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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«, Preis 22j Sgr. (; Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für duS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt ans dieses oitcratur.Klan in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zeitung (FriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei dm Wohllöbl. Post-Aemlern. Literatur des Auslandes. 38. Berlin, Montag den 29. Mär» 1841. China. Schulen und Eramina im Chinesischen Reiche. Was man bis jetzt von dem Studien-Gange der Chinesen er fahren hat, von ihren Eramen, literarischen Graven u. dergl., das bezieht sich Alles nur aus diejenige Klasse, die zu Staatsämtern richterlicher oder administrativer Art sich ausbilvet. Wie eS in China mit ver Bildung von Architekten — namentlich in der Waffcrhau- kunst, die dort eine so große Rolle spielt — sich verhalten möge, wie mit dem «Studium des Forst- oder Bergwerkfachcs und ähnlichen, darüber ruht für uns noch ein Dunkel. Eben so wenig erfahren wir, ob die Aerzte vor dem Antritt ihres Berufes Proben ihrer Geschicklichkeit oblegen müssen — dies ist mindestens sehr zweifelhaft, obgleich es ein medizinisches Kollegium in Peking giebt, zu dem auch die Kaiserlichen Leibärzte gehören.") Oeffentliche, der Heilkunde ge widmete Lehranstalten sollen gar nicht vorhanden scpn; wer diesen Beruf wählt, der wird Gehülse eines längere Zeit praktizirenden Arztes oder Chirurgen und studirt die besten in sein Fach einschla genden Werke. Echte Sternkundige (nicht bloße Astrologen) findet man wohl nur in dem astronomischen Kollegium zu Peking, das zu gleich ihre Schule ist. Die Reichs-Religion ist eine rein politische, die von keinem Klerus, keinem theologischen Systeme weiß und deren einzige Repräsentanten die Lenker des Staates sind, vom Kaiser bis zum Bürgermeister der kleinsten Stadt. Man ersieht hieraus, daß etwas unseren Universitäten Achnlichcs im Chinesischen Reiche nicht gesucht werden darf. Die einzigen höheren Lehranstalten, von deren Dascyn wir wissen, haben den Zweck, tüchtige Männer der praktischen Justiz und der Regierung zu bilden, oder sie wenigstens bis auf den untersten Grad der Gelehrten- Würde zu fördern. Ueber die Gegenstände des Unterrichts und die Art desselben hat man keine ausführlichere Kunde; aber nach dem zu schließen, was von jedem Eraminanden verlangt wird, müssen kanonische Bücher, Reichs-Annalen, Statistik und VerSkunst die vor nehmsten Gegenstände seyn. Diese Anstalten sollen zumeist nicht sehr eifrig geleitet, auch nie zahlreich besucht werden, indem wohlhabende und reiche Leute ihren söhnen Privat-Unterricht geben lassen, bis sie zum ersten Eramen reif sind. Das Luo-tse-kian in Peking ist eine Art von Kaiserlichem Pädagogium, worin man Söhne und Verwandte der unterworfenen oder zinsbaren Fürsten und gewisser begünstigter Personen zu Gelehrten erzieht. Dir Mitglieder dieses Instituts, dessen Name s. v. a. „Erziehungs-Anstalt für die Kinder dcö Reichs" bedeutet, haben zugleich eine gewisse Kontrolle des öffent lichen Unterrichts im Reiche. °°) Auch dip niederen Schulen oder Elementar-Schulen werden haupt sächlich von Kindern armer Leute besucht, die keine Privatlehrer be solden können. Gewöhnlich tritt der Knabe auf ein ganzes Jahr in die Schule, und alsdann zahlt er das Honorar, welches im Durch schnitt nur drei Dollars beträgt, pränumcrando. In großen Städten giebt cs sogenannte Nachtschulen für junge Leute, die bei Tage Handarbeit thun müssen (!)- Morrison hat ungefähr IW Regeln für Lehrer und Schüler, von denen wir eine Auswahl folgen lassen, aus einem populairen Werke mitgetheilt: °°°) „Beim Eintritt in die Schulstube und wenn er sic verläßt, soll der Knabe zuerst vor dem Bilde des weisen Kung-tse und dann vor seinem Lehrer eine Reverenz machen. — Wenn eine ehrenwerthe Person hercintritt, sind alle Schüler verpflichtet, aufzustchcn, ihrem Schul-Range nach sich in Reihe zu stellen und das Haupt zu bücken. Sie sollen dabei ganz ruhig bleiben, nicht einander zuflüstcrn oder gar lachen und lärmen. — Wenn der Lehrer einmal auSgeht, sollen die großen Knabcsi ihren kleinen und schwachen Kameraden in seiner Abwesenheit keinen Schabernack anthun; und cs soll bei Leibe keine Rauferei, kein Zerknicken von Pinseln oder Zerschlagen von Anreib steinen entstehen. — Im Winter, wenn die Schüler ihre Feuerstübchen mitbringen, sollen sic nicht mit den Kohlen oder der Asche spielen. — ') Dieses Kollegium heißt Chineusck „Große ärztliche Behörde" ltä-r>- und Mandschutsch „Behörde, welche die Aerzte regiert" lodw-»>l>- kaäolar« v«muo). Nach der im Buleku-ditch« gegebenen Erklärung wachen keine Mitglieder „über die Behandlung der Krankheiten und die Bereitung °er Armtimittel." Dies «rgiebt sich auS der Definition des Institutes im Bnlekn-bit»e: „Behörde, welche Ler Verbreitung des Unterrichts im Reiche Vorsicht und ,.K"Tung und Unterweisung aller Studirenden leitet und beobhutet." I brie nnden sich in dessen Chinesisch-Englischem Wörterbuch« unter dem »heraus reichhaltigen Artikel uw «unterricht). Der Lehrer halte seine Eleven zu größter Ordnung und Reinlichkeit an: auf den Anreibstcincn darf keine alte Tusche zurückbleiben, und noch weniger im Pinsel, den der Knabe jeden Abend rein auswaschen muß; die Blätter der Schulbücher dürfen nicht zerknittert oder be kritzelt werden, auch darf man keine Eselsohren (durch Umbiegung der Ecken) hinein machen u. s. w. — Beim Aufsagen ihrer Lection sollen die Schüler nicht um den Lehrer sich drängen, sondern darum loosen, wer vor dem Anderen an die Reihe kommt. — Wenn irgend eine Erklärung dem Schüler nicht deutlich gewesen ist, so wende er sich mit seinem Zweifel privatim an den Lehrer und befriedige sich nie dabei, wenn er etwas nur halb oder gar nicht verstanden hat. — Von Allem, was da erklärt wird, soll der Schüler eine Anwen dung auf sich selbst machen und zu sich sagen: Geht dieser Spruch dich an, oder nicht? Auch muß der Lehrer seiner Urtheilskraft zu Hülfe kommen und ihm stets Vorhalten, was Nachahmung verdient und was man vermeiden soll. — Wenn ein Knabe nicht lernt oder den Schulregeln zuwider handelt, so soll ihn der Lehrer zwei oder drei Mal vermahnen; ist dies vergebens, so lasse er ihn zu seiner Beschämung an dem Orte, wo er sitzt, niederknieen. Hat auch dies keine Wirkung, so lasse er ihn, zu größerer Beschämung, An der Thür niederknieen: die Zeit des Knieens werde vermittelst eines brennenden Räucherkerzchens berechnet. Helsen alle diese Mittel nicht, so schreite der Lehrer zu einer körperlichen Züchtigung; doch voll strecke er sie nicht nach dem Essen, weil der Knabe sonst unwohl werden kann; auch schlage er nicht zu heftig, damit keine Verletzung entstehe. — Im Herbste und Winter sollen die Schüler auch des Abends, bci Lampenschein, arbeiten; nur in heißen Sommer-Monaten mag ihnen dies erlassen scpn. — Sie sollen mit halblauter Stimme auswendig lernen, nicht zu laut deklamiren und schreien, damit ihre junge Brust nicht leide. — Alles Spielen um Gewinn scy der Schul jugend streng verboten; denn cs zerstört die kostbare Zeit, erregt schon früh unedle Leidenschaften, macht liederlich und hat in späteren Jahren unsägliche Uebel zur Folge. — Schmutzige oder läppische Erzählungen, gemeine Lieder, Romane und üppige Bühnenstücke sollen dem Schuler ganz unbekannt bleiben." An Jeden, der dem Lehrsache sich widmet, ergeht die ernste Mahnung, daß er einen ganz unsträflichen, von Selbstachtung zeu genden Lebenswandel führe und die übernommenen Pflichten mit nie erkaltendem Eifer erfülle. „Erst in unserer Zeit" — sagt der wohl meinende Verfasser — „ist eine Klaffe von Lehrern aufgekommen, die neben ihrem eigentlichen Berufe noch andere Dinge treiben, als da sind: Medizin und Quacksalberei, Mäkler-Geschäfte u. s. w. Solchen Stümpern soll man die Bildung seiner Kinder nicht an vertrauen. Die Stiftung der so berühmten Eramina ist für ein Reich, dessen beglaubigte Geschichte lange vor der christlichen Zeitrechnung ansängt, von ziemlich jungem Datum. Schon tausend Jahre und darüber hatte cs Gelehrte und Staatsmänner in China gegeben, als Kaiser Tai-tsung von der Dynastie Tang (er regierte 027 —L0) diese nützliche Einrichtung ins Leben treten ließ. Alle die Eramina betreffende Kaiserliche Statutcn sind sorgfältig gesammelt worden und bilden jetzt einen Koder, der, nach Europäischer Weise gebunden, drei ziemlich starke Bände in groß Oktav giebt. Er wird ave zehn Jahre neu aufgelegt, und jede neue Edition ist nach Maßgabe der Abänderungen, die in der Zwischenzeit getroffen, bearbeitet.") An diesen Prüfungen, deren Zahl jetzt auf fünf festgesetzt ist, darf Jedermann Thcil nehmen, ausgenommen die niederen Polizei- Offizianten, die gemeinen Handarbeiter, die Schauspieler, das Gesinde und vas Gesindel. ES bedarf dazu nur vorgängiger Meldung, die aber kostenfrei ist, wie das Eramen selbst. Die größere oder gerin gere Bedeutung der verschiedenen Eramina wird schon durch den Ort, wo sie rezpeckive vor sich gehen, schön bezeichnet: das erste findet in dem Hauptorte jedes Distriktes statt; das zweite in den Haupt städten der Provinzen; das dritte in der Kaiserlichen Residenz; daS vierte im Bezirk des Kaiserlichen Palastes, und das fünfte im Audienz- Saale, im Anschauen des hehren Drachcnthroncs, dem ein Dritthell der Menschheit gehorcht. Wer in dem alljährlich wiedcrkehrenden Distrikt-Eramcn bestanden hat, der erhält den Grad cineS Siu-tsai, d. h. eines Mannes von blühenden Gaben (etwa Bakkalaureus). Die übrigen Eramina gehen rurr alle drei Jahre vor sich: das zweite ') WaS wir nachstehend mittheilen, Ist größtentbeilS eine freiere Bearbei tung der sehr fruchtbaren, aber au» frhr schlecht geordneten AuSzuge, die Morrison im oben erwähnten Artikel seines Wörterbuches lwo sie freilich ein seltsames >wr, ö'oourr, sind) «uS diesem Kodex mitgcthetlt hat.