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214 Sie unterstützte die rcvolutionnaire Propaganda, indem sie weib liche Volksgesellschaften errichtete, und von der Tribune ihrer Klubs herab rief sie: „Ich habe gesprochen, ich habe mich aufgeschwungen, und meine Stimme ist durch die Vorurtheile hindurchgetönt." Die Lebhaftigkeit ihrer Phantasie, die Fruchtbarkeit ihrer Ideen, der Un gestüm ihrer Sprache rissen die besonnensten Männer mit sich fort. Aber der ungewöhnliche Erfolg verdrehte der Gesetzgeberin den Kopf, und in ihren politischen Broschüren findet man die wunder lichsten Sachen. Der Nation schlug sie einen Regenten vor und for derte den, der sich dazu würdig hielt, auf, sich selbst zu nennen. Dann wirft sie sich wieder zu den Füßen des Thrones nieder und ruft: „Sire, man täuscht Sie", und ein anderes,nal: „Warum darf ich Ludwig XVI. nicht todt sehen! Der lebende Ludwig XVI. ist mir lästig aus dem mit dem Blute der Bürger gerötheten Boden." Aergerlich über ihren geringen Einfluß ruft sie aus: „Ich reiche hundert nützliche Pläne ein; man nimmt sie an, aber ich bin ein Weib, und man beachtet sie nicht." Nachdem sic durch ihre Wandel barkeit bald den Verdacht des fanatischen Republikanismus, bald den des übertriebenen Royalismus auf sich geladen, beklagt sie sich bitter, daß man sie der Regierung verkauft glaube. Darauf redet sie einen auswärtigen Fürsten an: „Nun bist Du also besiegt, treuloser Poten tat, jammervoller Riesenbekämpser, elender König des usurpirten Landes! Du weißt vielleicht nicht, wer ich bin, um so zu sprechen. Ich bin eines von den Wesen, die seit Jahrhunderten unter dem Druck der männlichen Vorurtheile gebeugt sind. Daraus wirst Du wohl sehen, daß ich ein Weib bin, aber eines von den Weibern, die unseren großen Männern an Tugenden und Muth gleich stehen; wenn Du diese Vorzüge besäßest, würde ich Dich meinesgleichen nennen." Am IS. Dezember 1792 wollte sie Ludwig XVI. gemeinschaftlich mit Malesherbes vcrtheidigen, aber schon bedurfte sie selbst eines Ver- tbeidigers. Bourdon hätte die de Gouges als eine Schelmin denun- zirt, welche eine Bittschrift kolportirt, um Ludwig XVI. wieder auf den Throu zu setzen. Um sich zu rechtfertigen, halt sie sich eine Lob rede. Sie habe die Mängel der ersien Constitution entdeckt, näm lich daß die Monarchie erniedrigt und doch beibehalten worden. Sie sey schon ein großer Mann gewesen, als Marat, Robespierre, Dan ton noch erbärmliche Sklaven, verächtliches Gewürm gewesen, das im Staube der Verderbtheit gekrochen. Als sie ankündigte, daß sie den politischen Schauplatz verlassen und die Maske der Thalia wie der vornehmen wolle, setzte sie hinzu: „Lebt wohl, Bourdon, Marat und alle möglichen Schmeißfliegen, Ihr verliert eine wachsame Schildwache, deren freie und stolze Seele durch ihre Tugenden die Verderbtheit der Eurigen beaufsichtigte; richtet Frankreich nun zu Grunde, wie Ihr wollt, verschleudert die Finanzen, reizet zum Morde und zur Plünderung, vertheilet die Stellen, verdränget die Tugen den und Talente durch Frechheit und Unfähigkeit." Robespierre ries sie besonders zu: „Du glaubst, Du seyst ein Cato, Du bist nur ein Zerrbild desselben; Du möchtest Dir einen Namen unter den berühm testen Usurpatoren machen: Cromwell schmeichelt Deinem Verstände, Mahomcd bewältigt ihn ganz. Du hältst Dich für den einzigen Ur heber der Revolution; Du bist, warst und wirst nur ihre Schande und ihr Abschaum seyn. Dein Hauch verpestet die Luft, die wir athmen; Dein blinzelndes Auge verräth die Schändlichkeit Deiner Seele, und an jedem Deiner Haare hängt ein Verbrechen." An demselben Tage ließ sie in einem Anschläge bekannt machen, RobeS- picrre habe Rolland und alle Girondisten wollen ermorden lassen. Nachdem sie ihn mit Schmähungen überhäuft, warf sie ihm, wie Lairtullier sagt, den Handschuh des Bürgerthums hin: „Schreib auf diesen Anschlag den Tag, die Stunde, den Ort des Kampfes; ich werde mich stellen." Wer hätte hiernach nicht glauben sollen, daß Olympia von Gouges ihr Leben längst daran gegeben habe ? Als sie indeß wegen anderer nichj weniger heftiger Ausfälle verhaftet wurde, rief sie den Schutz der 48 Sektionen von Paris an. Von diesen verlassen, machte sie einen anderen Versuch, ihr Leben zu retten. Gefragt, ob sic hinsichtlich der Vollstreckung des Gesetzes Bemerkungen zu machen habe, antwortete sie: „Keine, aber meine Feinde sollen nicht die Freude erleben, mein Blut fließen zu sehen; ich bin schwanger und werde der Republick einen Bürger oder eine Bürgerin schenken." Diese Erklärung wurde von den Richtern und den Zuhörern mit lautem Lachen ausgenommen. Indeß ging sie dem Tode mit Festig keit entgegen und bereute auch die Abwege, auf welche sie gerathen war, wenn man den Worten glauben darf, die ihr zugcschricben worden: „VerhängnißvolleS Streben nach Ruhm! Ich habe etwas seyn wollen." Wenn sie noch hinzufügte, wie man sagt: „Sie zer stören den Baum und den Zweig!" so hatte sie freilich ihre Frechheit unverändert bewahrt. Sie war, wie Herr Lairtullier sagt, eine der geistreichsten, be redtesten und muthigsten Frauen. Vielleicht läßt sic sich selbst die beste Gerechtigkeit widerfahren, wenn sie von sich selbst sagt: „Ich bin ein Thier ohne Gleichen, weder Frau noch Mann; ich habe den Muth des einen und zuweilen die Schwächen der anderen." In der Einleitung spricht Herr Lairtullier von der Bereitwillig keit, mit welcher die Frauen sich der Sache der Revolution ange schloffen, und von dem Einflüsse, den sie, je nach ihrer gesellschaftlichen Stellung, theils in den Salons, theils auf die Menge durch Pamphlets, Broschüren und Klubs geübt. Hier erwähnt er auch, wie die Frauen durch Mirabcau's Ausspruch, daß keine Jnsurrcction möglich sey, wenn die Frauen sich nicht mit der Sache befaßten und an die Spitze träten, in die Ereignisse des S. und 6. Oktobers hineingeschleudert worden. Unter den Frauen, welche die Bewegungen hervorriefen und leiteten, fand die Theroigne eine Nebenbuhlerin in der Komödiantin Rosa Lacombe. Die Anfänge ihrer kriegerischen Laufbahn sind in einiges Dunkel gehüllt. Wir finden sie auf dem Kirchhofe der Jn- nocens, wo sie einen Frauenklub gründete und eine Adresse hervor rief, in welcher besondere Abzeichen für die Heldinnen des S. und 6. Oktobers gefordert wurden. Es wurde ihnen ein Platz an den bürgerlichen Festen bewilligt; sic wohnten denselben mit ihren Män nern und Kindern bei, und vor ihnen her wurde eine Fahne getra gen. Chaumette, der den Beschluß rcdigirte, schrieb, daß sie bei dieser Gelegenheit stricken würden. Herr Lairtullier, der die republikanische Strenge als das beste Mittel gegen die Sitten-Verderbniß anprcist und bei dieser Gelegenheit die Courtisane Theroigne anführt, die ihre Anbeter besserte, obschon sie immer noch einige vertrauliche Verhältnisse beibehiclt, kann doch nicht umhin, zu bemerken, daß Rosa Lacombe nach der Art der damaligen Zeit lebte, indem sie ihren Lei denschaften allen möglichen Spielraum gestattete. Am 10. August erklärte sic mit der eiscnfrefferischsten Miene, daß man mit dem Königthum ein Ende machen müsse, und bewaffnet mit einem Säbel und einer Flinte, trat sie an die Seite des Generals Westermanns. Beim Sturm der Tuilerieen war sie an den gefährlichsten Stellen; sie wurde in der Hanv verwundet, und die Marseiller dekretirten ihr eine Bürgerkrone, welche sie in der gesetzgebenden Versammlung niedcrlcgtc. In der Abbaye, in der Conciergerie, in Bicetrc wäh rend der blutigen Septembcrtage figurirte sie fortwährend in den vordersten Reihen. Am 26. August forderte sie an der Spitze einer Frauen-Deputation vom Konvent die Absetzung der Adeligen, die ein Amt bekleideten. Als nach der Ermordung Marat's einer von dessen Anhängern gegen Charlotte Corday deklamirtc und seine Ver wünschungen auf das ganze Geschlecht ausdehnte, übernahm Rosa Lacombe am folgenden Tage die Vertheidigung ihres Geschlechts. „Gesetzgeber", sagte sie, „man hat gestern Cuer Vertrauen irre ge leitet. Intriganten, Verläumdcr, welche uns keines Fehlers zeihen konnten, haben uns mit einer Katharina von Medicis, mit einer Elisabeth von England, mit einer Charlotte Corday in eine Reihe gestellt. Sicherlich hat die Natur ein Ungeheuer hervorgebracht, das uns des Volksfreundes beraubt hat; aber sind wir für sein Ver brechen verantwortlich? Gehörte Charlotte Corday zu unserer Ge sellschaft? Wahrhaftig, wir sind großmüthigcr als die Männer. Unser Geschlecht hat nur Ein Ungeheuer erzeugt, während wir seit vier Jahren verrathen und gemordet werden von den Ungeheuern ohne Zahl, die das Eurige hervorgebracht hat. Unsere Rechte sind die des Volkes, und wenn man uns unterdrückt, werden wir dem Widerstande Widerstand entgegenzusetzen wissen." Diese lächer liche Anrede wurde mit Murren ausgenommen. „Eine Macht, die bei den Frauen kein Gegengewicht hat", sagt Herr Lairtullier, „schien ein Vergnügen daran zu finden, die Adeli gen an Rosa Lacombe zu rächen." DaS heißt mit anderen Worten, sie liebte den jungen Rey, der als Er-Adeliger gefangen saß. Sie ließ den Deputirten Bazire zu sich kommen, forderte ihn auf, ihr von den Gründen der Verhaftung des jungen Rey Rechenschaft zu geben und denselben in Freiheit zu setzen; im entgegengesetzten Falle drohte sie ihm mit der Rache der revolutionnairen Frauen. Als diese Drohungen unberücksichtigt blieben, begab sie sich selbst zu Bazire, der diesen Besuch den Jakobinern denunzirte. Er erklärte, daß sich Rosa Lacombe sehr fcuillantistischc Reden erlaubt habe; sie habe hehauptet, man dürfe die Menschen nicht so gefangen halten, sondern müsse sie, Revolution oder nicht, innerhalb vicrundzwanzig Stunden verhören und sie freilaffen, wenn sie unschuldig seyen. Ein anderes Mitglied fügte hinzu, Rosa Lacombe stehe in einem sehr engen Ber- hältniß zu dem jungen Leclerc, dem Herausgeber eines royalistischen Journals, und in der Person Robespierre's, den sie mnnnieur zu nennen gewagt, habe sie die Tugend selbst beleidigt. Ein anderes Mitglied bemerkte: „Gestern wurde in der Section des Berges die Einweihung der Büsten Lepelletier's und Marat's gefeiert. Eine Frau sprach und sagte vortreffliche Sachen; hierauf griff sie aber die constitutionellen Behörden an und schoß mit glühenden Kugeln auf die Jakobiner und den Konvent." Rosa Lacombe erschien in einer rothen Mütze auf der Tribüne; sie wollte antworten, aber die Ver sammlung gerieth in Aufruhr; der Präsident mußte sich bedecken, und die Versammlung dekretirte, daß der Sicherheits-Ausschuß auf gefordert werden solle, alle verdächtige revolutionnaire Weiber einzuziehen; cS sollten ferner Kommiffarien ernannt werden, um Rosa Lacombe und Leclerc dem Sicherheits-Ausschüsse zu dcnunziren. Die „darette kranysi^e" meldete die Verhaftung der Rosa Lacombe, welche diese Nachricht in einem Briefe widerlegte, der folgender maßen endete: „Ich werde Ihnen zeigen, daß meine Arme eben so frei sind, wie mein Körper, denn sie werden sich ein Vergnügen daraus machen, Ihnen eine Tracht Schläge auszutheilen, wenn Sie nicht in Ihrem morgenden Blatte einen Widerruf ergehen lassen; ich pflege in solchen Dingen Wort zu halten." Als Rey und Leclerc unter dem Beil der Guillotine gefallen waren, schien Rosa's Turbulenz wo möglich noch zu wachsen. Jeden Tag erregte sie einen neuen Tumult im.Palais-Royal oder auf dem Kirchhofe der Invaliden. Frauen in rothen Beinkleidern fielen über alle diejenigen her, welche keine trugen. Es wurde für den Kon- Vent dringend, einen Zusammenlaus von Kooo tollen Weibern zu unterdrücken. Amar bemerkte, daß, wenn die Interessen des Staates den Frauen anvertraut würden, sie diese bald der Zügellosigkeit der Leidenschaften opfern würden. Bazire warf die Frage auf, ob die Frauengcscllschaften schädlich seyen, und trug darauf an, daß dieselben wenigstens während der Revolution verboten würden. So wurde der von Olympia von Gouges 1791 gestiftete Frauenklub gegen Ende 179Z aufgehoben. Rosa Lacombe trat vom Schauplatze ab und ihr Schicksal blieb bis zu dem Tage verborgen, wo Vellate in einen Laden des Luxembourg trat, um eine Kerze zu kaufen, und in der Verkäuferin die Erpräsidentin der brüderlichen Gesellschaft der revolutionnairen Frauen erkannte.