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und dem Palaste des heiligen Spnods, in denen das Mein und Dein, das Glauben und Verwerfen, das Leibes- und Seelenheil von hun dert Völkerschaften besprochen und bestimmt wird, — die säulenreiche Jsaakskirche, bei der jeder Baustein eine Ricsenmaffe ist, — das Kriegs-Ministerium, in dessen Räumen tausend Federn friedlich im Dienste des wilden Mars beschäftigt sind, und endlich — das gewal tige Winterpalais, in dessen einer Ecke der kolossale Mann thront, zu dem der zehnte Theil des Menschengeschlechts mit Sorgen und Hoffnungen aufblickt, und dessen Namen auf der einen Hälfte unseres Globus der gcpriesenste und gcfürchtetste von allen ist. Die Länge der die Admiralität umgebenden und von den ge nannten Gebäuden bcgränzten Plätze beträgt nicht viel weniger als eine Englische Meile, und die Schauspiele, Metamorphosen, rsbleaux vivsns, ombres riünoi^e-,, welche sich hier täglich und stündlich vor den Augen der Admiralitäts-Thurmwächter hin- und herbewegen, sind so mannigfaltig als prachtvoll und interessant. Auf dem einen Ende in der Nähe des Senats und Spnods galoppirt der kolossale Peter der Große auf mächtigem Felsen, den Drachen finsterer Bar barei zertretend, von ab- und zufahrcnden Häuptern des Staats und der Kirche, von Metropoliten, Bischöfen, Senatoren und höchsten Richtern beständig umrauscht. Auf der anderen Seite erhebt sich der blank polirte Monolith des „Wicderherstellers des Weltfriedens", auf dessen höchster Säulenspitze der Erzengel mit dem Friedcnskrcuze schwebt, an dessen Fuß nie das Gedonner der Kaiserlichen Karossen verstummt und beständig Feldherren, Generale, Statthalter und glänzende Hofleute sich tummeln. Priester-Prozessionen, militairische Paraden, Equipagen-Pomp, die Trauerauszüge der Leichenbegängnisse drängen sich hier den ganzen Tag, und selten schweigen ein paar Augenblicke die Trommeln und Ncinen Pfeifen, welche verkündigen, daß ein Mächtiger dieser Erde passirte. Vom Admiralitätsthurme nach Süden entwickelt sich der wich tigste Theil der Stadt, die sogenannte „große Seite" (Bolschaja Storona). Nach Westen hin bietet die „Basilius-Insel" („Wassi- lewskoi Ostrow") ihre schöne Börse, die Akademie der Künste, die Universität dar. Nach Norden droht die „Petersburger Seite" („Petersburgkaja Storona") mit ihrer in die Newa hineinragenden Festung, und nach Osten hin tauchen die Kasernen und Fabrikgebäude der „Wiborgschen Seite,, °) auf. Es sind dies die vier Hauptmassen, in welche die Stadt durch die große und kleine Newa und durch die große Newka zerfällt. Die bei weitem alle anderen überwiegende ist aber „die große Seite", die vom Hofe, vom stanzen Adel und von der wichtigsten Hälfte der Einwohnerschaft bevölkert ist; die un bedeutendste ist die Wiborger Seite, welche Gärtner, Soldaten und Fabrikanten nährt und noch eine größere Bebauung erwartet, mit welcher man jetzt eifriger als mit der irgend eines anderen Stadt- theiles beschäftigt ist. Auf der Basilius-Insel, die auf allen Seiten von den tiefsten Newa-Armen umflossen ist und dem Meere sich zu- wcndet, hat der Handel seinen Sitz aufgeschlagcn, und die Musen, die Freunde Merkur's, haben sich ihm angcschlossen. Die „Peters burger Seite", auf der theils nicdriste, unbewohnte Sumpfinseln, theilS die Festung mit ihrem Rayon die Gebäude vom Flußufer ent fernt halten, ist von vielen ärmeren Klaffen der Einwohnerschaft be setzt und hat schon größtcntheilS ganz den Charakter einer Peters burger Vorstadt. Die dichten Häuscrmaffcn der großen Seite, dicht im Vergleich zu den Verhältnissen der übrigen Stadttheilc, werden von den in Halbkreisen sie umschlingenden drei Kanälen, der Moika, der Fon tanka und dem Katharinen-Kanale, in die drei um die Admiralität herum sich legenden Halbringe „des ersten, zweiten und dritten Admi- ralitätS-StadttheilS" konzentrisch zerschnitten und dann wieder radial durchbrochen durch die drei vordem Admiralitätsthurme ausgehen den Perspektiven °°), durch „die große oder „Newaische Perspektive" („NewSkoi Prospekt"), „die Erbsenstraße" („Gorochowaja Ulitza") und „die Auferstehungs-Perspektive" („Wosnescnskoi Prospekt"). Vom Admiralitätsthurme aus, der allen jenen Straßen als point äe rue dient, folgt das Auge der langen Reihe von Palästen, die sich an ihnen in weite Ferne hinzieht, und mit einem guten Fernrohre entdeckt man mittelst dieser Durchbrüche leicht, was sich in den entlegensten Quartieren ereignet und bewegt. Die drei ersten AdmiralitätS-Stadttheile enthalten Alles, was der Stadt das Theuerste ist, die merkwürdigsten öffentlichen Gebäude, die vornehmsten Maga zine, Basare und Märkte, die größte Masse der Beamtenwelt, die besten Handwerker und Künstler, die Creme des Adels, von allen Klaffen daS Feinste und Nobelste. (Schluß folgt.) Frankreich. Das Fouriersche Social-System. (Schluß.) In der zweiten Generation sind an die Stelle der Reichen neue Wesen getreten, die in der Phalange geboren und erzogen sind, lauter ') Wahrscheinlich nannte nian die verschiedenen Stadttheiie Petersburgs „Setten , "idem man dabet seinen Standpunkt auf der Newa nahm und/ von thr ausgehend, nun von rechter und linker, kleiner und großer Sette sprach. //Die große Sette" bekam diesen Namen, weil an ihr die Haupt masse der Stadt sich hin erstreckt, die „Wiborgsche Seite", weil der Weg nach Wiborg durch sie Hinfuhrt, hie „Basilius-Insel" von dem Capitain „Basilius", der bet der Anlegung der Stadt die Arbeiter in diesem Stadl- tbeile kommandirte, und die „Petersburgtsche Sette", weil zu ihr die eigent liche Burg Peter'S, die Festung, gehörte. ") Alle lange Straßen erster Größe Petersburgs, die eine unendliche Aussicht ins Weite gewahren, heißen „Perspektiven " 102 Arbcitersöhne, die eine und dieselbe Erziehung bekommen haben. Da die Freiheit des Geschlechtsumgangs die Abstammung der Individuen ganz ungewiß macht und so auch das Erbrecht thatsachlich aufgehoben ist, so beerbt die Phalange die Reichen und wird nach und nach Eigen thümer aller ihrer Actien. Von da ab geht die Gewalt in die Hande der Menge über. Die Menge, d. h. die Mehrheit der Individuen mit berathender Stimme in der Phalange, wird jetzt die ihr gut scheinenden Bedingungen festsctzcn. Glaubt man nun, daß es unter Menschen, die aus gleiche Weise erzogen find und welche dieselben Rechte haben, lange zwei verschiedene Arten, die Arbeit zu belohnen, zwei oder mehrere Arbeiterklassen geben könne, deren eme mehr als die andere bekommen wird, ohne mehr zu arbeiten? Glaubt man ferner, daß solche Menschen, die mit Niemanden mehr in engerer Verbindung stehen und die nur in den Gruppen und Serien ihrer Wahl gcmüth- liche Erholung und Zerstreuung finden, länger abgesondert leben werden? Nein, das Leben wird gemeinschaftlich werden, und an die Stelle der Aktiengesellschaft wird eine vollkommene Gütergemeinschaft treten, oder vielmehr die Gemeinschaft der Schlechten und Unge schickten wird die Guten und Fähigen allmälig verscheuchen, bis die Phalange sich auflöst und ihr Terrain aufs neue durch ein Dorf nach dem „ZerstückelungS-System" eingenommen scyn wird, dem daS Phalanstöre zum Gefängniß, Tempel oder Hospital dienen wird. Zwar behaupten die Fourieristen, Zeder werde bei der Erhaltung der bestehenden Unterschiede und Vertheilungcn interesfirt sepn, da Jeder sich in irgend einer Arbeit auszeichnen und folglich in der für diese Arbeit bestimmten Gruppe der Erste scyn wird. Aber wer sieht nicht das Falsche dieses Satzes? Wenn Jeder in einer Gruppe der Erste seyn wird, so widd er auch in zwei oder drei anderen der Letzte seyn, und so wird er als Letzter sich mehr für die Gleichheit inter- essiren, denn als Erster für die Ungleichheit. Uebrigens wird die Menge, die das Gesetz gicbt, gewiß aus Individuen bestehen, die sich rn keiner Gruppe auszeichnen. Wir sehen also, daß es in der Organisation des Societar-Systems Elemente giebt, die es früher oder später in Gütergemeinschaft verwandeln werden, und daß die socialen Unterschiede, die es bei seiner Gründung gestattet, bald jener absoluten Gleichheit Platz machen müssen, die, nach Herrn Considörant, „nur in Folge des Zwanges oder des Elends, durch den Despotismus eines Gesetzes oder einer religiösen Idee bestehen kann." Eine andere Behauptung der Fouricristen ist, daß ihr System alle Jntereffen-Konflikte, die aus dem CivilisationSleben einen Schau platz ewiger Zwistigkeiten und Feindschaften machen, beseitigen und für immer unmöglich machen wird. Gerade durch diese Ucberein- stimmung der individuellen Interessen soll sich ja daS Socictar- System vor unserem gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustand auS- zcichncn; in dieser beständigen Harmonie liegt ja das Geheimniß eines Organismus, der allen Leidenschaften freien Lauf lassen wird, ohne der Gesetze, der Gerichte, der Gefängnisse oder irgend welcher Zwangsmittel zu bedürfen. Gewiß, um ein solches Utopien auf das Wort des Meisters hin anzunchmen, ehe irgend eine Erfahrung ge macht worden, dazu gehört ein ziemlich starker oder vielmehr blinder Glaube. Sobald erst die Gütergemeinschaft vollständig eingeführt ist, begreifen wir wohl, daß die Jnteressen-Konflikte fast unmöglich find; aber so lange es sociale Unterschiede giebt, besonders der des Dein und Mein, so lange es eine Portion Reichthum giebt, woran nicht Alle gleiche Rechte haben, ist es offenbar, daß die Interessen der Individuen, oder der Association selbst als moralischer Person sehr häufig auseinandergehen können und müssen. Wie, wenn Du ein Kapitalist und ich ein einfacher Arbeiter bin, sollten wir nicht entgegengesetzte Interessen haben, Du das Interesse, den Antheil deü Kapitals, ich das, den Antheil der Arbeit zu vermehren? — Peter, ein reicher Kapitalist, stirbt und hinterläßt ein Testament, in welchem er seinen Erben in so unbestimmten Ausdrücken nennt, daß man eben so gut Philipp als Karl darunter verstehen kann. Wenn das Testament nicht erekutirt wird, so erbt die Phalange. Da haben wir drei sehr getrennte Interessen, die man unmöglich auf einmal befriedigen kann. Nennt man das nicht einen Konflikt, und wenn ein solcher Konflikt eintritt, wie ihn lösen ohne ein Tribunal, ohne Gesetze, ohne Agenten, welche die Sentenz vollstrecken? Und alle diese Functionen sollen von Gruppen, die eine eigene Leidenschaft dafür haben und alle zwei Stunden sich verändern, vollzogen wer den? — DaS ist noch nicht Alles. Die Produkte der Arbeit werden unter alle Actionaire nach Verhältniß ihres Mitgebrachten und ihrer Leistungen vcrtheilt. Dies Alles muß sorgfältig ausgeschrieben wer den; namentlich muß man einen genauen Etat aller Stunden, die jedes Individuum der Arbeit gewidmet, und über den Grad des Talents, den es erreicht hat, halten. Da haben wir ein ungeheures Rechnungswesen, dessen Details täglich zu Streitigkeiten führen, also Konflikte erzeugen können. Und wer wird diese Rechnungen führen? Wieder Gruppen, deren Personal stündlich wechseln kann? Wer wird alle diese Konflikte entscheiden und beendigen? Wieder Gruppen, immer Gruppen; denn man kann keine Ausnahme an dem System machen, ohne es ganz über den Haufen zu stürzen. Was wird aus der Harmonie mitten unter allem diesen? Nun haben wir noch einen letzten Einwand zu machen, einen Einwand, der von einem der Adepten der Schule, Or. Paget, vorausgesehen und auseinandergesetzt worden ist- Wir führen seine eigenen Worte an: „Man begreift", sagt er, „daß, so sehr auch die Production steigen mag, Vie Gesellschaft doch früh oder spät dahin kommen muß, nicht alle ihre Bedürfnisse befriedigen zu können, wenn nicht dem Wachsthum der Bevölkerung ein Ziel gesetzt würde; denn die produktiven Kräfte des Erdballs find ja ebenfalls beschränkt, und obgleich wir noch lange nicht sie er schöpft haben, so muß doch einmal ein Tag kommen, wo die Be-