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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«- Preis 22; Sgr. (P Thlr.) vierteljährlich, Z LHIr. für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man xränumerirt ans dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. SlaatS-Zeitung (Friedri»sstr. Rr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllödl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 35. Berlin, Montag den 22. März 1841. Spanien. Juden als Arabische Dichter. Mitgcthcilt von F. Lebrecht. Vor der Erscheinung Muhammed's lebten auf der Arabischen Halbinsel viele jüdische Stämme unter eigenen Fürsten, unabhängig von Arabern und Christen, ja das ganze Land zu manchen Zeiten beherrschend. In dieser Zeit gab cs unter ihnen Ritter und Dichter, welche nicht die Sprache der Väter, sondern die des Landes zum AuSdrucke ihrer poetischen Ergüsse wählten. Die große Arabische Anthologie bewahrt die herrlichsten Proben von Schlacht- und Minne liedern solcher jüdischen Ritter, die eben so sehr ein Denkmal der Sprachbildnng, wie der Freiheit jener Tage sind. Muhammed fand an den Juden seine tapfersten Widersacher; erst nach langen, helden- müthigen Kämpfen wurden sic von ihm, dessen Streitkräfte täglich wuchsen, überwunden und zu cinem Vergleiche genöthigt, der ihnen die Unabhängigkeit raubte. Die Araber selbst hörten durch die Einführung des Islam auf, im freien Zustande der Beduinen zu leben. Durch die Bereinigung derselben zu einem Volke und unter einem Chalifen wurden sie aus der Einfachheit patriarchalischer Sitte hinaus in das stürmische Leben der großen Weltbühne getrieben, und hierdurch theilten sich auch dem Charakter ihrer Poesie ganz neue Züge mit. Die originalen Eingebungen des Gefühls, der ungekünstelte Hauch der Natur unter warfen sich der poetischen Kunst oder wichen ihr ganz. Die Juden in Arabien und in den Ländern, die von den Sarazenen nach und nach unterworfen wurden, schlossen sich dieser Bewegung in der Poesie an, und sic zcichnetcn sich nicht bloß in der Wissenschaft überall auö, sondern sic wußten sich auch der Schönheiten des Ge» langes in der Landessprache so zu bemcistern, daß aus dem Munde der Muhammedaner selbst häufig Lob und Gcnugthuung darüber erklingt. Nicht so wohlgefällig wie die Muhammedaner nahmen die ortho doxen Juden selbst die Lieder ihrer Glaubensgenossen aus. So lange die Sprache nur das Mittel war, mit dem Publikum über ernste Wissenschaft, über Kunst und Religion sich zu verständigen, duldete man gern den Vorzug der Arabischen vor der Hebräischen Sprache. Daher sehen wir die gefeiertsten jüdischen Gelehrten Philosophie, Grammatik, Gesetze, Rcchtsgutachten, Medizin, ja selbst Auslegungen des Thalmud, in der reicheren, für jeden Begriff ergiebigen Halb schwester des Hebräischen vertragen. Sobald aber die Schönheit der Sprache ein Hauptzweck war, d. h. sobald sie nicht im Dienste des Glaubens und der Wissenschaft den kalten Gedanken derselben ver trat, sondern muthwillig mit den Bildern der Phantasie ihr Spiel trieb, hielten cS jüdische Zeloten für Abtrünnigkeit, für einen Ver- rath an den himmlischen Tönen, durch die auf Sinai Gott sich offenbarte, wenn Juden sich der Arabischen Sprache bedienten. War vollends der Inhalt dieser Licder Liebe und Wein, so konnten die Dichter eher auf Aechtung als aus Achtung von Seiten abergläubiger Brüder rechnen. Selbst sonst freisinnige Männer, wie der berühmte Juda Alcharisi, eifern gegen das Dichten in Arabischer Sprache und die dadurch nothwendig wachsende Vernachlässigung der Hebräischen. Dieser übersetzte auf Verlangen vieler Spanier den Hariri inS Hebräische. Er hatte aber kaum das Werk vollendet, alö er Ge- wissenSbissc darüber fühlte, aus dcm Arabischen ein Buch übersetzt zu haben, statt ein ähnliches oder besseres im Hebräischen selbst zu schreiben. Wirklich schrieb er ein sclbständigcS Werk nach der Weiss der Mekamen des Hariri in Hebräischer Sprache und ganz in Hebräischem Geiste. ") Hier war es eben, wo er in der Einleitung seine Klagelieder über die vernachlässigte Kultur des Hebräischen anstimmt. Blumenreich und mit steter Anspielung auf Bibelstellen schildert er den Verfall der poetischen Literatur während seiner Zeit. „Man opfert fremden Gottern", sagt er unter Anderem, „man lieb äugelt mit der Jsmaelitin, der Tochter Kedar'S (d. h. man bearbeitet die Arabische Sprache auf Kosten der Hebräischen). DaS Herz der Juden werde gerührt von Gedichten der Magd Hagar und bleibe kalt für die Herrin Sarah!" Er ruft dann aus: ) Diese« Werk heißt Thachkemont und entspricht im Namen, Plan Theil au» in der Ausführung dem Vorbild«, den Metamen de« n uebersthunqen einzelner Stucke liefert da- Lintia»», «rasst haben Deutsche Uebersetzungen «Ersterer mit M«ift«r- iwa,t, Letzterer mit Gluck) versucht- De« Eiser« Schmerz hat mein Gcmüth durchdrungen, Daß uns der Ton des Schönen') ist verklungen! So schöne Jrucht erblüht aus Hagar « Schoß, Die Herrin Sarah, ach! ist kinderlos- Prüfen wir die Folgen solchen Eisers, so müssen wir als eine der unmittelbarsten erkennen, daß man Lie Arabisch dichtenden Juden als Ketzer verabscheute, ihre Namen nicht in die jüdische Literaten- Geschichte ausnahm und sie innerhalb des Judenthums vergaß. Hier durch wurde es auch den Muhammedanern leicht, von vielen Juden, die sich bei ihnen einen literarischen Namen erworben, zu sagen, sie seycn zum Islam übcrgetretcn oder wären wenigstens im Herzen Moslems gewesen- Zur Bestätigung des Gesagten geben wir hier aus einem bis jetzt im Original ungedruckten Arabischen Schrift steller Notizen über einige jüdische Dichter und eine Dichterin, deren Namen bei allen Literar-Historikcrn fehlen. °°) Unsere Quelle ist der so eben erschienene Almakkari in Englischer Sprache von Pascual de GayangoS. °°°) Nachdem der Arabische Geschichtschreiber die hohe Bildung der Mauren in Andalusiens) gepriesen, fährt er so fort: „Witz und Poesie in Andalusien waren aber nicht auf Moslems beschränkt, son dern wir finden sie auch bei Christen und Juden, di« dieses Land bewohnten. Möge Gott der Allmächtige «S bald wieder in die Hände der Gläubigen geben!" Er führt dann einen Christen aus Sevilla als Arabischen Dichter an, der an Ibn Abbad Almotamed ein Gedicht ex tempore gerichtet. PP) I. HieraufnenntcrdenJudenJbrahim Ibn Sahl Al«JSraeli, von dem er auch einen Bers, der aus dcm Stegreif gemacht war, anführt und dann so fortfährt: „Im Betreff dieses Juden sind ver- schieden« Meinungen in Umlauf. Einige behaupten, er wäre nur innerlich Moslem gewesen (in Keart » Moslem); Andere sagen, er habe öffentlich den Islam angenommen und sich dazu bis an seinen Tod bekannt; wieder Andere dagegen behaupten, er lebte und starb im jüdischen Glauben. Abu Hayan, der Grammatiker, erzählt im Namen des Kadial Koda (Oberkadi) Abu Bckr Mohammed Ibn Abi Nasr Al Fath Al Kaysi, welcher es von Ali dcm Christrn, einem Einwohner Scvilla'S, den er auf seinen Reisen zu Granada traf, hörte, daß Ibrahim Ibn Sahl, der Dichter, früher Jude war; allein gegen Ende seines Lebens wurde er zum Islam bekehrt, und er schrieb zum Lobe Muhammed's, des Apostels des Herrn, eine lange und schone Äassida.PPP) „„Ich las sie einst"", sagt Abu Hapan, „„und ich erkläre, daß sie hinsichtlich ihres Wohlklanges eines der wundervollsten Gedichte ist, die ich je gelesen habe"" Es giebt aber, wie gesagt, Leute, die von der wahren Bekehrung dieses Mannes nichts halten wollen Al-Az, welcher sein Leben schrieb, sagt, es wären Gründe genug, zu glauben, daß er rin Moslem gewesen scy; doch Gott allein wisse das Wahre der Sache. Eines aber ist gewiß; nämlich daß Ibn Sahl einer der besten Dichter seiner Zeit war, wie die Sammlung seiner Poesieen hinreichend zeigt. Er lebte zu Sevilla, wo er ein Vorsteher der jüdischen Gemeinde war (one <,5 lke esiler« <>f bin tribe) und die Vorlesungen des Abu Ali Al-Schalubin Ibn al Dabbag und Anderer besuchte. Man erzählt, ein abendländischer Araber wurde gefragt, wie doch Ibn Sahl in einem so zärtlichen, schmelzenden Tone singen konnte? Er antwortete, cs käme daher, weil er zwei Arten von Demuth in seinem Herzen vereinige, die Demuth eines Liebenden und die eines Juden. Abu Hayan zufolge, kam Ibn Sahl aus einer Seereise um. Das Schiff, worauf er sich befand, ging in einem Sturme mit Mann und Maus zu Grunde. Dies trug sich zu im Jahr V4», und Ibn ) Im originale beißt cs Chochmah, ein Wort, welches Weisheit, Klugheit, Geschicklichkeit, Erhabenheit, Schönheit im moralischen Sinne, -rügend und noch viele» Andere bezeichnen kann- Alcharisi « Meinung aber wird gewiß am desien durch das von mir gewählte Wort wicdergegeben. Ehochma entspricht hier freilich dem Worte: Muse (daß uns der Muse Summen sind verklungen); aber im Munde eines frommen Juden hat da« Wort keinen guten S>»n ") Nur Leo Asricanu« spricht von einem derselben, worüber unten. ) S- Magaiin Nr- ra d- I Mannigfaltiges. Der Herausgeber weift unwiderleglich nach, da»! der Name nicht Almokri ld. h. Vorleser de« Koran), sondern nach einer Stadt Nord-Afrikas Almakkari au«zuspre- chen sen. ck) Di« Araber nennen ganz Spanien von der Provinz, die sie zuerst darin kennen lernten: Andalusien. „ ss) Dieser christliche Dichter wird Almazzari genannt. Ibn Abbad Almotamed aber herrscht« über Sevilla und Cordova zu Ende des Uten ckf^Kassida heißt ein ««dicht, da« wenigsten« Sv Dvvvelvers» enthält.