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schlanken Burschen mit kohlschwarzem Gesicht und schwermüthigem Blicke, zum Führer und eine Leuchte in die Hand. Im Stöten unten zündeten wir die Fackel bei dem schwefelumblüheten Eingang in die Unterwelt an; an vielen Stellen waren die Wölbungen mit Balken unterbaut, um sie zu stützen. Mein Führer erzählte mir von dem harten Leben des Berg manns und den Gefahren, die ihn ewig umringen. „Bor einem Jahr etwa hieben zwölf Bergleute an einem Felsblock in den Höh lungen und hatten Pulver daran gelegt, um ihn zu sprengen. Nun galt es, rasch fort zu kommen, da die Lunte nicht lang war; sie kletterten die Leiter hinauf; aber mitten auf derselben stürzte der Eine und schien verloren. Doch sein Kamerad verließ ihn nicht, denn der Herr kann glauben, in der Tiefe lernt man Zusammenhalten. Schnell wie der Blitz fuhr er ihm nach, ergriff die Lunte, die kaum noch eine Linie zum Ausbrennen hatte, und rettete so seinen Freund." Ich erzählte ihm Bergmannsgeschichten aus Sala, um ihm vie sci- nigen abzulocken. „Nein", sagte er, „ich habe nie so etwas ge merkt und auch Keiner von uns hier; es sind nur die Alten, denen solche Erscheinungen begegnen. So stand einst ein Greis hier unten und hieb fleißig; da traten drei ganz strahlend schöne Weiber zu ihm; es waren dies Grubenfrauen, herrlich waren sie ausstaffirt, aber drei lange Schwänze, und dies war das Schlimmste, schleppten sie hinter sich drein. Jede hatte ihr Grubenlicht in der Hand; sie fragten den Alten, ob er nicht etwas zu essen hätte, und er breitete sogleich seinen Vorrath vor ihnen aus; doch rührten sie nichts mit ihren Händen an, sondern stießen bloß mit ihren langen Stecken darin herum. Hierauf gaben sie ihm ihren Segen, wünschten ihm Got. tes Frieden und schickten sich an, weiter zu gehen." — „Soll ich nicht leuchten?" fragte der Alte. — „Nein, schön Dank", antworteten sie, „wir leuchten uns selbst." Und indem sic das sagten, verschwanden sie um eine Grubencckc." Den Rest des Tages brachte ich bei einem wackeren alten Bergmann zu, auf dessen Landsitz nahe bei der Stadt, der durch eine niedrige Eiche merkwürdig ist, die einzige in der Gegend, da hier wegen der hohen Lage des Landes dieser Baum seine Nord- gränze hat. Dalarne und sein Volk. — Gustav Wasa und Gustav III. zu Mora. Am nächsten Morgen verließ ich Fahlun. Höher gegen Norden, immer höher zog es mich; jene Gegenden, Vie stolzen, schweigenden Zeugen von Gustav's Heldenthat, wollte ich sehen, ich wollte mit dem Volke verkehren, welches sich zuerst für des Nordens Freiheit erhoben hatte. Jetzt war ich im Kern des Landes. Der Silian, „Dalarne's Helles Auge", mit dem GebirgSrahmcn um seine Strande, der Ort Leksand im Thalgrunde und an den dunklen Seiten der Berge sich hinausziehend, Rättvik an einer Bucht des Siljans im lieblichen Laubwald, die erinnerungsreichen Gegenden, wo Gustav's Mund zuerst sich austhat, um das Wort der Freiheit zu sprechen, lagen vor mir. Im Vorbeigehen begrüßte ich sie; zwar wäre ich gern hier länger verweilt, aber zu meinem Unglück war keiner der Männer zugegen, mit denen ich am liebsten Bekanntschaft suchte, weil sie mich über das Treiben des Volkes aufklären und mit ihm in lebendige Verbindung bringen konnten. Alle Prediger, obgleich jedes der Thalbezirkc drei bis vier zählt, waren nämlich durch ein seltsames Zusammentreffen verreist oder unpäßlich. Da mir also das natürliche Mittelglied zwischen mir und dem gemeinen Volke fehlte, lernte ich hier Niemand anders aus demselben kennen, als Gastgeber und Skjuts-Baucrn. Und wenn auch sie, die selbst zu dem eigentlichen Volk gehören, letzteres recht gut für einen Reisenden repräscntiren, so konnte die Bekanntschaft allein mit ihnen doch nicht zu einem län geren Aufenthalt anlocken. Es ging also an ihnen vorbei und tiefer in die Wälder nach Mora, auf welcher Tour ich recht Gelegenheit hatte, meine Bemerkungen über den Naturcharakter Dalarne's anzustellen. Große, steinbesäete, waldbewachsene Einöden, voller Hügel und Moose, scheiden Thal von Thal; jedes dieser letzteren ist, so viel es der Sandboden zuläßt, gut angebaut, besonders oben auf den Bergrücken, weil der Luftzug hier macht, daß der Frost die Saat nicht zerstört. Jedes Thal bildet einen eigenen großen Kirchsprengel, von denen der größte, Mora, IVM» Einwohner, aber nur eine Kirche und ein Paar Waldkapellen hat; der Regel nach sind drei Prediger fest angestellt, ein Hauptprediger (Kprkoherde), der sich oft ein bis zwei Adjunkten hält, ein Comininistcr und ein Skolmästare (Katechet); des Letz teren Amt ist ganz besonders bürdevoll, da er oft dreißig bis vierzig Meilen in dem wilden Wald über Stock und Stein zu Pferde reisen muß, um die Finnischen Kolonisten, von denen Dalarne nicht wenige hat, zu erbauen. Das Volk, das in dem einen Thale wohnt, ist sehr verschieden von dem im nächsten, nicht bloß im Aeußeren, in dem jedes Thal seinen eigenen Schnitt und Farbe zu den Kosten °) hat, sondern auch im Innern. So soll der Stamm in Rättvik und Orsa, nebst dem Särnakarl, die eigentlich ganz Norwegisch sind, munter, aber auch zu Pfiffen und kleinen Betrügereien geneigter, der Morakarl düsterer, bestimmter und ernster, das Volk in Elvdalen, der rechten Heimat der Herengeschichten, in sich selbst verschlossen und schwermüthig sepn. Mathematische und mechanische Anlagen, die man so oft in Gebirgslanden findet, wo jeder Mann selbst Alles sepn muß, soll der Dalkarl auch haben, und daß sie hurtige Rechenmeister sind, davon war ich selbst Zeuge. Ich sah mehr als Einen, wenn es ein schweres.Rechenerempel gab, sein Messer aus dem Gürtel ziehen, damit die Zahlen auf seine fettige Schürze hinzeichnen, und bald war die Rechnung zu Ende. Mit natürlichem Witze sollen besonders die Umwohner des Schwertsecs begabt sepn, wovon ich eine recht kurzwei- ') Eine Tracht, halb Rock, halb Jacke. 262 lige Anekdote hörte. Ein Geistlicher predigte zur Wahl in der Kirche ihres Sprengels, gefiel «her den Bauern nicht; nach dem Gottes dienst sagte er zu einem der Vornehmsten: „Aber höre, wie könnt Ihr so schlecht fingen?" — „Ach, für ein einziges Mal hält Väterchen cs wohl aus", antwortete dieser. Daß man Viele mit lebendigem, aufgeweckten Wesen findet, dies hatte ich auch in meinem Umgang mit ihnen Gelegenheit zu bemerken, doch darf man ja nicht glauben, daß sie Alle dieser Art sind, man trifft nicht seltener Wasser- und Wirr-Köpfe bei ihnen, als bei unseren Bauern. In Mora, dem größten Kirchbezirk und dem, aus welchem Schwedens Befreiung ausging, hatte ich beschlossen, mich länger aufzuhaltcn. Es hat eine eigenthümliche Lage am nördlichen Ufer des Siljans in einem sandigen Thal, von Bergen umgeben, die, da sie nicht besonders hoch sind, in dem Dämmerlicht des Abends, an welchem ich dort ankam, ein Farbenspiel geben, wie Jütlands Dünen unv mich lebhaft an meine Reise in den Westgegenven Dänemarks erinnerten. Die Häuser sind, wie man sic gewöhnlich in Dalarne trifft, eben nicht mit großer Sorgfalt gebaut, da der Thalbauer halber Nomade ist und, wenn der Frühling kommt, mit seinem Vieh und seiner Art nach vem Walde zieht, wo er gewöhnlich mehrere Täter (Hochwciven) hat. Sie sind, wie überall in Gebirgslandschaften, von Holz und bestehen meistens aus einem Wohnhause, umgeben mit einem Labyrinth von kleinen Böden, Scheunen, Viehställen u. s. w. — Der nächste Tag war ein Sonntag, und als die Glocken zur Kirche läuteten, mischte ich mich unter die Schaaren, die zum Gottes haus zogen. Das Volk hier hat nämlich, wie die Schweden im Allgemeinen, eine religiöse GemüthsstimMung, die jedoch leider gar pft als Swedenborganismus auf Abwege geräth. In der Zeit, wo der Unglaube unter allen Gebildeten stark um sich griff, war es natür lich, daß das Volk in seinen eigenen Versammlungen die Erbauungen suchte, die es in der Kirche nicht sand; es war um so natürlicher, da die Bauern, die weit von der Hauptpfarre wohnen, zu einer solchen patriarchalischen Andacht in ihren Häusern gewöhnt sind. Die Bauern, die sich so versammelten, wurden Leser") genannt, und man fand sie über ganz Schweden. An mehreren Orten kam es zu ernsthaften Auftritten zwischen ihnen und der Geistlichkeit; so hörte ich, daß sie in einer Pfarre zum Prediger hinauf gegangen und ihn ermahnt hatten, das reine Wort Gottes zu predigen. In der Hitze des Gesprächs, wo ein Wort das andere gab, hatten sic zuletzt er klärt, der Teufel spräche aus ihm, und ihn einen unwürdigen Diener des Wortes genannt. Sic kamen nun auch nicht mehr in seine Kirche, sondern saßen außerhalb auf dem Kirchhofe und sangen Lieder; er klagte hierüber, aber bald nachher wurde ein junger rechtgläubiger Prediger hierher geschickt, und vie Sache endete ohne weitere Folgen. In Rättvik und Elvvajcn finden hier in Dalarne sich noch die meisten Leser; im Elvthal soll es, wenn man den Berichten glau ben dars, zu wirklicher Schwärmerei übergegangcn sepn. Nackend sollen sie durch ein enges Loch gekrochen sepn, welches das Fleisch vom Leibe schund, um buchstäblich den engen Weg zu gehen, und in eiskaltes Wasser getaucht sepn. In Lulca, sagt man, hätten sie sogar, um die Hochzeit des „Lammes" zu feiern und zu zeigen, daß sie der Versuchung des Fleisches gewachsen wären, nackend, Mann und Weib unter einander, getanzt. Doch gehören solche Ausschweifungen zu den Seltenheiten, und die Leser leben meist ein stilles, gottesfürchtiges Leben. Nur soll der auch anderwärts stattfindende Jrrthum unter ihnen herrschen, die Rechtfertigung im Glauben so weit über die Heiligung durch die That zu setzen, daß sie letztere vergessen. Wie dem auch sey, die Prediger tragen wohl die größte Schuld, da sie zuerst vom Glauben abwichen; sind nur echte und tüchtige Geistliche in einem Sprengel, so wird das Schwert des Geistes den Jprthum schon besiegen. (Fortsetzung folgt.) Frankreich. Frankreichs Untcrrichtswescn. (Schluß.) In dem edlen Bestreben nun, ein Wartfeuer anzuzünden, das den Schiffer nicht bloß vor der Gefahr warnen, sondern ihn in den Hafen führen soll, handelt Girardin in der zweiten Hälfte seines Merkchens von der Möglichkeit, eine gute berufsmäßige Erziehung an die Stelle der bisherigen allgemeinen, bloß unterrichtenden zu setzen. Hierin räth er den Aeltern, den Charakter und die Fähig keiten ihrer Kinder zu prüfen, ehe sie dieselben zu irgend einem Be rufe fest bestimmender giebt ihnen die nöthigen Aufschlüsse über die gegenwärtigen Verhältnisse Frankreichs, damit sie ihre Söhne ihrem künftigen Lebenslauf angemessen erziehen, und sucht die Regierung zu bewegen, indem er die Unzulänglichkeit der jetzigen Erziehungs- Anstalten darthut, umfassendere und allgemeinere zu gründen. In diesem Theile ist jedem Stande und seinen speziellen Verhältnissen ein besonderes Kapitel gewidmet, in welchem der Verfasser die Fähig keiten, die er für den Erfolg in den einzelnen Gewerbszweigen für unerläßlich hält, so wie die Mittel angiebt, die zur Verbesserung derselben beitragen könnten. Zuerst vom Ackerbau. Diejenigen, welche Ackerbau treiben, theilt er in zwei Klaffen, in Pflüger und Gutsbesitzer. Die natür liche Befähigung zu der ersten Klaffe ist Körperkraft, Umsicht, Geduld. Die nöthigen Vorbereitungen für beide sind der niedere und höhere Elementar-Unterricht, den der Staat nicht nur Allen möglich machen, sondern als unerläßlich anbefehlen muß. Als Berufs-Unterricht verlangt er Elemente der Geometrie, Geologie, Phpsik und Chemie; ') i»-»« heißt Im Schwedischen nicht bloß lesen, sondern vorjugsweise beten, auch ftudiren