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2Löchenrlich erscheinen drei Nummern. Pränumeralionö- Preis 22j Sgr. '^hlr.) vierteljährlich, 3 Tklr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Tbeilen der Preustisa en Monarchie. für die Man rrännmrn'^ ans dicüS ?i>kraInr-K!ntt in Berlin in d r Exvtdiüon der Allg. Pr. SlnnlS.Zeiinng järtedricbeslr. Rr. 72); in der Provinz so wie iin Andiande bei den WobUöbt. Poil-Aemiera. Literatur des Auslandes. 5!). Berlin, Montag den 17. Mai 1841. Nord - Amerika. Die Irländer in Nord-Amerika. DaS Verhältniß der »ach Nord-Amerika auswandcrnven Irländer zu ihrem neuen Vatcrlande ist ein ganz eigenthümliches und verdient twofcrn eine besondere Betrachtung, eine Betrachtung, zu welcher das der Auswanderer aus andere» Ländern Europa'S keinen Stoff giebt, mit Ausnahme vielleicht der Deutschen. Denn die Deutschen bilden schon in Nord-Amerika eine respektable Masse, die nicht unter die übrigen BevölkcrungS-Elemente zerstreut ist, sondern als kompakte Gesammthcit dasteht, mit eigener Sprache, eigener Publizität und schon jetzt sehr bedeutendem Gewicht in der Waagschale der Nord- Amerikanischen Partei-Interessen, in deren Kampf die Parteien ost sehr um ihre Stimme buhlen. So bildet sich in jenem Welttheil auch eine Kolonie Deutschen Stammes und Geistes, welche in treuer Bewahrung des heimatlichen Geistes vielleicht einst dazu berufen ist, ei» wohlthatigeS Gegengewicht thcilS gegen die Erzeffe der dortigen Demokratie, theilS gege» die Allmacht der materiellen Interessen zu bilden und so jene ganz ins Rechnen versunkene Welt mit Deutscher Tiefe, Deutscher Gcmüthlichkeit und Wissenschaftlichkeit zu durch dringen. und die jedenfalls, wofern sie nur fest zusammenhält und sich ihrer selbst und ihrer Stellung immer mehr bewußt wird, in der zukünftigen Geschichte der Union eine bedeutende Rolle spielen muß. Anders ist es mit den Irländern: diese bilden dort keine ge trennte, abgesonderte Nationalität, die als selbständige Gesammthcit den anderen gegenüberstcht; dagegen stehen sie von vorn herein, schon als Einwanderer, ja, man möchte sagen, schon in ihrem Europäischen Geburtsland, in einem ganz anderen Verhältniß zu Amerika, als die Einwanderer aller anderen Europäischen Völker. Diese Letzteren, welcher Nation sie auch angehüren mögen, sind als Einwanderer gewissermaßen nicht von einander zu unterscheiden. Der Deutsche, der Franzose, der Holländer kommen nach Nord-Amerika nicht als Deutsche, Franzosen oder Holländer, sondern als Europäer, die bald Noth, bald Lust zu Abenteuern oder Unternehmungsgeist, bald poli tische oder religiöse Unzufriedenheit der neuen Welt zusührt; sie kommen daher mit gleichen Wünschen und Hoffnungen und werden auf gleiche Weise empfangen. Der Irländer dagegen kommt eben nicht bloß als Europäer hin, sondern als Irländer, d. h. die Motive seiner Auswanderung, seine Hoffnungen, sein Empfang in dem neuen Naterlaudc kommen nur einem Irländer zu. Daß diese Eigenthüm- lichkelt mit der eigenthümlichen Geschichte und den Zuständen seines Europäischen Heimatlandes genau zusammcnhäugt, versteht sich von selbst. Damit diese allgemeinen Bemerkungen faßlicher werden, wollen wir Einiges auS einem sehr lehrreichen Artikel mitthcilen, den eine literarische Zeitschrift Nord-Amerikas hierüber, wie über die Ver hältnisse der Irländer in Amerika überhaupt, enthält. Jedem Reisenden in Irland, sagt die Vwtll-.äum««!» Uoeieve, muß die Begeisterung für Amerika, die alle Klassen der Bevölkerung, außer den Orangisten, durchdringt, aussallen. Von den niederen Klassen, den kleinen Pächtern, den Handwerkern, der Bauernschaft, werden die Vereinigten Staaten als eine Art Zwischen-Station aus dem Wege zum Himmel betrachtet, als ein Paradies, wohin schon Einige von den Verwandten oder Freunden fast jeder Familie ge wandert sind und von wo sic Berichte bekommen, welche, selbst wenn sie nicht übertreiben oder der Wahrheit sehr nahe kommen, diese neue Hcimal in Vergleich mit ihrem heimischen Elend als bas wahre Eldorado der Spanischen Romanze darstellen.") Die Kinder saugen gleichsam mit der Muttermilch diese leidenschaftliche Bewunderung der neuen Welt ein. Das Lob derselben ist das Wiegenlied des Kindes. Dem Knaben wird gelehrt, ihre Größe zu verehren, und der Mann glaubt, spricht und seufzt nach ihren fernen Ufern mit einer glühend«, Bewunderung, die keine Gränzen kennt. Das poetische Gcmüth des Iren, sein warmes Herz, sein feuriges Temperament, Alles vereinigt sich, ihm das Feenland, nach dem er ') „Die Irländer bei ihrer Autunit in Amerika können ihren Augen nicht «rauen; sie suhlen sich wie verzaubert. Sie wagen eg nicht, ihre» freunden m Eurova die Strome von Mitch und Honig, welche durch dieses gelobte ftjthen, zu beschreiben. Ein kürzlich angclangter Are zeigte seinem Herrn fwen Bia es, den er eben an seine Familie geschrieben. „Aber, Patrick", sagte Herr, „warum sagst Du, Du bast dreimal wöchentlich Fleisch, wenn Du m °"wwl täglich hast?" — „Ei", erwiedcrte Pat, „lie.wüedm mir »i«t dVn wenn ich ihnen Las erzählte." lGeftllschast, Sitten und Politik in -vereinig wn Staaten, von Michel Chevalier l schmachtet, in den reizendsten Farben darzustellen. Die Schönheit, die Liebe, Ler Ruhm, den er sich ausmalt, bilden den Rrgcnbogcn des ncue» Vergleichs, de» der Himmel mit dcm armen Verbannten geschloffen zu haben scheint. Lange ehe er sein Geschick dem Occan anvertraut, sieht er Amerika in den Visionen der Nacht wie in seinen Tagesträumen, grüner als seine eigenen grünen Felder, fruchtbarer als die Thälcr, erhabener als die Berge seines Erin. Vor Allem rechnet er mit zu kühner Sicherheit auf eine der scinigcn ähnliche Begeisterung in der edlen Nace, mit der er sein eingebildetes Elpsium bevölkert hat- Der Irländer betrachtet in der That Amerika als die Zuflucht seiner Race, die Heimat seiner Verwandten, das Erbtheil seiner Kinder und KinveSkindcr. Das Atlantische Meer ist für ihn weniger eine Trennungskluft, als der St. Gcorgc'S-Kanal. Die Englische» Küsten sind in seines Herzens Geographie weiter entfernt als die von New- Aork oder Maffachuffctts. Breitcgrade kommen in den Messungen seines Enthusiasmus nicht in Anschlag. „Alt-Irland", wie er cs so gern nennt, scheint ihm nur ein Stück jenes großen Kontinents, den „neue Welt" zu nennen ihm fast unnatürlich klingt. Er hat kein anderes Gefühl in Bezug auf Amerika, als das der Liebe und Loyalität. Auf seinem Boden zu leben, für sein öffentliches Wohl zu arbeiten und in des Landes Dienst zu sterben, sind aufrichtige Wünsche des Sohnes Erin's, wenn er seine Heimat mit dem adoptirten Lande vertauscht. Er denkt nicht an strenge Untersuchung der Nationali täten, an kalte Berechnung der Formen. Er fühlt nur, daß cr dem Lande angehört, wo cr sein Brod verdient. Sein Bürgerrecht war bisher nur das Recht, zu dulden. Der Instinkt der Naturalisation liegt in seiner Seele. Und er kann nicht begreifen, daß der Ocean, den cr überschreitet, mehr Macht haben sollte, ihm alle die Rechte und Privilegien, welche dieser Instinkt in Anspruch zu nehmen scheint, zu rauben, als seine eigene Herzenssehnsucht, sie ihm zu sichern. Der erste Fußtritt auf den Boden der neuen Welt ist für ihn schon ein Akt, der seine Treue bindet. Der erste Lufthauch, den er einathmet, ist eine Stärkung für sein Herz; denn er weiß, cs ist die Luft der Freiheit. Er blickt um sich im Bcwußtsepn neugeborener Würde. Er fühlte sich nie früher wahrhaft als Mann, da der Druck kleinlicher Proscription auf ihm lastete. Er kannte nie früher die Pflichten der Treue, denn ein Heer von kleinen Hindernissen stand zwischen ihm und dcm Gegenstand, dem er sie schuldete. Jetzt ver steht und erkennt er sie an. Er fühlt sich mit den, welchem seine Trcue gebührt, idcntifizirt; er betrachtet sich als einen integralen Theil des Staates und ist in Herz und Seele, wenn nicht der Form nach, ein Bürger. Lie Erwartungen des Ankömmlings, die freilich mehr romantisch als verständig sind, werden oft in den ersten Augenblicken seiner An kunft grausam getäuscht. Ec giebt den hinterlistigen Leuten, von welchen er aus verschiedenen Gründen gesucht und in Beschlag ge nommen wirb, seine Hand, aber die Herzlichkeit seines Drucks findet eine kalte Entgegnung. Er spricht im Ton Ler Offenheit, aber keine Stimme erwievert denselben. Sein ungeschlachtes Aussehen, seine schmutzige Kleidung, sein Irischer Accent müssen freilich denjenigen abstoßend und lächerlich erscheinen, welche in ihm nur eine Maschine für die grobe Arbeit des Staates odcr ein Werkzeug politischer Speculation sehen. Der Irländer erkennt bald die Wahrheit seiner Stellung, denn cr ist über die Maßen empfindlich- Niemand wird schneller auf seine eigenen Gefühle zurückgeworfe» als ein Ire. Das Mißtrauen stebt im Verhältniß zur Hingebung, und in demselben Grade, wie sie anfänglich warm und anschließend sind, werden sie kalt und mürrisch, sobald sie so zurückgcstoßen worden. In schnellem Wechsel nimmt er, sobald cr sich verschmäht sicht, die Offensive an, wird gcwaltthätig, wirft sich in die offenen Arme der Parteiung, trinkt, schwört, nimmt an Ausläufen Tbeil, verliert sich in jene Masse von Unwissenheit und Unmäßigkeit, die unsere Städte schändet, und ist so bald wenig besser als ein Vagabund in dcm Lande, das cr mit jener Ehrfurcht aufsuchte, die einen reuigen Sünder in den beseligenden Schoß der Kirche führt. Doch obwohl verhöhnt und getäuscht, verläßt doch die glühcndc Liebe zur Freiheit selten baö Irische Herz, und eben so selten fällt cS in Verzweiflung. Wenige von den Ausgewanderten kehren in ihre alte Heimat zurück. I» den meisten Fällen halten sie aus und arbeiten sich durch. Auch hören sie nicht auf, Amerika zu liebe»; aber sie lieben cS jetzt nicht mit dem heiligen Entzücke» einer ab strakten Leidenschaft, sondern mit praktischem und geschäftsmäßigem