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260 heit und geistige Lebendigkeit und verathen im Allgemeinen einen Grad von Bildung, wie man ihn bei so einfachen Bergbewohnern nicht erwarten sollte. Die Zinzarischen Frauen sind mehr stark als schlank gebaut, aber ost recht wohl gebildet. Ihre Züge, minder fein, als die der Grie chinnen, haben gleichwohl etwas Angenehmes; der Teint verkündet eine treffliche Gesundheit; die Augen sind lebhaft, zuweilen blau. Sie ertragen eine lange Trennung von ihren Männern, ohne sich darüber zu beschweren, und stehen während dieser Zeit unter dem Schuhe ihrer Aeltern oder der Aeltern ihrer Männer. Die Albaneser (Arnauten, Schkipctaren) sind vielleicht das schönste Volk in der ganzen Türkei; ihr ovales Gesicht, ihre lange, dünne und fein geformte Nase, der mehr hagere als sette Körper und die hohe schlanke Gestalt erinnern an die schönsten Typen unserer Europäischen Alpenbewohner. Den Schweizern gleichen sie darin, daß sie ihre Tapferkeit gern für Geld verkaufen. Man schil dert sie immer als äußerst raubsüchtige und grausame Krieger; doch haben sie nicht selten Proben von Edelmuth und wahrhaft ritterlicher Gesinnung gegeben. Wenn der Albaneser die physischen Eigenschaften des Schweizer und Tyrolischcn Aelplers besitzt — wenn er wie Vie Gemsenhirten von Wallis mit seiner Büchse auf der Schulter schwindelnde Abhänge flink hinanklettert, so hat er dazu noch eine südliche Lebhaftigkeit und einen scharfen, rasch wirkenden Geist. Der Nationalstol; des Schkipc taren zeigt sich in seinen Worten, seinen Gebcrden, seinem leichten und doch majestätischen Gange. Der Muth ist ihm angeboren, und ein Abenteurer-Leben in solchem Grade sein Element, daß er nie auf die Uebel, die der Krieg erzeugt, einen Seitenblick wirft. Die Bosniaken, die Serben und Bulgaren haben in gewissem Betrachte ein ganz anderes Naturell; denn ob sie auch jede auslän dische Herrschaft verabscheuen, so geht ihr Streben doch nicht über das Land hinaus, wo man ihre Sprache redet, und es behagt ihnen nur unter den Ihrigen; wogegen der Albancser die Eroberungen Aleranders des Großen, dessen Fahnen seine Urväter bis Indien ge folgt, erneuern würde und andere Nationen gern beherrschen möchte. Wenn man die verschiedenen Stämme des Schkipctaren-Volkes mit einander vergleicht, so ergiedt sich, daß die Gegen, obwohl vielleicht wilder als die Schamiden, in gewissen Eigenschaften den Vorzug vor den Tosken verdienen. Wenn ein Gcge einen Fremden bei sich ausgenommen und ihn bewirthet hat, wär' es auch nur mit Brod oder Salz gewesen, so wird dieses Individuum für ihn, wie für den Slaven, ein Freund (miß), ein Bruder (vlu), eine Person, die er vertheidigen muß, während die muhammedanischen Tosken nicht immer so gewissenhaft sind. An Sittenreinheit gleicht der Gcge dem Serben, und auch sein Körper ist, wie der des Letzteren, mehr stämmig als schlank. Er hat eine sehr starke Muskulatur, eine rauhe Brust, dunkles Haar und Augen, in denen kein Falsch liegt. Der Toske dagegen ist hoch gebaut, schlank, sein Auge durchbohrend und weniger Zutrauen erweckend. Unter diesen Kriegern vom Tomor findet man mehr als ein Modell zu einem Apollo und einer Venus. An den Schamiden bemerkte ich vorzugsweise jenen falschen Blick, jenes halb Schielende, das unwillkürlich an Katzenaugen erinnerte. Die Muhammedaner im Epirus gelten im Allgemeinen für unbestän dig, heuchlerisch, lügenhaft, verrätherisch, habgierig und grausam. Schönere Leute, als die gräcisirten Armenier (Japiven, Sulioten) giebt es wohl nirgends, allein diese haben lockere Sitten, wie viele Muselmänner, und verdienen auch wenig Zutrauen. Die Juden und die Armenier im Türkischen Reiche bewahren ihren eigentlichen Typus, weil sie unvermischt bleiben. Individuen dieser beiden Nationen lassen sich zu Allem gebrauchen, was ihnen Bortheil verspricht; und da die Regierung in finanziellen Angelegen heiten sich häufig ihrer bedient, so haben sic an deren vielfachen Gcld- Erschwingungen großen Antbeil. Alle übrige Völker des Türkischen Reiches sind ihnen nicht sehr hold; doch stehen vre Juden wegen ihrer strengeren Sitten in etwas besserem Rufe als die Armenier, denen man auch ein noch größeres Handels-Talent und mehr List zutraut. Der Armenier soll sich darauf etwas zu Gute thun, daß er schlau genug ist, um den Juden selber hinter's Licht zu führen; und in vielen Gegenden hört man die Redensart: „in einem Armenier stecken drei Juden."") Bei dem letzteren Volke hat fast nur das weibliche Geschlecht schöne Individuen aufzuweisen; die Armenier aber sind im Durch schnitt große und stattliche Leute von regelmäßiger Gefichtsbildung und vielem Ausdruck. Dagegen haben sie häßlich plumpe Hände und oft erschrecklich lange Beine; auch ihre Haltung ist unedel. Der Armenier ist eifersüchtig auf seine Frau, die sich, gleich der Türkin, mit Jaschmak und Feredsche verhüllen muß. Die Frauen sind oft sehr schön, blendend weiß und etwas stark gebaut, aber ohne den pikanten Ausdruck und die anmuthige Lebhaftigkeit der Griechinnen. An Phlegma und Geduld gleicht der Armenier dem Osmane», dessen Muth er jedoch nicht besitzt und wohl niemals besessen hat. Die Zigeuner in der Türkei haben gewöhnlich eine interessante, sehr verständige Gesichtsbildung. Ihr Auge isi schön geschlitzt, sehr dunkel und voll Feuer, die Nase zierlich gebogen. Alle Zigeuner sind hager, fast fleischlos, mit dünnen Ertremltäten, und kein Volk in der Türkei hat eine so dunkle Hautfarbe. Wenn die Zigeunerin noch sehr ') Ein anderes (Türkisches) Svrüchwort lautet: ibi a-Uudv, dir krnwui; wi krmeiti, dir kum^; idi knmx, dir «odextsu, d. b- jwei Juden geben einen Armenier, zwei Armenier einen Griechen, und jwei Griechen — einen Teufel. jung ist, vereinigt sie ost mit vieler Koketterie reizende Züge und einen sylphenartigcn Wuchs. Das Naturell der Zigeuner bleibt sich überall gleich: sie sind listig, charakterlos, rachsüchtig und von thierischer Sinnenlust, der das engste verwandtschaftliche Band nicht heilig ist. Sie suchen überall nur kleinliche Vortheile und scheuen die ehrlosesten Mittel nicht, wenn sie dabei nur der weltlichen Strafe entgehen können. Ihre Religion wechseln sie eben so unbedenklich, wie ihren Wohnsitz, oder, besser gesagt, sie haben gar keine Religion und spotten über Alles, was anderen Völkern heilig ist. Ihre Unempfindlichkeit für religiöse Gefühle bleibt ihnen sogar in der Todesstunde, aber sie verstehen es, bis an ihr Ende zu heucheln. Sie verachten alle Bequemlichkeiten des Lebens und scheuen jede Anstrengung, die ihre Lage verbessern oder ihren Geist bilden könnte: aber zu Allem, was sie lernen oder unternehmen wollen, zeigen sie viel Geschick; daher sind sie in der Türkei doch nützliche Glieder der Gesellschaft gewor ben. In der Wallachei werben sie Bedienten und Küchenjungen der Bojaren; anderwärts aber Postillone, Pferdehändler, Wagner, Huf schmiede, Kesselschmiede, Zinngießer, Bergknappen, Goldwäscher, Musikanten, Gendarmen und Henker. Ein AmboS, ein Blasebalg, eine Zange, ein Hammer, eine Feile, ein Schraubenzieher bilden die ganze Werkstatt des wandernden Zigeuners, wenn er Wagner (?) ober Schlosser ist. Wenn ihre Musik nicht angenehm klingt, so liegt dies an der Qualität ihrer Instrumente; ein musikalisches Ohr und Sinn für Musik kann man ihnen nicht absprechen. Auch fehlt es ihnen keinesweges an Muth oder Tauglichkeit zum Kriegsdienste; dies bezeugen die Waffenthaten, die sic unter Tscherni Georg aus führten, der ihnen einen Woiwoden von ihrer Nation und sogar Fahnen gegeben hatte. Mannigfaltiges. — Die beiden Gefängniß-Systeme Nord-Amerika's. Die sßorlk-^meriusn.lheview nimmt in ihrem Januar-Hefte (1841) mit großer Entschiedenheit das Aubu rusche oder Schweigsystem der Gefängnisse gegen das Pennsylvanische oder Trennungssystem in Schutz. Ihrer Meinung nach, Haden sich jetzt die besten und höchsten Autoritäten Nord-Amerika's für das erstgedachte System er klärt. Gegen das Pennsylvanische System, wonach jeder Gefangene eine besondere Zelle zu bewohnen hat, wird angeführt: erstlich, daß es keinem Baumeister bisher noch gelungen sey, ein Gefängniß her zustellen, wodurch die Communication einer Zelle mit der anderen vollständig vcrhintzert worden sey. Ja, es habe sich als eine Un möglichkeit erwiesen, eine Rcihefolge neben einander liegender Zellen nach solchem Prinzipc zu einem Gefängniß, das unter einer und der selben Aufsicht stehen soll, zu vereinigen. Demnächst aber sey zu bedenken, daß, den vorliegenden Erfahrungen zufolge, kein anderes Gefängniß-System so sehr, wie das der beständigen Einsamkeit, dazu führe, die Gefangenen wahnsinnig zu machen.") Sey auch die Con- struction solcher Gefängnisse (wie z. B. des Lautern Leiülenüarz) nicht der Art, daß sie den geschickten und abgefeimten Verbrecher verhindern könne, mit seinen Nachbarn so viel zu kommunizircn, als er Lust habe, so wäre sic doch vollkommen hinreichend, sehr nach- thcilige Wirkungen auf den Gemüthszustand der minder Verhärteten und Verschlagenen zu äußern. Zum Beweise dessen beruft sich die ?soi-tfi.^merivan-lrerien auf die Jahres-Berichte der Direktoren des Gefängnisses von Philadelphia, wonach es unumstößlich fest- stehen soll, daß die beständige Einsamkeit der Gefangenen diese sehr häufig zum Wahnsinn bringe. Alle Unvollkommenheiten des Auburnschcn Systemes, wonach die Gefangenen zwar während der Nacht vereinzelt werden, aber am Tage zusammen arbeiten, ohne jevoch mit einander sprechen zu dürfen, seycn unerheblich im Ver gleiche mit diesem einen unbestreitbaren und schrecklichen Vorwurf deS Pennsylvanischen Systems, der vas Auburnsche keinesweges treffe. Endlich aber sey das letztere dem ersteren auch darum vorzuziehcn, weil es der Disziplin und dem Unterrichte der Gefangenen so wie der Ockonomie der Anstalt um so« viel günstiger sey. „Wenn wir von Unterricht sprechen", fügt der Amerikanische Reviewer hinzu, „so meinen wir zunächst religiösen Unterricht, der ja dem Gefange nen mindestens eben so wichtig, aber in der That noch viel wichtiger, als dem freien Bürger ist. Wie aber ein solcher Unterricht nach dem Pennsylvanischen System mit Nutzen ertheiit werden könne, ist uns durchaus nicht möglich, auch nur zu denken. Für das Londoner Muster-Gefängniß ist zwar, einer uns vorliegenden Schrift zufolge, ein Plan in Vorschlag gebracht, wonach jeder Gefangene sich in einer kleinen Loge befindet, Vic sich im Korridor nach dem Prediger hin öffnet, so daß ihn mehrere Hunderte zugleich an den Sonntagen, an welchen er predigt, hören können."°) Dieser Plan ist jedoch, da das Gefängniß zur Zeit nicht fertig ist, bisher auch noch nicht ge prüft; aber selbst, wenn die Ausführung gelingt, wird sich doch die Wirkung eines solchen Gottesdienstes nicht mit der der in einer Ka pelle still vereinigten Andacht vergleichen lassen." »1 Der Preußischen Staats-Zeitung vom 24- Mai d. I. zufolge »«" der Londoner Alderman, Sir Peter Laurie, im Gegrntheil von dem Auburma>en (Schweig-) System behauptet, daß es zum Wahnsinn sichre, und der Dentiwe Philanchrov, Herr I)r. N. H- Julius, giebt, wenn er auch diese Ansicht nicht zu Meilen scheint, doch ebenfalls dem Pennsvlvanischen Snstem den -.wrzug ") Sollte dies vielleicht das Gefängniß se»n, welches seitdem fertig ge worden und über dessen Wirkungen Sir Peter Laurie sich beklagte. Dann ist dieses la nicht nach dem Auburnschen, sondern nach dem Pennwwamsche» Snstem eingerichtet. Herausgegeben von der Expedition der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Redigirl von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.