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-7 -7 7,^7 4 , , - ' ' ' ' ' dem'Gchrei selbst einer ^pflichtvergessenen Mutter nach einem Blick ihres, in ernst r Gefahr schwebenden Kinde», ein Recht ein- räumen möchten. Uber diese Mitfühlenden sollen auch nicht bitter ungerecht werden gegen jene, von denen sich diese Mutter mit zynischer Brutalität in breitester Oeffentlich- kett unter Zerreißung aller menschlichen Bande losgesagt hat, und die nun wohl gar vom Krankenbette des lieben Kindes hätten verdrängt werden sollen, nm ihr Platz zu machen. Man vergesse auch nicht, daß die Angehörigen unseres Königshauses in den strengen Ehrbegriffen eines deutschen Offizier- korpS groß geworden sind, und daß sie, zumal wenn sie Inhaber hoher Kommando stellen find, in Wahrung der höchsten Inter essen des Königshauses mit diesen Anschau ungen unbedingt zu rechnen haben. Schwer zn erkennen sind endlich auch die wirklichen Motive, welche auf feiten der früheren Kronprinzessin zu dem jetzt vor liegenden Bruche mit Giron geführt haben. Gewiß wird sich in ihr bei der Nachricht von der schweren Erkrankung ihre« Kindes die Mutterliebe geregt haben — obwohl länger al» 8 Wochen, selbst angesichts des hellstrahlenden Weihnachtsbaumes, keine Spur dieser mächtigsten und edelsten menschlichen Empfindung bei der Prinzessin wahrnehmbar war! — einen starken Anteil an der jetzigen Wandlung wird auch die greifbare Erkenntnis gehabt haben, in welche Sumpfatmosphäre die bisher auf der Menschheit Höhe wandelnde Fürstin in Gemeinschaft mit einem Giron geraten ist und in der in aller Zukunft zu leben sie vielleicht verdammt gewesen wäre. Nicht einmal die wurmstichige Gesellschaft, die an den Spieltischen in Monte Carlo ihre gesellschaftlichen Fangarme ausstreckt, brachte ihr an der Seite Girons Sympathien entgegen Solche Erfahrungen müssen da» Innere eine» Menschen in seinem Grundfesten bewegen, wenn Gott seine Seele durch unheilbare Krankheit nicht in ewige Finsterni» nnd Vergessenheit versenkt hat. Möge die jetzige Wendung dec Dinge die verirrte Frau zu ernster Einkehr bringen und sie in völlig persönlicher Freiheit, wenn auch stiller Zurückgezogenheit zu geistiger Gesundung und zur Rückkehr zu einer Lebens führung gelangen lassen, die ihr den ge rechten Anspruch auf Mitleid erschließt! Die Bitte der ehemaligen Kronprinzessin ist abschlägig beschieden worden. Genf. In der eingetroffenen Antwort Sr. Kgl. Hoheit des Kronprinzen schlägt derselbe die Erfüllung der gestellten Bitte der Prinzessin Luise, einige Stunden am Bette ihre» kranken Sohne» verweilen zu dürfen, definitiv und unter allen Um ständen ab. Wolffs Bureau verbreitet folgende Meldung der Schweizerischen Depeschen- Agentur: Genf. Die Anwälte der früheren Kron- Prinzessin von Sachsen erhielten von dem Vertreter de» Kronprinzessin, Justizrat Dr. Körner die Antwort auf ihr Telegramm von heute Vormittag. Nach derselben ist die Bitte der früheren Kronprinzessin, sich nach Dresden begeben zu dürfen, um ihre Kinder zu sehen, endgültig abgeschlagen worden. ch Bei der Kronprinzessin sind tiefe seelische Erschütterungen und eine körperliche Depression zu Lage getreten. 77-7^. . ,7 .77777 7 -7 :,77 7 . . .. 7 . ^7.7777 .77 7'7 77..^ . In deren Verfolg und mit Rücksicht auf die besonderen Umstände, in denen sie sich be findet, entschloß sich die Prinzessin zur Er- langung der für sie dringend notwendigen Ruhe und zur Wiedererlangung ihrer Ge- sundheit ärztlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Die Prinzessin hat daher Aufnahme in dem bei Nyon (Schweiz) gelegenen Sanator. „L-rs Nvtrslrlv - nachgesucht und dort gefunden. Dr. Zehme betrachtet seine Mission als „beendet." An seinem Ende ist auch da» Drama angelangt, das namentlich in seinen letzten Phasen so tief erschüttern mußte. Vor einer Woche reiste Dr. Zehme nach Genf, um mit Prinzessin Luise und Giron vor dem letzten EhetrennungS-Termin am 11. Februar eine letzte Unterredung zu pflegen. Er hatte dabei kein Mandat von Seiten des Hofes, aber er hat auch ohne solches Mandat vor allem eines erreicht: Giron eliminirt. Das war die Hauptsache. Dresden. Der toskanische Hof hegt er hebliche Zweifel an der Ehrlichkeit der Trenn- unz der Prinzessin Luise von Giron. Man vermutet ein geschickte» Manöver, da bisher weder der Dresdner noch der Salzburger Hof davon offiziell verständigt worden sei. Ruudschchu. — Elbing. An der samländUchen Küste haben die letzten Stürme den Bernstein- fischern reichen Gewinn gebracht. Wie man der „Elbing. Ztg." mitteilt, hatte bei dem ersten großen Sturm Neuhäuser eine wahre Goldern^, indem Besitzer aus Wald krug, Schäferei und Lochstädt Schöpferträge bis über drei Zentner bei einem Verkaufs preis von 700 bis 1000 Mark pro Zentner je nach dem Ausfälle des Bernsteins hatten. Ein einziges Stück Bernstein hatte einen Wert von 300 Mark. Schäferei hatte keinen so großen Ertrag wie Neuhäuser; besser hat Lochstädt abgeschnitten, wo über sieben Zentner Bernstein geschöpft wurden. Von dem Er-* trage geht ein Schöpferlohn von ein Drittel ab, den die Leute erhalten. Hunderte von Menschen, meist aus Alt-Pillau, angetan mit einem Lederanzuge, bis zum Halse zugeknöpft, sind im Wasser mit langen Käschern be schäftigt, um das Meeresgold zu fangen. Der tägliche Verdienst dieser Leute stellt sich auf 40 bis 50 Mark. Bei dem letzten Sturme am vergangenen Sonntage zog die ganze Schicht (300 bi» 400 Personen) nach Lochstädt und Tenkitten. Am letzten Orte wurde dem Besitzer Schleen beinahe 10 Zentner Bernstein sn den Strand geworfen. Er kam stellenweise so reichlich, daß man ihn mit der Hand schöpfen konnte. Der sehr auer verdiente Lohn ist den Leuten wohl zu zönnen, da jeder andere Erwerb jetzt voll- tändig fehlt. — Kempten, 8. Febr. Die „Allgäuer Ztg." meldet: Während de» heutigen Vor- mittagSgotteSdienstcS wurde in dem Pfarrhof ^u Waltenhofen bei Kempten eingebrochen. Die Diebe stahlen Wertpapiere im Betrage von 23 000 Mark. Die Kunde hiervon ver leitete sich rasch in der Kirche und ein Teil der Kirchenbesucher nahm die Verfolgung )er Einbrecher auf. In der Nähe von Lenzfried wurden sie eingeholt. Als sie sich verfolgt sahen, warfen sie die Wertpapiere ort, zogen Revolver uud feuerten auf ihre Verfolger. Drei davon wurden verwundet, davon einer schwer und ist seinen Wunden erlegen. Schließlich wurden die Diebe über wältigt und in» Äefängni» nach Kempten gebracht. - — Antwerpen. Da» Blatt „Metropole" meldet, Belgien hat eine Landskonzession im Norden von Tientsin am rechten Ufer da» Peiho erhalten. Die deutsche Eisenbahn in Schantung durchquere diese Konzession. Belgien habe das, den Deutschen für den Bau der Eisenbahn erforderliche Gebiet als Entgelt für die ihm gewährte Unterstützung abge treten. Die Trockenlegung der Sümpfe habe begonnen und es sei ein Plan zur An legung von Straßen durch die Konzessionen in der Ausarbeitung begriffen. — Einer Mitteilung des „Soir zufolge wird in der Kammer demnächst ein Gesetzentwurf einge bracht werden, der bestimmt ist, die Verhält nisse der belgischen Konzessionen mit Rücksicht auf da» Völkerrecht und die chinesischen Gesetze zu regeln. — Kaiser Wilhelm» Ankunft in Rom ist auf den 27. April festgesetzt. — San FranziSco, 8. Februar. Der hier eingetroffene Dampfer „Mariposa" meldet, auf den GesellschaftSinseln seien am 13. Januar infolge einer Sturmflut ungefähr 1000 Eingeborene ums Leben gekommen. 30 Inseln seien vollständig vernichtet. Aus Stadt und Land. Naunhof, den 10. Februar. Naunhof. Ein hocherfreuliches Resultat hat im verflossenen Jahre der Geschäfts- betrieb unserer Sparkasse ergeben, indem ein Ueberschuß von 50024 Mk. 70 Pfg. gegen 46104 Mk. 89 Vfg. im Vorjahre erzielt wurde. Jedenfalls, hilft ein so hoher Reingewinn im Stadthaushalte wirtschaften, er liefert aber auch den Beweis, wie dieses Institut umsichtig, und sachkundig geleitet wird. Ein Aufschwung des Sparkassenmesens ist allerdings durch die trüben Erfahrungen, welche in den letzten Jahren bei Banken ge macht worden sind, begründet, trotzdem dürfte aber gerade die Naunhofer Sparkasse, nicht nur in der Stadt, sondern auch in ziemlich weiter Umgebung, infolge der sorgfältigen Geschäfishandhabung, besonderes Vertrauen genießen und verdienen. Naunhof. Der altrenomierte Gasthof zum „goldnen Stern" ist in den letzten Tagen in andere Hände übergegangen. Dem neuen Besitzer Herrn Dürichen au» Leipzig geht der Ruf eine» tüchtigen und umsichtigen Wirtes voraus. Der seitherige Eigentümer Herr Albani hat den Stern 10 Jahre lang bewirtschaftet und in dieser Zeit sehr um fassende Neuerungen unternommen. So wurde der große Ballsaal neuerbaut, ein Gesellschaftszimmer angefügt u. s. w., kurz au» dem Landgasthof ein, modernen An sprüchen genügendes Etablissement geschaffen. Stets war das Ehepaar Albani bestrebt, seine Gäste in jeder Beziehung zufrieden zu stellen, dafür wird jihm auch die aufrichtigste Anerkennung zu teil. Jedenfalls wird aber der neue Besitzer bemüht sein, sich auch seinerseits das Vertrauen und die Zufrieden heit des Publikums zu erwerben. Zieht man in Betracht, daß zu dem Besitztum auch noch mehrere Acker Wiese gehören, so st doch der Kaufpreis 116 000 Mk. ein solider zu nennen. Nautthof. Nächsten Donnerst-- Andel hier Gerichtstag statt. M -j- Sonntag früh 8 Uhr 15 Minuten wurde folgendes Bulletin ausgegeben: Se. König!. Hoheit der Prinz Friedrich Christi»» hat die verflossene Nacht gut und größten teils ruhig, ohne Delirien, verbracht. Die Temperaturen zeigen in den Morgenstunden die gewünschten Ermäßigungen (bi» 38,5). Dr. Fiedler, Dr. Unruh. — Im Laufe des gestrigen Tage» war das Befinden de» Kranken ziemlich unverändert. Er hatte einen mehrstündigen ruhigen Schlaf. -j- Aufschrift der nach Berlin gerichteten Postsendungen. Dem Publikum kann nicht genug im eigenen Interesse empfohlen werden, die Aufschrift der Postsendungen so deutlich und so genau wie möglich abzufassen. Na mentlich gilt dies für die nach größeren Städten gerichteten Postsendungen. In dieser Beziehung wird seitens der Postbe hörde besonder» über die ungenügende Adres sierung zahlreicher nach Berlin bestimmter Briessendungen immer wieder geklagt. Bei dem umfangreichen Briefverkehr in Berlin und bei der Schnelligkeit, mit der die Ver teilung der angekommenen Briefsendungen durch die Beamten erfolgen muß. ist e» un bedingt erforderlich, daß bei ,den Brief- sendungen nach Berlin in dtt AufschrM außer Straße, Hausnummer, Gebäudettsi und Stockwerk auch der Postbezirk und die Nummer des Bestellpostamtes angegeben wird. Die Adresse würde etwa folgendem Muster zu entsprechen haben: An Herrn Kaufmann Otto Müller in Berlin N. 6 Albrechtsstraße Nr. 7, Hinterhaus III. Tr. links. Die gleichen Verhältnisse gelten für Leipzig mit seinen ausgedehnten Vororten. Wenn Postsendungen verspätet oder über haupt nicht in die Hände der Empfänger gelangen, so liegt die» in der Mehrzahl der Fälle an der mangelhaften oder ungenauen Aufschrift. Der Absender hat es so nach selbst in der Hand, durch deut liche und ausreichende Adressierung die pünktliche Ueberkunst seiner Postsendungen sicherzu sie! l en. -j- Nach den jetzt ausgegebenen Geschäfts berichten einiger sächsischer Aktiengesell schaften stehen bei denselben folgende Divi dende für 1902 -in Aussicht: Sächsische Bodenkreditanstalt zu Dresden 7°/g. Bank für Grundbesitz zu Dresden 8"/», Vogtlän dische Bank zu Plauen 10"/g, Freiberger Papierfabrik zu Weißenborn 8°/o (im Vor jahre 6°/g), Hotel Bellevue zu Dresden 1-/,°/o (im Vorjahre 3"/g), Leipziger Feuerversiche- rungSrnstalt 275 Mk. für die Aktie. -ß Die Königin-Witwe hütet seit mehreren Tagen das Zimmer und nahm auch nicht mehr an der Familientafel teil. Die seelischen Aufregungen der letzten Woche« haben die hohe Frau sehr angegriffen. -j- Große Erbschaft der Universität Leipzig. Das Oberlandesgericht zu Wien wies die von Verwandten der verstorbenen Hofratswitwe Puschmann im ErbschastSpro- zeß erhobene Berufung zurück. Die Leipziger Universität gelangt nunmehr in den Besitz der 1^/, Millionen Kronen betragenden Erbschaft. Der Aachiwandler. Roman von Berthold Mehnert. 32 „Allerdings sagtest Du mir dies, aber wie kam das Gift in )as Getränk des Marquis? Wo hattest Du es denn aufbe- wahrt?" „In der Rocktasche meiner Uniform. Ich habe in der Nacht mein Schlafzimmer nicht verlassen. Wie die Sache sich zugetra- ;en und das Verbrechen verübt worden, davon habe ich so we nig eine Ahnung wie Du oder jeder andere Sterbliche, ausge nommen der wirkliche Thäter." „Und vermißtest Du das Päckchen denn nicht heute mor- gen?" „Durchaus nicht .. sieh' hier." Er zog das Papierchen aus der Hinteren Rocktasche hervor und öffnete es behutsam. „Nur noch ein ganz kleiner Rest ist vorhanden. Aber Mensch, Laros, begreifst Du denn nicht, daß dies Beweismittel Dir den Hals bricht, daß das, was ich gegen Dich zeugen muß, Dir de« Kopf kosten kann?" „Ich begreife seit heute morgen überhaupt nichts mehr, als daß mich ein Höllenspuk umgiebt," erwiderte der Kapitän dumpf. Der Apotheker wurde eben gerufen, um die Arsenikreste im Schlafzimmer vorsichtig aufzusammeln. Sodann wurden alle Zimmer eingehend untersucht, sogar bis unters Dach stieg der eifrige und gewissenhafte Beamte, beseelt von deni brennenden Verlangen, irgend eine Spnr zu entdecken, welche auf einen anderen Thäter hinwiese. Alles umsonst, nicht der geringste Anhaltspunkt bot sich. Und dann begann das Verhör. Stunde um Stunde schrieb der Se kretär, die Sonne war schon längst im Osten wieder aufgegan gen, als die schwere Arbeit, welche der alte Jurist jedoch ohne eine Spur von Anstrengung zu bewältigen schien, endlich be endet war und das Protokoll geschlossen werden konnte. Das vorläufige Resultat war: die Leiche des Marquis wurde beschlag nahmt behufs ärztlicher Untersuchung des Innern auf Gift, und der Kapitän wurde für verhaftet erklärt. Seine Gattin fiel in Ohnmacht. Ohne Widerstand ergab er sich in sein grauenvolles Schicksal und trat den Weg ins Gefängnis an. * * * Drei Wochen waren ins Land gegangen. Die Leichenöffnung hatte stattgefunden und das Vorhandenfein des gefährlichen Gif tes ergeben, und zwar in einer Menge, welche mehr als hinrei chend war, die stärkste menschliche Konstitution schnell zu läh- men und in ganz kurzer Zeit den gewaltsamen Tod herbeizu- sühren. Tann hatte die Beerdigung stattgefnnden, mit großem Pomp war der letzte Marquis von Noimont in der Familien gruft beigesetzt worden, der Vicomte de Ville hatte die Hon neurs gemacht und dabei einen würdigen Ernst bekundet. Das Drama von Noimont erregte allenthalben das größte Aufsehen. Die Zeitungen brachten darüber täglich spaltenlange Nachrichten, und eine derselben hatte sogar, was damals noch eine Seltenheit war, sich dazu entschlossen, einen besonderen Be richterstatter in die Provence zu entsenden, um an Ort und Stelle die Schilderung des Herganges, soweit er bekannt war, zu ver- nehmen und darüber zu berichten. Selbstverständlich liefen auch abenteuerliche Gerüchte nebenher, der wahre Schuldige sei er- mittelt und der Kapitän de Belot aus der Haft entlasse«. Letz teres war nun allerdings nicht der Fall. Den schlauesten und eifrigsten Nachspürungen des Herrn Faid- herbe war es nicht gelungen, etwas zu entdecken, das auf einen anderen Thäter hätte schließen lassen, und da ganz Frankreich gespannt auf seine weiteren Entschließungen harrte, glaubte er sich endlich genötigt, auch für sich denjenigen als den Thäter zu betrachten, auf welchen alle Umstände mit erdrückender Gewalt hinwiesen, kurz: obwohl innerlich zweifelnd, entschloß er sich, das Netz zuzuziehen, den Kapitän als Thäter zu betrachten und gegen ihn als solchen vorzugehen. Der unglückliche Offizier wurde in strenger Einzelhaft gehal- ten und täglich in einem verschlossenen Wagen znm Verhör ge führt, welches Herr Faidherbe selbst leitete und wozu er uicht einmal einen Sekretär zuzog. Der findige, mit allen Schlichen der Verbrecherwelt vertraute Jurist wußte stets neue Fragen aufzuwersen und seine Fallen in immer anderer Form aufzu stellen. Der Kapitän blieb sich jedoch in seinen Aussagen stets gleich. Er hatte, fast vermögenslos, die militärische Laufbahn eingeschlagen Sein Schwiegervater, Herr von Moreau, als Alt- Aristokrat noch verbissener als der Marquis von Noimont, war der Verheiratung seiner Tochter, seines einzigen Kindes, mit dem bonapartistischen Kapitän auf das hartnäckigste entgegengetreten, hatte jede Mitgift verweigert und alle Beziehungen zu dem jun gen Paare abgebrochen. Sogar die Geburt einer Enkelin konnte seinen Starrsinn nicht mildern und ihm andere Gefühle einflö ßen. Er beharrte unversöhnlich auf seinem ablehnenden Stand punkt, und pflegte zu sagen, er sei kinderlos, da seine Tochter sich von ihm losgesagt. Auch die Bemühungen verschiedener Anverwandten von bei den Seiten, eine Aenderung herbeizuführen, schlugen fehl. „Ihr Schwiegervater, Herr von Moreau," inquirierte Herr Faidherbe, hatte eine Marquise Noimont, die Schwester des Ver- gifteten, zur Frau, der letztere war also der Onkel Ihrer Ge mahlin. Ihre Verhältnisse waren demselben ohne Zweifel be kannt. Hat der Marquis Ihnen niemals eine Beihilfe angebo- ten? Daß Sie als Offizier mit Ihrer Besoldung nicht auskom men würden, wird er sich ja doch wohl selbst gesagt haben." „In der ersten Zeit unserer Ehe machte er in dieser Beziehung meiner Frau gegenüber eine Andeutung," erwiderte der Kapi tän. „Ich lehnte jedoch entschieden ab, eine Unterstützung von ihm anzunehmen und für die Folge war keine Rede mehr davon. Obwohl ich mich der Gnnst des Marquis nicht erfreute, bezweifle ich nicht, daß ich mich in ernstlicher Verlegenheit mit Erfolg hätte an ihn wenden dürfen, denn bei all' seinen Vorurteilen war er doch ein wahrhaft nobler Charakter, ein Edelmann im vollsten Sinne des Wortes." „Sie hätten wahrlich wohl daran gethan, die Großmut die ses Mannes anzurufen, statt den Weg des Verbrechens einzu- schlagen." Es war das erste Mal, daß der Untersuchungsrichter in dieser bestimmten Weise sprach. Der Kapitän sprang auf, jeder Blutstropfen aus seinem Ge sicht war gewichen, seine Lippen bebten, seine Finger gruben sich fast in den Rand des Tisches. „Also auch Sie halten mich für den Thäter?" Der Ricbter sah ihn mit seinen großen, grauen Augen mit- leidslvs und durchdringend an. „Ja, Kapitän, der Thäter sind Sie. Mancherlei Umstände mögen zwar zu Ihrer Entschuldi gung sprechen, indes..." Ein Lachen unterbrach ihn, ein gräßliches Hohnlachen, wie das eines Wahnsinnigen. „Also auch Sie, der Richter, dessen Schlauheit alle Welt rühmt, folgen, wie ohne Zweifel die große Menge, der breiten, plnm- pen Apnc, die ans mich hinweist, wie der Thäter schlau berech- nech, indem er auf die menschliche Dummheit spekulierte." 103,26