Wesen sich znr Seite — wie harmonisch würde sich sein Leben gestalten. Seine Brust hob sich in einem wonnigen Gefühl; alle Sorgen, jeder Zweifel waren von ihm gewichen nnd hatten einer freudigen Zuversicht Platz gemacht. Und der Morgen so schon, so wonnig das Zwitschern der Fin ken, der Ruf der Drossel, so jnbelud, so siegesgewiß der Schlag der Lerche, die sich von der dnnkeln Erdscholle hinauf iu den freien nicht, welche Kraft selbst im kleinsten verborgen liegt? Welche Kraft war eS, die der kleinen Kehle die mächtigen, zum Himmel jauchzenden Töne verlieh? Sinnend verfolgte er diesen Gedanken weiter, bis eine bekannte Stimme ihn aus seiner tranmhaften Versnnkenheit weckte. Fast unwillig wandte er sich um. Gormvung folgt.)