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Glasunoff ging gerades Weges nach dem Kaschim und wieder holte hier die Rede, die er schon in den anderen Dörfern gehalten. Ein Greis antwortete ihm: „Jetzt glauben wir nicht mehr, was man uns von den Russen gesagt hat, daß ihre Zähne und Fingernägel von Eisen sepen. Ihr se-d Menschen, wie wir, und wir danken Dir, daß Du uns die Wahrheit hast erkennen lassen. Wir werden Eure befestigten Orte besuchen und sind alle geneigt, mit Euch Handel zu treiben." Die Versammlung endete wieder mit einer Vertheilung von Taback, einem allgemeinen Riesen und dem Riederfallen meh rerer vom Dampfe betäubter Indianer. Der Kaschim dieses Dorfes war sehr groß und an jeder Seite von einer dreifachen Reihe kleiner Bänkchen umgeben. Glasunoff zählte 300 erwachsene Männer und schätzte die Bevölkerung des Dorfes auf 700 Menschen. Die meisten Magazine, an der Zahl 05, lagen i; Werst vom Dorfe entfernt. Hierher bringen die Indianer am Anwick, Pschamukschak, Tschagiluk und anderen Flüssen ihre Pclz- waaren, die sie gegen Taback und eiserne Werkzeuge austauschen. Diese Artikel liefern ihnen die Stämme am unteren Kwischpak, denen sie wiederum von den Astakmut's am Pastol zugctrage» werden. Die Bewehncr dieses Dorfes zeigten große Ehrfurcht vor ihren Aeltern und vor alten Personen überhaupt. Sic glauben an Zauberei; ihre Zauberer tragen gelocktes Haar. Der Mann heirathet zwei Frauen, aus die er sehr eifersüchtig ist; Argwohn im Punkte der ehe lichen Treue führt oft zu Zänkereien, Vie mit Mord und Tq-tschlag enden. Diese Indianer halten des Tages nur Eine Mahlzeit. Man zündet im Kaschim ein großes Feuer an, das die Männer sich zu Nutze machen, um ein allgemeines Dampfbad zu nehmen, wobei sie den Körper mit Urin rein waschen! Gleichzeitig beweinen sie ihre gestorbenen Verwandten und singen ihr Lob. Dann löscht man das Feuer aus, und die Frauen bringen Vie Mahlzeit; vor dem Essen trinkt man eine Quantität kaltes Wasser, um den durch die Hitze verursachten Durst zu löschen- Die Frauen der verheirathetcn Män ner und die Mütter oder Schwestern der Ledigen setzen sich am Boden nieder und warten ruhig, bis das männliche Personal abgespeist hat. Dann tragen sie die Reste in ihre Hütten und verzehren sie mit den Kindern. Rach fünftägigem Aufenthalt in Anulpschtpschpak machte sich Glasunoff am 14. Februar wieder auf den Marsch. Man verließ jetzt die Ufer des Kwischpak und wanderte durch Wälder, die von einer Menge kleiner Seen und Bäche durchschnitten waren, dem Kuskowim zu. Am litten kamen die Reisenden aus den Gipfel der Hügel, welche die Wasserscheide zwischen den Flußgebieten des Kwischpak und des Kuskowim sind. Jetzt erblickten sie den letzteren Fluß, und in der Ferne eine Bergkette, die höher war, als alle bis dahin von ihnen gesehene. Als man die Gestade des Kuskowim erreicht hatte, der in dieser Gegend wohl eine Werst breit ist, begegneten der Expedition sieben Kwischpak-Jndianer mit vier Schlitten, die von Kuskowim nach Hause kehrten. Sie erzählten Glasunoff, daß die Kunde, sein Lands mann Kolmakoff befände sich am Kuskowim, sie bewogen habe, dort hin zu gehen, weil sie ihm Pclzwerk verkaufen wollten, daß sic aber nur seinen Dolmetscher Lukin angctroffcn hätten, der um dieses Handels willen zurück geblieben war und am Kuskowim ein Häus chen mit einem Russisch eingerichteten Zimmer für sich gebaut hatte. Am 20stcn begann Glasunoff den Kuskowim stromauf zu gehen, und kam nach Tschukwak, einem Sommerdorfc der Jnkalit's vom Kuskowim, die denen am Kwischpak in allen Stücken gleichen. Am 20stcn erreichte man Kwigpmtainagmut, wo Glasunoff den Dolmetsch Lukin traf, der ihn nach dem von Kolmakoff erbauten Hause führte. Kolmakoff hatte gegen Ende Januar den Rückmarsch nach Fort Aleran- hroff angetreten. Glasunoff bewarb sich hier um Führer, die ihn bis zur Mündung des Tschalschuk bringen sollten; aber weit entfernt, sich dazu bereitwillig zu finden, wiverriethen ihm die Einwohner lebhaft die Ausführung dieses Planes: sie stellten ihm vor, er würde, wenn er ja den grausamen Kpltschan'S entrinnen könnte, unfehlbar vor Hunger umkommen, da auf dem ganzen Wege bis zu den Sümpfen in der Nähe des Golfs KanniSki keine Menschenwohnung anzutreffen sep. Lukin bestätigte Alles, was die Indianer sagten, und setzte hin zu, daß er selber im Ansang Winters den Tschalschuk eine große Strecke stroman gegangen sep, aber wegen deS sehr reißenden Stro mes fast nirgends festes Eis gefunden habe. Die Ufer waren mit so dichtem Gestrüppe bedeckt, daß er nothgevrungen umkehren und bei nahe dem Hunger erliegen mußte. Alle diese Vorstellungen konnten Glasunoff nicht anderen Sinnes machen; er beschloß, seinen Weg fortzusetzen, kaufte zu diesem Zweck einen Vorrath trockener Fische und reiste am 2S. Februar ohne Füh rer weiter. Er verweilte bei allen Hütten, die er auf dem Wege antraf, und bat ihre Bewohner, ihm als Führer zu dienen, aber lange vergebens. Erst am 27stcn gelang eS ihm, zwei Führer zu bekommen. Bis zum 28sten kam er von Zeit zu Zeit an Indianischen Hütten vorüber, deren Einwohner Kolmakoff beinahe sämmtlich ge tauft hatte. Man nahm ihn überall freundlich auf; allein die Fluß betten wurden immer enger und die Berge immer dürrer und höher. Als die Gesellschaft am 7. März der Mündung deS Tschalschuk nahte, bemerkte Glasunoff un Nordwestcn einen hohen Berg, der Tenada heißt; er lag etwa 70 bis 80 Werst (io bis 12 unserer Meilen > ent fernt. Hier soll die Quelle des Tschalschuk seyn. Bald darauf nahmen die Führer von Glasunoff Abschied; sie wollten sich; wie sic sagten, um keinen Preis dem unvermeidlichen Tode auSsetzen. Dir Russen zogen allein weiter; sie fanden in dem Mr des Flusses keine Spalte, die groß genug war, um ihren Marsch hemmen. Sehr viele Bäume sahen sic am Fuße von Bibern an- genagt. Jndeß verringerten sich ihre Vorräthe mit jedem Tage; der Marsch wurde schwieriger, und als der Südostwind, den ein war mer Regen begleitete, plötzlich nach Nordwest umschlug, mußten die Wanderer viel von der Kalte ausstehen. Am I2ten gingen sic auf die Jagd, um sich einige Lebensmittel zu verschaffen, und schaffen ein Eichhorn, einen Raben und ein Schneehuhn, die sie alsbald verzehrten. Wenn cs an Wild fehlte, was oft der Fall war, rauften sie weißes Moos aus und kochten cs, um ihren Hunger zu stillen. Das Wetter erlaubte ihnen, rasch zu gehen; die Nacht war hell, und sic marschirten zwölf Stunden ohne Unterbrechung. Zum Abend essen kochten sie Stücke von einem alten ledernen Sack, den sie mit genommen hatten, um ihre Schuhe damit auszubeffern. Am nächsten Morgen waren sie so glücklich, drei Haselhühner zu schießen, und marschirten dann fünfzehn Stunden lang. Am l7ten erreichten sie den Kuskowim und beeilten sich, diesen Strom wieder hinan zu wandern. Sie waren in einem solchen Zu stande, daß sie ihre Bcsorgniß, vor Hunger zu sterben, einander nicht verhehlen konnten. Glasunoff ließ einen alten mageren Hund, der ihnen gefolgt war, schlachten; an demselben Tage verzehrten sie die Hälfte des Fleisches und verwahrten den Rest auf morgen- Am I8tcn setzten sie ihren Marsch fort; sie fühlten sich aber so erschöpft, daß sie nicht eher vorwärts konnten, bis das übrige Fleisch des HundeS verzehrt war. Glasunoff kochte, wie er selbst berichtet, seinen Schuh und verspeiste ihn. Am isten fühlte sich Glasunoff, als er nur sechs Werst von der Sommerwohnung der Uschkugalik'S ciztfernt war, so entkräftet, daß seine Gefährten ihn in einem Schlitten weiter ziehen mußten. Gegen vier Uhr Nachmittags erreichten sic das Dorf, dessen Einwohner sie mit Thränen des Erbarmens aufnahmen. Man räumte ihnen eine Hütte ein, Neidete sie dann aus und gab ihnen zu essen, jedoch mit Vorsicht und in kleinen Quantitäten. Sie verweilten bis zum 2Zsten an diesem Orte. Die herzliche Aufnahme der Indianer, die Alles für sie thaten, was sie ihnen nur an den Augen absehen konnten, ließ unsere Wanderer das auS- gestandene Ungemach bald vergessen. Die Bewohner vieler Dörfer hatten ihre Sommerwohnungen schon bezogen; an anderen Orten erwartete man mit Schrecken einen Angriff der Kpltschan'S. Endlich am IS. April erreichten Glasunoff und seine Gefährten das Fort Michailoff; allein ihre Augen und Füße blieben noch lange geschwollen. Ihre Abwesenheit hatte in Allem 104 Tage gedauert. Nach Glasunoffs Berechnung hatten sie in dieser Zeit eine Strecke von 2080 Werst (ungefähr 297 Deutsche Meilen) zurückgelegt. (N. L. <!. V.) England. London im Jahre 1840. UI. Die Aerzte und ihre Praxis. Im Auslände macht man sich eine sehr unvollkommene Vor stellung von der ärztlichen Praxis in England. Auf dem Kontinente vertrauen wir unsere Gesundheit nur zwei Männern an: dem Arzt oder Chirurgen und dem Apotheker. Ihre Amtsgeschästc sind ganz verschieden, und keiner denkt daran, sie vereint auSzuüben. In Eng land aber hat man erstens den Doktor, dann den Phpsician, der keinen Ehrentitel hat, den Turgeon (LhirurguS), den Chemiker und endlich den Apotheker. Der Doktor und der Phpsician besuchen die Patienten und schicken nach der Heilung derselben ihre Rechnungen ein. Der ge wöhnliche Preis eines Besuchs ist eine Guinee; die meisten Aerzte jedoch richten gewöhnlich ihre Rechnung nach den Vermögens-Um ständen der Patienten ein und sind in ihrer Behandlung eben so sorgfältig und uneigennützig, als die Deutschen und Französischen Aerzte. Der Turgeon, der unserem ChirurguS nicht ganz ent spricht, und der Chemiker besitzen ein Laboratorium; sie machen ihre Besuche unentgeltlich, untersuchen den Zustand des Kranken und schicken dann Heilmittel von ihrer eigenen Composition. Der Apotheker verkauft nur Heilmittel und darf keine Besuche machen. Man begreift leicht, daß unter solchen Umständen Mißbräuche nicht zu vermeiden sind; di» Zahl der selbst diSpensirenden Mediziner ist unbegränzt; es ist buchstäblich wahr, daß es kein Gäßchen in London giebt, wo man nicht mehrere antrifft. Die Menge der Heil mittel, welche sie schicken, um damit zugleich ihre Besuche bezahlt zu machen, ist wahrhaft entsetzlich. Ich würde fürchten, Vie Gränzen der Wahrscheinlichkeit zu überschreiten, wenn mir nicht das Folgende von einem Englischen Arzte mitgetheilt wäre. Der Doktor Ure sagte mir hierüber: „Das Parlament hat eine strenge Untersuchung über diesen Gegenstand anbesohlcn, und man hat folgendes Resultat ge sunden: 1) daß die meisten Pharmaceuten nicht genug Kenntnisse be sitzen, um irgend eine etwas schwierige Krankheit zu beurtheilen und zu behandeln; 2) daß die Menge der Heilmittel, die den Patienten von den pharmaceutischen Aerzten aufgedrungen wird, um das Doppelte und Dreifache das Bedürfniß übersteigt; 3) daß die angewandten Heil mittel gewöhnlich von einer sehr untergeordneten Qualität und oft ganz und gar verdorben sind. Man begreift leicht, daß aus der An wendung solcher Mittel nichts Gutes hervorgehen kann. Ich kenne Fälle, wo ein gewissenhafter Arzt zwei Monate gebraucht hat, um den Einfluß dieser schlechten Heilmittel in dem Patienten wieder zu zerstören. Viele reiche Leute schenken ihr ganzes Vertrauen den Pharmaceuten und geben ihnen die Gesundheit ihrer Kinder preis, und ich könnte Fälle anführen, wo die Ausgabe für Medikamente, bei 4 bis S Kin dern, während dreier Monate sich bis auf S2 Pfd. Sterl, belief; und die längste Krankheit hatte nur drei Tage gedauert! Dies scheint unglaub-