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24tt ist ein abgekürztes Zeichen, welches Gegenstände und mannigfache Verknüpfungen und Beziehungen ins Gedächtniß zurückrust. So er innerte der Hut an den Kaiser und an bas Kaiserthum. Und wer faßt den Sinn dieses Symbols? Der Geist, der Geist allein; denn die Augen sehen nur das Zeichen und sind nur die Boten, welche es dem Geist überbringen, ohne zu wissen, was eS enthält. Und was ist nun die Aehnlichkeit? Sie ist eine Verbindung von Zeichen, welche Gegenstände und mannigfache Verknüpfungen und Beziehungen ins Gedächtniß zurückrufen. So erinnert z. B- diese Leinwand, aus welcher Bäume und eine Wiese vargestellt sind, an andere Gegen stände, welche nicht dargestellt sind. Und wer faßt die Gegenstände auf und die Beziehungen, welche der Maler hineingelegt hat? Der Geist, der Geist allem; denn die Augen sehen nur das Zeichen. Während sie eine von hohen Eichen beschattete Wiese betrachten, drängt sich dem Geiste, nach der Intention des Künstlers, der Ein druck ländlichen Stilllebens auf, und vor ihm stehen Hirten und Schafe da, die gar nicht dargestellt sind. Wenn aber die Aehnlichkeit wirklich ein Symbol ist, und wenn die Kunst auf der Aehnlichkeit beruht, so ist daraus zunächst die Folgerung zu ziehen, daß, da die Aehnlichkeit, sowohl wenn sie aus- gedrttckt als wenn sie empfunden werben soll, der Mitwirkung des Geistes bedarf, keine Maschine eine der Erscheinungen hervorzubrin gen vermag, welche der Aehnlichkeit angehören, also auch keine der Erscheinungen, welche der Kunst angehören. Selbst wenn das Da- güerreotype so weit vervollkommnet würde, daß es das gesärbte Bild unbeweglicher Gegenstände, oder gar bewegter, reprovuziren könnte, würde es der Kunst noch um keinen Schritt näher gerückt seyn, denn nothwendigerwcise, und in diesem Falle in noch höherem Grade, wird es die Identität statt der Aehnlichkeit geben, das Bild des Sichtbaren anstatt des Zeichens des Unsichtbaren, die Materie durch und für die Materie, anstatt der Materie durch und für den Geist. Mit jeder Vervollkommnung der Maschine werden sich sogar die Produkte derselben immer weiter von den Produkten der Kunst entfernen. In ihrem gegenwärtigen Zustande haben die Lichtbilder, gerade weil die Identität nicht vollständig ist, noch das mit den Produkten der Kunst gemein, daß das Zeichen der Gegenstände ver- kürzt wird, weil sie nicht die Farben derselben geben. Kommt es auch noch dahin, so hat die Materialisirung den höchsten Grad erreicht, und wenn das Zeichen ganz vollständig ist, werden die Augen genü gen, wo der Geist nichts mehr zu thun hat. Dies findet bei der Reflexion im Spiegel statt; denn der Spiegel ist die antizipirte Ver wirklichung der höchsten Wunder, die man von dem Daguerreotype erwarten darf, nur mit dem Unterschiede, daß das flüchtige und von der Anwesenheit des Gegenstandes abhängige Bild von dem Daguer reotype firirt wird. Wir haben nicht von vorneherein vom Spiegel zu behaupten ge wagt, was wir von den Lichtbildern ausgesagt haben, nämlich daß das vollkommen Identische weniger leicht zu erkennen sey, als das nur Aehnliche. Jetzt aber, wo wir uns überzeugt haben, daß die Bedingungen der Identität ganz anderer Art sind als die der Aehn lichkeit, dürfen wir auch wohl mit der Ansicht hervortreten, daß ein Spiegelbild nicht so leicht erkennbar, also nicht so ähnlich sey, wie ein Produkt der Kunst. Fragen wir nur, was begründet die Aehn lichkeit? Aehnlich ist das, was an einen anderen Gegenstand erinnert, nichts Anderes. Vollkommen ähnlich ist das, was augenblicklich und nothwendig diese Erinnerung Hervorrust. Augenblickliche Erinnerung ruft aber nicht sowohl das hervor, was, dem Gegenstände selber ähnlich ist, als was der Idee ähnlich ist, die wir von dem Gegen stände haben. Angenommen, cs zeichne Jemand mit ein paar Stri chen ein Thier mit vier dünnen Beinen, einem dicken Bauche, einem mageren Schwänze und zwei langen Ohren; so wird Jeder sogleich ausrufen: „Das ist ein Esel!" Und dennoch gleicht diese Skizze kei- nesweges einem wirklichen Esel. Aber er gleicht so sehr der Idee, die wir uns von einem wirklichen Esel machen, daß er augenblicklich die Erinnerung an diesen hervorruft. Die Aehnlichkeit kann freilich vervollständigt, alle einzelne Theile können sorgfältig ausgeführt werden, ohne daß die Aehnlichkeit schneller oder leichter erkannt werde. Mag Jemand einen Spiegel holen, um ein natürliches Ab bild des Esels zu haben, so wird ihn doch Riemanv in diesem schnel ler oder leichter als aus der Skizze erkennen. Will der gewöhnliche Menschenverstand uns dies nicht zugeben, will er uns nicht einräumen, daß die Kunst desjenigen, der die Skizze entworfen hat, weit befähigter sey, die Aehnlichkeit hervorzubringen, als die strengen Gesetze der Optik, so schieben wir den Esel bei Seite und fordern wir den gewöhnlichen Menschenverstand auf, an seine Stelle zu treten. Dieser steht nun vor dem Spiegel, und wir be trachten ihn. Da sehen wir denn nun, daß er etwas lange Ohren, eine ehrbare Miene und einen gewissen Ausdruck der Biederkeit hat; von Geist und Schlauheit zeigt sich keine Spur, dieses Portrait des ordinairen Menschenverstandes, welches wir entwerfen, indem wir ihn vor dem Spiegel fehen, giebt uns doch im Grunde mehr die Ahnung als die Anschauung ein; wir fassen es mehr mit dem Geiste als mit den Augen. Wir ergänzen im Geiste die wechselnden Symp tome, Vie sich auf seinem Gesichte darstellen. Fragen wir ihn dann, ob'er auch wohl bemerkt hat, daß Vie kostbarsten Symptome, die, welche uns sein ganzes Innere entschließen, etwas Anderes sind, als die Bildung seiner Stirn, als der Schnitt der Augcnlieder, als das Oval des Gesichtes- Fragen wir ihn vor Allem, ob er auch wohl bemerkt hat, daß von diesen Symptomen die einen gleichzeitig, die anderen auf einander folgend sind, so baß der Spiegel sie in keinen gegebenen Zeitpunkte im Vereine darstellen könnte, und daß, in wel chem Augenblicke das Dagüerreotype sein Bild firiren wollte, dieses Bild uns immer nur ven vierten Theil, den zehnten Theil seines Wesens geben würde. Wenn nun schon der ordinaire Menschenverstand sein Portrait ähnlicher finden müßte als sein im Spiegel reflektirtes Bild, wie wird eS denn erst werden, wenn es sich um eine Gestalt handelt, die ihm weniger bekannt ist, als seine eigene, die nur eine flüchtige, obwohl charakteristische Spur in seinem Gedächtnisse hat. Angenom men, eine solche Gestalt erschiene ihm im Spiegel, so soll er uns aufrichtig sagen, ob er sie an Ler unendlichen Menge der identischen Einzelheiten erkennen würde, die er nicht genau beobachten konnte. Wäre nicht vielmehr zu fürchten, daß ihm die charakteristischen Zei chen, die sich ihm eingeprägt haben, hier entschlüpften, weil sie unter so vielen anderen bedeutungslosen Zeichen verloren sind. Wenn ihm nun statt des Spiegels ein Portrait vorgeführt würde, das heißt eine nicht so vollendete, aber charakteristische Aehnlichkeit, so ist anzu nehmen, daß er die Person weit'leichter errathen würde. Wir wer den so unwiderruflich zu der Ueberzeugung hingelcitet, daß der Portrait-Maler, wenn er ein Gesicht aufmerksam betrachtet, etwas ganz Anderes beabsichtigt, als die Treue des Spiegels nachzuäffen, öder wenn er nach dieser Treue strebt, so ist er nicht mehr Künstler, sondern Kopist. Wenn es aber einmal kopirt seyn soll, so verdient jedenfalls der Spiegel oder die Quelle, in welcher Narziß sich so wohlgefällig beschaute, den Vorzug. Zu verwundern ist cs nur, daß der ordinaire Menschenverstand dies Alles nicht selbst entdeckt hat. ES ist doch eine gewöhnliche Erscheinung, daß der Maler, welcher mit ängstlicher Sorgfalt die einzelnen Züge, das Geflecht der Haut, die Falten und Warzen kopirt, nur eine glatte und unlebendige Aehnlichkeit zu Tage bringt, während ein anderer, der manche Vieser Partikularitäten unterdrückt und sich nur an das Charakteristische hält, eine frappante und be lebte Aehnlichkeit hervorbringt. Dies allein hätte schon zeigen sollen, daß eine materielle Kopie auch nur eine materielle Aehnlichkeit, eine bessere oder schlechtere Maske geben kann, während eine intelligente Nachahmung zur moralischen Aehnlichkeit, zum wahren physiognomi- Ausdrnck gelangt. Gehen wir jetzt zu landschaftlichen Darstellungen über, so zeigt sich dieselbe Erscheinung, denn auch die Gegenden gleichen sich nicht durch die Grashalme oder durch die Ziegeln aus den Dächern, son- bern durch die charakteristischen Züge, durch die Uebcreinstimmung des Zeichens mit dem vom Geiste bewahrten Eindrücke. Diesen Eindruck empfängt der Geist beim ersten Anblicke einer Landschaft; er besteht aus wenigen Zügen, aber aus sehr unterscheidenden. Der Beschauer sieht links einen Thurm, geradezu eine Haide, in ver Ferne die Züge der Wolken; er sieht noch andere Dinge, die aber, weil sie dieser Gegend mit anderen gemein sind, sich in seinem Ge dächtnisse verwischen und keinen bestimmten Eindruck zurücklasseu. Was ist die Folge ? Wenn später dem Geiste das Bild dieser Gegend vorgeführt wird, so kann es sich leicht treffen, daß er, zerstreut durch eine Menge unbeachteter Einzelheiten, in welchen die charakteristischen Elemente der Gegend untergehen, sie nicht wieder erkennt. Wenn ihm aber eine Aehnlichkeit gezeigt wird, die aus weit weniger ein zelnen Zügen, aber aus unterscheidenden Zügen besteht, so wird er die Gegend nennen und erkennen. Wir brauchen nicht weiter zu gehen, denn die vorstehenden Be merkungen klären wohl die Frage, die wir auf Veranlassung der Daguerreschen Lichtbilder aufgeworfen haben, hinlänglich auf. Die Frage war, in welchem Verhältnisse die Identität, als die der Da guerreschen Erfindung zukommendc Nachahmung, und die Aehnlichkeit, als die der Kunst zukommende Nachahmung, zu einander ständen? Nun uns dieses Verhältniß bekannt geworben, haben wir nur noch die beiden Seiten einander gegenüberzustellen. Die Identität, das Resultat ver bloßen Technik, ist das Bild des Gegenstandes, das weiter nichts giebt als rein diesen selbst; die Aehnlichkeit ist das freie Zeichen, welches noch etwas Anderes ausdrückt als das bloße Bild. Die Identität giebt nur eine Doublette des Gegenstandes; die Aehnlichkeit wirkt nach Belieben auf diesen oder jenen Sinn, regt diesen oder jenen Eindruck, diese oder jene Empfindung an und verklärt das Endliche zum Unendlichen, die Nachahmung zur Kunst. Von diesem Gesichtspunkte aus eröffnet sich uns ein weiter und neuer Gesichtskreis, und die Wolken, hinter denen sich uns so leicht die Geistigkeit der Kunst verbirgt, zerstreuen sich, um am klaren Himmel des himmlische Prinzip ves allgewaltigen Gedankens leuchten zu lassen, der aus allen Gegenständen, welche die sichtbare Welt ein schließt, nicht Muster, sondern Werkzeuge seiner Schöpfungen macht. Bon hier aus sehen wir die Nachahmung, deren letztes Ziel die knechtische Nachbildung der Gegenstände seyn würde, ihren Platz der Aehnlichkeit abtretcn, welche das ausdrucksvolle und unendlich man nigfache Zeichen der Gegenstände und der sichtbaren und unsichtbaren Beziehungen ist, deren Verständniß allein ver Geist besitzt. Von hier aus zeigt cs sich, daß der Mensch, je nachdem er kopirt oder ge staltet, je nachdem er nachahmt odcr etwas Eigenes ausdrückt, je nachdem er empfängt oder giebt, Maler oder Künstler, Versemachcr oder Dichter, eine intelligente Maschine oder ein sclbstschöpferischeS Genie ist- (ll. England. Schottland in politischer, literarischer und industrieller Beziehung. (Fortsetzung.) Allmälig haben indeß die Auswanderungen in den Hochlanden abgenommen. Die Lage des Volks hat sich gebessert. Das Hammel fleisch gewährt ihnen eine bissige Nahrung, und die Kartoffel, deren Anbau seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts in Schottland ein-