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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS- Preis 22j Sar. Thlr.) vierteliädeli», Z Thlr. für daS ganze Jahr, ohne Er- höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränmnerirt aus diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Prooinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Pvst-Aemiern. Literatur des Auslandes. Berlin, Freitag den 14. Mai 1841 Dänemark. Die Hegelsche Philosophie in Dänemark. Es ist eine in Deutschland ziemlich verbreitete Meinung, daß das Hegelsche System nicht über die Gränzen Nord-Deutschlands hinaus Anerkennung finden und kaum bei den Süd-Deutschen, ge schweige denn bei einem ausländischen Volke, großen Einfluß ge winnen werde. Und doch giebt es ein fremdes Land, in dessen Hauptstadt die Hegelsche Philosophie jetzt ganz eben so geachtet ist, Wie nur in Berlin, nämlich Dänemark. Dort ist es auch allein möglich, ruft man in Deutschland, wie so häufig, aus; denn was sind die Dänen im Grunde Anderes, als Nord-Deutsche?! So oft aber solche Ansprüche an die Skandinavische Nationalität in Deutschen Blättern erhoben werden, verletzen sie in den drei Neichen deS Nor dens, und mit Recht. Wie, wenn der Bayer zum Württemberger sagen wollte: Was bist Du eigentlich Anderes als ein Bayer? bloß, weil Bayern größer ist als Württemberg, und weil Beide Antheil am Schwäbischen Volksstamm haben! Der Name Deutsch kam erst nach der Trennung deS Skandinavischen vom eigentlich Germanischen Stamm auf; die Nordländer haben.ihn nie getragen. Viel eher könnten wir von den Engländern verlangen, daß sie sich Deutsche nennen sollten. Bei ihnen ist wirklich ein Deutsch-Sächsisches Element das vorherrschende. Und der Celtisch-Britischen Blutsvermifchung steht in Dänemark eine in der unteren Hauptmasse des Volkes nicht geringere Celtisch-Cimbrische und noch einige andere mehr gegenüber; die Skandinavischen Sprachen haben eben so viel allen Deutschen Dialekten ganz fremde Wortstämme, als nur die Englische, trotz ihrer Menge Romanischer Wörter; die Struktur und die AusdruckSformcn aber haben bei weitem größere Unterschiede, als wenigstens die Eng lische und Deutsche Schriftsprache heutzutage. Das, was dennoch eine viel nähere Verbindung Deutschlands mit den Nordländern herbeigeführt hat, ist, namentlich in Dänemark, abgesehen von seinen Verhältnissen zu Holstein, daß durch einen aus gezeichneten politischen Akt die Reformation mit einer Festigkeit und Ruhe hier eingefllhrt wurde, wie fast nirgends, und daß sich das reine Lutherthum und der Protestaritismus überhaupt hier so ungestört ausbilden konnten. Seitdem ist Dänemark mit Nord-Deutschland in religiöser und wissenschaftlicher Hinsicht beständig fortgeschritten, und dies erklärt auch vollkommen, daß die Hegelsche Philosophie dort Einfluß gewinnen konnte. Wenn ich cS nun auch im Stande wäre, das Maaß und die Gränzen dieses Einflusses genau anzugeben, so würde sich eine solche Untersuchung immer für einen größeren Leserkreis nicht eignen. Dagegen wirb cs leicht werden, sich eine ziemlich deutliche und lebendige Vorstellung davon durch einen Artikel aus dem Blatte „Dagen" zu machen, der schon darum hierzu sehr paffend ist, weil er nicht allein sehr gut geschrieben, sondern auch an lauter Beziehungen und Namen anknüpft, die in Deutschland allgemein be kannt sind. Folgendes Motto aus Holberg's Erasmus Montanus leitet den Artikel ein: „Mer Ihr macht die Philosophie zu einer Fechtkunst und haltet den für'Linrn Philosophus, der durch subtile Distinctioncn die Wahr heit zu verkehren und sich aus allen Meinungen gut herauszuhelfen weiß; durch dergleichen macht Ihr Euch verhaßt bei den Leuten und bringt die Gelehrsamkeit in Verachtung, sofern man sich cinbildet, daß solch wunderlich Gehaben die wahre Frucht der Studien ist." Dann beginnt er: Von des berühmten Marhcineke's „Entwurf der praktischen Theologie" ist vor einiger Zeit eine Dänische Ucbersetzung heraus gekommen, die, an sich selbst zwar nicht weiter bemerkenswerth, durch einen einzelnen Umstand öffentliche Besprechung erfordert. Der Umstand äst folgender: Das Deutsche Original ist von seinem einen hohen Ruf genießenden Verfasser unserem Mynster") mit den Worten zugecignet: „Dem glaubensreichen, wissenschaftlich gesinnten und be redsamen Mann, der eine Zierde ist der Kirche von Däne mark, zur freundlichen Erinnerung an frohe und erhabene Augen blicke und zur öffentlichen Bezeugung der innigsten Verehrung und Liebe." ') In Deutschland hauptsächlich durch seine „Betrachtungen über die Mche Glaubenslehre" bekannt- Er ist Bischof vo» Seeland- Diese Zueignung hat der Dänische Uebersetzer ausgelassen und an deren Stelle folgende Dedication eingeschoben: „Zugeeignet der Dänischen Geistlichkeit zu sorgfältigem Durchdenken." Um dieses Faktum richtig zu würdigen, muß man die obwal tenden Verhältnisse, sowohl im Größeren als im Kleineren, betrachten. Es ist bekannt, baß man in neueren Zeiten dem Bischöfe M y n- ster einen Mangel an Sympathie für die neueste Entwickelung in der Theologie, den Hegelianismus, vorgeworfen hat; und es ist wohl nicht unwahrscheinlich, daß die Anhänger dieser neuen Lehre mit Be dauern eine solche Stimmung bei einem Manne wahrgenommen ha ben, der nicht bloß durch seine bürge:liche Stellung, sondern auch durch seine großen und seltenen Fähigkeiten, seine umfassenden und tiefen (rmslchten, seine in Dänemark und in der Dänischen Literatur noch beispiellose Beredsamkeit, die in der Dänischen Prosa Epoche gemacht, so mächtig über den ganzen Klerus des Landes hervorragt und einen so hohen Einfluß auf die Dänische Kirche ausübt. Wenn nun der berühmte Marheineke, nachdem er selbst in Dänemark gewesen, öffentlich seine vorhin angeführte Dedication an den Bischof Mynster ergehen läßt, so scheinen alle Verhältnisse und der Dedi cation eigene, im höchsten Grade merkwürdige Worte diesem lite- rärischen Faktum eine höhere und allgemeinere Bedeutung beizulegen. Denn es ist bekannt genug, daß der Hegelianismus, indem er sich über jedes andere philosophische System erhebt, die volle Erkenntniß von der Bedeutung aller anderen Systeme als eine seiner innersten Eigenthümlichkeiten hinstellte. Aber Marheineke dedizirt Mynster sein Werk nicht bloß „zur freundlichen Erinnerung an frohe Stun den", sondern auch „zur öffentlichen Bezeugung der innigsten Ver ehrung"; und der erste Wortführer der neuen Lehre in gegenwär tiger Zeit scheint mit diesen Worten etwas weit Mehreres und noch ganz Anderes als seine persönlichen Gefühle für Mynster, den Mann, aussprechen zu wollen; er scheint des Hegelsche» Systems nunmeh rigen und augenblicklichen Standpunkt neben einem anderen theolo gischen System, jedenfalls aber dessen Standpunkt in der Dänischen Kirche bezeichnen zu wollen. So können Marhcineke's Worte auf gefaßt werden, so sind sie von Vielen verstanden worden. Dies waren die Verhältnisse im Größeren, und wir kommen nun zu den Verhältnissen im Kleinen, ja im ganz Winzigen. Wir deuten damit auf das Leben hin, das sich in den letzten Jahren nicht sowohl unter unseren theologischen Studenten im Ganzen, als beson ders unter einer kleinen Partei gerührt hat, welche sich selbst für Hegelianer ansieht und es auch wohl ist, d. h. auf ihre Weise. Diese theilen zwar nicht so ganz Meinungen und Ansichten mit ihrem Deutschen Geistesverwandten Marheineke (auch der Rauch und die Flamme sind ja mit einander verwandt); aber sie haben ein inniges Mitleiden mit der „jetzigen" Dänischen Geistlichkeit, diesen groben und gemeinen Leuten, die noch auf dem Standpunkte der Reflexion, zum Theil noch der Unmittelbarkeit, stehen, und die nicht einmal wissen, was univorimllo eulm raticmis und formae dubiitnutialo» sind; und sie haben besonders eine edle Geringschätzung für den Theologen und Gelehrten Mynster, dieses antiquirte Mo ment, dem jede höhere Weltansicht mangelt, „diesen Menschen, der üisrinoliones caeänmles ignorirt und gegen H eiberg °) und Mar tensen °°) publice opponireli will." Man muß natürlich auf ihren Standpunkt übergehen, um mit Billigkeit ihre Ansichten be- urtheilen zu können, und man wird dann finde», daß diese nicht so gar nichts für sich haben. Sie haben vollkommen dasselbe Recht, Mynster'S wiffenschastliches Christcnthum abzuleugnen, als der über sichtige Thracier hatte, die Gegenwart des Kolosses zu leugnen, unter dem er durchsegelte. Auch ist cs gewiß, daß Mynster'S Christen thum nicht wie das ist, welches man sich auf den Kollegienbänken holt, und daß der wissenschaftliche Geist, der in dieses merkwürdigen Mannes Seele lebt, allzu schlecht drcssirt ist, »m mit Anstand auf dem Türkischen Sopha im „akademischen Lese-Verein" zu figuriren. Und die edle Kunst, die unsere Hegelsche» Studiosi zu so großen Philosophen macht, die Kunst, neue Sätze zu brauen und neue Ideen ins Unendliche schaffen zu können, indem man bloß ein paar Dutzend Hegelsche termüü umsetzt, auf dieselbe Weise, wie der junge Musik- '> Seine 1841. herausgekommenen größeren Gedichte' „Eine Seele nach dem Tode", „Protestantismus in der Natur" und die „Neuvermähllen" lind eben so ausgezeichnet gedichtet als lies philosophisch gedacht. ") Der Deutschen phllomvhischen Welt bekannt und namentlich durch Franz p. Vaad^ hochgestellt Seme Kritik Uder Goethe's Faust durste dle ausgezeichnetste scyn, welche eristirk.