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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerationö- Prei« 22j Sgr. (j Thlr.) vierieljöhrlich, 3 Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staats-Zeitung (Friedrichsstr. Rr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 32 Berlin, Montag den 15. Marz 1841. Frankreich. Das Ministerium des öffentlichen Unterrichts unter Cousin. Herr Cousin, der unter der ThierSschett Verwaltung im vorigen Sommer das Ministerium des öffentlichen Unterrichts dirigirtc, ver öffentlicht jetzt einen Bericht, worin er zusammenstclli, waS er als Minister für den öffentlichen Unterricht theils gethau yat, theilS zu thun beabsichtigte. Herr Cousin ist es bekanntlich, der seine Lands leute zuerst mit den Einrichtungen der Deutschen Lehr-Anstalten, ins besondere der Preußischen, bekannt machte und ihnen viele von diesen Einrichtungen zur Nachahmung empfahl. Dieser Bericht ist daher von doppeltem Interesse für uns, einmal, weil er uns einen Einblick in die Zustände und Verhältnisse des öffentlichen Unterrichts in Frank reich überhaupt gewährt, und dann, weil wir daraus erfahren, wie sehr Deutschland den Franzosen bei den neuesten Einrichtungen und Verbesserungen ihres öffentlichen Unterrichts als Muster vorgeleuch tet; wir werden daher, was in diesen beiden Beziehungen der Mit- theilung werth ist, aus dem Bericht ausziehen. Herr Cousin geht die einzelnen Stufen des öffentlichen Unterrichts der Reihe nach durch und sängt also mit der niedrigsten oder dem Primär- ober Elementar unterricht an. Hierfür, sagt Herr Cousin, scy am wenigsten zu thun gewesen; nur einen Punkt gebe eS hier, auf den er seine besondere Aufmerksamkeit gerichtet: das scp der Höhere Volks-Unterricht, der, für welchen in Deutschland und Preußen die höheren Bürgerschulen da sepen. Herr Cousin spricht sich darüber folgendermaßen aus: „.In Frankreich, sagte ich !8ZI zum Minister des öffentlichen Unter richts in meinem Bericht über Preußen, in Frankreich ist der Primär- Unterricht sehr unbedeutend, und zwischen diesem und dem unserer Colleges (die ungefähr den Deutschen Gymnasien entsprechen) liegt nichts in der Mitte; daher ist jeder Familienvater, selbst aus den unteren Klassen des Volks, welcher den achtungSwerthen Wunsch hegt, seinen Kindern eine bessere Erziehung zu geben, genöthigt, sie ins College zu schicken. Das hat zwei ernste Nachthcile: gewöhnlich betreiben diese jungen Leute, die sich zu keiner höheren Laufbahn be rufen sehen, ihre Studien sehr nachlässig, und wenn sic nach mittel mäßigen Fortschritten im achtzehnten Jahre zu dem Gewerbe und den Gewohnheiten ihrer ^Familie zurückkehren, wo nichts sie zu ihren früheren Studien zurückführt, so haben einige Jahre bald das Bischen klassische Wissen, das sic erworben, verwischt. Oft schließen auch diese jungen Leute im College Verbindungen und nehmen Neigungen an, die ihnen die Rückkehr in die niedere Sphäre ihrer Bäter schnzer oder fast unmöglich machen: daher eine Race von unruhigen Menschen, die, unzufrieden mit ihrer Lage, mit den Anderen und mit sich selbst, Feinde einer gesellschaftlichen Ordnung, wo sie sich nicht an ihrem Platze fühlen, und bereit sind, sich mit einigen Kenntnissen, einem mehr oder weniger reellen Talent und einem zügellosen Ehrgeiz in alle Bahnen der Servilität oder der Empörung zu stürzen Allerdings müssen unsere Colleges Jedem, der ihre Lasten tragen kann, offen stehen; aber man muß nicht unvorsichtig die niederen Klassen zu ihrem Besuch veranlassen, was man thut, wenn man nicht Anstalten errichtet, die in der Mitte stehen zwischen den Primär-Schulen und unseren Colleges. Deutschland und Preußen insbesondere sind reich an Anstalten dieser Art. Ich habe mehrere derselben in Frankfurt, Weimar, Leipzig gesehen und beschrieben, und das Preußische Gesetz von I8l» führt sie im Prinzip ein. Sie sehen, daß ich von den Bürgerschulen sprechen will, euiem Namen, den man nicht gut nach Frankreich übertragen kann, der aber an sich richtig ist im Gegensatz zu den gelehrten Schulen, die man in Deutschland Gymnasien und bei uns Colleges nennt Die Elementar-Schule muß eine seyn, denn sie soll die National-Einheit repräscntircn und zur Befestigung derselben beitragen; daher ist es im Allgemeinen nicht gut, daß die vom Gesetz für den Unterricht der Elementar-Schule bestimmte Schranke überschritten werde; anders ist cs mit einer Bürgerschule, denn diese ist für eine ganz andere Klaffe bestimmt, und sie kann also auch im Vcrhältniß zu der Be deutung der Städte, für die sie errichtet wird, eine höhere Richtung nehmen. Daher hat auch die Bürgerschule in Preußen sehr ver miedene Grade von dem Minimum, welches durch das Gesetz be- mmmt wird, bis zu der Stufe, wo sie sich an das eigentliche Gymnasium anschließt. Die Deutschen Bürgerschulen, die in den „Achen Studien und den exakten Wissenschaften unseren Kommunal- ein wenig nachstehen, sind, was den Unterricht in der Rc- uglvn, Geographie, Geschichte, den modernen Sprachen, Musik, Zeichnen und National-Literatur anbelangt, den meisten derselben überlegen. Meiner Meinung nach ist es von der höchsten Wichtig keit, m Frankreich unter einem oder dem anderen Namen Bürger schulen zu gründen von sehr verschiedenem Umfang und eine gewisse Anzahl unserer Kommunal-Collöges in diesem Sinn umzugestalten.... In Preußen sind die Namen Elementar- und Bürgerschule, welche den niedrigsten und den höchsten Grad des Primär-Untcrrichts reprä- sentiren, volksthümlich; in einigen Theilen Deutschlands wird auch der Name Mittelschule gebraucht. Dieser Name könnte auch bei uns eingeführt werden." Was Herr Cousin so schon I8ZI für nothwendig erkannt, suchte er nun als Minister zu reälisiren. Um den Nutzen der neuen Insti tution einleuchtend zu machen, wollte er eine gewisse Anzahl von Muster-Anstalten dieser Art in zehn Städten des Königreichs, die sich am meisten dazu eignen könnten, gründen, in Paris, Lyon, Bor deaux, Rouen, Marseille, Strasburg, Nantes, Caen, Orleans und Lille. In Paris und Caen machte er auch den Anfang; doch war sein Ministerium von zu kurzer Dauer, als daß er hier viel hätte zu Stande bringen können. Pom Primär-Unterricht geht er zum sogenannten Sekundär- Unterricht und zum höheren Unterricht überhaupt über. Hier, sagt er, handelt cs sich nicht mehr um angefangcne und unvollendete Pläne, sondern um Arbeiten, die zum Ziele geführt wurden. Hier kam es zuerst darauf an, das von der Charte versprochene Gesetz über die Freiheit des Unterrichts zu verwirklichen. Es ist nun Herrn Cousin zwar nicht Zeit gelassen worden, dasselbe vor die Kammern zu brin gen, doch hat er cS fertig zurückgelassen. Es handelt sich nämlich bei diesem Gesetz um die Existenz der höheren Privat-Schulen, welche bisher sehr prekär war, d. h. ganz von der Entscheidung der Admi nistration abhing; auch durfte keine Privat-Schule zum Bakkalaureat, der Stufe unserer Abiturienten-Reife, vorbereiten, d. h. alle junge Leute, die das Bakkalaureats-Examen machen wollten, mußten die Staats-Schulen besucht haben. Durch das schon von der Charte versprochene Gesetz über die Freiheit des Unterrichts sollen alle diese und andere Beschränkungen der Privat - Lehranstalten aufgehoben werden. Wir beschränken uns aus diese Andeutungen, da dieser Theil unseres Themas für das Ausland geringeres Interesse hat. Eben so gehen wir über die Aendcrungen weg, die Herr Cousin im Bakkalaureats-Examen und im Lehr-System der Sekundär-Schulen oder Gymnasien getroffen, wobei er besonders den Naturwissenschaf ten einen angemesseneren Platz anwies. Bon desto größerem Inter esse ist das, was Herr Cousin über seine Reformen im höheren Unter richt im engeren Sinne des Wortes mittbeilt; hier werden wir etwas länger verweilen. Wir lassen Herrn Cousin selbst sprechen: „Aber im höheren Unterricht kann die beste Verwaltung nicht die Fehler der Einrichtung gut machen, und man muß es sagen, so trefflich die Anstalten für den Sckundär-Unterricht in Frankreich sind, so viel läßt der höhere Unterricht in der Organisation noch zu wün schen übrig. Die Fakultäten konferiren Würden; das ist ihre Haupt- Mission, die sie auf befriedigende Art mit Eifer und Billigkeit er füllen. Aber die Zahl der Fakultäten ist willkürlich, und ihre Ver- theilung über die verschiedenen Punkte des Territoriums wird durch kein Prinzip bestimmt. Die Ernennungsart der Professoren ist verschieden in den verschiedenen Fakultäten und wird mit Recht angegriffen. Unter den Studenten herrscht kein Wetteifer; mit einem Wort, um nicht hundertmal ausgesprochene Rügen wiederholen zu müssen, erinnere ich nur daran, daß ich selbst in meinen Werken über den öffentlichen Unterricht in Deutschland und Holland das Uebel bezeichnet und seine Heilung angegeben. War es mir nun hiernach gestattet, nichts zu thun und nichts selbst als Minister auszuführen, was ich als Rath und Schriftsteller so oft empfohlen? „Folgendes sind die vorzüglichsten allgemeinen Ideen, auf welche man alle meine Verfügungen über den öffentlichen Unterricht beziehen kann. Erstens nahm ich mir in Uebereinstimmung mit dem, was ich in meinen Werken gesagt und wiederholt, vor, an die Stelle der isolirten, zerstreuten und ohne Leben vegetirenden Fakultäten an einer Menge von Punkte» ein System von großen wissenschaftlichen Ccn- tralpunkten zu setzen, wo alle Fakultäten beisammen wären, wie es in der ganzen Welt Sitte ist. Ja, ich leugne es nicht, wenn ich die Einheit Frankreichs innig bewundere, so halte ich diese kostbare Ein heit nicht für gefährdet, wenn sich auch anderswo als in Paris Leben zeigt. Um mich auf den öffentlichen Unterricht zu beschränken, so bin ich überzeugt, daß cs möglich ist, in einer gewissen Anzahl von Städten geistige Sammelpunkte zu gründen, von welchen aus ganze